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Rosa Adolfine Katharina Obermayer wurde am 30. November 1858 als Tochter eines wohl-habenden und gutbürgerlichen Inhabers eines bekannten Wiener Winterbierhauses, Franz Obermayer, und seiner weit jüngeren zweiten Ehefrau Maria Engel geboren. Sie wuchs mit zwölf (darunter Halb-)Geschwistern auf.Wie Suttner erhielt sie Privatunterricht, wobei sie sich besonders im Malen, in der Musik und der französischen Sprache hervortat. Im Alter von 23 Jahren heiratete sie den jungen Architekten Karl Mayreder. Ungefähr ein Jahrzehnt danach erlangte sie im Gefolge des Todes ihres Vaters im Jahre 1893 finanzielle Unabhängigkeit.14

Rosa Mayreder begann ungefähr zur selben Zeit wie Suttner (in den 1890er Jahren), sich politisch zu engagieren, indem sie den Allgemeinen Österreichischen Frauenverein mitbe-gründete, dessen Leitspruch „Durch Erkenntnis zu Freiheit und Glück“ lautete. Wenig spä-ter wurde sie auch Mitherausgeberin der kurzlebigen, aber vielbeachteten Vereinszeitschrift Dokumente der Frauen (Mayreder von März bis Dezember 1899). Um diese Zeit startete sie auch eine Kampagne gegen die Reglementierung der Prostitution in Österreich. 1905 veröf-fentlichte sie das bereits erwähnte Buch Zur Kritik der Weiblichkeit, das auf ungewöhnlich breites Echo stoßen sollte und heute als Klassiker der feministischen Sozialpsychologie gilt.

Der Erste Weltkrieg veranlasste Mayreder, einige ihrer bisherigen Auffassungen wesentlich zu überdenken, was in einem 1915 in der Schweiz veröffentlichten Artikel mit dem Titel Die Frau und der Krieg seinen Niederschlag fand. Sie schrieb darin: „Niemand kann vor den Gräueln des Krieges die Augen schließen und dem organisierten Massenmord, zu dem durch die Mittel der modernen Technik der Krieg obendrein entartet ist, das Wort reden.“15 Auch wenn sie am historischen Ersten Internationalen Frauenkongress, der im April 1915 in Den Haag abgehalten wurde (und korrekter als erster internationaler „Frauenfriedenskongress“

zu bezeichnen wäre), nicht teilnahm, so brachte sie doch ihre Unterstützung für ihn sehr entschieden zum Ausdruck.16 Vor einer großen Versammlung von am Kongress interessierten Wiener Frauen – die symbolträchtig am 18. Mai 1915, dem 15. Jahrestag der Eröffnung des Internationalen Friedenskongresses in Den Haag organisiert wurde – beendete Mayreder ihre Begrüßungsansprache (Der Haager Frauenkongress im Lichte der Frauenbewegung17) mit dem auf lebhaften Beifall stoßenden Satz: „Das Wort ‚Wer den Frieden will, bereite den Krieg vor‘

möge sich bald umändern in: ‚Wer den Krieg nicht will, der bereite den Frieden vor.‘“18 Als Vorsitzende der nach dem Krieg gegründeten österreichischen Sektion der IFFF beteiligte sich Mayreder fast durchwegs an ihren Zusammenkünften und Aktionen, wie sie etwa auch zahlreiche Artikel für die Publikationen der Frauenfriedensbewegung verfasste. Sie starb am 19. Jänner 1938.

Kriegsgegnerinnen

In der Entwicklung ihres Denkens über Krieg, Frieden und die menschliche Natur wurden so-wohl Suttner als auch Mayreder stark von Immanuel Kants Abhandlung Zum ewigen Frieden inspiriert, in der dieser argumentierte, dass ein Zustand des Friedens dreierlei erfordere: 1.

individuelle Freiheiten, 2. Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz und 3. eine auf Selbstverwaltung beruhende bzw. repräsentative Regierungsform.19 Auch Darwin und andere evolutionstheoretische Autoren beeinflussten ihr Denken. Beide verstanden eine Kultur des Friedens als höher entwickelte Stufe der menschlichen Evolution. Sie traten also für einen

‚Positiven Frieden‘ ein, d.h. für einen Frieden, der mehr sein muss als eine bloße Abwesenheit von Krieg – für einen Frieden, der eine soziale und politische Ordnung der Gesellschaft im-pliziert, die allgemein als gerecht anerkannt wird.20 Eine derartige Gesellschaft würde jede Vorstellung von einer angeblich naturgegebenen militaristischen Ordnung zurückweisen – wie sie zum Beispiel vom preußischen Generalfeldmarschall Helmut Graf von Moltke in einer vielzitierten Äußerung vertreten wurde: „Der ewige Friede ist ein Traum, und nicht einmal ein schöner Traum; der Krieg ist ein Element der von Gott eingesetzten Weltordnung – ohne den Krieg würde die Welt versumpfen.“21

Suttners ethischer Überzeugung zufolge war der Status quo – im Sinne des Gebots „Du sollst nicht töten“ – grundsätzlich unannehmbar. Dies kommt zum Beispiel besonders un-missverständlich in einer bereits 1895 von der deutschen Frauenrechtlerin Lina Morgenstern verfassten Proklamation zum Ausdruck, unter die (neben anderen) auch Suttner (laut eigener Angabe „selbstverständlich“) ihre Unterschrift setzte:

„Wir sind der Überzeugung, dass es nur eine Moral gibt und dass daher das fünfte Gebot, Du sollst nicht töten, durch nichts mehr entweiht und verletzt wird, als durch den Krieg. Es ist verkehrt, den einzelnen Mord zu bestrafen und den Massenmord im Kriege zu befehlen und zu belohnen. Es ist verkehrt, die christliche Liebe zu lehren und den Haß und die Leidenschaften unter den Nationen zu schüren. Wir halten es für möglich, wünschenswert und ausführ-bar, internationale Streitfragen auf friedlichem Wege durch Schiedsgerichte zu schlichten.“22

Gleichzeitig bedeuteten Suttners drei einfache Worte – „Die Waffen nieder!“ –, an denen sie hartnäckig als Titel ihres Werks festhielt, obwohl er von zahlreichen Verlagen abgelehnt wur-de23 – eine enorme (ich würde auch sagen: feministische) Herausforderung speziell gegenüber einer männlichen Bevölkerung, deren vermeintliche ‚Männlichkeit‘ oder ‚Manneskraft‘ sich unter anderem durch das Tragen von Waffen geltend machte. Sie nicht bloß zu bitten, son-dern sie praktisch im Befehlston aufzuforson-dern, ihre Waffen niederzulegen, konnte von vielen als subtile (oder zuweilen nicht einmal besonders subtile) Entmannung verstanden werden.24 Indem sie allerdings dafür eintrat, dass die Gesellschaft – was klarerweise auch implizierte:

in erster Linie ihr männlicher Teil – ihre Waffen niederlegen sollte, und dass Kinder neue, andere Arten von Helden und Heldinnen bräuchten als militärische Sieger, führte sie tatsäch-lich einen Angriff gegen ein hegemoniales männtatsäch-liches Ideal ihrer Zeit – nämtatsäch-lich gegen jenes des heldenhaften Kriegers.25 Eine ‚entwaffnete‘ Gesellschaft würde daher einen althergebrach-ten Status quo von Grund auf verändern, von dem der Militärhistoriker Martin van Creveld schreibt, dass er einer klaren Norm gefolgt war: „Wo immer der Platz des Mannes sein mag [...], auf jeden Fall gehört es zu seinen Aufgaben, die Frau zu beschützen, weil sie schwächer ist, und nötigenfalls für sie zu kämpfen.“26

Der Umstand, dass die Frau „schwächer“ sei, hatte freilich auch allzu viele Zeitgenossen zur pseudo-biologischen (bzw. biologisch-deterministischen) Auffassung verleitet, körperli-che mit geistiger ‚Schwäkörperli-che‘ gleichzusetzen. Wie Suttner bereits 1889 schrieb – allerdings unter dem Pseudonym „Jemand“ –, wurden Frauen in der Gesellschaft als „in jeder Hinsicht“

schwach stigmatisiert – „in geistiger gerade so wie in körperlicher. […] Die Frau besitzt eben-so wenig Denk- wie Muskelkraft, sie ist bedeutender geistiger Arbeitsleistung unfähig.“27

Trotz ihrer deutlichen Kritik an solchen diskriminierenden Stereotypen lehnte Bertha von Suttner einen ‚Kampf zwischen den Geschlechtern‘ entschieden ab. Die Mitgliedschaft in der von ihr mitbegründeten Vereinigung stand allen offen. Die für sie maßgeblichen Gegensätze bestanden zwischen Menschen, die für fortschrittliche Anliegen offen waren, und solchen, die den militaristischen Status quo erhalten wollten. Weniger sicher war sie sich in der Frage, ob es eine grundlegend ‚weibliche‘ und ‚männliche‘ Natur gibt und ob (oder in-wieweit) Unterschiede zwischen den Geschlechtern von der Biologie (den Hormonen oder Genitalien) oder der Sozialisation bzw. sozialen Umwelt herrühren.

Noch nachdrücklicher als Suttner sprach sich Rosa Mayreder gegen pauschale und genera-lisierende Behauptungen über ‚das Weib‘ und ‚den Mann an sich‘ aus – und betonte in die-sem Zusammenhang auch, dass die Unterschiede innerhalb der beiden Geschlechter wesent-lich ausgeprägter seien als zwischen ihnen. Im Hinblick auf die Beziehungen zwischen den Geschlechtern schloss sich Mayreder der Idee an, dass „die Merkmale der Geschlechter durch evolutionäre Anpassung zustande kämen, betrachtete diese freilich im Gegensatz zu den Darwinisten im Sinne einer Evolution zu größerer Heterogenität innerhalb der Geschlechter und größerer Homogenität zwischen ihnen.“28 Sie schien allerdings dennoch von der Annahme auszugehen, dass Sozialisation zumindest teilweise auf (unter anderem geschlechtsspezifi-schen) biologischen Eigenschaften beruhe, die unter anderem mit der Tendenz einhergehen würden, dass Frauen weichherziger, duldsamer, empathischer und friedfertiger wären – das heißt in höherem Ausmaß Eigenschaften entwickeln, die sie als optimale Voraussetzungen betrachtete, eine Schwangerschaft zu übernehmen bzw. Kinder zu gebären und aufzuziehen.29 Die tieferen Probleme des Geschlechterverhältnisses sah sie woanders: „Solange diese Art der männlichen Geschlechtsimpulse die Herrschaft führt, bleibt für die Frau als eigenberechtig-tes, dem Manne gleichgestelltes Wesen kein Raum.“30

Mayreder hatte ursprünglich darauf gesetzt, dass die Frauenbewegung die solchen Verhältnissen zugrunde liegenden starren Dogmen erschüttern und Frauen helfen würde,

sich zu befreien und zu Subjekten (oder Handelnden) der menschlichen Geschichte zu wan-deln, statt ihre passiven Objekte zu bleiben. Im Jahre 1905 schrieb sie: „Der Heroismus im Kampf gegen physische Gefahren, der die schönste Blüte der primitiven Männlichkeit ist, hat seine Wirkungssphäre zum größten Teil verloren.“31 Als Definition „neuer Maskulinität“ be-schrieb sie „die geistige, die differenzierte Art Mann, diejenige, deren Lebensinhalt die höch-ste Steigerung des geistigen Vermögens bildet.“32

In ihrem Artikel Die Frau und der Krieg klagte Mayreder den Krieg als Folge primitiver männlicher Machtkonkurrenz an: „Das Gesetz des Krieges, sein innerstes Wesen“ ist auf um-fassende Zerstörung ausgerichtet – einschließlich der des Familienlebens.33 Der Ausbruch des Krieges hatte aus ihrer Sicht aber auch ein massives Versagen der feministischen Bewegung (die den Krieg mehrheitlich befürwortete) deutlich gemacht: Der Krieg vernichte einen besonde-ren Beitrag, den Frauen der Gesellschaft leisten – das Leben ihrer Söhne –, und somit war die Frauenbewegung an der Notwendigkeit gescheitert, den Staat davon zu überzeugen, den Wert ihrer Mitwirkung zur Gesellschaft bzw. für alle anderen gebührend zu würdigen.34 Sobald es zu einem Waffenstillstand kommen würde, würden Frauen nur noch umso nachdrücklicher dazu aufgerufen, noch mehr Nachkommen in die Welt zu setzen, was die „Möglichkeit, Mutterschaft und geistige Arbeit zu vereinigen“, nur umso mehr untergraben müsse.35 Frauen würden dann nie die Zeit haben können, um sich aufzuklären bzw. zu bilden und dadurch zu gleichberechtig-ten Partnerinnen in der der Erfüllung der gesellschaftlichen Verantwortlichkeigleichberechtig-ten zu werden.36 Für Mayreder lief dies auf eine höchst entmutigende Zwickmühle hinaus – was sie auch veran-lasste, sich noch entschiedener der Friedensbewegung zuzuwenden. Wie Bertha von Suttner war auch sie davon überzeugt, dass diese nur als internationale Bewegung Aussicht auf Erfolg haben konnte: „Eines [...] ist gewiß: Wenn die Kriegsursachen praktisch bekämpft werden sollen, so kann es nur auf internationalem Wege geschehen. Ohne Internationalismus ist jede Auflehnung gegen den Krieg utopisch, ja sinnlos.“37

Im Dokument Brenner-Archiv Mitteilungen aus dem (Seite 43-46)