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2 Nachwachsende Rohstoffe und deren besondere Charakteristika

2.1 Relevante Begriffe im Kontext nachwachsender Rohstoffe

Mit dem Begriff Rohstoffe werden allgemein „alle Güter natürlichen, pflanzlichen oder mineralischen Ursprungs bezeichnet, die entweder nicht oder nur in einem für den Transport und Handel notwendigen Ausmaß be- oder verarbeitet sind“ (Fridgen et al. 2013, S. 169). Zu Recht merkte Friedemann (2014, S. 7) bei dieser Definition kritisch an, dass auch pflanzliche und mineralische Rohstoffe natürlichen Ur-sprungs sind. Daher erscheint eine Verallgemeinerung sinnvoll, wonach der Begriff Rohstoffe ‚alle Gü-ter natürlichen Ursprungs‘ bezeichnet, die einer industriellen Nutzung zugeführt werden sollen. Dies kommt auch in einer Definition des Statistischen Bundesamtes zum Ausdruck, welche besagt, dass Rohstoffe „natürlich vorkommende Stoffe tierischer, pflanzlicher oder mineralischer Herkunft [sind], die unmittelbar aus der Natur entnommen werden“ (Statistisches Bundesamt 2013, S. 19).

Diese natürlichen Rohstoffe umfassen demnach alle von der Natur bereitgestellten Güter (vgl. Siebert 1983, S. 2). In einem weiten Begriffsverständnis schließt dies neben Rohstoffen zur industriellen Pro-duktion auch natürliche Rohstoffe wie Wasser und Sauerstoff mit ein (vgl. BMU 2012, S. 8). Generell lassen sich natürliche Rohstoffe unterteilen in nachwachsende (erneuerbare, biotische) Rohstoffe wie bspw. Agrarrohstoffe und nicht nachwachsende (nicht erneuerbare, abiotische) Rohstoffe, wie bspw.

mineralische oder fossile Rohstoffe (vgl. Fridgen et al. 2013, S. 169; Siebert 1983, S. 3; Statistisches Bundesamt 2013, S. 18). Nachwachsende Rohstoffe stellen somit eine Untergruppe der natürlichen Rohstoffe dar und können definiert werden als „erneuerbare, natürlich vorkommende Stoffe tierischer und pflanzlicher Herkunft“ (Statistisches Bundesamt 2013, S. 18). Das Hauptunterscheidungsmerkmal gegenüber anderen natürlichen Rohstoffen ist die Erneuerbarkeit bzw. Regenerierbarkeit von nach-wachsenden Rohstoffen (vgl. Friedemann 2014, S. 7; Friedemann/Schumann 2011, S. 50). Während mineralische und fossile Rohstoffe endlich sind und in der Natur, zumindest in menschlichen Zeitma-ßen, nicht wieder erzeugt werden können, werden nachwachsende Rohstoffe hingegen in natürlichen Systemen regeneriert (vgl. Siebert 1983, S. 104). Neben diesem Hauptmerkmal gilt es zwei weitere Aspekte bei der Definition von nachwachsenden Rohstoffen zu beachten. Erstens erfolgt eine weitere Eingrenzung des Begriffs dahingehend, dass Nahrungs- und Futtermittel ausgeklammert werden (vgl.

BMELV 2008, S. 4; FNR 2015a; Leible et al. 2001, S. 25). Diese gelten somit nicht als nachwachsende Rohstoffe. Zweitens handelt es sich erst dann um einen nachwachsenden Rohstoff und nicht mehr um ein natürliches Gut, wenn dieser vom Menschen gezielt genutzt wird (vgl. Karafyllis 2000, S. 87). Zu-sammen führt dies in Anlehnung an Friedemann (2014, S. 8) zu folgender Definition, welche die Grund-lage für den weiteren Verlauf dieser Arbeit bildet:

Definition: Nachwachsende Rohstoffe

Nachwachsende Rohstoffe sind alle natürlich vorkommenden Stoffe tierischer und pflanzlicher Herkunft, welche durch natürliche Prozesse regeneriert und zielgerichtet industriell außerhalb des Nahrungs- und Futtermittelbereichs genutzt werden.

Erzeugt werden nachwachsende Rohstoffe in erster Linie durch die Land- und Forstwirtschaft. Ge-schichtlich betrachtet standen sie den Menschen somit frühzeitig zur Verfügung und bildeten bereits vor dem Zeitalter der Industrialisierung eine bedeutsame Grundlage des alltäglichen Lebens und Wirtschaf-tens (vgl. FNR 2011, S. 6; Türk 2014, S. 1). Nachwachsende Rohstoffe fanden bspw. Verwendung bei der Herstellung von Textilien, im Baubereich, in der Medizin oder bei der Energie- und Wärmegewin-nung. Als eine der ältesten Kulturpflanzen wurde Flachs schon vor mehr als 6.000 Jahren in Ägypten angebaut und als Material zur Textilherstellung genutzt (vgl. Gesamtverband Leinen e. V. 2015). Mit der Entdeckung, Erschließung und Verwendung fossiler Energieträger wie Kohle und Öl kam es zwischen-zeitlich, speziell im Bereich der Energie- und Wärmegewinnung, zu einer Verdrängung der nachwach-senden Rohstoffe (vgl. Leible et al. 2001, S. 27; Müller-Sämann et al. 2003, S. 1). Die Endlichkeit fossi-ler Energieträger und damit einhergehende steigende Rohstoffpreise führten in den letzten Jahren je-doch zu einer Renaissance bei nachwachsenden Rohstoffen (vgl. BMEL 2014a; Friedemann 2014, S. 8). Während sie in einigen Industrien (z. B. der Zellstoff- und Papierindustrie) schon immer die wich-tigste Rohstoffbasis darstellten, werden sie nun auch verstärkt in Branchen eingesetzt, die zuvor über-wiegend auf fossilen Rohstoffen beruhten, wie bspw. der chemischen Industrie (vgl. BMELV 2009, S. 8;

BMVEL 2004, S. 13; Narodoslawsky 2003, S. 56; Oertel 2007, S. 5; Reinhardt 2014, S. 3).

Die Endlichkeit vieler Rohstoffe und der gleichzeitig dramatisch steigende Rohstoffbedarf, ausgelöst bspw. durch das globale Bevölkerungswachstum und aufstrebende Entwicklungsländer wie China und Indien, führten zu einer Diskussion über die Grenzen des Wachstums. Bekannt geworden ist hierbei vor allem eine 1972 erschienene kritische Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft im Auftrag des ‚Club of Rome‘ (vgl. Meadows et al. 1972; Meadows et al. 2004). Diese Diskussion führte zu einem Umdenken seitens der Politik, Wirtschaft und allgemeinen Öffentlichkeit und zur Erkenntnis, dass die existierenden Rohstoffe nachhaltig genutzt werden müssen, um den Wohlstand auch für zukünftige Generationen zu sichern. Im 1987 veröffentlichten Brundtland-Bericht wird nachhaltige Entwicklung erstmals definiert als

„development that meets the needs of the present without compromising the ability of future genera-tions to meet their own needs“ (WCED 1987, S. 43). Fünf Jahre später wurde auf einer Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro ein Handlungsprogramm für das 21.

Jahrhundert (Agenda 21) verabschiedet und von mehr als 170 Staaten unterzeichnet mit dem Ziel, eine nachhaltige Entwicklung weltweit umzusetzen (vgl. BMZ 2015a; Michelsen/Adomßent 2014, S. 14-17;

UNEP 2015). Seither hat das Thema Nachhaltigkeit kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Bislang existiert jedoch keine eindeutige Begriffsdefinition, sondern vielmehr eine schier unüberschaubare Defi-nitionsvielfalt (vgl. Koplin 2006, S. 20-21; Krcal 2003, S. 18; Sommer 2007, S. 49). Gemäß dem Rat für Nachhaltige Entwicklung sind beim Nachhaltigkeitskonzept „Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen“ (Rat für Nachhaltige Entwicklung 2015). Nachhaltigkeit kann auch definiert werden als „Gesamtkonzept, das eine Entwicklung zum Ziel hat, die ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig ist“ (BMUB 2013). Das heutige Wirtschaften darf dabei nicht zu Lasten zukünftiger Generationen gehen. In diesen Definitionen kommen die drei Säulen der Nachhaltigkeit (ökologische, ökonomische und soziale Dimension) zum Ausdruck, welche auch in den meisten anderen Definitionen angesprochen und mit dem Konzept der Tripple-Botton-Line umschrieben werden (vgl. Elkington 1998; Henriques/Richardson 2004; Koplin 2006, S. 22; Menzel/Günther 2011, S. 87-88; Schmidt et al. 2009, S. 463; Schmied et al. 2009, S. 24).

Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit wird in Abbildung 5 dargestellt.

Abbildung 5: Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit (in Anlehnung an Corsten/Roth 2012, S. 2)

Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde in den vergangenen Jahren jedoch zunehmend zu einem häufig verwendeten Schlagwort und schillernden Konzept, das auf unterschiedlichste Politik-, Wirtschafts- und Lebensbereiche übertragen und angewendet wurde (vgl. Garmer 2003, S. 18; Herrmann 2010a, S. 48;

Ninck 1997). Dem Ursprung nach stammt der Begriff aus der deutschen Forstwirtschaft und bedeutet bezogen auf nachwachsende Rohstoffe, dass nicht mehr geerntet werden darf, als im gleichen Zeit-raum nachwächst (vgl. von Carlowitz 1713). Dieser Maxime folgend, werden die deutschen Wälder bereits seit 300 Jahren nachhaltig bewirtschaftet (vgl. BMELV 2011, S. 3; DFWR 2014). Die verstärkte Nutzung nachwachsender Rohstoffe ist eine wichtige Komponente bei der Umsetzung und Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 21 (vgl. Leible et al. 2001, S. 29; Müller-Sämann et al. 2003, S. 3). Nachwachsende Rohstoffe eröffnen durch ihre Regenerierbarkeit einen Weg zur dauerhaften, umweltverträglichen Sicherung der Rohstoffversorgung und damit auch zur Sicherung des Wohlstandes für zukünftige Generationen.

Neben dem Aspekt der Rohstoffsicherung existieren noch weitere Gründe für die verstärkte Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen. Der allgemeine Wertewandel in der Gesellschaft und ein damit ein-hergehendes gesteigertes Umweltbewusstsein sowie zunehmende Umweltbedenken führen auch zu veränderten Konsumentenpräferenzen (vgl. BMELV 2009, S. 6; Narodoslawsky 2003, S. 55). Viele

Ökonomie Produktion von Gütern und Dienstleistungen zur Versorgung und Wohlstandsschaffung

Ökologie Schutz und Bewahrung der natürlichen Umwelt

Soziales Gerechte Verteilung von Chancen und

Wohl-stand zwischen den Generationen und in-nerhalb der Generation

Käufer achten verstärkt auf die Umweltverträglichkeit der Produkte. Dadurch werden Aspekte wie der CO2-Ausstoß, die biologische Abbauarbeit und die Verwendung umweltfreundlicher Materialien zuneh-mend bedeutsamer (vgl. Narodoslawsky 2003, S. 55). Um weiterhin am Markt bestehen zu können, müssen Unternehmen auf diese Entwicklungen reagieren, bspw. durch die verstärkte Nutzung nach-wachsender Rohstoffe. Neben diesen reaktiven Gründen lassen sich jedoch auch mehrere proaktive Gründe identifizieren. So bieten die genannten Entwicklungen neue Chancen für Unternehmen und Möglichkeiten, sich gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren. Durch die Verwendung nachwach-sender Rohstoffe können im Sinne der Ansoff-Matrix nicht nur bestehende Märkte erhalten, sondern zudem neue umweltfreundliche Produkte angeboten bzw. neue umweltbewusste Konsumentenseg-mente erschlossen werden (vgl. Ansoff 1957). Beides eröffnet neue Märkte und damit verbundene Um-satzpotentiale für Unternehmen. Zusätzlich trägt die verstärkte Nutzung nachwachsender Rohstoffe durch die Schaffung neuer Einkommensmöglichkeiten in der Land- und Forstwirtschaft zur regionalen Entwicklung und Förderung des ländlichen Raumes bei (vgl. BMELV 2009, S. 3; BMELV/BMU 2010, S. 15; BMU 2012, S. 17; FNR 2015a; Leible et al. 2001, S. 29; Narodoslawsky 2003, S. 55).

Bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe lassen sich zwei Formen unterscheiden: die stoffliche und die energetische Nutzung (vgl. Friedemann/Schumann 2011, S. 50; Leible et al. 2001, S. 26; Müller-Sämann et al. 2003, S. 15). Beide Nutzungsarten können folgendermaßen definiert werden (vgl. Frie-demann 2014, S. 8):

Definition: Stoffliche Nutzung Definition: Energetische Nutzung Ziel der stofflichen Nutzung ist es, die

nachwach-senden Rohstoffe bzw. deren einzelne Bestand-teile zu anderen Produkten weiterzuverarbeiten.

Ziel der energetischen Nutzung ist es, Wärme bzw. Energie aus nachwachsenden Rohstoffen zu gewinnen.

Nachwachsende Rohstoffe weisen hinsichtlich ihrer Nutzungsmöglichkeiten eine große Vielfalt auf (vgl.

BMELV 2011, S. 14; FNR 2015a; Müller-Sämann et al. 2003, S. 1; Reinhardt 2014, S. 3; siehe auch Abschnitt 2.3). Die stoffliche Nutzung umfasst bspw. die Gewinnung von Zellstoff aus Holz, die Ver-wendung pflanzlicher Öle als Schmiermittel oder die Herstellung von Arzneimitteln aus Heilpflanzen (vgl. Leible et al. 2001, S. 25). Die energetische Nutzung beinhaltet bspw. den Einsatz von Mais in Bio-gasanlagen, die Produktion von Biodiesel aus Raps oder die Verbrennung von Holzpellets in privaten Haushalten (vgl. FNR 2011, S. 6; Mantau 2012a, S. 45). Neben diesen bestehenden Verwendungs-möglichkeiten werden kontinuierlich weitere Einsatzgebiete für nachwachsende Rohstoffe erforscht.

Neue Anwendungen betreffen bspw. die Herstellung von naturfaserverstärkten Kunststoffen und Holz-Polymer-Verbundwerkstoffen (Wood-Plastic-Composites, WPC), die Erzeugung synthetischer Biokraft-stoffe (Biomass-to-Liquid, BtL) oder die Verwendung von nachwachsenden RohBiokraft-stoffen in Bioraffinerien (vgl. BMELV 2009, S. 23-25; FNR 2014a; Vogt et al. 2006; siehe auch Abschnitt 2.3).

Sowohl die stoffliche als auch die energetische Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen (vgl. BMELV 2011, S. 14; FNR 2010, S. 66; Geldermann 2012, S. 191). Neben den genannten Ursachen wie der Endlichkeit fossiler Energieträger, geänderten Konsumentenpräferenzen und der Erforschung neuer Einsatzgebiete, führte auch eine breit angelegte

staatliche Förderung zu einer Zunahme der stofflichen und energetischen Nutzung. Die stoffliche Nut-zung nachwachsender Rohstoffe wurde bspw. begünstigt durch den ‚Aktionsplan der Bundesregierung zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe‘ (vgl. BMELV 2009) und die 2004 beschlossene

‚Charta für Holz‘ (vgl. BMVEL 2004). Die energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe hingegen wurde bspw. forciert durch den ‚Nationalen Biomasseaktionsplan für Deutschland‘ (vgl. BMELV/BMU 2010), das ‚Marktanreizprogramm (MAP) für erneuerbare Energien‘ (vgl. BMWi 2015) sowie den Bonus für nachwachsende Rohstoffe im Rahmen des ‚Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)‘ (vgl. Bringezu et al. 2008, S. 61-62; Wenning 2014, S. 18).

Ein zentrales und stetig bedeutsamer werdendes Problem ergibt sich jedoch aus der Tatsache, dass in einigen verarbeitenden Industrien die gleichen nachwachsenden Rohstoffe verwendet werden, was zu einer zunehmenden Nutzungskonkurrenz führt (vgl. Friedemann/Schumann 2010, S. 10; Geldermann 2012, S. 191; Narodoslawsky et al. 2008, S. 167; Seintsch 2011, S. 6; siehe Abschnitt 3.1.3). Während einige Nutzungskonkurrenzen schon immer bestanden, sind durch die Erforschung neuer Anwendungs-gebiete in den vergangenen Jahren neue Nutzungskonkurrenzen hinzugekommen (siehe Abschnitt 2.3). Dies kann am Beispiel Holz verdeutlicht werden. Bei Holz besteht schon seit jeher eine stoffliche Nutzungskonkurrenz zwischen der Zellstoff- und Papierindustrie auf der einen und der Holzwerkstoff-industrie auf der anderen Seite (siehe Abschnitt 3.1.3). Durch die Entwicklung von Holz-Polymer-Verbundwerkstoffen (WPC) wurde eine neue Art der stofflichen Nutzung möglich (vgl. Mantau 2012a, S. 31), was auch zu neuen Nutzungskonkurrenzen führte. Das Hauptproblem stellt allerdings nicht die stoffliche, sondern die stofflich-energetische Nutzungskonkurrenz bei nachwachsenden Rohstoffen dar (vgl. Geldermann 2012, S. 195). Oftmals können die gleichen Rohstoffe sowohl stofflich als auch ener-getisch verwendet werden. Aufgrund der Verteuerung fossiler Energieträger und der staatlichen Förde-rung im Rahmen des EEGs hat sich speziell die energetische Nutzung von nachwachsenden Rohstof-fen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht (vgl. Arnold et al. 2009, S. 7; BMELV 2011, S. 14; Man-tau 2012a, S. 11). So wird Holz bspw. nicht nur in den bereits genannten stofflichen Bereichen verwen-det, sondern zunehmend auch in Form von Holzpellets und -briketts zur Wärme und Energiegewinnung genutzt. Gemäß Mantau (2012a, S. 9) wurde demnach im Jahr 2010 erstmals mehr Holz verbrannt als stofflich genutzt. Dies führte zu deutlicher Kritik seitens der an der stofflichen Nutzung beteiligten In-dustrieverbände, da die energetisch verwendeten Rohstoffe nicht mehr für die stoffliche Nutzung zur Verfügung stehen (vgl. VHI 2010). Die stoffliche Nutzung müsse Vorrang haben, da sie eine höhere Wertschöpfungstiefe aufweist und mehr Arbeitsplätze schafft (vgl. BMELV 2009, S. 11; BMELV/BMU 2010, S. 14; EPEA 2009, S. 5; VDP 2014, S. 24). Öffentlich wird die stoffliche und energetische Nut-zungskonkurrenz bei nachwachsenden Rohstoffen zudem kritisch unter Schlagworten wie ‚Tank oder Teller‘ und ‚Heizen mit Weizen‘ diskutiert (vgl. Burdick/Waskow 2009; Thumann 2007; VDB 2011).

Die verstärkte Nutzungskonkurrenz bei nachwachsenden Rohstoffen führt zu einer steigenden Roh-stoffnachfrage. Demgegenüber steht jedoch ein begrenztes Rohstoffangebot, da die Anbauflächen für nachwachsende Rohstoffe nicht beliebig erweiterbar sind (vgl. Arnold et al. 2009, S. 7; BMU 2012, S. 17). Einerseits besteht in der Landwirtschaft eine direkte Flächennutzungskonkurrenz zwischen nachwachsenden Rohstoffen und Nahrungsmitteln (vgl. BMELV 2009, S. 14; UBA 2009, S. 119-120), wobei letztere aufgrund ihrer Bedeutung speziell in Zeiten des globalen Bevölkerungswachstums den

Vorrang erhalten (vgl. BMZ 2015b; Faulstich et al. 2012, S. 20-21). Andererseits wurde die verstärkte Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für den Anbau nachwachsender Rohstoffe wie bspw. Mais zur energetischen Verwendung stark kritisiert, da dies zum Anbau von Monokulturen, einem Verlust der biologischen Vielfalt (Biodiversität) und einer ungewollten Veränderung des Landschaftsbildes führt (vgl. BMELV 2009, S. 10; Leible et al. 2001, S. 29; Linhart/Dhungel 2013; Bund Naturschutz in Bayern e. V. 2010). Auch in der Forstwirtschaft ist die Fläche der Wälder nicht unbegrenzt erweiterbar. Zudem kann das Holzangebot aufgrund der langen Wachstumszeiten nicht kurzfristig durch die Anpflanzung neuer Wälder gesteigert werden. Gemäß der dritten Bundeswaldinventur verfügt Deutschland bereits über die größten Holzreserven in der EU (vgl. BMEL 2014c, S. 29-30; DFWR 2015a). Dem Prinzip der Nachhaltigkeit folgend, ist jedoch nur der Zuwachs und nicht der Bestand an sich wirtschaftlich nutzbar.

Da ca. 90 % des Zuwachses bereits industriell verwendet werden (vgl. BMELV 2011, S. 22; Seintsch 2010, S. 40), ist eine weitere Erhöhung des Holzeinschlages nur noch begrenzt möglich. Zudem führt die zunehmende Überalterung der Wälder dazu, dass der Zuwachs immer geringer wird, was das ver-fügbare Angebot reduziert (vgl. BMEL 2014c, S. 16; Ziegeler 2013, S. 5-6). Dies ist vor allem bei Na-delholz problematisch, wo sich der Holzeinschlag aufgrund der hohen Nachfrage seit den 90er Jahren nahezu verdoppelt hat und speziell bei der industriell am meisten genutzten Holzart Fichte bereits über dem Zuwachs liegt (vgl. BMEL 2014c, S. 31; DFWR 2015a; Seintsch 2011, S. 11). Zusätzlich wird das verfügbare Angebot weiter eingeschränkt durch die im Rahmen des Waldbaus stattfindende Umwand-lung reiner Nadelholzwälder in möglichst naturnahe Mischwälder (vgl. BMELV 2011, S. 22; BSHD 2010;

DeSH 2014a) sowie die Schaffung und Ausweitung von wirtschaftlich nicht nutzbaren Naturschutzge-bieten (vgl. BMEL 2014c, S. 38; DeSH 2014b). Demgegenüber kann das Rohstoffangebot durch Maß-nahmen wie den Anbau schnellwachsender Holzarten in Kurzumtriebsplantagen (KUP) oder die ver-besserte Ausnutzung des Einschlagspotenzials im Privatwald (Holzmobilisierung) nur begrenzt erhöht werden (vgl. Arnold et al. 2009, S. 7; Mantau 2012a, S. 22; UBA 2009, S. 3; siehe auch Abbildung 6).

Abbildung 6: Ursachen der zunehmenden Rohstoffknappheit am Beispiel Holz Energetische regierung zur stofflichen Nutzung

• Geringerer Zuwachs durch Überalterung der Wälder

Die steigende Nachfrage und das begrenzte Angebot führen dazu, dass es trotz der Regenerierbarkeit von nachwachsenden Rohstoffen zu einer zunehmenden Rohstoffknappheit kommen kann (vgl. Kord-sachia 2011, S. II; Leible et al. 2001, S. 34-35; Seintsch 2011, S. 6). Dies wird in Abbildung 6 am Bei-spiel Holz verdeutlicht. Für Rohholz wurde bspw. im Rahmen des Waldentwicklungs- und Holzaufkom-mensmodells (WEHAM) bereits eine jährliche theoretische Versorgungslücke von 3,3 Mio. Kubikmetern berechnet (vgl. Seintsch 2011, S. 10). Es sind jedoch nicht alle nachwachsenden Rohstoffe und die daraus hergestellten Zwischen- und Endprodukte gleichermaßen von einer drohenden Knappheit be-troffen (vgl. Mantau 2012a, S. 16; siehe auch Abschnitt 3.3.3.2). Während die Versorgungssituation bspw. bei Nadelholz wie bereits dargestellt sehr angespannt ist, kann bei Laubholz hingegen ein aus-reichendes Rohstoffangebot mit weiterem Steigerungspotenzial verzeichnet werden (vgl. BMEL 2014b, S. 35; Mantau 2012b, S. 14). Dennoch entwickeln sich einzelne Rohstoffmärkte verstärkt in Richtung Verkäufermarkt. Die zunehmende Knappheit bei einigen nachwachsenden Rohstoffen führt zu Roh-stoffabhängigkeiten und den damit verbundenen Versorgungsproblemen (vgl. BMELV 2011, S. 14;

Ochs et al. 2007; siehe auch Abschnitt 4.3.1.1). Diese können gemäß den betroffenen Industrieverbän-den zu schwerwiegenIndustrieverbän-den Konsequenzen führen, wie bspw. ProduktionsstillstänIndustrieverbän-den, Werksschließun-gen oder der Abwanderung ganzer Industrien mit dem damit einhergehenden Verlust an Arbeitsplätzen (vgl. EPEA 2009, S. 4-5; siehe auch Abschnitt 3.2.3.3). Eine Angebotserhöhung durch verstärkte Impor-te sImpor-tellt keine dauerhafImpor-te Lösung dieses Problems dar, da die Situation im Ausland ähnlich ist (vgl.

Arnold et al. 2009, S. 26; Weimar et al. 2012, S. 26) und die hohen anfallenden Transportkosten wirt-schaftlich meist nicht tragbar wären (vgl. BMELV 2011, S. 15). Zudem kann die Rohstoffherkunft bei importierten Waren teilweise zweifelhaft sein, wie das Beispiel Tropenholz deutlich zeigt (vgl. Bringezu et al. 2008, S. 12; Oertel 2007, S. 204; UBA 2009, S. 58, 216; siehe auch Abschnitt 2.4.1 und 3.1.4). Es sind daher neue Konzepte nötig mit dem Ziel, die vorhandenen Rohstoffe effizienter zu nutzen.

Dies wird verstärkt unter dem Begriff ‚Ressourceneffizienz‘ diskutiert (vgl. BDI 2015; econsense 2012;

Geldermann/Schumann 2013; Rohn et al. 2013). Oftmals werden die Ausdrücke ‚Ressource‘ und ‚Roh-stoff‘ synonym verwendet. Dem Wortursprung nach bezeichnet der Begriff Ressource im Bergbau je-doch die „größtmögliche zur Verfügung stehende Menge eines Rohstoffes“ (Koordinierungsbüro GEO-TECHNOLOGIEN 2015). Dies kommt auch im Begriff ‚Rohstoffressourcen‘ zum Ausdruck. Ressour-ceneffizienz kann demnach folgendermaßen definiert werden:

Definition: Ressourceneffizienz

Ressourceneffizienz umschreibt das Ziel, die insgesamt verfügbare Menge eines Rohstoffes möglichst effizient zu nutzen.

Gemäß dem vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) gegründeten ‚Zentrum für Ressourceneffizienz‘

beschreibt der Begriff „das Verhältnis eines bestimmten Nutzens oder Ergebnisses zum dafür nötigen Ressourceneinsatz“ (VDI ZRE GmbH 2015). Im Jahr 2012 verabschiedete die Bundesregierung mit dem ‚Deutschen Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess)‘ als eines der ersten europäischen Länder ein umfassendes strategisches Konzept zur Steigerung der Ressourceneffizienz (vgl. BMU 2012;

BMUB 2012). Das Programm geht auf die Bedeutung der Ressourceneffizienz und damit verbundene

Potenziale ein, identifiziert 20 Handlungsansätze mit entsprechenden Maßnahmen und verdeutlicht diese anhand konkreter Beispiele. Ein zentraler Ansatz zur Verbesserung der Ressourceneffizienz ist hierbei die Kaskadennutzung von nachwachsenden Rohsoffen (vgl. BMU 2012, S. 33; Haberl/Geissler 2000; Sirkin/ten Houten 1994). Der Begriff bezeichnet die „sequenzielle Nutzung desselben Rohstoffs zu stofflichen und energetischen Zwecken“ (Arnold et al. 2009, S. 15). Durch die mehrfache Rohstoff-verwendung kann die Ressourceneffizienz deutlich erhöht werden. Den Unterschied der Kaskadennut-zung zur bisher zumeist praktizierten parallelen NutKaskadennut-zung zeigt Abbildung 7.

Abbildung 7: Parallele Nutzung und Kaskadennutzung im Vergleich (in Anlehnung an Arnold et al.

2009, S. 16-18)

Ziel der Kaskadennutzung ist es, Rohstoffe möglichst lange im Wirtschaftssystem zu halten. Dazu wer-den sogenannte Nutzungskaskawer-den durchlaufen, die von einem möglichst hohen Wertschöpfungsni-veau ausgehend stufenweise in tiefere NiWertschöpfungsni-veaus münden, bis hin zu einer abschließenden energeti-schen Verwertung am Ende des Lebenszykluses (vgl. BMU 2012, S. 37; Informationsdienst Holz 2009, S. 6; Raschka/Carus 2012, S. 8). Das Konzept wird in Abbildung 8 beispielhaft verdeutlicht.

Abbildung 8: Prinzip der Kaskadennutzung am Beispiel Holz

Ein bedeutsamer Vorteil der Kaskadennutzung ist die Reduzierung der stofflichen und energetischen Nutzungskonkurrenz bei nachwachsenden Rohstoffen (vgl. BMELV 2009, S. 14; EPEA 2009, S. 2, 8).

Die Rohstoffe werden nicht mehr entweder stofflich oder energetisch genutzt, sondern beide Nutzungs-arten werden sequenziell miteinander kombiniert. Dies ermöglicht ein höheres Wertschöpfungspotenzi-al und damit einhergehende Arbeitsplätze (vgl. Arnold et Wertschöpfungspotenzi-al. 2009, S. 20). Zudem hat die Kaskadennut-zung positive Umwelteffekte, da die MehrfachnutKaskadennut-zung zu einer längerenCO2-Speicherung und damit verbundenen Reduzierung der Treibhausgasemissionen führt (vgl. Gärtner et al. 2013; UBA 2014a).

Im folgenden Abschnitt werden die unterschiedlichen Arten und Klassifizierungsmöglichkeiten von nachwachsenden Rohstoffen vorgestellt, um so eine Eingrenzung der im Rahmen dieser Arbeit be-trachteten Rohstoffe vornehmen zu können. Anschließend stellt Abschnitt 2.3 die Verwendungsmög-lichkeiten in der Industrie näher dar, bevor in Abschnitt 2.4 auf die besonderen Charakteristika von nachwachsenden Rohstoffen eingegangen wird.