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Speziesunterschiede in der therapeutischen Antwort von Arzneimittel sind in der Tiermedizin bekannt. Neben den physikochemischen Eigenschaften des Arzneimittels spielen biologische Faktoren, wie die Verweildauer im Magen-Darm-Trakt und der luminale pH-Wert, eine Rolle.

Es ist bekannt, dass P-Glykoprotein eine Rolle bei verschiedenen pharmakokinetischen Parameter (Absorption, Distribution, Metabolismus und Exkretion) seiner Substrate spielt (MEALEY 2004).

Studien zur Rolle von P-Glykoprotein in der Pharmakokinetik seiner Substrate werden vor allem mit mdr1-Knockout-Mäusen durchgeführt. Erste Studien mit mdr1-Knockout-Mäusen zeigen, dass das P-gp für normale physiologische Funktionen unter normalen Laborbedingungen keine große Bedeutung hat, da solche Mäuse sich als gesund und fruchtbar, ohne sonstige Auffälligkeiten, zeigen (SCHINKEL et al. 1994; SCHINKEL et al. 1995a).

Die wichtige Rolle von P-Glykoprotein wird nach einer Ivermectin-Behandlung sichtbar. So sterben fast alle mdr1a-Knockout-Mäuse innerhalb von 24 Stunden nach Ivermectin Behandlung (0,6 mg/kg), während die Wildtyp-Mäuse und die heterozygoten-Mäuse keine Symptomatik zeigen. Die Konzentration von Ivermectin im Gehirngewebe ist bei den mdr1a-Knockout-Mäusen etwas hundertfach höher als bei den Wildtyp-Mäusen (SCHINKEL et al.

1994; SCHINKEL et al. 1995a; SCHINKEL et al. 1995b).

2.3.6.1 Absorption

Es wird postuliert, dass das P-Glykoprotein aufgrund seiner Lokalisation auf der apikalen Oberfläche von Enterozyten, in der oralen Absorption seiner Substrate eine Rolle spielen könnte. Tatsächlich ist die orale Bioverfügbarkeit von dem P-gp Substrat Paclitaxel dreifach höher bei mdr1a-Knockout-Mäusen als bei Wildtyp-Mäusen (SPARREBOOM et al. 1997). Die Ivermectin-Blutkonzentration ist nach oraler Applikation bei mdr 1a-Knockout-Mäusen bis zu dreifach höher als bei Wildtyp-Mäusen (KWEI et al. 1999). Ähnliche Ergebnisse können auch für andere P-gp-Substrate gezeigt werden, wie z.B. für Cyclosporin A (LOWN et al. 1997), Digoxin (SCHINKEL et al. 1995b), Dexamethason (SCHINKEL et al. 1995b) und Fluorchinolone (YAMAGUCHI et al. 2002).

Weiterhin kann bei Menschen eine negative Korrelation zwischen der MDR-1-mRNA-Expression im Darm und der AUC von Cyclosporin nach oraler Gabe gezeigt werden (FRICKER et al. 1996). Eine ähnliche negative Korrelation wird auch zwischen der duodenalen P-Glykoprotein-Expression und Plasmakonzentrationen von Digoxin gesehen (HOFFMEYER et al. 2000).

2.3.6.2 Verteilung (Distribution)

Organschranken stellen physiologische Barrieren dar, die empfindliche Gewebe vor Xenobiotika schützen. Diese Barrieren können einen Einfluss auf die Verteilung von Medikamenten haben.

Versuche mit mdr1a- bzw. mdr1a/b-Knockout-Mäusen demonstrieren die Funktion des P-Glykoproteins in Endothelzellen der Gehirnkapillaren als wichtiger Bestandteil der Blut-Hirn-Schranke. Als Efflux-Pumpe verhindert das P-Glykoprotein die Akkumulation seiner Substrate, wie z.B. Ivermectin, im Gehirn (SCHINKEL et al. 1994; SCHINKEL et al. 1995b). Dies führt zu einer Ivermectin-induzierten Neurotoxizität, welche letal endet (SCHINKEL et al. 1994).

Eine ähnliche Ivermectin Sensitivität wie bei mdr1a-Knockout-Mäusen wird auch bei einer Subpopulation von Collie-Hunden beobachtet (PULLIAM 1985; PAUL et al. 1987). Die letale Dosis bei diesen Hunden liegt mit 0,4 mg/kg um ein vielfaches niedriger als die bei anderen Hunden (bis zu 80 mg/kg) (PULLIAM 1985). Bei Hunden, die eine erhöhte Sensitivität gegenüber Ivermectin zeigen, ist eine Deletionsmutation des MDR-1-Gens vorhanden (MEALEY et al. 2001). Diese Deletionsmutation erzeugt mehrere Stopp-Kodons und beendet somit die P-gp-Synthese frühzeitig. Das resultierende P-Glykoprotein ist nicht funktionsfähig.

Bei Hunden, die für diese Deletion homozygot sind, treten unerwünschte neurologische Arzneimittelwirkungen schon nach der einmaligen Verabreichung von 100 µg/kg Ivermectin auf (MEALEY et al. 2001). Eine ähnliche Anfälligkeit wird auch gegenüber anderen Avermectinen wie zum Beispiel Milbemycin, Selamectin und Moxidectin bei solchen Hunden beobachtet (TRANQUILLI et al. 1991).

2.3.6.3 Metabolismus

Das P-Glykoprotein kann eine Rolle im intestinalen Metabolismus seiner Substrate spielen, auch wenn es selbst keine intrinsische metabolische Funktion besitzt. Die Cytochrom P450 3A-Subfamilie (CYP 3A) besitzt wichtige Enzyme des Phase I-Metabolismus (PATEL u. MITRA 2001; ZHANG u. BENET 2001). Das CYP 3A und P-gp werden auch beim Pferd auf den Villi der Enterozyten in hohen Mengen exprimiert (TYDEN et al. 2004; TYDEN et al. 2009). Hier

können beide Proteine an der oralen Absorption ihrer Substrate beteiligt sein (MEALEY 2004).

Nachdem das Substrat in dem Magen-Darm-Trakt mittels passiver Prozesse in den Enterozyt aufgenommen wird, kann es durch CYP 3A metabolisiert werden oder durch das P-gp zurück ins Darmlumen transportiert und in weiter distal gelegenen Enterozyten wiederaufgenommen werden und dem CYP 3A erneut ausgesetzt werden (ZHANG u. BENET 2001).

Substanzen, die nicht P-gp Substrate sind, passieren den Enterozyt nur einmal, während P-gp Substrate kontinuierlich zwischen dem Enterozyt und dem Darmlumen transportiert werden können. Durch diesen Vorgang werden die Substrate dem CYP 3A mehrmals ausgesetzt. Die Beteiligung von P-gp und CYP 3A an der oralen Absorption ist nicht immer eindeutig, da viele Arzneimittel Substrate für P-gp und CYP 3A sind (MEALEY 2004).

Eine Studie an Ratten demonstriert die Effekte von P-Glykoprotein auf den intestinalen Metabolismus in vivo. Der intestinale first-pass Metabolismus von Indinavir beträgt 6 % bei den Kontrolltieren, während er bei Ratten die mit Dexamethason vorbehandelt sind, 34 % beträgt (LIN et al. 1999b). Die Vorbehandlung mit Dexamethason (40 mg/kg oral über drei Tage) führt zu einer zweieinhalbfachen Zunahme des intestinalen Proteingehalts von CYP3A und P-Glykoprotein. Da die sechsfache Zunahme des intestinalen first-pass Metabolismus nicht durch die zweieinhalbfache Zunahme von CYP3A alleine erklärt werden kann, liegt diese Zunahme des intestinalen first-pass-Metabolismus an einer Kombination von erhöhtem intestinalen CYP 3A- und P-Glykoprotein-Gehalt. Hiermit kann die Rolle von P-Glykoprotein an dem intestinalen first-pass Metabolismus in vivo belegt werden (LIN et al. 1999b). Durch eine Sättigung des Transporters nimmt der Einfluss dieses Proteins bei einer hohen Dosierung des Substrates ab (LIN et al. 1999a).

2.3.6.4 Exkretion

Die Lokalisation des P-Glykoproteins auf den Tubuluszellen der Niere und den kanalikulären Zellen der Leber weist auf die Funktion dieses Proteins in der Exkretion von Arzneimitteln hin (TYDEN et al. 2009). Die gleichzeitige Gabe des P-gp-Inhibitors Erythromycin und des P-gp-Substrates Doxorubicin verringert die biliäre und renale Doxorubicin-Clearance bei Ratten (KISO et al. 2000). Ebenso führt die gleichzeitige Verabreichung eines P-gp-Inhibitors und der

P-gp-Substrate Digoxin und Vincristin zu der reduzierten Clearance beider Substrate (SONG et al. 1999).

Zu den Exkretionsorganen zählt auch der Darm. Hier kann das P-Glykoprotein einen Einfluss auf die Exkretion seiner Substrate haben. Die intestinale Exkretion von Ivermectin ist bei mdr1a-Wildtyp-Mäusen höher als bei mdr1a-defizienten Mäusen (KWEI et al. 1999). Durch die Hemmung der jejunalen Ivermectin-Exkretion mittels des P-Glykoprotein-Hemmers Verapamil um 30 % kann die Beteiligung von P-Glykoprotein bei der jejunalen Elimination von Ivermectin nachgewiesen werden (LAFFONT et al. 2002). Das Ausbleiben einer Hemmung der biliären, duodenalen, und ilealen Ivermectin-Elimination durch Verapamil bei den gleichen Tieren deutet auf die Mitwirkung von anderen Efflux-Mechanismen in der Sekretion von Ivermectin hin (LAFFONT et al. 2002).