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Risk-Share Modell am Beispiel Aclasta

2. Rabattstrategie im Kontext der Unternehmensstrategie einer Kran- Kran-kenkasse

3.2 Risk-share-Verträge

Risk-share-Verträge sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Vertragspartner Risiken teilen. Für den Arzneimittelbereich handelt es sich um das Risiko eines Misserfolges der Behandlung. Führt der Einsatz des Arzneimittels nicht zum vereinbarten Erfolg, erhält die Krankenkasse die gesamten oder einen Teil der Behandlungskosten erstattet. Führt die Behandlung zum Erfolg, wird dieser Er-folg häufig höher honoriert, als es ohne Vertrag der Fall gewesen wäre.12 Dieser aus ökonomischer Sicht sehr sinnvolle Ansatz, ist quasi eine Form von Produkt-garantie. Ethisch sind solche Vertragskonstrukte sehr diskussionswürdig, da hier nur der Behandlungsmisserfolg zu einem wirtschaftlichen Vorteil für die Kran-kenkasse führt.

Risk-share-Verträge bieten sich für echte Innovationen auf dem Arzneimit-telmarkt an, die einen wirklichen Therapievorteil für den Patienten bieten, aber aufgrund von kostengünstigeren Behandlungsalternativen und durch fehlende Langzeitstudien noch keinen relevanten Marktanteil erlangen konnten. Risk-share-Verträge führen im Regelfall nicht zu kurzfristigen Einsparungen, sondern erzeugen anfangs sogar Mehrkosten. Durch den Therapievorteil können durch diese Vertragsform aber mittel- bis langfristig Kosten gespart werden, da Folge-behandlungen verzögert oder gar verhindert werden können.

Der erste Risk-share-Vertrag in Deutschland wurde zwischen der Firma No-vartis und der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) über Aclasta® ver-einbart. Aclasta® ist ein Präparat, das zur Behandlung der Osteoporose einge-setzt wird. Im Vergleich zur kostengünstigsten generischen Alternative ist Aclasta® mehr als doppelt so teuer (560 Euro versus 250 Euro Jahrestherapie-kosten). Allerdings bietet das Präparat den Vorteil, dass es nur einmal jährlich appliziert werden muss, im Gegensatz zu den Alternativpräparaten, die wöchent-lich oral eingenommen werden. Ein Aussetzen der regelmäßigen oralen Ein-nahme der Alternativpräparate stellt den Behandlungserfolg in Frage. Da die Einnahme mit Nebenwirkungen verbunden ist, ist ein eigenmächtiges Absetzen der Medikation durch den Patienten keine Seltenheit, zumal bei der Erkrankung kein Leidensdruck existiert. Der Rabattvertrag der DAK beinhaltet die Rege-lung, dass für Versicherte, die mit Aclasta® behandelt wurden und die innerhalb eines Zeitraumes von 12 Monaten nach Applikation des Präparates einen

Kno-12 vgl. Ecker, T., Preuß, K.-J., 2008, S. 33 174

chenbruch ohne externe Einwirkung erleiden, die Kosten der gesamten Arznei-mitteltherapie an die Krankenkasse erstattet werden. Aus Sicht der DAK wird mit diesem Risk-share-Vertrag die Qualität der Osteoporosebehandlung verbes-sert.13

Risk-share-Verträge sind insbesondere im Bereich der Ärzteschaft sehr um-stritten. Beispielsweise hat sich die im Gesundheitssystem anerkannte Arznei-mittelkommission der deutschen Ärzteschaft (akdae) sehr negativ zu dem oben dargestellten Risk-share-Vertrag geäußert. Der Krankenkasse wird insbesondere vorgeworfen, den Risk-share-Vertrag als Marketinginstrument zum missbrau-chen.14 Diese kritische Position dürfte mit dafür verantwortlich sein, dass Risk-share-Verträge bis heute keinen großen Stellenwert im Bereich der Rabattver-träge erlangt haben.

3.3. Mehrwertvertrag

Mehrwertverträge beinhalten im Gegensatz zu den klassischen Rabattmodellen keine Preisabschläge in Form von Rabatten, sondern bieten dem Patienten eine zusätzliche Leistung an. Diese Leistung ist für den Patienten kostenfrei, da sie mit dem A VP abgegolten ist. Mehrwertleistungen im Bereich der Arzneimittel-versorgung sind nicht neu und werden schon seit Langem von pharmazeutischen Herstellern zum Arzneimittel angeboten. In der Vergangenheit war hierbei di-rekt der behandelnde Arzt Adressat für dieses Angebot, da sich der pharmazeuti-sche Unternehmer ein Differenzierungsmerkmal erhoffte. Zwipharmazeuti-schenzeitlich hat sich der Fokus auf den Adressaten GKV verschoben. Aus Sicht der GKV kön-nen Mehrwertverträge verschiedene Vorteile beinhalten:

• Instrument zur Schaffung von mehr Qualität im Versorgungssystem

• Instrument zur Erhöhung der Patientencompliance

• Instrument zur Senkung von Folgekosten

• Marketinginstrument.

Die Indikation der multiplen Sklerose (MS) ist ein Bereich, in dem Mehr-wertverträge sinnvoll sein können: Die Arzneimittel, die zur Behandlung der MS eingesetzt werden (u.a. Interferone) führen zu erheblichen Nebenwirkungen beim Patienten. Vor diesem Hintergrund setzen die Betroffenen die Behandlung

13 vgl. Meiners, F., 2007

14 vgl. akdae, 2008, S. 1-7

sehr frühzeitig ab, was wiederum dazu führen kann, dass die Krankheitsschübe in kürzeren Abständen und mit stärkeren Auswirkungen auftreten können. Häu-fig müssen MS-Erkrankte dann zur weiteren Behandlung stationär aufgenom-men werden. Dieser Entwicklung kann durch einen Mehrwertvertrag vorgebeugt werden, wenn über eine Telefonhotline die Compliance beim Patienten abge-fragt und Hilfestellung bei der Applikation des Arzneimittels und dem Umgang mit Nebenwirkungen angeboten wird. Dieses Beispiel zeigt, dass die Vorteile für die Krankenkasse in der Implementierung einer Art von Versorgungsmana-gement gehen. Bei entsprechenden Verträgen ist zu berücksichtigen, dass der behandelnde Arzt in den Prozess mit eingebunden werden muss. Darüber hinaus sind datenschutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen, das heißt, die Teilnahme an einem entsprechenden Unterstützungsprogramm setzt die Zustimmung des Patienten voraus. Besonders fragwürdig ist es aus Sicht der GKV, wenn phar-mazeutische Unternehmen über entsprechende Dienstleister oder gar eigene Mitarbeiter direkten Zugang zu erkrankten Personen bekommen und hier gege-benenfalls entgegen der Interessen der GKV steuernd eingreifen. Kostenreduzie-rungen, die in der heutigen Zeit ein wichtiges Argument für Vertragsabschlüsse aus Sicht der GKV sind, sind mit diesem Rabattmodell erst mittel- bis langfristig zu erwarten. Diese gesamten Rahmenbedingungen dürften der Grund dafür sein, dass reine Mehrwertverträge bisher nicht in Deutschland abgeschlossen wur-den.15

3.4 Kapitationsmodell

Kapitation bedeutet Begrenzung. Bezogen auf Rabattverträge im Arzneimittel-bereich bedeuten Kapitationsmodelle eine Kostenbegrenzung. Diese Kostenbe-grenzung kann in unterschiedlichen Varianten vereinbart werden 16:

• Begrenzung der Kosten je Patienten

• Begrenzung der Kosten bezogen auf die gesamte Indikation

Das Kapitationsmodell kann mit einer Ober- oder aber mit einer Unter- und einer Obergrenze ausgestattet sein. Für die Krankenkasse bietet dieses Modell eine gute Planungssicherheit. Ein Teil des Morbiditätsrisikos übernimmt der pharmazeutische Hersteller, da er die Arzneimittelkosten, die oberhalb der Kapitationsgrenze liegen, allein trägt. Im besten Fall sollten deshalb aus Sicht

15 vgl. Ecker, T., Preuß, K.-J., 2008, S. 57

16 vgl. Ecker, T., Preuß, K.-J., 2008, S. 39 - 40 176

der Krankenkasse alle Patienten mit der entsprechenden Erkrankung mit dem vertraglich geregelten Arzneimittel versorgt werden. Ein nicht zu unterschätzen-der Unsicherheitsfaktor bei dieser Art von Verträgen ist daher wieunterschätzen-derum das V e-rordnungsverhalten der Ärzte, denn jede Verordnung mit alternativen Arznei-mitteln ist mit Zusatzkosten für die Krankenkasse verbunden.

In der letzten Konsequenz sind Kapitationsmodelle am wirkungsvollsten, wenn sie mit einer Einschränkung der Therapiehoheit der behandelnden Ärzte verbunden sind. Aus Sicht der GKV bietet sich dieses Modell für innovative Arzneimittel an, die möglichst ohne Konkurrenz am Markt sind. Aus Sicht des pharmazeutischen Herstellers, der in dieser Konstellation als Monopolist agiert, besteht im Regelfall kein Interesse an einem Kapitationsmodell. In Deutschland sind einige Rabattverträge mit Kapitationsgrenzen vereinbart. Der am stärksten in der Öffentlichkeit wahrgenommene Kaptiationsvertrag ist die Vereinbarung zwischen dem AOK Bundesverband und Novartis über den Einsatz und die Vergütung des Arzneimittels Lucentis® zur Behandlung der AMD.