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Risikofaktoren für die Entstehung von Lahmheiten

2 Literaturübersicht

2.2 Lahmheiten

2.2.3 Risikofaktoren für die Entstehung von Lahmheiten

Lahmheit gilt als ein multifaktorielles Geschehen (LEONARD et al. 1994, GALINDO u.

BROOM 2000, WARD 2001, VERMUNT 2004). Grundsätzlich lassen sich die Risiko-faktoren für Lahmheit in Faktoren der Umgebung (externe Faktoren) und tierbezogene Faktoren (interne Faktoren) differenzieren.

Von besonderer Bedeutung sind externe Faktoren, die das Verhalten von Kühen beeinflussen, wie beispielsweise Einstreu und Design von Liegeboxen. Kühe in Liegeboxen mit hartem Untergrund neigen nach WARD (2001) vermehrt zu Lahmheiten und weisen kürzere Liegezeiten auf als Kühe in gut eingestreuten Liegeboxen oder Tiefstreuställen.

FAULL et al. (1996) ermittelten signifikante Beziehungen zwischen dem Auftreten von Lahmheit und dem Design der Liegeboxen. Mit zunehmender Höhe der Boxenkante stieg beispielweise das Verletzungsrisiko für die Kühe, insbesondere beim Verlassen der Boxen.

Bei hoher Boxenkante standen die Kühe zudem oftmals lediglich mit den Vordergliedmaßen in den Boxen, so dass die sich im Laufgang befindlichen Hinterfüße stark belastet wurden.

Dagegen lagen Kühe in ausreichend großen und gut eingestreuten Boxen länger und litten seltener unter Lahmheiten, wobei besonders eine ausreichende Liegeboxenlänge von Bedeutung ist (VERMUNT 2004).

Bei der Haltung in Liegeboxenlaufställen treten häufig Schwierigkeiten beim Benutzen ungünstig dimensionierter Liegeboxen auf, etwa durch Behinderungen beim Ablegen und Aufstehen, so dass die Tiere nur für kurze Zeit liegen oder die Benutzung der Boxen verweigern (Spaltenlieger). Dieses Verhalten kann längerfristig zur Ausbildung von Klauenschäden führen (O´CONNELL et al. 1989, SINGH et al. 1993 a). In Strohställen ist diese Problematik aufgrund der überwiegend uneingeschränkt zugänglichen Liegefläche dagegen nicht von Bedeutung (SINGH et al. 1994).

Insbesondere verlängerten Stehzeiten, bedingt durch die hier aufgeführten Risikofaktoren, wird besondere Bedeutung für die Entstehung von Lahmheiten zugesprochen (BERGSTEN u.

FRANK 1996, GALINDO u. BROOM 2000, WARD 2001). So wiesen beispielsweise in einer Studie von SINGH et al. (1993 b) Kühe mit längeren Stehzeiten vermehrt Hämorrhagien an der Klauensohle auf, die prädisponierend für Lahmheit sein können.

Auch die Beschaffenheit der Lauffläche beeinflusst die Klauengesundheit. So beeinträchtigt die Haltung auf Beton die Klauengesundheit stärker als eine weiche Bodenoberfläche, wie z.B. Stroh (LEONARD et al. 1994, VERMUNT 2004). Dies wird auch durch neuere technische Entwicklungen wie Gummiauflagen im Laufbereich bestätigt, die zu einer signifikanten Verbesserung der Klauengesundheit gegenüber herkömmlichen Betonspalten-böden führen und das Verhalten der Kühe positiv beeinflussen (BENZ 2002).

Auch rutschige oder zu raue Böden üben einen negativen Effekt auf die Klauengesundheit aus (FAULL et al. 1996, VERMUNT 2004). Auf rutschigen Böden steigt das Verletzungsrisiko für Kühe, zu raue Böden führen zu einer verstärkten Abnutzung und Beschädigung des Klauenhorns.

Als weiterer externer Risikofaktor für das Auftreten von Lahmheiten gilt die Klauenpflege.

MANSON und LEAVER (1988 b) stellten in ihren Untersuchungen zwar eine signifikante Reduktion von Lahmheiten durch nach den Empfehlungen von TOUSSAINT RAVEN (1985) durchgeführte Klauenpflege (sogenannte funktionelle Klauenpflege) fest. Falls jedoch durch unsachgemäße Klauenpflege die Belastbarkeit der Sohle gegenüber statischen und mechanischen Kräften reduziert und die stoßdämpfenden Eigenschaften des Ballens beschädigt werden, steigt das Risiko für das Auftreten von Lahmheit (WEBSTER 2002).

Zu den tierbezogenen (internen) Risikofaktoren für das Auftreten von Lahmheiten zählen Verhalten und Alter der Kühe, die Konformation der Klauen sowie metabolische Faktoren (Ernährung).

Da in der Regel nicht alle Tiere eines Bestandes Lahmheiten aufweisen, scheinen einige Kühe in derselben Umgebung empfindlicher für Klauenläsionen zu sein als andere. Es wird vermutet, dass dem Verhalten der Tiere, insbesondere dem Liege- und Stehverhalten, eine entscheidende Bedeutung zukommt (GALINDO et al. 2000). So verbringen z.B. rangniedere Tiere weniger Zeit im Liegen und entsprechend mehr Zeit stehend auf hartem Untergrund bzw. halb in den Liegeboxen und halb auf den Laufgängen stehend und entwickeln häufiger Lahmheiten als ranghöhere Tiere; dieser Umstand ist besonders bei Überbelegung im Stall von Bedeutung (WIERENGA 1990, GALINDO u. BROOM 2000).

Für Erstkalbinnen besteht ein erhöhtes Risiko, an Lahmheit zu erkranken. Dabei spielen Stress und Hormonveränderungen durch das Abkalben sowie die neue Umgebung, das Eingliedern in die Herde mit ranghöheren Tieren und die plötzliche Ernährungsumstellung eine Rolle (GREENOUGH u. VERMUNT 1991, LEONARD et al. 1996). Untersuchungen von TARLTON et al. (2002) lassen den Schluss zu, dass der stützende Bindegewebsapparat der Klaue um den Kalbezeitpunkt und in den ersten Wochen der Laktation hormonell bedingt erschlafft.

Die Konformation des Stützapparates der Klaue steht im Mittelpunkt der Hypothese, die LISCHER und MÜLLING (2002) formulierten. Demnach führen eine Lockerung des Bindegewebes sowie Konsistenzveränderungen in den stoßdämpfenden Fettkissen unterhalb des Klauenbeines zum Absinken des Klauenbeines. Durch das Absinken kommt es zu Gewebekompressionen in Sohle oder Ballen mit einer Schädigung der hornproduzierenden Zellen und zur Ausbildung von Läsionen, die im weiteren Verlauf mit Lahmheit einher gehen können.

Ist die äußere Klauenkonformation beschädigt, beispielsweise durch Läsionen im Ballenbereich oder durch Aufweichen in nasser Umgebung, treten vermehrt Schäden an der Klaue auf (PHILLIPS u. SCHOFIELD 1994).

In zahlreichen Studien wird die Bedeutung der Ernährung im Lahmheitsgeschehen der Milchkühe untersucht. MANSON und LEAVER (1988 b, 1989) konnten eine Beziehung zwischen einer hohen täglichen Kraftfutteraufnahme (besonders leicht fermentierbare Kohlenhydrate) und einem erhöhten Auftreten von Lahmheiten nachweisen, wohingegen eine vermehrte Fütterung von Raufutter einen positiven Effekt auf die Klauengesundheit zu haben scheint (KELLY u. LEAVER 1990).

Die Verdauung leicht fermentierbarer Kohlenhydrate kann mit einer erhöhten Säure-produktion und einem Absterben von Mikroorganismen im Pansen einher gehen. Dabei freigesetzte Endotoxine können die Durchblutung der Klauen behindern. Raufutter dagegen vermehrt den Speichelfluss, und der Bikarbonatgehalt des Speichels trägt zur Neutralisierung der Säuren im Pansen bei (WARD 2001).

WEBSTER (2002) bestreitet dagegen eine herausragende Rolle der Fütterung im Lahmheitsgeschehen, da die Lahmheitsproblematik trotz Verbesserungen im Fütterungs-management in der frühen Laktation während der letzten Jahre weitgehend unverändert blieb.

Dagegen kann auch die durch die Verfütterung von Futtermitteln mit geringem Trockensubstanzgehalt bedingte dünnflüssigere Kotkonsistenz eine aggressive Wirkung auf das Klauen- und Ballenhorn haben (WEBSTER 2001).