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Bridging and Bonding

2.3.2 Resilienz   von  Organisationen

Abbildung 8: Pfadmodell für dynamische Regionalentwicklung (Quelle: Florida 2007)   

 

Universität

Konsumenten‐

orientierte  Dienstleistungen

Talent Technologie Regionalentwicklung  Toleranz

                 

Aus einer umfassenderen Perspektive wird klar, dass diese dynamischen Momente mit Werten der öko‐

logischen Nachhaltigkeit, des sozialen Zusammenhalts und kultureller Kreativität zu verbinden sind.  

 

Wieder begegnen wir der paradoxen Beziehung zwischen Kontinuität und Innovation, Effizienz und Re‐

dundanz: Bridging‐ und bonding‐Kapital auf hohem Niveau zu erhalten ist eine wichtige Voraussetzung  für Resilienz, auch wenn sie einander zuweilen konträr gegenüberstehen.  

   

2.3.2 Resilienz   von  Organisationen  

Aus der Perspektive der Steuerungsaufgabe hat sich in der jüngeren Vergangenheit in der Management‐ 

und Organisationsforschung ebenfalls eine rege Diskussion um die Resilienz von Organisationen bzw. 

Unternehmen entfacht. In gewisser Weise stellt es die Fortführung der Change Management‐Bewegung  im veränderten Kontext der aktuellen Wirtschaftskrise dar. Die Management‐ und Organisationsfor‐

schung stützt sich vor allem auf umfangreiche empirische Fall‐ und Vergleichsanalysen (z.B. McManus et  al. 2007, Sheffi 2005), auf die kybernetisch‐ökologische Resilienzforschung (siehe Kapitel 2.2) sowie mit‐

unter auch auf die Resilienzforschung in der Entwicklungspsychologie. Letztere beschäftigt sich mit der  Fähigkeit von Kindern und Jugendlichen, die trotz widriger Umstände und traumatischer Erlebnisse nicht  in Depression, Sucht, etc. zu verfallen, sondern trotzdem eine stabile, widerstandsfähige Persönlich‐

keitsstruktur entfalten. Demzufolge verfügen resiliente Personen in den meisten Fällen über sieben be‐

sondere Persönlichkeitsmerkmale: Akzeptanz, Analysefähigkeit, Optimismus, Lösungsorientierung,  Handlungsorientierung (Verantwortungsübernahme), Kontaktfreudigkeit (Netzwerkorientierung) und  Zukunftsorientierung (vgl. Welter‐Enderlin und Hildenbrand 2008). 

 

Die Resilienz von Organisationen bezeichnet die organisationale bzw. unternehmerische Fähigkeit, sich  schnell an veränderte Anforderungen anzupassen, d.h. tiefgreifende interne Veränderungen und Verän‐

derungen in der relevanten Umwelt (Kunden, Mitbewerber, Beschaffungsmärkte, Technologie, Politik  etc.) schnell, erfolgreich und ohne dysfunktionale Störungen zu bewältigen. McManus et al. (2007) be‐

schreiben die Resilienz von Organisationen als Funktion der drei Fähigkeiten „situation awareness“, 

„management of keystone vulnerabilities“ und „adaptive capacity“. Die Operationalisierung dieser drei 

ÖAR Regionalberatung GmbH  31  Fähigkeiten erfolgt durch insgesamt 15 Resilienz‐Indikatoren. Anhand dieser Indikatoren kann für jede  Art von Organisation ein sogenanntes Resilienzprofil abgeleitet werden. 

 

Tabelle 2: Resilienz‐Indikatoren für Organisationen (Quelle: McManus et al. 2007; www.resorgs.org.nz))   

Situation Awareness  Management of Keystone Vul‐

nerabilities 

Adaptive Capacity  Roles and Responsibilities  Planning Strategies  Silo Mentality  Understanding of Hazards and 

Consequences 

Participation in Exercises  Communications and Relation‐

ships  Connectivity Awareness  Capability and Capacity of Inter‐

nal Resources 

Strategic Vision and Outcome  Expectancy 

Insurance Awareness  Capability and Capacity of Exter‐

nal Resources 

Information and Knowledge  Recovery Priorities  Organisational Connectivity  Leadership, Management and 

Governance Structures   

 

Abbildung 9: Resilienz‐Profile für Organisationen (Quelle: McManus 2007, www.resorgs.org.nz)   

a. Organisation mit sehr hoher Resilienz  b. Organisation mit sehr niedriger Resilienz   

 

Das Resilienzmodell von McManus et al. (2007) enthält weiters einen fünfstufigen Managementprozess,  der die Resilienz der Organisation stärken soll: 

 In der ersten Stufe geht es um die erhöhte Aufmerksamkeit für krisen‐ bzw. resilienzrelevante Ereig‐

nisse innerhalb und außerhalb der Organisation.  

 In der zweiten Stufe geht es um die Systematisierung dieser Beobachtungen nach kritischen Kom‐

ponenten.  

 In der dritten Stufe erfolgt eine Selbst‐Evaluierung der Verwundbarkeit („vulnerability“) in Bezug auf  die einzelnen Komponenten.  

 Im vierten Schritt erfolgt die Priorisierung der wichtigsten Verwundbarkeiten mittels einer Vulnera‐

bilitätsmatrix.  

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 Im fünften und letzten Schritt geht es schließlich um die Verbesserung der Adaptionsfähigkeit der  Organisation. 

 

In ähnlicher Weise gehen die Resilienz‐Modelle von Hamel und Välikangas (2003) sowie Sheffi (2005)  vor, die im Lebenszyklus von Organisationen fünf Phasen der Krisen‐Bewältigung unterscheiden (vgl. 

auch www.heitgerconsulting.com/dontwastethiscrisis): Reduction, Readiness, Response, Recovery und  Renewal: 

 In stabilen Zeiten geht es darum, potenzielle Verletzlichkeiten und Gefährdungen in den Kernberei‐

chen zu erkennen und zu verstehen (Reduction). Die Vulnerabilitätslandkarte nach Sheffi (2005) hilft  hierbei, Gefährdungspotentiale nach Eintrittswahrscheinlichkeiten und Wirkungen klar zu klassifizie‐

ren und Gegenmaßnahmen vorzubereiten. Die Vulnerabilitätslandkarte enthält vier Quadranten, die  für finanzielle, strategische, operationelle und allgemeine Risiko‐Vulnerabilitäten stehen. In diese  Quadranten werden bestimmte, in der Szenario‐Arbeit als „wild cards“ bezeichnete Störungs‐ und  Schockereignisse eingetragen. 

 In der Phase der Readiness liegt der Fokus auf den Kern‐Geschäftsbereichen und den wesentlichen  Quellen des Gewinns. In dieser Phase werden z.B. Redundanzen aufgebaut, flexible Strukturen und  Strategien implementiert, Notfallpläne erstellt und MitarbeiterInnen geschult, um gegenüber mögli‐

chen Störungen gut gewappnet zu sein.  

 In der Response‐Phase ist die Turbulenz bereits eingetreten − jetzt geht es um sofortige Schadens‐

begrenzung. In der Krise geht es darum, das Tagesgeschäft vom Krisenmanagement zu separieren  und es damit zu stabilisieren. Im Krisenmanagement geht es darum, einen Krisenstab und eine ei‐

genständige Krisenkommunikation einzurichten. Je nach Krisenart (Strategie‐, Ertrags‐, oder Liquidi‐

tätskrise) sind unterschiedliche Vorgehensweisen und Schwerpunkte der Krisenbewältigung ange‐

zeigt. Man verschafft sich einen ersten Überblick über das Ausmaß der möglichen Konsequenzen  und operative Gegenmaßnahmen (Krisenfahrplan).  

 In der Recovery‐Phase sollen die geplanten und installierten Maßnahmen greifen und flexibel einge‐

setzt werden. Das Unternehmen wird jetzt wieder stabilisiert und kehrt möglichst schnell zum Ta‐

gesgeschäft zurück.  

 In der Renewal‐Phase erfolgt die die Auswertung der lessons learnt: Welches Erneuerungspotential  steckt in dieser Turbulenz? Welche Maßnahmen waren besonders wirksam? Wie einschneidend wa‐

ren die tatsächlichen Konsequenzen? Diese Auswertungen werden wiederum in die Aktualisierung  der Vulnerabilitätslandkarte mit einbezogen und bestimmen die Art der Vorbereitung auf neue, un‐

vorhergesehene und überraschende Turbulenzen. Die Innovationschancen der Krisen ‐ seien es  neue Produkte oder Geschäftsmodelle, neue Kernprozesse oder Steuerungskonzepte ‐ werden ana‐

lysiert, priorisiert und umgesetzt. 

 

Heitger Consulting (www.heitgerconsulting.com/dontwastethiscrisis) schreiben resilienten Organisatio‐

nen vor allem folgende vier besonderen Eigenschaften zu: 

Robustheit: Strategie, Organisation und Führung sind so verankert, dass sie in Turbulenzen dem  eigenen Kern treu bleiben, ohne dabei starr zu sein. 

Redundanz: Reserven sind für zentrale Wertschöpfungsprozesse – wenn sie gestört werden – vorrätig oder sehr schnell verfügbar. Diese Ressourcen (materiell, finanziell, Know‐how, Beziehungs‐

kapital) stehen im Gegensatz zur Maxime der reinen Kostenreduktion, wiegen aber das Risiko von  Engpässen in Wertschöpfungsprozessen auf. 

Ressourcenorientierung: Das Unternehmen besitzt die Fähigkeit, Ressourcen zu mobilisieren, Situa‐

tionen und Turbulenzen zu akzeptieren und fokussiert pragmatische Lösungen zu entwickeln. 

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Reaktionsschnelligkeit: Führung und Mitarbeiter sind fähig, Prioritäten zu setzen und schnell, gezielt  und flexibel auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren. Nicht nur im Tagesgeschäft, sondern  auch in unerwarteten neuen Situationen. 

 

Aus der Resilienzforschung in Organisationen wurde das Instrument der Vulnerabilitätslandkarte in die  Regionalentwicklung übernommen, allerdings in veränderter Form: Im Arbeitspapier der Europäischen  Kommission (2008) „Regionen 2020“ werden die europäischen Regionen (NUTS 3) in einer Vulnerabili‐

tätslandkarte hinsichtlich vier „Herausforderungen“ dargestellt: Globalisierung, Demographie, Klima‐

wandel und Energie. Zur numerischen Bewertung jeder dieser Herausforderungen diente ein Index, der  sich aus jeweils 3 bis 6 Einzelindikatoren zusammensetzte.