• Keine Ergebnisse gefunden

3.4 Datenanalyse

3.4.2 Die Resonanzebenenhypothese

Die erste Hypothese, die empirisch überprüft werden soll, ist die „Resonanzebenen-Hypothese“. Wird die Debatte als gesamteuropäischer Diskurs wahrgenommen?

Gibt es eine europäische Diskursebene, oder bleiben die nationalen Öffentlichkeiten isoliert? In welcher institutionellen Arena findet die Debatte statt?

D F GB

Journalist Korrespondent Politiker Leser Interview Intellektueller Presseschau Agentur Kritiker

Autor

10%

20%

30%

40%

50%

Prozent

Grafik 6

Die der Untersuchung zugrunde liegende Hypothese lautet: Die Debatte wird als gesamteuropäischer Diskurs wahrgenommen. Nacheinander werden die Sub-Hypothesen analysiert und überprüft.

a) Nationale Diskurse lassen sich nachweisen

Zunächst muss festgestellt werden, ob innerhalb der nationalen Öffentlichkeiten eine Konvergenz der Zeitungsberichte festzustellen ist. Beispielhaft wurde dies an

der Häufigkeit der Erwähnung von Fischers Humboldt-Rede, einem zentralen Ereig-nis und Referenzpunkt des Diskurses, nachvollzogen.

Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland lässt sich eine relativ stabile Überein-stimmung der Häufigkeitskurven feststellen, wohingegen die unterschiedlichen nati-onalen Diskurse stark voneinander abweichen (Grafik 7 und 9). In Großbritannien dagegen unterscheiden sich die Häufigkeitskurven von Times und Guardian auffälli-ger (Grafik 8). Die unterschiedlich ausschlagenden Kurven deuten auf eine hetero-genere Wahrnehmung der Ereignisse durch die beiden untersuchten Zeitungen hin.

Auch bei der Betrachtung der Verteilung der Frames für das wichtigste Thema „Eu-ropa“ fällt auf, dass die britischen Zeitungen sich am stärksten: Je mehr der Guardi-an affektiv-zukunftsgerichtete Frames benutzt, umso mehr grenzt sich die Times von der EU ab (Grafik 11).

FAZ SZ

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 0

2 4 6

Erwähnung Humbold-Rede

Guardian Times

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 0

2 4 6

Erwähnung Humbold-Rede

Grafik 7

Grafik 8

Dennoch lässt sich auch im britischen Fall von einer nationalen Konvergenz im Vergleich zu den Verläufen der an-deren Öffentlichkeiten sprechen: Times und Guardian gleichen einander mehr, als einer anderen der untersuchten Zeitungen. Der stärkere Unterschied kann vielleicht auf eine andere, spezi-fisch britische Zeitungskultur zurückge-führt werden: Jedes Blatt achtet auf eine dezidierte eigene Meinung, die auch in Wahlempfehlungen und kam-pagnenartig wiederkehrenden Stellungnahmen zu bestimmten Themen ihren Nie-derschlag findet.

In Frankreich fällt auf, dass die „republikanische“ Le Monde unsicherer mit der De-batte umgeht, als der

liberal-konservative Figaro. Die positiven Frames sind im Figaro sogar häufi-ger vertreten. Das souveränistische Moment kommt dagegen in Le Monde weniger häufig vor.

Die gemäßigt links-liberale Süd-deutsche Zeitung vertritt einen all-gemein kritischeren Standpunkt als die bürgerlich-konservative Frank-furter Allgemeine Zeitung. Bei dieser fällt besonders der hohe Anteil von

FAZ SZ Monde Figaro Guardian Times

0%

auf – ein Hinweis auf die traditionell europa-freundliche Haltung der Rechten in der Bundesrepublik. Die FAZ muss jedoch auch insgesamt als Sonderfall betrachtet werden: Sie ist bekannt für ein progressives Feuilleton und wird vom Bildungsbür-gertum gelesen, sodass eine eindeutige rechts-links Aufteilung bei dem untersuch-ten Thema nicht anwendbar zu sein scheint. Alle Zeitungen zusammen genommen, heben sich die rechts-links-Unterschiede sogar gegenseitig auf – sie sind weitge-hend unerheblich (Grafik 10).

Insgesamt ähneln sich die nationalen Zeitungen untereinander jeweils mehr, als irgendeiner ausländischen Zeitung. Eine nationale Resonanzebene kann nachge-wiesen werden. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass die nationalen Öffentlichkei-ten völlig unabhängig von einander berichÖffentlichkei-ten, lediglich an den selben Ereignissen orientiert.

b) Die Berichte erscheinen in allen Ländern in ähnlichen Rubriken

Verschiedene Ereignisebenen (lokal, national, international) ent-sprechen den Resonanzebenen und finden meist auch in der Strukturierung der Zeitung in Sek-tionen (Deutschland, Internatio-nal, Lokales...) ihren Ausdruck.

Auch nationale Öffentlichkeiten sind in der Ebene der Berichter-stattung nicht homogen, sondern berichten je nach Ausrichtung mehr oder weniger über bestimm-te Ereignisebenen. So ist in einer Regionalzeitung die lokale Ebene wichtiger als die internationale Ebene.

Über die Resonanzebene der Fischer-Debatte gibt Grafik 12 Auskunft. Die meisten Artikel erschienen in Deutschland und Frankreich demnach in der Sektion Ausland, in Großbritannien dagegen knapp in der Sektion Inland. Es stellt sich die Frage, ob das Erscheinen eines Artikels im Auslandsteil bzw. im Inlandsteil einer Zeitung für oder gegen eine europäische Resonanzebene spräche. Hier sind zwei Interpretatio-nen denkbar: Entweder sprechen häufige Berichte aus dem Ausland für ein starkes Interesse an Reaktionen in anderen Staaten, oder dafür, dass ein Thema als innen-politisch wenig relevant und lediglich im Rahmen der Beziehungen nach außen be-richtenswert ist. Für die erste These spräche der hohe Anteil an Presseschau in

Deutschland, die Meinungen auch aus anderen Ländern thematisiert.

Vor allem aber machen Politiker aus anderen Staaten und Repräsentanten der EU als Akteure in der Berichter-stattung einen hohen Anteil aus: Je-weils über 50 Prozent in Deutschland und Frankreich, in Großbritannien knapp darunter. Dennoch bleiben nationale Akteure jeweils am wich-tigsten, so dass man nicht von gerin-ger Relevanz des Themas für die Innenpolitik sprechen kann. Daraus ist zu schließen, dass der hohe Anteil der Sekti-on „Inland“ in Großbritannien auf ein weniger ausgeprägtes Interesse an den Mei-nungen und Reaktionen der Akteure anderer Staaten hindeutet, als in Deutschland und insbesondere in Frankreich.

Aber welche Art von Artikel erscheinen in der Inlandssektion? Wie die Analyse der Anteile der berichteten Ereignisse in den Sektionen zeigt, lässt sich keine klare Trennung ausmachen. Sowohl im Inlands- wie im Auslandsteil wird über ähnliche Ereignisse berichtet (Grafik 13). Die Trennung scheint vielmehr nach pragmatischen Gesichtspunkten zu erfolgen: handeln nationale Akteure und ist das Ereignis be-sonders auf nationaler Ebene interessant, erscheint der Artikel im „Inland“. Wird die breitere Diskussion thematisiert, erscheint er im Auslandsteil. Als Beispiel dient hier Grafik 14. Sie stellt die Anteile der Ereignisse an der Berichterstattung in Großbri-tannien dar. Während die Fischer-Rede sowohl innen- als auch außenpolitisch be-handelt wird, überwiegt bei der Blair-Rede die

Innenpolitik. Über Chevènement wird wieder-um ausschließlich im Auslandsteil berichtet.

Die Länder unterscheiden sich in dieser pragmatischen Aufteilung kaum.

Als Ergebnis lässt sich festhalten, das keine klare Trennung der Resonanzebenen festzu-stellen ist. Je nach Ereignis und der Ein-schätzung der Zeitung, auf welcher Ebene ein Thema oder eine Äußerung anzusiedeln ist,

batte nicht klar zwischen einem „innen“ und „außen“ unterschieden wird. Die Reso-nanzebenen sind verknüpft, wobei von Fall zu Fall entschieden wird, in welcher in-stitutionellen Arena ein Bericht anzusiedeln ist. Während über eine Wahl im Ausland oder einen Krieg ohne eigene Beteiligung üblicherweise im Auslandsteil berichtet wird, über Kriminalfälle oder Vorschläge zur sozialen Sicherung im Inlandsteil, ist eine solche Einteilung auf europäischer Ebene nicht möglich.

c) Die gleichen Akteure spielen eine Rolle, unabhängig von ihrer Herkunft Einen Eindruck von der Ähnlichkeit der Struktur der Debatte gibt der Anteil eigener Akteure bzw. fremder Akteure (Grafik 15). In allen drei Ländern ist der Anteil

inländi-scher Politiker als „Hauptdarsteller“ des Diskurses jeweils am höchsten. Dies gilt am wenigsten für Deutschland, wo im Gegenzug der Anteil französischer Ak-teure und von Mitgliedern der EU-Institutionen im Vergleich zu den ande-ren Ländern am höchsten ist. Die EU-Akteure spielen jedoch in allen Ländern eine in etwa gleich starke Rolle, jeweils im Bereich von etwa zwanzig Prozent.

Während in Großbritannien die Akteure aus Deutschland und Frankreich fast genau gleich oft vertreten sind, haben britische Politiker sowohl in Deutschland als auch in Frankreich eine marginale Bedeutung. Hier findet die Debatte hauptsächlich als deutsch-französische Auseinandersetzung statt, mit gelegentlichen Beiträgen der supranationalen Akteure. Politiker aus anderen EU-Staaten spielen so gut wie gar keine Rolle, am wenigsten in

Großbritan-nien. Interessant ist vor allem der relativ hohe Anteil der EU-Akteure. In Großbritannien stel-len sie die wichtigste ausländische Akteurs-gruppe dar, knapp vor den etwa gleichstark vertretenen Deutschen und Franzosen. In Frankreich sind die deutschen Akteure nur knapp häufiger vertreten als die EU-Akteure und auch in Deutschland rangieren

Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass nationale Akteure zwar weiterhin am wich-tigsten sind, jedoch in keinem der Länder die Debatte in einem Maße dominieren, dass andere Meinungen keine Beachtung finden würden. Jeweils stellen Berichte über Akteure aus dem Ausland und der EU die Mehrheit der Artikel dar. In diesem Sinne ist die Debatte ein europäischer, jedenfalls kein eindeutig nationaler Diskurs.

Erstaunlich ist der hohe Anteil der EU-Akteure in allen drei Ländern, der auf einen erheblichen Einfluss der supranationalen Institutionen auf die nationalen Öffentlich-keiten schließen lässt. Die Debatte ist eindeutig nicht international, sondern intra-europäisch, nicht-nationalstaatliche Akteure mit eingeschlossen. Der verschwindend geringe Anteil von Akteuren anderer EU-Staaten weist jedoch darauf hin, dass die Debatte in den untersuchten Ländern als „Gespräch der Großen“ wahrgenommen wird, kleine Staaten spielen keine Rolle. Insbesondere ist auf den starken deutsch-französischen Charakter hinzuweisen. Die Debatte ist in Deutschland und Frank-reich ein Dialog.

d) Argumente aus anderen Öffentlichkeiten werden wahrgenommen, nationa-le Debatten nehmen Bezug auf andere Öffentlichkeiten

Drei Arten von Bezug auf andere Öffentlichkeiten konnten in der Debatte qualitativ unterschieden werden: (1) Erwartete Reaktionen anderer Regierungen oder Staa-ten, (2) kulturelle Verständigung und Begriffsklärungen und (3) die Thematisie-rung der Debatte allgemein.

Der Charakter der Berichte über Erwartungen an Reaktionen aus anderen Ländern lässt einen Schluss darüber zu, ob die Debatte in einer gemeinsamen Öffentlichkeit stattfindet – ob die Berichte die Reaktionen in anderen Ländern als normale Beiträ-ge in einer Beiträ-gemeinsamen Öffentlichkeit wahrBeiträ-genommen werden, oder ob über et-was Fremdes berichtet wird. Besonders interessiert die Frage, ob sich solche Bei-träge im Charakter grundsätzlich von Berichten über nationale oder internationale Ereignisse unterscheiden. Beiträge, die kulturelle Vermittlung, Bemühungen um Ausgleich und Verständnis oder Begriffserklärungen vermittelnder Art in den Mittel-punkt stellen, sind ein Hinweis auf eine gemeinsame Öffentlichkeit, weil sie sich nicht abgrenzen, sondern mit der Auseinandersetzung mit anderen Öffentlichkeiten aus andern Ländern rechnen. Sie bereiten die Leser auf die Diskussion vor, indem sie die Grundlagen für einen deliberativen Verlauf des Diskurses erst schaffen. Nur wer sein Gegenüber versteht, kann eine Diskussion führen. Schließlich weisen Bei-träge, die einen zusammenfassenden Überblick über die bisherigen Beiträge und den Verlauf einer Diskussion berichten, darauf hin, dass die Auseinandersetzung als gemeinsamer Diskurs in einer einzigen Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Indem

über eine Diskussion zusammenfassend berichtet wird, wird sie erst als homogen und zusammenhängend konstruiert.

Eine inhaltliche Untersuchung der Artikel, die zu erwartende Reaktionen aus ande-ren Ländern thematisieande-ren, ergibt, dass ausführlich über Motivationen und Argumen-te berichArgumen-tet werden:

The French are aware that German discussion of federalism is the last thing that Tony Blair needs if he is to accept new decision-making proce-dures for Brussels. (The Times, 19.05.2000)

Dabei wird aber weniger aus der öffentlichen Debatte berichtet, also etwa über den Stand der Dinge in anderen nationalen Öffentlichkeiten, sondern die Berichte bedie-nen sich des Stils atmosphärischer Beschreibungen der Stimmung in Regierung oder Politik allgemein. So werden „diplomatische Kreise“ zitiert, langfristige Macht-kalküle analysiert und Länder gegeneinander ausgespielt:

A titre personnel, un diplomate italien estime qu'il est utile d'alimenter le débat lancé le 12 mai dernier par le ministre allemand des Affaires étran-gers, Joschka Fischer, sur l'architecture et les finalités de la construction européenne. Mais il note que ce débat reste avant tout franco-allemand et intéresse peu les autres capitales. Il en veut pour preuve un récent ar-ticle Blair-Aznar qui évite soigneusement la question... (Le Figaro, 17.06.2000)

Die Berichte nehmen Bezug auf Interesse und Politikstil, nicht auf öffentliche Mei-nung. Sie bleiben auf der Politikebene, nicht auf der Ebene der Öffentlichkeit. Es ist die Welt der Diplomatie, der hohen Politik und der Eliten. Es dominieren Analysen der realpolitischen Gegebenheiten eines Pinball-Systems von Nationalstaaten. Eine Änderung des Stils hin zu einer europäischen Nachrichtensprache ist nicht festzu-stellen:

Die Rede zwingt scheinbar zu einer Fest-legung, die dem politischen Tagesge-schäft in Europa, das sich in diesen Ta-gen wieder um ein Gipfeltreffen dreht, schadet. Der Mechanismus ist immer der gleiche: Ein ranghoher Politiker - der Bri-te Blair, der Spanier Aznar, der Franzose Vedrine - spricht, die Worte werden an Fischers (inzwischen bis zur Ungenauig-keit vereinfachten) Rede gemessen, und daraus ergibt sich ein klares Ergebnis.

Für oder gegen Fischer, mit oder gegen Deutschland. (SZ, 19.06.2000)

Ein direkter Bezug auf andere öffentliche Mei-nungen, ein Austausch von Argumenten oder eine Koordination von Berichterstattung17 lässt sich aus dem untersuchen Material nicht her-leiten. Qualitativ unterscheidet sich die

17 Wie etwa von Christoph O. Meyer (2000) für den Rücktritt der Santer-Kommission nachgewiesen.

D F GB

te in dieser Hinsicht nicht von anderen Diskussionen in den Medien über internatio-nale Beziehungen – wenn auch in ihrer Intensität.

Die Auswertung der absoluten Zahlen der Berichte über erwartete Reaktionen aus anderen Ländern zeigt, dass das Interesse an anderen Meinungen in Deutschland und Frankreich fast doppelt so hoch ist wie in Großbritannien.18 Zumindest ist in diesen Ländern das Bewusstsein größer, dass es sich um ein gemeinsam zu disku-tierendes Thema handelt. Die Beiträge aus anderen Ländern werden für relevant erachtet und tauchen zumindest in der Diskussion auf. In Großbritannien scheint die Wahrnehmung der übernationalen Diskussion gleichgültiger und weniger interessiert zu sein.

Einen anderen Charakter haben Texte, die kulturelle Verständigung in den Mittel-punkt stellen. Hier werden zentrale Begriffe der Debatte zu einem eigenständigen Thema gemacht:

The trouble is language, which in this debate obscures rather than illumi-nates. The most fundamental questions hang on the subjective or shifting meaning of words, from "federalism" to "sovereignty" to "subsidiarity" - in-deed to "union". In the tiresome but unavoidable phrase, it all depends what you mean by it. (The Guardian, 29.07.2000)

Schon Fischer thematisierte das Problem des kulturell unterschiedlichen Verständ-nisses von Begriffen in der Humboldt-Rede und markierte damit eines der Haupt-themen der gesamten Debatte:

The German Foreign Minister said that he was reluctant to provoke Brit-ish Eurosceptics. "I know that the very term 'federation' irritates many Britons but to date I have been unable to come up with another word," he said. (The Times, 13.05.2000)

Fischer himself acknowledged that any mention of the European F-word - federalism - was a "red rag" to the British. (The Times, 21.5.2000)

Et pour cause: le fédéralisme et la souveraineté nationale vont ensemble comme l'eau et le feu. (Le Figaro, 9.11.2000)

Vor allem der Begriff „Föderalismus“ tauchte über den ganzen Zeitraum hinweg als Beispiel dafür auf, dass ein Wort in unterschiedlichen kulturellen Kontexten unter-schiedliche Bedeutungen haben kann und wurde entsprechend thematisiert und erläutert. Während das Wort in Frankreich und Großbritannien die Debatte domi-niert, ist es in Deutschland der Begriffsgegensatz „Bundesstaat oder Staatenbund“.

Das aber ist die Frage der "Souveränität", und aus der leiten sich die a-kademischen Debatten ab, in Deutschland um "Bundesstaat oder Staa-tenbund", in Europa um das verschieden ausgelegte Wort "Föderalis-mus". (FAZ, 08.06.2000)

18 Hier wurden absolute statt relativer Zahlen verwendet, da die Anlässe solcher Reaktionen nicht beliebig sind: nur über wirklich stattgefundene Reaktionen kann auch berichtet werden. Auch anteilsmäßig liegen die britischen Me-dien jedoch zurück.

Auffallend oft werden die Bedeutungen dieser Begriffe für andere Nationen themati-siert und erklärt. Es wird versucht, ihnen den manchmal bedrohlichen Beiklang zu nehmen, den sie in der eigenen Kultur haben.

Merci d'appeler un chat un chat, c'est-à-dire de dénommer ' fédérale ' la construction politique qu'il faut viser. Il est vrai que, pour un Allemand, ce terme signifie 'subsidiarité', alors que beaucoup de Français l'entendent a tort comme jacobinisme accru, centralisation de pouvoirs de plus en plus éloignes du citoyen. (Le Figaro, 17.05.2000)

Un patriotisme qui équivaut à la fierté pour les acquis d'une Constitution démocratique, d'une société civile volontariste et d'une culture politique libérale n'est pas une invention de l'Allemagne. Mais c'est chez nous que cette idée républicaine est devenue un concept politique, dans la mesure ou le patriotisme allemand, pour des raisons historiques, s'est étayé plus fortement qu'ailleurs sur la langue et la culture commune. (Le Figaro, 28.6.2000)

Tabus werden hinterfragt, Begriffe entta-buisiert und wie neue, unbelastete Begrif-fe als Kompromissvorschläge vorge-bracht, von denen sich einige durchset-zen19, andere jedoch nicht (so zum Bei-spiel Fischers Begriff „Finalität“, der in Großbritannien völlig ignoriert wird).

Anteilsmäßig am bedeutendsten ist in Frankreich und Großbritannien das Wort

„Föderalismus“ (weil ursprünglich stark negativ konnotiert, aber ein Kernbegriff bei Fischer), in Deutschland wird erstaun-licherweise am meisten über „Souveräni-tät“ diskutiert (Grafik 18). Insgesamt ge-sehen ist die Häufigkeit der Begriffe recht ähnlich, allerdings mit besonderen natio-nalen Schwerpunkten. In Großbritannien

gehören etwa „Veto“, „Skeptik“ und „Superstaat“ zu den häufigsten Begriffen. Hier sind auch die Medien selbst ein häufig diskutierter Punkt, meist als Diskussion über eine vermeintliche „Europhobie“ der britischen Presse, die im Laufe der Diskussion zu einem eigenen Thema wird:

He said some parts of the media foresaw 2010 as: "An EU in which jack-booted Eurocops roam the streets of Britain, arresting anyone eating bent bananas or drinking beer in pints; a Europe where lollipop ladies are harmonised, where darts are banned from British pubs and where rubber ducks are banned from the great British bathtub - all of which and more have passed recently through the pages of our press." (The Times, 14.11.2000)

19 Ein Beispiel ist der inzwischen völlig europäisierte Terminus „Subsidiarität“.

Transparenz

Den zweithöchsten Anteil in Deutschland hat der Begriff „Vision“ mit dem Fischer seine Vorschläge umschreibt und der sich auch als Kategorie für die auf Fischer folgenden Reden der ausländischen Staatsmänner etabliert. „Transparenz“ hat in der deutschen Diskussion den höchsten Anteil unter den drei Ländern, meist im Zusammenhang mit einer Kritik an der Ineffizienz und demokratischen Zweifelhaf-tigkeit der EU-Institutionen, vor allem der Kommission.

In Frankreich ist „Föderalismus“ das heiße Eisen, das mit Abstand am ausführlichs-ten diskutiert wird. Das ist erstaunlich, weil in der Debatte eigentlich vor allem Groß-britannien als besonders kritisch diesem Wort gegenüber eingeschätzt wird. Die französischen Bedenken werden in den anderen Ländern nicht in dem Maß wahr-genommen, das der inner-französischen Debatte entspräche. Hier ist „Föderalis-mus“ jedoch der Gegenstand von Diskussionen und nicht wie in Großbritannien ein indiskutabel negativ besetzter Begriff:

Le premier mérite de Joschka Fischer est de dissiper un faux débat: celui du fédéralisme. Deux idées sont devenues sans portée: l'une refuse tout transfert de souveraineté des nations a l'Europe, l'autre substitue l'Etat européen aux Etats nationaux. En fait, les institutions fédérales existent déjà: la Banque centrale, la Cour de justice, les pouvoirs propres de la Commission, les décisions du Conseil a la majorité, etc. Il est donc inutile de condamner le fédéralisme, sauf si l'on s'amuse à penser que l'on peut tout détruire. (Le Figaro, 24.05.2000)

In Frankreich ist auch der Anteil des Begriffs „Pragmatismus“ am höchsten und der

In Frankreich ist auch der Anteil des Begriffs „Pragmatismus“ am höchsten und der