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3. Ergebnisse

3.9. Analyse der an dem Gorlin-Goltz-Syndrom (GGS)/ Basalzellnävus-Syndrom

Basalzellnävus-Syndrom (NBCCS) erkrankten Patienten

In dem Gesamtkollektiv von 114 Patienten befanden sich drei Patienten, die an dem Gorlin-Goltz- Syndrom (GGS/ NBCCS) erkrankt waren. Bei diesen drei Patienten handelte es sich ausschließlich um weibliche Personen. Der Mittelwert des Alters bei der ersten Operation des keratozystisch odontogenen Tumors lag bei 22 Jahren (Median = 18 Jahre). Die Beobachtungszeit bei den Patientinnen lag im Mittel bei 80 Monaten (= 6,7 Jahre).

Alle drei betroffenen Patientinnen wiesen multiple Läsionen auf. Diese Läsionen traten sowohl im Unter- als auch im Oberkiefer auf. Bei allen Patientinnen fand man Tumore in der Region des linken beziehungsweise rechten Unterkieferwinkels beziehungsweise aufsteigenden Astes und zudem bei zwei der Patientinnen noch in der anterioren Oberkieferregion (Region 15-25). Als Operationsmethoden wurden die Zystektomie und einmal die Zystostomie angewandt. Bei einer Patientin wurde der Defekt mit eigenem Knochenmaterial und zusätzlich mit Kollagenvlies stabilisiert. Alle drei Patientinnen entwickelten im weiteren Verlauf multiple Rezidive. Anhand von Abbildung 27 lässt sich feststellen, dass diese Patientinnen deutlich früher erkrankten als die nicht-syndromalen Patienten dieser Studie (Abbildung 27). Eine detaillierte Fallbeschreibung folgt unter 3.10.3.

Abbildung 27: Altersvergleich zwischen GGS/ non-syndromalen Patienten 0

liegenden Gewebe findet sich eine chronisch-fibrosierende Entzündung mit teils lymphoplasmazellulärer chronischer Entzündung. Der Patient lebt ohne Rezidiv. Die höhere Vergrößerung in Abbildung B) zeigt die gut abgrenzbare Basalzellschicht, die hier hochprismatisch ausgebildet ist und hyperchromatisch-basophile, elongierte Kerne aufweist, die typischerweise zentral bis gering nach apikal innerhalb der Basalzellen gelagert sind. Die darüber liegenden Zellen sind leicht elongiert und überwiegend kubisch. Superfiziell zeigt sich eine Parakeratose mit hypereosinophilen flachen und kernhaltigen Zellen. Die Epithelbreite ist unregelmäßig und beträgt etwa fünf bis acht Zellreihen. Selten finden sich basale und sehr selten suprabasale Mitosen. Schwerwiegende Atypien beziehungsweise ein invasives Wachstum lassen sich nicht nachweisen.

IV) P.C. (m), 26.09.92*

SPSS No.:33873

Aufgrund einer bestehenden Raumforderung des linken Unterkiefers wurde der Patient von seiner Hauszahnärztin 2009 in die Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der MHH überwiesen.

Der klinische Befund ergab eine leichte Druckdolenz links. Beide Kiefergelenke waren frei, die Mundöffnung nicht eingeschränkt. Der Visus sowie die Augenmotilität zeigten sich unauffällig. Intraoral wurde ein erhöhter Lockerungsgrad des Zahnes 37 (L°III) festgestellt.

Der Röntgenbefund vom 28.08.2009 zeigte einen zystischen Prozess von circa 2-3 cm in mesio-distaler Richtung in der linken posterioren Unterkieferregion (36-38) sowie eine beginnende Wurzelresorption des Zahnes 37.

Der histopathologische Befund der Probebiopsie im August 2009 ergab einen keratozystisch odontogenen Tumor mit kleinherdiger Verhornung ohne Hinweis auf Malignität. Im September desselben Jahres erfolgte unter Allgemeinanästhesie die Zystektomie des keratozystisch odontogenen Tumors unter vollständigem Erhalt des Nervus alveolaris inferior. Zusätzlich fand die Entfernung des Zahnes 37 und des retinierten und verlagerten Weisheitszahnes 38 statt. In der gleichen Operation erfolgte die Entnahme von kortikospongiösem Kochen aus dem rechten Beckenkamm mittels Knochenstanze zur Rekonstruktion des entstandenen Kieferdefektes. Die radiologische Kontrolle im selben Monat zeigte eine gute Einheilung des autogenen Knochentransplantates. Der Patient war beschwerdefrei und wies keine Entzündungszeichen auf.

Die radiologischen Kontrollen sechs und 12 Monate postoperativ zeigten eine gute knöcherne Konsolidierung ohne Anzeichen für ein Rezidiv. Die folgenden jährlichen röntgenologischen Kontrollaufnahmen fanden beim Hauszahnarzt des Patienten statt.

Ergebnisse

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Röntgenbilder des keratozystisch odontogenen Tumors zu dem Patientenbeispiel (IV) P.C. (m), 26.09.92*:

Abbildung 29: Präoperativer Zustand mit Raumforderung Regio 37/38 (Pfeile) (28.08.2009)

Abbildung 30: Postoperativer Zustand mit beginnender Knochenkonsolidierung (Pfeile) (08.09.2009)

Abbildung 31: Postoperativer Zustand mit guter Knochenkonsolidierung (Pfeile) (29.03.2010)

Abbildung 32: Postoperativer Zustand ohne Anzeichen auf ein Rezidiv (Pfeile) (18.10.2010)

Ergebnisse

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3.10.2. Patientenfälle mit Rezidiv

I) B.O. (m), 10.01.55*

SPSS-Nr.: 20099

Der Patient wurde aufgrund von zunehmenden Mundöffnungsbeschwerden und einer extraoralen Schwellung im Januar 1994 stationär in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der MHH aufgenommen.

Die extraorale Schwellung erwies sich als perimandibulärer Abszess und wurde zunächst entsprechend therapiert. Der radiologische Befund ergab zudem einen Walnuss-großen (circa 1,5 cm²) zystischen Prozess im Bereich des rechten aufsteigenden Unterkieferastes.

Der histologische Befund ergab eine „Keratozyste“, ausgekleidet mit einem mehrreihigen Epithel, welches eine prominente Basalschicht mit Parakeratose sowie Verkalkungen aufwies. Im umgebenen Bindegewebe wurden Entzündungszellen nachgewiesen (Abbildung 33). Es erfolgte zunächst die Zystostomie mit anschließender Eingliederung einer Obturatorprothese zum Offenhalten des Lumens. Drei Monate postoperativ wurde nach Verkleinerung des Lumens eine Zystektomie mit Anwendung der Carnoyschen Lösung vorgenommen. Die Wunde wurde speicheldicht verschlossen. Mit guten Wundverhältnissen und ohne Sensibilitätsausfälle stellte sich der Patient zwei Wochen postoperativ vor. Nach jährlichen klinischen und röntgenologischen Kontrolluntersuchungen wurde im August 2006, 12 Jahre nach Manifestation des ersten keratozystisch odontogenen Tumors, ein Rezidiv festgestellt. Dieses wurde erneut operativ mit einer Zystektomie in Lokalanästhesie entfernt.

Weitere drei Jahre postoperativ stellte sich der Patient mit einer guten knöchernen Konsolidierung in dem Defektgebiet ohne Anzeichen auf einen erneuten zystischen Prozess vor.

Ergebnisse

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Operationspräparates bestätigte die klinische Verdachtsdiagnose einer „Keratozyste“. Diese wies ein mehrschichtiges Plattenepithel und eine gut anfärbbare Basalzellschicht auf. Das Epithel wurde von kollagen-fibrösem Bindegewebe umgeben. Durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der MHH wurde bei der Patientin 2001, neun Jahre postoperativ, erneut ein zystischer Prozess im rechten Kieferwinkelbereich diagnostiziert. Die histopathologische Untersuchung bestätigte den klinischen Verdacht eines Rezidivs der Keratozyste. Dieses wurde mittels einer Zystektomie entfernt.

3.10.3. Patientenfälle mit Gorlin-Goltz-Syndrom

V) R.E. (w), 14.06.77*

SPSS No.: 28290

Die Patientin stellte sich mit multiplen Zysten im Ober- und Unterkiefer und dem Verdacht auf das Gorlin-Goltz-Syndrom im Juni 2003 in der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der MHH vor. Eine umfangreiche klinische und radiologische Untersuchung bestätigte die Verdachtsdiagnose eines keratozystisch odontogenen Tumors als Symptom des Gorlin-Goltz-Syndroms. Die histopathologische Auswertung des gewonnenen Gewebematerials ergab das Vorliegen von multiplen keratozystisch odontogenen Tumoren ohne Anzeichen auf maligne Veränderungen oder ein Ameloblastom.

Bei der Patientin wurden unter Intubationsnarkose alle Tumore durch eine Zystektomie entfernt. Die Defekte im Unterkiefer wurden mit autogenem Knochen aus dem Beckenkamm gefüllt. In der Region 48 wurde die „Zyste“ zuerst mit einer Zystostomie und einer zeitlich versetzten sekundären Zystektomie therapiert. Die Zystostomie erforderte das Einlegen einer Jodoform-Tamponade und das Anfertigen einer Obturatorprothese. Die Patientin entwickelte zwei Jahren postoperativ erneute keratozystisch odontogene Tumore in mehreren Lokalisationen.

VI) L.C. (w) 01.05.79*

SPSS No.: 28976

Die Patientin stellte sich 2004 mit einer Überweisung ihres Hauszahnarztes aufgrund des Verdachts auf multiple, zystische Läsionen in beiden Kieferwinkeln sowie im Oberkiefer rechts in der MHH vor. Anhand der Anamnese war das Vorliegen des Gorlin-Goltz-Syndroms bereits bekannt, was die Verdachtsdiagnose von rezidivierenden keratozystisch odontogenen Tumoren sofort aufkommen ließ. Auch die radiologische Untersuchung unterstrich diese Verdachtsdiagnose. Es konnten mehrere auffällige zystische Prozesse in beiden Kieferwinkelbereichen sowie im Oberkiefer rechts festgestellt werden. Klinisch wies

die Patientin keine auffälligen Symptome auf. Der histopathologische Befund unterstützte die Verdachtsdiagnose von multiplen keratozystisch odontogenen Tumoren. Die „Zysten“ des Unterkiefers wurden durch eine Zystostomie entfernt. Im Oberkiefer erfolgte nach Zystektomie die Defektauffüllung durch einen Bichat’schen Wangenfettpfropf. Die Wundheilung erfolgte komplikationslos und auch die jährlichen radiologischen Kontrolluntersuchungen von 2004 bis 2010 zeigten keinen Anhalt auf erneute Rezidive. 2010 zog die Patientin nach Berlin, wodurch keine Informationen über den weiteren Verlauf bekannt sind.

Röntgenbilder des keratozystisch odontogenen Tumors zu dem Patientenbeispiel (V) R.E. (w), 14.06.77*:

Abbildung 34: Präoperativer Zustand mit multiplen Zysten (Pfeile) im Ober- und Unterkiefer (19.11.2004)

Ergebnisse

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Abbildung 35: Postoperativer Zustand mit guter Knochenkonsolidierung (Pfeile) (31.03.2005)

Abbildung 36: Kein Anhalt auf Rezidive (Pfeile) (02.10.2007)

Abbildung 37: Weiterhin keine Anzeichen für neue Rezidive (Pfeile) (07.04.2010)

3.10.4. Aktuelles Beispiel aus 2013

VII) M. L. (m) 04.08.72*

Anhand dieses Patientenfalls soll ein aktueller Verlauf der Therapie eines ausgedehnten KZOTs an der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der MHH dargestellt werden.

Aufgrund einer Raumforderung von circa 5,5 cm im anterioren Unterkiefer wurde der Patient von seinem Hauszahnarzt im Dezember 2012 zur weiteren Abklärung und Behandlung an die MHH überwiesen. Das OPG zeigte eine 5,5 x 2 cm große zystische Veränderung mit definierten, gewellten Rändern im Unterkiefer von Regio 33 bis Regio 46. Die Kortikalis war zum Teil vorgewölbt und ausgedünnt. Zusätzlich fand sich Regio 46 eine weitere zystische Läsion mit einer Größe von circa 1 cm. Die histopathologische Auswertung der Probebiopsie vom 09.01.2013 ergab eindeutig das Vorliegen eines keratozystisch odontogenen Tumors.

Der Tumor wies die typische palisadenartig aufgestellte Basalzellschicht und Hornlamellen auf. Das Plattenepithel war ausgedünnt und teilweise mit Granulationsgewebe ersetzt worden. Außerdem war es von myxoidem Bindegewebe umgeben. In dem weiteren Umfeld lag ein Rundzellinfiltrat ohne Atypien vor. Einen Monat später erfolgte die Entfernung des Tumors durch eine Unterkieferkastenresektion von Regio 33-46 unter dem Erhalt des Nervus alveolaris inferior. In der abschließenden histopathologischen Beurteilung ergab sich die Resektion Regio 34 als „non in sano“, sodass sechs Wochen später der Zahn 34 einschließlich seiner knöchernen Alveole im Rahmen einer Nachresektion entfernt wurde.

Bereits im ersten Eingriff wurde eine vorgefertigte, computerassistierte, alloplastische

Ergebnisse

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Rekonstruktionsplatte (CAD-CAM-Implantat) zur Rekonstruktion und zur Stabilisierung des Unterkiefers eingebracht. Die Einheilung erfolgte ohne Komplikationen. Sechs Monate später wurde der Defekt mit einem mikrovaskulär-anastomosierten Fibulatransplantat rekonstruiert.

Nach bisher rezidivfreiem Verlauf steht schlussendlich die Versorgung mit dentalen Implantaten aus.

Dreidimensionale Bilder (CT) des keratozystisch odontogenen Tumors prä-/ postoperativ des Patienten M. L. (m) 04.08.72*

Abbildung 38: Präoperatives 3D-Bild (CT) mit Darstellung der Weichgewebe, des Knochens sowie Hervorhebung des KZOT Regio 33 bis 46 (blau)

Abbildung 39: Präoperatives Schnittbild des Unterkiefers aus der axialen Ebene mit Markierung des KZOT (blau) Regio 33 bis 46 und Abmessung seiner maximalen Ausdehnung in dieser Ebene (mesio-distal=51.1mm; vestibulo-lingual=14.9mm)

Ergebnisse

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Abbildung 40: Präoperatives Schnittbild des Unterkiefers aus der coronalen Ebene mit Markierung (blau) des KZOT Regio 33 bis 46 und Abmessung seiner maximalen Ausdehnung in dieser Ebene (mesio-distal=38.5mm; kranio-kaudal=16.9mm)

Abbildung 41: Präoperatives Schnittbild des Unterkiefers aus der sagittalen Ebene mit Markierung (blau) des KZOT und Abmessung seiner maximalen Ausdehnung in dieser Ebene (vestibulo-lingual=19.5mm;

kranio-kaudal=21.4mm)

Ergebnisse

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Abbildung 42: Postoperatives 3D-Bild (CT) nach Teilresektion und Rekonstruktion; Darstellung der Weichgewebe, des Knochens sowie der alloplastischen Rekonstruktion durch ein Patienten-spezifisches individualisiertes CAD-CAM Implantat; der KZOT wurde im Bezug auf die Resektionsgrenzen schematisch eingefügt (blau)

Abbildung 43: 3D Volumenberechnung (CT) des KZOT aus der axialen Ebene, Volumen: 12.599cm³, Bone HU=898

Ergebnisse

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Zweidimensionale Bilder (OPG) des keratozystisch odontogenen Tumors prä-/ postoperativ des Patienten M. L. (m) 04.08.72*:

Abbildung 44: Präoperativer Zustand mit einer Raumforderung von 33 bis 46 (Pfeile) und intraluminalen Knochensepten (13.02.2013)

Abbildung 45: Postoperativer Zustand nach Unterkieferteilresektion mit alloplastischer Rekonstruktion (Pfeile) durch ein Patienten-spezifisches individualisiertes CAD-CAM Implantat (18.02.2013)

Abbildung 46: Zustand nach Entfernung des Zahnes 34 (Pfeil) (09.04.2013)

Abbildung 47: Postoperativer Zustand vom 30.07.2013

Ergebnisse

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Abbildung 48: Postoperativer Zustand nach Rekonstruktion durch einen mikrovaskulär-anastomosiertes Fibulatransplantat (Pfeile) (06.08.2013)

4. Diskussion

4.1. Diskussion der Materialien und der Auswertungsmethoden

In die Auswertung des vorliegenden Materials wurden ausschließlich Patienten einbezogen, bei welchen gesicherte histopathologische Befunde mit den Diagnosen „Keratozyste“,

„odontogene Keratozyste“ oder „keratozystisch odontogener Tumor“ vorlagen. Bei allen 114 Patienten erfolgte die Primäroperation in den Jahren zwischen 1991 und 2010 in der Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der MHH.

Es muss bedacht werden, dass die „Keratozyste“ während der sich über zwei Jahrzehnte hinziehenden Untersuchungsspanne von 1991 bis 2010 anfangs noch als dysontogenetische Zyste und nach 2005 als Neoplasie eines tumorösen Vorgangs angesehen und behandelt wurde [10].

Allgemeinerkrankungen der Patienten wurden, soweit diese Erkrankungen einen operativen Eingriff zuließen, unter der Annahme, dass diese keinen Einfluss auf das Wachstum der Tumore haben, nicht weiter berücksichtigt. Drei Patienten mit dem selten auftretenden, malignen Gorlin-Goltz-Syndrom wurden aufgrund der besonderen Ätiopathogenese nicht in die statistischen Berechnungen einbezogen, da es sich um eine eigenständige Erkrankung handelt, welche sich schon im Kindesalter manifestieren kann [3, 18, 52, 58, 132].

Innerhalb des retrospektiven Untersuchungszeitraumes wurden im Wesentlichen fünf unterschiedliche Behandlungsmethoden angewandt, wie bereits in Kapitel 2. 5. beschrieben.

Die Zystostomie (Partsch I) und die Zystektomie (Partsch II), etabliert durch Partsch, gelten bis heute als maßgebende Methoden in der Zystentherapie (siehe Kap.1.11.) und werden routinemäßig als solche in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der MHH angewandt [19, 124]. Angesichts der ausgeprägten Rezidivneigung wurde versucht, mit Hilfe erweiterter Behandlungsmethoden wie der Anwendung der chemischen Kauterisation durch die Carnoysche Lösung, der Anwendung von Kryotherapie oder dem Ausfräsen des Lumens, die Rezidivrate zu senken [87, 91, 107].

Diskussion

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Das Fehlen von Studien mit höherer Evidenzklasse, welche die wissenschaftliche Basis verbreitern würden, führt zu individuellen Behandlungs- und Operationsentscheidungen der jeweiligen Institution beziehungsweise der Operateure [43]. Ebenso erschweren zum Teil unterschiedliche und unvollständige Dokumentationsweisen sowie unterschiedliche Untersuchungszeiten die Vergleiche der Ergebnisse. Statistisch wurden in dieser Arbeit deshalb nur die Gruppen mit ausreichend großer Fallzahl ausgewertet. Kleinere Stichproben wurden deskriptiv behandelt.

Insgesamt ist die Datenlage im Hinblick auf das optimale therapeutische Vorgehen der keratozystisch odontogenen Tumore weiterhin unbefriedigend, obwohl viele zum Teil kleine, retrospektive Kohortenstudien vorliegen [43].

4.2. Diskussion der Ergebnisse

Die im Jahr 2005 den neuen pathogenetischen Erkenntnissen über den KZOT als tumoröses Geschehen gerecht werdende Klassifikation der WHO hat zu keiner erkennbaren Veränderung der Behandlungsweise geführt [10]. Auch ist es nicht gelungen, die enorme Rezidivinzidenz von 2-62% nachweislich zu senken, was auch das Ergebnis der vorliegenden Auswertung mit einer mittleren Rezidivinzidenz von 36,9% bestätigt [24, 84, 136]. Deshalb scheint es entscheidend, neben einem besseren Verständnis der Ätiopathogenese, auch die Einflussfaktoren auf das Rezidivverhalten sowie prognostisch relevante Einflussfaktoren zu erfassen, um effektive, rezidivarme Therapien für die Patienten entwickeln zu können.

Mit einem Median von 42 Jahren (Median Frauen = 41 J. / Median Männer = 44 J.) erstreckt sich die Altersspanne von zwölf bis 90 Jahren und steht damit in Übereinstimmung mit einem Großteil der Literatur [2, 8, 17, 24, 71]. Die große Standardabweichung von 19 Jahren spricht für eine weitgehend altersunabhängige Entstehung der keratozystisch odontogenen Tumore [5, 18, 38, 112, 113]. Treten jedoch mit einem wesentlich jüngeren Altersmedian von 20 Jahren gleichzeitig mehrere Zysten auf, muss unter anderem an das Vorliegen eines sogenannten Gorlin-Goltz-Syndroms gedacht und dieses differenzialdiagnostisch über eine erweiterte Stufendiagnostik durch den Oralchirurgen mit anschließend histopathologischer Beurteilung abgeklärt werden [56]. Zusätzlich sind auch ein dermatologisches Screening mit der Frage nach Basalzell-Karzinomen und Röntgenthorax-Aufnahmen zur Abklärung möglicher Skelettdeformationen (Rippen/ Wirbelsäule) erforderlich. Erhärtet sich der Verdacht auf ein GGS, kann eine genetische Abklärung die Verdachtsdiagnose verifizieren [3, 18, 55, 58, 91]. Im vorliegenden Kollektiv war dies bei drei jungen Patientinnen mit einem

Altersmedian von 18 Jahren der Fall. Sie wiesen multiple keratozystisch odontogene Tumore als Teil des Gorlin-Goltz-Syndroms auf, mit einer erhöhten Inzidenz an Rezidiven. In Übereinstimmung mit der Literatur sprechen diese Beobachtungen dafür, dass der KZOT auch als Symptom innerhalb eines Gorlin-Goltz-Syndroms in Form multilokulärer zystischer Läsionen mit hoher Rezidivinzidenz vermehrt bei jüngeren Patienten auftreten kann [58, 123, 132]. Andererseits wiesen zwei jüngere Patienten (1,8%) mit einem Altersdurchschnitt von 34 Jahren in der vorliegenden Studie ebenfalls multilokuläre KZOT auf, ohne dass ein Gorlin-Goltz-Syndrom nachgewiesen werden konnte [17, 22, 23, 74, 90, 105, 113].

Männer waren gegenüber Frauen in einem Verhältnis von 2:1 doppelt so häufig von dem KZOT betroffen. Dies gleicht den in der Literatur beschriebenen Ergebnissen [4, 17, 38, 44, 86, 112, 114]. Das seltenere Auftreten bei Frauen führen Dammer et al. auf einen schützenden Einfluss weiblicher Hormone zurück [29].

Die Tumore fanden sich signifikant häufiger (p<0,001) im Unterkiefer (91,9%) als im Oberkiefer (8,1%). Diese auffällige Häufigkeit und die Prädilektionsstelle im posterioren Unterkieferwinkelbereich mit 68,3% stimmen weitgehend mit der aktuellen Literatur überein [17, 22, 24, 52, 71, 78, 114, 117, 123]. Dass die Tumore aus entwicklungsbedingten Residuen der Mallessez‘schen und der Serres’schen Epithelreste entstehen, kann die oben erwähnte Prädilektion im Unterkiefer erklären, da diese Zellreste bei der Odontogenese häufig im posterioren Bereich des Unterkiefers zurückbleiben [91, 117, 136].

Die überwiegende Mehrzahl der Tumore, 59,5%, wurde als symptomloser Zufallsbefund im Rahmen einer röntgenologischen Routine-Diagnostik festgestellt [17, 30]. Der recht hohe Anteil an asymptomatischen keratozystisch odontogenen Tumoren dieser Studie ist mit einer geringen radiologischen Durchschnittsgröße von 5,5 cm² im Vergleich zu den in der Literatur angegebenen Werten von bis zu 19 cm² zu begründen [30, 52, 78, 81, 123]. Der Zusammenhang zwischen der Größe und den recht spät auftretenden Beschwerden lässt sich im Unterkiefer durch die anterior-posteriore Wachstumsrichtung im Bereich der Spongiosa verdeutlichen. Dadurch ist es dem Tumor möglich, eine beträchtliche Größe anzunehmen, bevor er durch das Perforieren der Knochenkompakta Beschwerden verursacht [1, 18, 24, 44, 91, 117]. Die Größenangaben anderer Autoren von bis zu 19 cm² können deren höhere Werte an symptomatisch diagnostizierten Läsionen erklären [30, 52, 78, 81, 123]. Aufgrund der Prädilektionsstelle im zahnlosen Bereich des posterioren Unterkiefers wiesen nur 32,4% der untersuchten Fälle eine enge räumliche Beziehung zu einem oder mehreren Zähnen auf. 67,6% zeigten keine Beziehung zu einem Zahn. In der Literatur weichen diese Angaben korrelierend mit der Größe von den Werten der

Diskussion

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vorliegenden Arbeit ab [80, 81, 123]. Wie auch in der Literatur traten die KZOT zu 98,2%

unilokulär auf [17, 22, 23, 74, 90, 105, 113].

Große oder multiple keratozystisch odontogene Tumore erfordern ein erweitertes radiologisches Diagnostikverfahren wie ein Computertomogramm (CT) oder eine digitale Volumentomographie (DVT), um die topographisch-räumliche Ausdehnung genauer zu bestimmen und um therapeutische Maßnahmen gezielter planen zu können [53, 58, 91, 119]. Bei 45,9% der Patienten (n = 51) wurde ein Augmentationsverfahren erforderlich, um die Funktionsstabilität des Kiefers wiederherzustellen. Am häufigsten (n = 38) wurde dafür autogener (autologer) Knochen aus dem Beckenkamm der Crista iliaca anterior superior entnommen und zur Defektauffüllung genutzt. Dies bedeutet einen zusätzlichen Eingriff zur Gewinnung von Knochenmaterial. Klinische Studien zeigen jedoch, dass autogene Knochentransplantate unverändert den „Goldstandard“ in der Augmentationstechnik darstellen [27, 91, 101, 104]. Bei ausgedehnten Knochendefekten können zusätzlich Osteosyntheseplatten zur Stabilität erforderlich werden, um eine zeitnahe Belastung gewährleisten zu können [93].

4.2.1. Rezidivverhalten

Im vorliegenden Untersuchungszeitraum von zwei bis 204 Monaten (Mittelwert = 3,5 Jahre) kam es kumulativ zu einer mittleren Rezidivhäufigkeit von 36,9%, was mit den Angaben in der Literatur von 2% bis 62% übereinstimmt [24, 84, 136]. Die von zahlreichen Autoren vorgelegten Ergebnisse beziehen sich oft auf kleine Fallzahlen und auf unterschiedliche Beobachtungszeiträume, welche den statistischen Vergleich erschweren [17].

Die meisten Rezidive (27 / 41) wurden innerhalb der ersten vier Jahre nach der Primäroperation festgestellt. Bei zwei Patienten konnte noch nach 12 Jahren ein Rezidiv diagnostiziert werden, was Resultaten der Literatur entspricht [5, 18, 20, 21, 24, 41, 52, 82, 117]. Dieses späte Auftreten kann durch unzureichende Behandlungsmethoden sowie auf das charakteristische, meist symptomlose Tumorwachstum und eventuell dem Versäumnis regelmäßiger Kontrollen erklärt werden [18, 84]. Wie die Ätiopathogenese vermuten lässt, manifestierten sich auch die Rezidive überwiegend im Unterkiefer (95,1%), im Median innerhalb eines Zeitraumes von 36 Monaten [17, 22, 38, 40]. Seltener und früher (n = 2;

Median = 18 Monate) zeigten sie sich im Oberkiefer. Das lässt sich mit der komplexeren Anatomie des Oberkiefers und den dadurch bedingten erschwerten operativen Zugängen begründen [22, 98].

Tendenziell wurden die Rezidive bei Frauen häufiger 48,6% (18 / 37; p = 0,071) und auch früher (p = 0,126) diagnostiziert. Im Schnitt wurden sie bei Frauen schon nach drei Jahren, hingegen bei Männern 31% (23 / 74) erst nach sechs Jahren festgestellt. Diese Tatsache lässt an dem von Dammer et al. [10] erwähnten schützenden Einfluss weiblicher Hormone zweifeln und ist möglicherweise Ausdruck eines verstärkten Gesundheitsbewusstseins bei Frauen. Zahlreiche Autoren diskutieren diese geschlechtsspezifischen Unterschiede kontrovers [4, 22, 30, 38, 123]. Zur Klärung, ob die weiblichen Hormone hierauf einen Einfluss haben, wäre in weiteren Untersuchungen zu klären.

Wie bereits die Primärtumore traten die Rezidive altersunabhängig auf. Der Einfluss des Alters auf das Rezidivverhalten wird in der Literatur allerdings kontrovers diskutiert. Forsell et al. [41] sehen eine Disposition des Kinder- und Jugendalters, ElHaji [38] hingegen betont eine Disposition bei 50-60-Jährigen und Titindi [123] sieht eine Bevorzugung sowohl bei 20-Jährigen wie auch bei 80-20-Jährigen. Andere Autoren wiederum schließen, deckend zu den Ergebnissen dieser Studie, ebenfalls eine Altersabhängigkeit aus [49, 52].

Im Hinblick auf das Rezidivverhalten nach den unterschiedlichen Operationsmethoden ist die Datenlage in der Literatur widersprüchlich [38, 98, 130]. Frerich et al. merken zur nicht mehr gültigen Leitlinie von 2007 an, dass angesichts meist retrospektiver Kohortenstudien die Datenlage unzureichend ist [43]. Die Leitlinie konnte letztlich nur vorläufige Therapieempfehlungen aussprechen und empfahl die erweiterte Enukleation in Kombination von Zusatzbehandlungen mit dem Ziel, verbliebene Tumorreste und Mikrozysten zu eliminieren [43]. Diese Leitlinie wurde 2007 im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft und

Im Hinblick auf das Rezidivverhalten nach den unterschiedlichen Operationsmethoden ist die Datenlage in der Literatur widersprüchlich [38, 98, 130]. Frerich et al. merken zur nicht mehr gültigen Leitlinie von 2007 an, dass angesichts meist retrospektiver Kohortenstudien die Datenlage unzureichend ist [43]. Die Leitlinie konnte letztlich nur vorläufige Therapieempfehlungen aussprechen und empfahl die erweiterte Enukleation in Kombination von Zusatzbehandlungen mit dem Ziel, verbliebene Tumorreste und Mikrozysten zu eliminieren [43]. Diese Leitlinie wurde 2007 im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft und