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Alles ok mit Jugendschutz?

Mein Freund Maynard hat mich am Freitag übers Wochenende besucht. Wir haben uns ewig lange nicht mehr getroffen. In seinem Job muss er fast ständig unterwegs sein.

Der Arme muss auch oft die Sprache wechseln, wenn auch nur in ein paar Textbaustei-nen: Französisch, Deutsch, Niederländisch, Russisch, Spanisch und Mandarin.

Meistens lebt er nur zwei Tage in den Städten; er hat die 5-Sterne-Hotels satt und mie-tet sich lieber bescheidener ein – obwohl die Reisekosten komplett auf Firmenkosten gehen.

Neben allerlei Unwichtigem sprachen wir auch über Frauen.

„Frauen“, sagte er, „lerne ich kaum richtig kennen – wenn sie mir nicht als Verhand-lungspartnerinnen zugeteilt werden.“

„Bei denen erwacht dann dein Jagdinstinkt?“

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„Kannst du vergessen. Ist mir selten passiert; sie schicken mir durchweg knallharte und unattraktive Partnerinnen. Bei denen gehört die Bett-Strategie zwar auch zur Palette der Möglichkeiten, das ist aber so gut wie nie der Weg zum Paradies.“

Ich sah es als Freundschaftsdienst an, ihn auf fröhlichere Gedanken zu bringen. Er ließ sich gern Neues bieten, hatte aber eine seltene Bedingung:

„Bitte auf keinen Fall irgendeinen Alkohol. Hat mich zu oft reingelegt.“

Ich kenne nun aber keine Milchstuben, in denen abenteuerlustige Arzthelferinnen und Aushilfsbriefträgerinnen herumstehen.

Wir gingen also in den „Midnight Moon“, einen angesagten teuren Tanzschuppen mit einigen Attraktionen, die nicht auf der Preisliste stehen. Hier wurde extrem gequalmt – und nicht nur das Übliche. Wir sahen uns suchend nach Traumfrauen um. Die Sicht war im Kunstnebel schlecht. Vielleicht waren wir auch zu wählerisch.

Ein verschwitzter Kahlkopf, der sich als Manager vorstellte, bat uns in sein Büro und servierte uns Selters und Tequila. Er machte sich Sorgen: „Ist doch alles in Ordnung mit Jugendschutz, Gentlemen?“ fragte er lauernd.

Ich war sprachlos, Maynard reagierte gewandt und verzog sein Gesicht dramatisch:

„Sie wissen doch, dass es hier zum Himmel stinkt und dass eine größere Razzia fällig ist.

Wir müssen Verstärkung anfordern.“

Der Manager sprang auf: „Um Gottes Willen, das können wir doch anders regeln. Ich hätte da einen exquisiten Vorschlag, Gentlemen, Ihnen werden die Augen übergehn…“

Jetzt fand ich es an der Zeit, nachzuhaken: „Machen Sie uns schnell mit den Damen be-kannt; wir haben nicht ewig Zeit.“

Heiliger Haifisch: Das hat sich gelohnt.

Wir zogen mit fünf aufgedrehten und uns herzlich anmachenden Jungfrauen in zwei an-dere Lokale; im ersten gefiel uns die Musik nicht, im nächsten auch nicht, aber es wurde am Rande anregend getanzt.

Beim Tanzen wurden nur uralte Schmachtfetzen abgespielt, die Älteren sangen sie mit;

es wurde auf Teufel komm raus geschmust und man kam sich menschlich erfreulich nahe.

Eine unserer Damen ging uns an einen anderen Interessenten verloren.

Wir wollten in die nächste Hütte umziehen, kamen aber nicht am Hotel „Ambas-sador“ vorbei, weil eine ziemlich fortgeschrittene größere Hochzeitsgesellschaft eine ausgelassene Polonäse auf der Straße drehte und Vorbeikommende in die lustige Kette einband. Wir ließen uns das gefallen.

Danach tanzten wir mit allen im Festsaal weiter.

Ich sah den stocknüchternen Maynard und eine Begleiterin flüchtig vorbeischweben, konnte ihnen aber nichts zurufen, weil ich gerade die herrlich beschwipste Braut im Arm hielt und mich an ihrem Parfüm sättigte, besonders erregend an ihrem Hals, das in Berauschendes überging.

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Sie umarmte mich und sagte „Willy“ zu mir, sie fände es umwerfend, dass ich extra aus Toulouse rübergeflogen sei. Sie wüsste eine Belohnung für mich.

Sie müsse sowieso mal eben nach oben in die Hochzeits-Suite, Schuhe wechseln. Ob ich sie netterweise kurz begleiten würde, barfuß fühle sie sich unsicher.

Wir fuhren nach oben. Keiner kümmerte sich um uns und wie ich sie umarmt hielt. Ich sah keine Flurkameras.

„Habe ich dich immer Schneewittchen genannt?“, improvisierte ich, weil ich sie ja ir-gendwie anreden wollte.

„Weißt du das wirklich nicht mehr, Willy-Schatz? Hilf mir, das Spitzenkleid loszuwer-den.“

Wir befreiten sie aus ihrem Brautgewand; sie streifte noch eine Kleinigkeit ab und ging duschen: „Bin gleich wieder da, Willy, warte so lange.“

Die Tür zum Bad ließ sie weit offen. Ich rauchte eine Zigarette und sah ihr gedanken-verloren zu. Es rauschte und dampfte…

Ich ließ mich unwillkürlich stolpernd in einen Sessel fallen, als mit einem Ruck die Zim-mertür aufgeschlossen wurde. Der festlich gewandete Bräutigam kam mit einer schwankenden Frau im Arm herein. Vorsicht: Drama!

Die Brautleute nahmen Witterung auf; die patschnasse Braut stürzte aus dem Bad her-aus und schien anzunehmen, dass die beiden nicht zum Schuhe-Wechseln hergekom-men waren. Wir ja auch nicht. Das vermuteten sie auch gleich.

Es entspann sich ein lautstarkes, bühnenreifes Geschrei, das in Handgreif lichkeiten überging und mir eine gute Gelegenheit gab, mich unbemerkt davonzumachen.

Ich hatte den Eindruck, dass die drei sich kannten. Das wird auch die Polizei interessiert haben. Ich habe draußen aus sicherer Distanz beobachtet, dass sie in einer Dreiviertel-stunde kamen; die Feuerwehr war etwas früher da, doch die Sanitäter kamen mit einer leeren Bahre zurück.

In der Wochenendzeitung erfuhr ich, dass die Kriminalpolizei alle Hochzeits gäste stun-denlang befragt hat. War es eine ungewöhnliche Gesundheitsstörung oder mehr? Für eine Obduktion der Schwester der Ehefrau sah man keinen Anlass; ihre Angehörigen wa-ren auch dagegen.

Der völlig verstörte Ehemann kam erst mal in Untersuchungshaft; in seinen Armen war die Frau immerhin gestorben.

Ich überlegte: Nach einiger Zeit wird er sich an einen Mann in der Hochzeits- Suite erin-nern, wenn auch nur schemenhaft. Die Ehefrau wird man mehrfach nach „Willy“ aus-fragen und eine Beschreibung aus ihr herauslocken.

Sie könnte sich an den starken Schnurrbart erinnern – „rötlich mit ein bisschen Silber an den Zipfeln. Und sein Aftershave roch irgendwie nach Weihrauch. Ob man auch in Toulouse nachfragen sollte?

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Die ersten Phantombilder könnten eher einen jungen Bischof in Zivil oder einen Minis-ter unserer Regierung zeigen. Aber auf Hochzeiten wird viel fotografiert. Auf meine Tar-nung werden Profis nicht hereinfallen. Ich verschwinde lieber.

*

Ich wollte schon lange meine Halbschwester June, ihren dritten Ehemann und ihre Hundezucht in Queenstown besuchen.

Ich könnte mich da unten als „fast blinder“ Masseur durchschlagen, notfalls ohne Arbeitserlaubnis und durch Mundpropaganda empfohlen. In Neuseeland soll es jetzt verdammt heiß sein. Aber warum sollte mich ausgerechnet die Hitze dort umbringen?

Wie komme ich jetzt an einen vorzeigbaren Reisepass und langt mein Kontostand für das billigste Flugticket?

Ich trinke erst mal bei der Heilsarmee einen Tee und esse dazu eines ihrer drögen Käse-Schnittchen… Mir wird schon was einfallen.