• Keine Ergebnisse gefunden

4. Diskussion

4.2. Diskussion der Ergebnisse

4.2.1. Rezidivverhalten

Im vorliegenden Untersuchungszeitraum von zwei bis 204 Monaten (Mittelwert = 3,5 Jahre) kam es kumulativ zu einer mittleren Rezidivhäufigkeit von 36,9%, was mit den Angaben in der Literatur von 2% bis 62% übereinstimmt [24, 84, 136]. Die von zahlreichen Autoren vorgelegten Ergebnisse beziehen sich oft auf kleine Fallzahlen und auf unterschiedliche Beobachtungszeiträume, welche den statistischen Vergleich erschweren [17].

Die meisten Rezidive (27 / 41) wurden innerhalb der ersten vier Jahre nach der Primäroperation festgestellt. Bei zwei Patienten konnte noch nach 12 Jahren ein Rezidiv diagnostiziert werden, was Resultaten der Literatur entspricht [5, 18, 20, 21, 24, 41, 52, 82, 117]. Dieses späte Auftreten kann durch unzureichende Behandlungsmethoden sowie auf das charakteristische, meist symptomlose Tumorwachstum und eventuell dem Versäumnis regelmäßiger Kontrollen erklärt werden [18, 84]. Wie die Ätiopathogenese vermuten lässt, manifestierten sich auch die Rezidive überwiegend im Unterkiefer (95,1%), im Median innerhalb eines Zeitraumes von 36 Monaten [17, 22, 38, 40]. Seltener und früher (n = 2;

Median = 18 Monate) zeigten sie sich im Oberkiefer. Das lässt sich mit der komplexeren Anatomie des Oberkiefers und den dadurch bedingten erschwerten operativen Zugängen begründen [22, 98].

Tendenziell wurden die Rezidive bei Frauen häufiger 48,6% (18 / 37; p = 0,071) und auch früher (p = 0,126) diagnostiziert. Im Schnitt wurden sie bei Frauen schon nach drei Jahren, hingegen bei Männern 31% (23 / 74) erst nach sechs Jahren festgestellt. Diese Tatsache lässt an dem von Dammer et al. [10] erwähnten schützenden Einfluss weiblicher Hormone zweifeln und ist möglicherweise Ausdruck eines verstärkten Gesundheitsbewusstseins bei Frauen. Zahlreiche Autoren diskutieren diese geschlechtsspezifischen Unterschiede kontrovers [4, 22, 30, 38, 123]. Zur Klärung, ob die weiblichen Hormone hierauf einen Einfluss haben, wäre in weiteren Untersuchungen zu klären.

Wie bereits die Primärtumore traten die Rezidive altersunabhängig auf. Der Einfluss des Alters auf das Rezidivverhalten wird in der Literatur allerdings kontrovers diskutiert. Forsell et al. [41] sehen eine Disposition des Kinder- und Jugendalters, ElHaji [38] hingegen betont eine Disposition bei 50-60-Jährigen und Titindi [123] sieht eine Bevorzugung sowohl bei 20-Jährigen wie auch bei 80-20-Jährigen. Andere Autoren wiederum schließen, deckend zu den Ergebnissen dieser Studie, ebenfalls eine Altersabhängigkeit aus [49, 52].

Im Hinblick auf das Rezidivverhalten nach den unterschiedlichen Operationsmethoden ist die Datenlage in der Literatur widersprüchlich [38, 98, 130]. Frerich et al. merken zur nicht mehr gültigen Leitlinie von 2007 an, dass angesichts meist retrospektiver Kohortenstudien die Datenlage unzureichend ist [43]. Die Leitlinie konnte letztlich nur vorläufige Therapieempfehlungen aussprechen und empfahl die erweiterte Enukleation in Kombination von Zusatzbehandlungen mit dem Ziel, verbliebene Tumorreste und Mikrozysten zu eliminieren [43]. Diese Leitlinie wurde 2007 im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft und im Konsens mit der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Auftrag gegeben und vom Vorstand der DGMKG unter interdisziplinierter Abstimmung verabschiedet [43].

In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass es im Hinblick auf die angewandten Operationsmethoden (ZE/ ZE + CS/ den übrigen Methoden) und die postoperative Häufigkeit eines Rezidivs signifikante Unterschiede gibt (p= 0,025 mit ᵡ²=7.372 (df=2)) (Abbildung 20).

Diese Signifikanz wurde durch direkte Vergleiche von jeweils zwei Operationsmethoden mittels Chi-Quadrattest spezifiziert und ergab einen signifikanten Vorteil der Zystektomie gegenüber der Zystektomie mit Carnoyscher Lösung (p= 0,027 mit ᵡ²=6,031 (df=1)) (Abbildung 21).

Die Zystektomie (Partsch II) zeigte innerhalb einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 3,3 Jahren mit einer Rezidivinzidenz von 28,6% (n = 20 / 70) das günstigste Behandlungsergebnis. Auch Brøndum et al. [22] finden nach Zystektomie innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von sieben bis 17 Jahren eine Rezidivrate von 25%

Diskussion

88

(n = 8 / 32). Ähnliche Daten sind auch in der Literatur publiziert [26, 38, 98, 123]. Hingegen beschreiben Forssell et al. [41] bei Nachkontrollen von bis zu 17 Jahren eine Häufigkeit von 40,5% (n = 28 / 69). Sie differenzieren dabei zwischen einem in mehreren Stücken oder einem in toto entfernten Zystenbalg und erhielten nach dem Entfernen in toto, allerdings bei kleiner Fallzahl (n = 5), eine geringere Rezidivrate von 18% im Vergleich zu der teilweisen Entfernung (n = 23; 56%) [41]. Dieses Ergebnis spricht dafür, dass zurückbleibende Zellen ursächlich für die Rezidive sein können und dass die Art und Weise des chirurgischen Vorgehens wesentlich an der Rezidiventstehung beteiligt ist [41].

Die Zystektomie in Kombination mit der Carnoyschen Lösung (n = 25) ergab innerhalb der angewandten Operationsmethoden und eines durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraumes von 4,3 Jahren ein wesentlich höheres Rezidivaufteten von 56% (n = 14). Ebenso wenig verbesserte sich die Rezidivrate bei Morgan et al. [86] und auch nicht bei Chirapathomsakul et al. [26] durch eine Kombination von Zystektomie und chemischer Kauterisierung durch die Carnoysche Lösung.

Tendenziell ergab die vorliegende Auswertung mit Blick auf die jeweils angewandten Operationsmethoden für die alleinige Zystektomie ohne weitere Maßnahmen eine geringere Rezidivinzidenz (p = 0,027 mit ᵡ²=6,031 (df=1)) und eine längere Rezidivfreiheit gegenüber der zusätzlichen Behandlung mit Carnoyscher Lösung. Bei 50% mit alleiniger Zystektomie therapierten Patienten traten nach acht Jahren (96 Monaten) einzelne Rezidive auf, bei zusätzlicher Nutzung der Carnoyschen Lösung traten sie nach sieben Jahren (84 Monaten) auf (p-Wert = 0,088) (Abbildung 22).

Die alleinige Zystektomie hat den Vorteil, dass sie durch sorgfältiges Abpräparieren des Zystenbalges in der Regel keine Affektion des Kieferknochens bewirkt und dadurch auch ein geringeres Risiko der Nervenschädigung darstellt [109].

In Abhängigkeit von der Expositionszeit konnte eine toxische Wirkung der Carnoyschen Lösung auf den Nervus alveolaris inferior sowie möglicherweise auch auf umliegende Blutgefäße tierexperimentell nachgewiesen werden [42, 106]. Auch klinische Studien belegen eine potenziell gewebsschädigende und neurotoxische Wirkung der Lösung mit vermehrten Wunddehiszenzen und Wundinfektionen [40, 43, 59, 126].

Das relativ schonende Vorgehen der Zystektomie und die geringen postoperativen Komplikationen können eventuell erklären, warum weniger Rezidive auftraten. Da die Toxizität der Carnoyschen Lösung nur eine kurze Einwirkzeit der Lösung zulässt, kann diese nicht tief genug in das Gewebe dringen, um Satellitenzellen zu erreichen, womit sich die hohe Rezidivrate erklären ließe. In Gegensatz hierzu gaben Gosau et al. [52] nach

Anwendung der Carnoyschen Lösung (n = 14) eine Minderung der Rezidivrate, verglichen mit der alleinigen Zystektomie (n = 22), von 50% auf 14,3% an [52]. Allerdings ist, wie Gosau selbst anmerkt, die Nachbeobachtungszeit von nur ein bis zwei Jahren zu kurz, um zu einer zuverlässigen Bewertung zu kommen, da wie zahlreiche Autoren berichten, auch nach 12 Jahren Rezidive zu beobachten sind [18, 31, 52, 110]. Zwar beschrieben auch Voorsmit et al. [130] schon 1981 eine Minderung der Rezidive durch die Anwendung von Carnoyscher Lösung, diese Reduktion erzielten sie allerdings in Verbindung mit zusätzlicher Entfernung der angrenzenden Mukosa. Diese positive Wirkung der Entfernung von angrenzender Mukosa erklären Voorsmith et al. mit dem histologischen Nachweis von Mikrozysten, die sie in den nach alleiniger Zystektomie entstandenen Rezidiven (n = 53) fanden [130]. Die positive Wirkung der Mukosaentfernung auf das Rezidivverhalten wird von anderen Autoren bestätigt [38].

Tendenziell stellt die Carnoysche Lösung, wenn das Rezidivauftreten gegen die postoperativen Risiken abgewogen wird, keine zielführende Maßnahme dar [86]. Junior et al.

[59] werten die Kombination der peripheren Osteotomie mit dem Einwirken der Carnoyschen Lösung als erfolgversprechende Methode. Sie weisen allerdings auf die bedenkenswerten postoperativen Risiken hin, wie z.B. Neuropathien, die sowohl durch die Lösung als auch durch den rotierenden Bohrer zur Knochenabtragung entstehen können [59].

Aufgrund geringer Fallzahlen wurden die Zystektomie mit anschließendem Ausfräsen des Lumens (n = 8) und die Unterkieferteilresektion (n = 3) als radikalere chirurgische Verfahren in einer Gruppe zusammengefasst und statistisch ausgewertet, ohne dass eine statistische Signifikanz gegenüber der anderen Operationsmethoden herausgestellt werden konnte. Die Zystostomie (Partsch I) ließ sich aufgrund kleiner Fallzahl (n = 5) nur deskriptiv bewerten.

Diese drei Operationsmethoden werden im Hinblick auf das Rezidivverhalten bei kleinen Fallzahlen sowie mit widersprüchlichen Ergebnissen diskutiert, ohne dass sich daraus ein zielführendes therapeutisches Handeln ableiten ließe [15, 26, 29, 38, 79].

Selbst ein Vorgehen mit radikalem Ausfräsen des Lumens nach Zystektomie (n = 8) kann mit einer Rezidivinzidenz von 62,5% (5 / 8) das Rezidivauftreten nicht überzeugend vermindern.

Die nicht klar definierte Tiefe der erforderlichen Knochenabtragung und die schwer erhältliche Information über die Lokalisation und die Anzahl versprengter Tumorzellen können ursächlich dafür sein [18]. Möglicherweise führt gerade das Ausfräsen dazu, dass pathogene Zellen tiefer in den Knochen gepresst werden, die für spätere Rezidive verantwortlich sind [126]. Gegensätzlich hierzu berichten Autoren [30, 86] mit dieser Methode eine Minimierung der Rezidive, die jedoch oft mit einem höheren postoperativen

Diskussion

90

Behandlungsbedarf aufgrund von ödematösen Schwellungen verbunden sein kann [30].

Nachteilig ist zusätzlich die statische Schwächung des Knochens mit der postoperativen Gefahr einer Knochenfraktur und möglicherweise erheblichen postoperativen Belastungen mit hohen Anforderungen an die Compliance im Hinblick auf den Therapieerfolg [18, 43].

Die Zystostomie (Patsch I) gilt unter einigen Autoren lediglich als vorbereitende Maßnahme bei großen Läsionen [22, 87, 98, 110]. Die Dekompression des Lumens führe zu einer Zunahme der Epithelschicht mit radiologisch nachweisbarer Zunahme der Knochendichte sowie Masse. Daraus resultiert eine Verkleinerung des Lumens [75, 79, 87, 98, 139], wodurch der Zystenbalg in der sekundären Zystektomie einfacher entfernbar sein soll und Rezidive vermieden werden [18, 22, 75, 79, 87, 110, 112, 139]. Das Entfernen des Epithels erscheint in Anbetracht einer zwar seltenen, aber potentiellen malignen Entartung essentiell [40, 46]. Bei einem von fünf mit dieser Methode therapierten Patienten trat nach 12 Monaten ein Rezidiv auf. Für den Erfolg der Zystostomie ist das Offenhalten des Lumens für mehrere Monate erforderlich [17, 18, 75]. Die dabei geforderte und erforderliche Compliance des Patienten schränkt das Anwenden dieser Methode deutlich ein [110].

Bei ausgedehnten keratozystisch odontogenen Tumoren muss in seltenen Fällen die Unterkieferteilresektion mit entsprechenden Rekonstruktionsmaßnahmen angewendet werden. Nach dieser Methode wurde wiederholt von einer Rezidivfreiheit berichtet, weshalb sie von einigen Autoren weiterhin als die aus rezidivprophylaktischer Sicht zuverlässigste Therapie angesehen wird [90, 123]. Allerdings kann dies eine erhebliche Funktionseinschränkung der Kiefer mit zusätzlich erhöhten Komplikationsraten für den Patienten bedeuten [1, 15, 17, 29, 43, 59, 72, 126, 138]. Selbst bei einem dieser drei derart behandelten Patienten dieser Studie wurde 24 Monate postoperativ in dem autogenen Knochentransplantat ein Rezidiv diagnostiziert [31, 66, 77, 92]. Versprengte Zellen in der aufliegenden Mukosa können für Rezidive selbst innerhalb der Transplantate verantwortlich sein, weshalb diese immer mit entfernt werden sollte [24, 31, 43, 44, 107, 118].

Um zu aussagekräftigeren Ergebnissen zu kommen, wurde der Versuch gemacht, im Hinblick auf die statistischen Schwierigkeiten und angesichts unterschiedlicher sowie zum Teil kleiner Fallzahlen, das Rezidivverhalten in drei verschiedenen Zeitabschnitten auszuwerten und darzustellen.

Die erste Gruppe umfasste das Gesamtkollektiv (n = 111) mit einem postoperativen Kontrollzeitraum von mindestens zwei Monaten. In der zweiten Gruppe (n = 71) wurden nur die Patienten mit einem postoperativen Kontrollzeitraum von mindestens einem Jahr erfasst und analysiert. In der dritten Gruppe (n = 45) wurden alle Patienten mit einem postoperativen

Kontrollzeitraum von mindestens drei Jahren analysiert. Diese drei Zeitintervalle wurden gewählt, um eventuell zusätzliche Aspekte oder bereits erhaltene Ansätze über das Rezidivverhalten innerhalb eines definierteren Beobachtungszeitraumes herauszuarbeiten oder zu verdeutlichen.

Diese zeitliche Fokussierung bestätigte die zuvor schon festgestellten Unterschiede zwischen dem Geschlecht und dem Auftreten eines Rezidivs mit einem statistisch signifikanten Ergebnis (p = 0,038 mit ᵡ²=4.43 (df=1)). Allerdings lassen sich hieraus derzeit noch keine zusätzlichen therapeutischen Konsequenzen ableiten.

Diskussion

92