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Die Kennzeichen antisemitischer Hassverbrechen

Ein tätlicher Angriff auf eine jüdische Person kann vielerlei Hintergründe haben. Jüdi-sche MenJüdi-schen sind vor allem deshalb verwundbar, weil bestimmte kulturelle oder gesellschaftliche Faktoren sie als Juden erkennbar machen. Dazu zählen:

• das Tragen religiöser Kleidung wie etwa einer Kippa (Kopfbedeckung),

• das Tragen eines jüdischen Symbols wie dem Davidstern,

• die öffentliche Bekanntheit von Repräsentanten jüdischer oder israelischer Organisationen,

• aber auch die räumliche Nähe zu einer Synagoge, einem Gebäude der jüdischen Gemeinde, einer jüdischen Schule, einem koscheren Lebensmittelladen oder einem Restaurant,

• die Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung mit einem jüdischen Bezug,

• das Feiern eines jüdischen Feiertages,

• die Verwendung der hebräischen Sprache in der Öffentlichkeit,

• die offene Identifikation mit Israel,

• das Anbringen einer Mesusa21 an der Eingangstür zum Wohnhaus oder einem Geschäft,

• der Besuch touristischer Orte, die von besonderer Bedeutung für die jüdische Gemeinschaft sind.

Antisemitische Verbrechen zielen auch auf Menschen ab, von denen fälschlicherwei-se angenommen wird, sie fälschlicherwei-seien Juden – etwa, weil sie in einem koscheren Supermarkt einkaufen, eine jüdische Einrichtung besuchen oder Freundschaften und andere sozia-le Beziehungen zu Juden unterhalten. Antisemitische Übergriffe können sich zudem gegen Aktivisten oder Experten richten, die gegen den Antisemitismus kämpfen, sich für das Gedenken an den Holocaust einsetzen oder mit jüdischer Geschichte und Kul-tur beschäftigen, ohne selbst jüdisch zu sein.

Das Spektrum der antisemitischen Hassverbrechen ist sehr breit. Es reicht von öffent-lichkeitswirksamen Übergriffen bis hin zu kleineren Straftaten, die eskalieren kön-nen, wenn nicht rechtzeitig gegen sie vorgegangen wird. Basierend auf dem jährlichen BDIMR-Bericht über Hassdelikte wird im Folgenden die Bandbreite antisemitischer Hassdelikte im Gebiet der OSZE anhand einiger zentraler Merkmale dieser Straftaten beschrieben.

Mord

In den vergangenen Jahren wurden Menschen bei antisemitischen Gewaltverbrechen im OSZE-Raum getötet, zum Beispiel in:

• Toulouse: Am 19. März 2012 wurden drei Kinder sowie der Vater eines der Kinder vor einer jüdischen Schule durch Schüsse getötet.

• Burgas: Am 18. Juli 2012 zündete ein Selbstmordattentäter eine Bombe in einem Bus am Flughafen Burgas in Bulgarien, wodurch sieben israelische Staatsbürger getötet und zweiunddreißig weitere verletzt wurden.

• Overland Park, Kansas: Am 13. April 2014 wurden hier drei Menschen in einem jüdischen Gemeindezentrum getötet.

• Brüssel: Am 24. Mai 2014 erschoss ein Attentäter vier Menschen im Jüdischen Museum.

• Paris: Am 9. Januar 2015 wurden 29 Menschen in einem koscheren Lebensmittelge-schäft als Geiseln gefangen gehalten, vier von ihnen wurden getötet.

21 Eine Mesusa ist ein Stück Pergament mit eingeschriebenen hebräischen Versen aus der Tora, welches an einem Türpfosten befestigt wird.

• Kopenhagen: Am 15. Februar 2015 kam ein Sicherheitsbeamter bei einem Angriff auf die Synagoge ums Leben, zwei Polizisten wurden verletzt.

Andere gewaltsame Übergriffe

Gewaltsame antisemitische Straftaten fanden in vielen OSZE-Teilnehmerstaaten statt.

Teil dieser tätlichen Angriffe war

• die Verwendung von Waffen wie Schusswaffen, Sprengkörpern, Messern und Baseball-Schlägern;

• der Versuch, Opfer mit einem Fahrzeug zu überfahren;

• die Verletzung des Opfers durch Schläge sowie durch

• Grapschen, Stoßen, Ohrfeigen, Spucken und ähnliche Handlungen.

Gewaltsame antisemitische Übergriffe können gravierende physische und psychische Verletzungen nach sich ziehen: die Opfer müssen nach der Tat eventuell in ein Kran-kenhaus gebracht werden und sich einer medizinischen Behandlung oder einer Psycho-therapie unterziehen.

Bedrohungen

Auf der „Berlin+10-Konferenz“ äußerten die Teilnehmer tiefe Besorgnis über Drohun-gen, mit denen jüdische Personen und Einrichtungen konfrontiert werden.22 Antise-mitische Drohungen richten sich gegen Individuen, etwa gegen öffentlich exponierte führende Repräsentanten der jüdischen Gemeinschaft, aber auch gegen jüdische Ein-richtungen sowie gegen Geschäfte, die jüdischen Eigentümern gehören. Dazu zählen auch Todes- und Bombendrohungen. Diese können per Brief, E-Mail oder über die sozialen Medien sowie persönlich, am Telefon, durch Schmierereien an den Wänden jüdischer Einrichtungen oder auf andere Weise kommuniziert werden. Antisemitische Sprüche und Symbole sind oftmals ebenso Bestandteil dieser Drohungen wie Bezüge zum Holocaust (zum Beispiel der Ausspruch „Juden in die Gaskammern!“). Verweise auf den Holocaust, den Inbegriff antisemitischer Gewalt und Zerstörung, dienen den Tätern antisemitischer Hassdelikte dabei als besonders bedrohliche Form der Drohung.

Antisemitische Drohungen können auch durch die gezielte Verwendung und Platzie-rung bestimmter Gegenstände ausgedrückt werden, zum Beispiel durch

• einen Schweinekopf, der vor dem Sacheigentum einer jüdischen Person oder Ein-richtung abgelegt wird oder durch

• Rattengift, das per Post an eine jüdische Person oder Einrichtung gesendet wird.

22 Konklusion des Schweizer Vorsitzes der OSZE, op. cit., note 8.

Übergriffe gegen Sacheigentum

Jeder Fall, in dem antisemitische Sprüche oder Symbole dazu verwendet werden, Zer-störung oder Vandalismus an Sacheigentum zu begehen, kann als antisemitischer Vor-fall gewertet werden, egal ob das betreffende Sacheigentum mit der jüdischen Gemein-de, einer jüdischen Einrichtung oder Person in Verbindung steht oder nicht.

Häufige Ziele bei Übergriffen auf Sacheigentum sind:

• Synagogen,

• jüdische Schulen und Kitas,

• jüdische Wohlfahrtseinrichtungen wie Krankenhäuser und Altersheime,

• jüdische Friedhöfe,

• jüdische Kulturzentren oder Forschungseinrichtungen,

• koschere Lebensmittelläden, Restaurants und andere von Juden geführte Geschäfte,

• Gedenkstätten wie:

◆ Schauplätze des Holocaust wie ehemalige Konzentrationslager oder Tötungsstätten,

◆ Holocaust-Gedenkstätten und Gedenktafeln sowie

◆ Denkmäler, die zur Ehrung von Menschen errichtet wurden, die Juden während des Holocaust retteten oder sich vor oder nach dem Holocaust um die jüdische Geschichte oder Kultur verdient gemacht haben,

• öffentlich aufgestellte Menorot (Leuchter) und

• Privathäuser und Autos von jüdischen Einzelpersonen.

Wie auch im Falle von Übergriffen gegen Menschen können antisemitische Übergrif-fe gegen Sacheigentum auch aus dem Grund erfolgen, dass der Gegenstand oder das Gebäude als etwas wahrgenommen wird, das mit Israel in Verbindung steht.

Antisemitische Übergriffe gegen Sacheigentum umfassen:

• Brandstiftung,

• das Werfen von explosiven Gegenständen wie Molotowcocktails,

• das Werfen von Steinen durch Fenster,

• das Beschmieren von Wänden, Türen oder Gräbern,

• die Beschädigung von Menorot, Synagogen, Pilgerstätten oder Massengräbern aus der Zeit des Holocaust,

• das Umwerfen von Grabsteinen oder andere Formen der Sachbeschädigung auf jüdi-schen Friedhöfen sowie

• das Einritzen von Hakenkreuzen.

Das Wort „Jude“ ist grundsätzlich neutral. In bestimmten Kontexten kann es jedoch als beleidigender Titel verwendet und eingesetzt werden, um Menschen zu diffamieren.

Dies trifft besonders im Zusammenhang mit Straftaten zu.