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Von Nancy Garrick

Mein Team verschnauft ein paar Stunden an diesem schönen See und in den sich un-garisch gebenden Restaurants am Ufer. Wir haben alles abgesucht und abgefragt – die Polizei mit etwas Verspätung auch. Den Film seiner Flucht kann ich so beschreiben:

Die Luftaufklärung und die Streifenwagen meldeten nach sechs Stunden: Keine Spur von Higgins. Dann, nach fast sieben Stunden, rief ein Dorfpolizist an: „Hier soll eben ein verstaubter blauer Audi mit einem Affenzahn durchgesaust sein, Richtung Mörbisch.“

Ein bedrohter Ameisenhaufen ist ein Klacks gegen die Hectivity, die dann losbrach. Die Streifenwagen kämpften sich durch die bald verstopften Straßen, zwei Hubschrauber kreisten über das vermutete Zielgebiet; ihre Piloten fluchten über die Strom- und Te-lefonmasten an der Straße – und das alles für nichts und wieder nichts.

In den Nachrichten brachten sie, dass ein italienisches TV-Team die flotte Abfahrt eines blauen Audi vom Polizeistandort nachgestellt hatte – die Fahrerin trug ein buntwehen-des Kopftuch und ein Mann mit blonder Kurzperücke, der dem flüchtigen Mörder glei-chen sollte, stürzte ins Auto.

Das Team war clever, aber zu flüchtig: das Lenkrad ihres Audi war links, nicht wie das in dem für Linksfahrer reservierten Wagen. Shit happens.

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Wir vier hatten den verdreckten blauen Audi längst gefunden.

Er gehört einem Landarzt, der auf der Rückfahrt von Eisenstadt dringend zu einer Hoch-schwangeren gerufen wurde. Deshalb das Tempo. Als wir mit seiner Frau sprachen, war er schon zu der Patientin unterwegs. „Nicht mal mehr als einen Happen hat er ge-gessen, der Oberdepp.“

„Warum nennen Sie den pflichtbewussten Arzt so; seine Eile war eine gute Absicht.“

„Sie haben gut reden, junge Frau, aber ich muss damit leben, dass er sich kaputt macht mit dieser Hetze. Die Kinder sind noch so klein, und er hat schon einen Schrittmacher…“

Unser Fotograf war mit Mulligan draußen geblieben, Susan und ich bekamen noch je ein Glas Wasser. Die zwei draußen kriegten auch eine Kühlung. Susan fragte die Arzt-frau scheinbar beiläufig: „Ihr Mann muss sicher oft auch nach Wien fahren…“ War auch ein Flop:

„Nach Wien? Da fährt man doch nicht freiwillig hin. Wir sind beide keine Stadtmen-schen. Und Konzerte und Theater haben wir hier. Er schläft ja doch meistens dabei ein.“

Und dann interessierte sich die gute Frau doch für uns und was wir hier machten. Ob wir noch zum See wollten? Wie lange wir bleiben könnten und den „Goldenen Anker“

in Mörbisch dürften wir nicht auslassen. „Da gehen wir auch manchmal essen.“

Mein Handy schellte. Ich ahnte es schon, es war Higgins: „Hallo, Mira, ich habe vor Stunden schon bei dir angerufen…“

„Wo bist du. Jul, wir suchen dich überall.“

„Aber du kennst doch unser Hotel. Muriel und ich machen uns ein schönes Wochen-ende – du weißt, dass ich jede Menge nachzuholen habe und dafür ist diese Amtsperson erstaunlich gut geeignet. Seltsamerweise hat sie Spaß an der Sache und kann mich im-mer wieder scharf machen…“

„Wart ihr im Wasser, Jul?“

„Woher weißt du das? Wir waren tatsächlich baden. Etwas außerhalb, das ist es aber wert, das schöne Freibad im Schönbrunner Park. Hat uns gutgetan – ja, wir hätten uns abmelden müssen. Aber wenn wir um Erlaubnis gebeten hätten, du kannst dir ja den-ken, was sie gesagt hätten. Muriel hat es auf ihre Kappe genommen. Sie ist wirklich eine erstaunliche Frau. Wir machen fantastische Experimente…“

„Wird die Frau dir gefährlich, Jul?

„Du weißt, dass Gefahren mich nicht bange machen. Sie blutet übrigens grade“.

„Jul, was hast du gemacht! Muss man dich in Ketten legen?“

„Das werden sie noch ein bisschen aufschieben müssen. Muriel lächelt schon wieder.

Sie hat sich an meinem Schneidezahn geritzt; muss ich mal abschleifen lassen, ist schließlich schon anderen Frauen passiert.

„Jul, wir brauchen wieder ein Bild von dir; geht es Montag wieder los mit dem Semi-nar?“

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„Ja, wir starten um halb neun mit einem Armeehubschrauber, ich weiß noch nicht, wo-hin. Nur, dass sie einen Polizeihund mitnehmen, der soll vielleicht auf mich aufpassen.

Ich werde mir ein paar Scheiben Schinken vom Frühstück einstecken, dann wird er mich mögen. Bis später mal. Bye.“

*

Das Seminar mit Higgins wurde verschoben. Sie haben ihn stundenlang verhört. Daran war sicher auch die Story mit dem Leihwagen schuld. Die Polizei hat den Verleiher auf-gespürt. Ein englisches Paar hat ihn für 16 Tage gemietet und alle Papiere willig kopie-ren lassen. Der Mann sei gefahkopie-ren. Welche Haarfarbe er hatte?

„Gar keine: er war kahl rasiert.“

„Und was für einen Wagen hat er genommen?“

„Den silbergrauen Ford Galaxy; brauchen Sie das Kennzeichen?“

Julian bat mich zu fragen, wohin die beiden gefahren sind. Ich habe den Verleiher nach zwei Stunden gefunden, es gab ja nur gefühlt sechzig. Der Mann sagte mir: „Die Englän-der wollten an den Neusiedler See. Zum Baden. Ich habe ihnen eine Fahrtroute nach Mör-bisch ausgedruckt.“

Haben Sie die Geschichte begriffen? Ich nicht. Mein Liebster sagte mir spät abends am Telefon: „Schatz, wir müssen doch nicht alles verstehen. Manches bleibt vielleicht bes-ser im Dunkeln.“

Ob das noch lange gut geht mit uns beiden? Marc kann so was allen möglichen Frauen sagen, aber doch keiner Journalistin, die sich noch eine unbegrenzte Menge vorgenom-men hat…

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