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Sicherheitsrisiken einschätzen und Gewaltverbrechen verhindern

Leitsätze und praktische Schritte

II. Leitsätze

2. Sicherheitsrisiken einschätzen und Gewaltverbrechen verhindern

Eine gute Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und jüdischen Gemeinden ist von großer Bedeutung für die Beurteilung der Sicherheitslage und die Prävention von Gewaltverbrechen. Im Zentrum dieser Kooperation kann neben dem Informationsaustausch über potenzielle Bedrohungen auch die Arbeit an langfristi-gen Sicherheitsstrategien stehen. Fest etablierte Kommunikationswege zwischen der betroffenen Gemeinschaft und staatlichen Akteuren können sich zudem in Notfällen als lebenswichtig erweisen.

Wenn staatliche Akteure das Gespräch mit jüdischen Gemeinden suchen, kann ihnen das dabei helfen ihre Risikobewertungen und damit den Schutz der Gemeinden zu ver-bessern und ihre diesbezüglichen Prioritäten zu definieren. Die jüdischen Gemeinden wiederum profitieren insofern vom Informationsaustausch mit den Sicherheitsbehör-den, als dies sie dabei unterstützen kann, adäquate Schritte zur Prävention von Verbre-chen zu ergreifen.

53 Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), Allgemeine Politische Empfehlung Nr. 9, „Bekämpfung des Antisemitismus“, 25. Juni 2004, <http://hudoc.ecri.coe.int/eng#{"ECRIDocumentTy-pe":["REC"],"ECRIIdentifier":["REC-09-2004-037-DEU"]}>.

Empfehlung:

Regierungen sollten erwägen, mit jüdischen Gemeinden ins Gespräch über Sicherheitsfragen zu kommen und im Rahmen eines kooperativen Prozes-ses gemeinsame Strategien zur Prävention von Gewaltverbrechen und zum Schutz jüdischer Gemeinden zu entwickeln.

Beispiel aus der Praxis:

Die britische Regierung und Polizei haben in enger Zusammenarbeit mit der Sicherheitsstiftung der Jüdischen Gemeinde diverse Strategien zur gemein-samen Bekämpfung des Antisemitismus entwickelt.

Im April 2016 unterzeichnete die CST eine Vereinbarung zum Informations-austausch mit dem Rat des Polizeipräsidenten, mit dem Ziel, Informationen über antisemitische Zwischenfälle und Verbrechen, die gemeldet und regist-riert wurden, auszutauschen. Die CST ist außerdem Mitglied der Interministe-riellen Arbeitsgruppe zum Antisemitismus, die Vertreter der entsprechenden Regierungsstellen und jüdische Einrichtungen zusammenbringt. Zudem verwaltet die Stiftung staatliche Beihilfen, die für Sicherheitsmaßnahmen an jüdischen Schulen bereitgestellt worden sind.

Polizei und CST tauschen sich auch über ihre jeweiligen Bewertungen der Bedrohungslage aus und pflegen ihre Zusammenarbeit durch gemeinsame Streifengänge, Trainings, Untersuchungen antisemitischer Hassdelikte und regelmäßige Beratungen.

Vom Aufbau von formellen Institutionen oder informellen Plattformen, auf denen die Vertreter jüdischer Gemeinden regelmäßig ihre Anliegen und Sorgen im Bereich Sicherheit vortragen können, profitieren folglich sowohl die Betroffenen als auch die Sicherheitsbehörden. Die Etablierung derartiger Mechanismen ist ein Weg, auf die Umsetzung staatlicher Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte von Jüdinnen und Juden hinzuarbeiten, ermöglichen derartige Fora doch einen unmittelbaren Aus-tausch darüber wie Schulen und Synagogen besser geschützt werden können und wel-che Schritte eingeleitet werden können, um Übergriffe an anderen potenzielle Zielen zu verhindern.

Es gibt verschiedene praktische Schritte, die den Informationsfluss zwischen staatli-chen Behörden und jüdisstaatli-chen Gemeinden zu Sicherheitsfragen sicherstellen können:

• die verfügbaren Daten über Hassdelikte auswerten, um Muster von Straftaten und Brennpunkte für Übergriffe zu identifizieren;

• jüdische Gemeinden nach greifbaren Spannungen befragen, um möglichen antise-mitischen Straftaten zuvorzukommen;

• einen Verbindungsbeamten für die jüdische Gemeinschaft in allen in Frage kom-menden Polizeikräften und Sicherheitsdiensten einsetzen;

• die jüdische Gemeinde informieren, wann immer eine spezifische Bedrohung iden-tifiziert wurde und die Bedrohungsstufe sich verändert hat,

• in den Dialog mit Organisationen der jüdischen Gemeinde treten, um sicherzustel-len, dass die von staatlicher Seite getroffenen Sicherheitsmaßnahmen Sinn machen und durch den Austausch mit den Betroffenen verbessert werden können;

• eine Analyse der Sicherheitslage unterschiedlicher Einrichtungen der jüdischen Gemeinschaft erstellen und diese, sofern nötig, regelmäßig überprüfen und als Grundlage für den polizeilichen Schutz dieser Einrichtungen verwenden.

Auch bei der Entwicklung von Polizeistrategien sowie beim Erkennen von Problemen und potenziellen Bedrohungen können Regierungsbeamte das Gespräch mit den örtli-chen jüdisörtli-chen Gemeinden und mit zivilgesellschaftliörtli-chen Organisationen suörtli-chen und gemeinsam erörtern, in welchen Zusammenhängen mit antisemitischen Übergriffen gerechnet werden kann. Das darf aber nicht zu dem Schluss führen, dass solche Über-griffe zwangsläufig an die so ermittelten Zusammenhänge gekoppelt sind.

Die Polizei sollte mit der örtlichen jüdischen Gemeinde und deren Sicherheitspersonal zusammenarbeiten, um sie zu beraten und bei der Implementierung angemessener, prä-ventiver Sicherheitsmaßnahmen zu unterstützen, die der ermittelten Bedrohungslage entsprechen. Unter anderem ist sicherzustellen, dass:

• Gebäude der Gemeinde (Synagogen, Schulen oder Verwaltungsgebäude) vor jeder Verwendung durchsucht werden;

• jüdische Schulen und Synagogen eine sichtbare Sicherheitspräsenz im Außenbereich haben, wann immer sie genutzt werden;

• das Sicherheitspersonal der Gemeinde und die Polizei stets wachsam gegenüber ver-dächtigen Einzelpersonen, Objekten und Aktivitäten im Umkreis von Gebäuden der Gemeinde sind;

• der Zugang zu Parkplätzen kontrolliert und nur zugelassenen Fahrzeugen gewährt wird – bei Nichtbenutzung sollte der Parkplatz abgeschlossen sein;

• alle Außentüren der zu schützenden Gebäude geschlossen und gegen unzulässigen Zutritt gesichert sind, wobei ein leichter Zugang für den Fall einer Notfall-Evakuie-rung gegeben sein muss;

• Innentüren geschlossen und gegen unzulässigen Zutritt gesichert sind, wobei ein leichter Zugang für den Fall einer Notfall-Evakuierung gegeben sein muss;

• Angestellte und Besucher davon abgehalten werden, sich im Außenbereich von Gebäuden der Gemeinde zu versammeln – Besucher und Teilnehmer sollten viel-mehr aufgefordert werden, sich so schnell wie möglich zu zerstreuen;

• alle Fenster und Türen sicher verschlossen sind, was beispielsweise durch Schließri-tuale erreicht werden kann;

• die vorhandene Sicherheitsausrüstung – Alarmanlagen, Außenbeleuchtung und Überwachungskameras – regelmäßig gewartet wird, die Linsen der Kameras sauber sind und Überwachungsvideos tatsächlich aufgezeichnet werden;

• die Überwachungskameras kontrolliert werden, wenn das Gebäude verwendet wird sowie

• Post und Lieferdienste sorgfältig überprüft werden, bevor ihnen geöffnet wird – zum Beispiel durch Verwendung von Röntgengeräten oder Metalldetektoren.