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Resümee: Auswirkungen auf das pädagogische Setting der Jugendhilfe mit

4. Rolle neuer Medien im Jugendalter

4.4 Resümee: Auswirkungen auf das pädagogische Setting der Jugendhilfe mit

Vor dem Hintergrund der Rolle neuer Medien im Alltag von Jugendlichen drängt sich die Frage auf, welchen Einfluss diese auf das Setting der stationären Jugendhilfe nehmen und wo diesbezüglich noch Handlungsbedarf besteht. Hierzu wird allerdings bislang nur wenig geforscht. Ein Forschungsprojekt, das in diesem Zusammenhang relevant ist, wurde von 2010 bis 2012 zum Thema „Jugendliche Handynutzung und ihre Bedeutung für das pädagogische Handeln“ von der Fachhochschule Frankfurt gemeinsam mit der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen durchgeführt.

Die Studie beinhaltet eine Befragung von Fachkräften sowie Beobachtungsprotokolle von 21 Jugendlichen zu ihrer Handynutzung. Die Studie sollte Aufschluss darüber geben, welche subjektive Bedeutung das Handy für Jugendliche besonders im Bereich der Beziehungsgestaltung hat und wie pädagogische Fachkräfte damit im Heimalltag umgehen (vgl. Behnisch/Gerner 2014, S. 2f.).

Es wurde grundsätzlich festgestellt, dass in Bezug auf die Handynutzung in der Heimerziehung ein Spannungsfeld zwischen den Selbstständigkeitsbestrebungen der Jugendlichen und dem Bedürfnis der Fachkräfte nach pädagogischer Kontrolle besteht.

Die Jugendlichen schöpfen die Funktionen der Handys vollständig aus, vor allem die Kommunikationsmöglichkeiten. Dabei stehen insbesondere Außenkontakte mit Freunden und Freundinnen oder Familienangehörigen im Fokus. Die Fachkräfte sind sich der Bedeutung des Handys für die Außenkommunikation der Jugendlichen zwar bewusst, schätzen aber die Häufigkeit der Nutzung als eher gering ein (vgl. ebd., S.

2ff.). Nach Einschätzung der Fachkräfte übt das Handy insgesamt keinen größeren

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Einfluss auf die Alltagsgestaltung der Gruppe aus. In diesem Zusammenhand vermutet die Forschungsgruppe, dass Regeln zur Verwendung der Handys in den Gruppen existieren und diese von den Jugendlichen umgesetzt werden. Ferner scheint das Handy mittlerweile ein so fester Bestandteil in den Gruppen geworden zu sein, dass es nicht mehr als störend empfunden wird (vgl. ebd., S. 3).

Dennoch haben die Fachkräfte das Gefühl, das Handy aufgrund von Gefährdungs-potenzialen für die Jugendlichen im Blick behalten oder gar kontrollieren zu müssen, was sie mit ihrer besonderen Verantwortung als pädagogische Fachkräfte in der Heimerziehung begründen. So gaben 70 Prozent der befragten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an, dass Jugendliche ihr Handy zu gewissen Zeiten an das Fachpersonal abgeben müssen und dies zum Teil sogar als Bestrafungsform eingesetzt wird. Auch die Fortbildungswünsche zeigen die Unsicherheit der Fachkräfte im Hinblick auf das Gefährdungspotenzial von Medien. Hier werden an erster Stelle Fortbildungen zu rechtlichen Informationen und der damit zusammenhängenden Schutzfunktion genannt, erst an zweiter Stelle folgen Themen wie technische Funktionen oder konzeptionelle und methodische Ansatzpunkte. Es lässt sich feststellen, dass hierdurch das Medium als pädagogisches Aneignungsobjekt und als Chance für das Klientel in der Heimerziehung zu wenig im Fokus steht (vgl. ebd., S.

3ff.).

Eine weitere für das Thema interessante Forschungsarbeit wurde im Rahmen des europäischen Projekts „Social Web – Social Work“ durchgeführt. Dabei ging es darum, Fachkräfte der Sozialen Arbeit im Umgang mit der Computernutzung von sozial- und bildungsbenachteiligten Jugendlichen zu begleiten und zu unterstützen. Eine wichtige Erkenntnis war, dass die Fachkräfte in ihrer Ausbildung unzureichend auf diese Thematik vorbereitet werden. Ihre Wahrnehmung der Computernutzung von Kindern und Jugendlichen sowie ihre konkrete pädagogische Arbeit selbst können durch ihren Bildungshintergrund und ihre Medienbiografie beeinflusst werden. Die Gruppe der begleiteten pädagogischen Fachkräfte war in Bezug auf Alter, Arbeitserfahrung oder Internetkenntnisse sehr heterogen. Allerdings konnte in der Studie widerlegt werden, dass pädagogische Fachkräfte den Computer in ihrer Arbeit selten einsetzen. Sowohl privat als auch im professionellen Bereich haben sie bereits Erfahrungen mit dem Social Web gesammelt. Allerdings stellt es für sie eine große Herausforderung dar, auf das sich stetig verändernde Internetverhalten der Jugendlichen und die damit verbundenen

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Gefahren zu reagieren. Im Gespräch mit den Jugendlichen zu deren medialem Handeln im Internet fühlen sie sich hinsichtlich Fragen der Onlinesicherheit nicht ausreichend kompetent (vgl. Croll/Euler/Müller-Bretl 2014, S. 173ff. u. S. 181).

Aus diesen Forschungsergebnissen lässt sich ableiten, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema „Umgang mit Medien“ in der Jugendhilfe allgemein und im speziellen Bereich der stationären Jugendhilfe zwar stattfindet, allerdings noch viel Klärungs- und Unterstützungsbedarf besteht. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Betreuungs-einheiten der stationären Jugendhilfe stellen wichtige Bezugspersonen für die Jugendlichen dar und übernehmen Aufgaben in der Entwicklung der Jugendlichen, die von den Familien aufgrund deren individueller Problemlagen nicht geleistet werden können. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass sie sich mit neuen Medien als wichtige Aneignungsobjekte ihrer Klientel auseinandersetzen. Denn die pädagogischen Fachkräfte werden in ihrem Arbeitsalltag immer wieder auf diesbezügliche Fragen stoßen: zur Dauer der Nutzung, zur Auswahl der Inhalte, zu Gefährdungspotenzialen oder zum Einsatz im Gruppenalltag. Hier müssen die Professionellen gemeinsam mit den Jugendlichen Regeln entwickeln, die altersadäquat sind, aber auch die individuellen Entwicklungsanforderungen der Jugendlichen unterstützen. Dazu ist es essenziell, auch die eigene Haltung zu Medien zu reflektieren um möglichst vorurteilsfrei in der Auseinandersetzung mit den Jugendlichen agieren zu können, um so eine Vorbildfunktion zu erfüllen.

Eine weitere Funktion des pädagogischen Settings ist das Entgegenwirken und Abbauen von Benachteiligungen der betroffenen Jugendlichen, da diese in den meisten Fällen aus einem benachteiligten Umfeld stammen. Wie bereits erläutert wirken sich soziale, kulturelle und ökonomische Ressourcen auch auf deren Medienhandeln aus. Hieraus entstehen digitale Ungleichheiten und unter Umständen verminderte Teilhabechancen.

Daher ist es wichtig, dass die stationäre Jugendhilfeeinrichtung ein Umfeld bietet, welches im Hinblick auf einen reflektierten Medienumgang und die Entwicklung von Medienkompetenzen förderlich ist. Dadurch können die Jugendlichen die umfassenden Möglichkeiten und Angebote der neuen Medien ausnutzen und ihre Teilhabechancen verbessern.

Doch der Fokus liegt nicht nur bei den pädagogischen Fachkräften. Vielmehr sollten alle involvierten Instanzen in den Blick genommen werden. Dazu gehören neben den Jugendlichen die Eltern, die Schule, das Jugendamt und weitere Einrichtungen, die sich

41 Empirische Untersuchung zu Handlungsstrategien der stationären Jugendhilfe im Umgang mit neuen Medien

mit Fragen der Mediensozialisation, Medienerziehung und Medienkompetenz-entwicklung beschäftigen. So können Jugendliche entsprechend ihrer Entwicklungsanforderungen im Umgang mit Medien umfassend unterstützt werden. Die Frage, wie dies konkret ausgestaltet sein könnte und welche Herausforderungen sich daraus für die stationäre Jugendhilfe allgemein ergeben, wird daher im folgenden empirischen Teil näher behandelt.

5. Empirische Untersuchung zu Handlungsstrategien