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Reine Unterhaltspflichten

Typ Mehrfamilienhaus I

7.3 Reine Unterhaltspflichten

Die bestehende Baute unterliegt verschiedenen Unterhaltspflichten. Im Gegensatz zu den Sanie-rungs- und Anpassungspflichten gem. den Punk-ten 7.1 und 7.2 werden UnterhaltspflichPunk-ten nicht durch veränderte gesetzliche Rahmenbedingun-gen, sondern durch die natürliche Alterung oder Abnützung der Baute ausgelöst:

• Es geht also darum, den einmal geschaffenen Zustand in seiner Qualität zu erhalten. Folgende Tatbestände zwingen zum reinen Unterhalt:

– Kantonales öffentliches Recht: Mindestanfor-derungen an Hygiene und Sicherheit müssen dauernd gewährleistet sein; denn die Besitz-standsgarantie bezieht sich nicht auf den rein physischen aktuellen, sondern auf den einmal bewilligten – eben einwandfreien – Zustand einer Baute. Deshalb wird in den meisten Kantonen ausdrücklich wiederholt, was bereits aufgrund der sog. Polizeigeneralklausel durchgesetzt wer-den könnte: Durch wer-den Bestand einer Baute dür-fen weder Personen noch Sachen gefährdet wer-den. Trifft dies aber in bezug auf irgendwelche Bauteile zu, so sind diese zu erneuern bzw. zu ersetzen (z.B. Ersatz elektrischer Installationen oder Wasserleitungen, Unterhalt einer Brand-Zutritt 1: Typologie von Umbausituationen

mauer, Sanierung einer abbröckelnden Fassade u.ä.)

– Bestehende Mietverträge: Der Mieter hat An-spruch auf Erhaltung der Gebrauchsfähig-keit der Mietsache im einmal vereinbarten Zu-stand, Art. 256 Abs. 1 OR. Den Vermieter treffen deshalb entsprechende Unterhaltspflichten (v❇l. ’ Mietrecht).

8 Sanierung unter Beibehaltung der Mieterschaft

Reine Unterhaltsarbeiten sind vom Eigentümer vorzunehmen, ohne dass deren Kosten auf den Mieter überwälzt werden könnten. Von diesem Grundsatz – der sich aus der generellen Unter-haltspflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter ergibt (Art. 256 Abs. 1 OR) – sind ausgewie-sene Kostensteigerungen im Unterhalt ausge-nommen (Art. 269a OR, Art. 12 VMWG).

Wertvermehrende Verbesserungen (Vergrösse-rung der Mietsache, andere zusätzliche Nebenlei-stungen) können unter zahlenmässiger Begrün-dung voll auf die Mieterschaft überwälzt werden (Art. 20 VMWG); bei umfassender Überholung der Mietsache und ohne Ausweisen der einzelnen Ko-stenstellen i.d.R. zu 50-70 Prozent (Art. 14 Abs. 1 VMWG).

• Sanierungen und Umbauten stellen für die an-sässige Mieterschaft oft eine starke finanzielle Mehrbelastung dar. Nur für den Fall, dass der Vermieter mit Erneuerungsabsichten gegen überwiegende Interessen der Mieter ver-stösst, können sich diese allenfalls zur Wehr setzen (Art. 260 Abs. 1 OR).

• Die Vornahme von Sanierungs- und Umbauvor-haben samt ihren finanziellen Auswirkungen auf die bestehende Mieterschaft sind aufgrund des aktuellen Zustandes vieler bestehender Gebäu-de unausweichlich. In jeGebäu-dem Falle gilt es aber, auf die Interessen der Mieter Rücksicht zu nehmen und insbesondere die Kostensteigerungen in ei-nem vertretbaren Rahmen zu halten, damit keine unfreiwilligen Umzüge stattfinden müssen.

Je nach Situation entsteht folgendes Problem. Die beabsichtigte Umbauabsicht (z.B. Dachgeschos-sausbau bei genügend vorhandenem Stauraum;

Küchenvergrösserungen zu Wohnküchen bei

be-scheidenen Grundrissen) deckt sich zwar an sich mit den Interessen der aktuellen Mieterschaft, ver-ursacht aber erhebliche Folgeaufwendungen (Totalsanierung Treppenhaus, Sanierung Kanali-sation, v❇l. ’ Erneuerungsabsicht 7.2: Übrige Anpassungspflichten). Wird aus diesen Gründen aufgrund von Rationalisierungsüberlegungen eine umfassende Instandstellung auch der übrigen Gebäudeteile vorgenommen, sind Veränderungen in der Mieterschaft meist unausweichlich. Stos-send ist die Wahl der Totalsanierung als Umbauva-riante dann, wenn der Eigentümer die Arbeiten ausschliesslich zur Steigerung der Rendite vor-nimmt oder damit die Auswirkungen nicht getätig-ter Rückstellungen nachträglich kompensieren muss. Unter Einberechnung allfälliger Erstrek-kungsfristen in der Planung ist dann die Vornahme von Kündigungen nach wie vor sehr verbreitet – sog. Wegsanierung. Diese radikale Vorgehenswei-se ist vor allem in stark nachgefragten Lagen mög-lich, weil sich stets eine noch leistungsfähigere Mieterschaft finden lässt.

Zum Ganzen v❇l. ’ Mietrecht.

9 Aufstockung

Durch Aufstockung kann eine Mehrausnützung unter Verwendung bestehender Bausubstanz er-reicht werden. Da eine solche Massnahme den Abbruch des bereits bestehenden Daches und meist auch die Verstärkung der Statik nötig ma-chen, ist die Aufstockung immer auch mit einer Totalrenovation der übrigen – zumindest der äus-seren – Gebäudeteile verbunden. Dann sind über das gesamte Gebäude alle aktuellen Bau- und Nutzungsvorschriften einzuhalten: Der umfassen-den baulichen Eingriffe wegen wird regelmässig die Möglichkeit zur Gewährung ❄er ’ Besitz-standsgarantie entfallen.

Damit eine Aufstockung überhaupt in Betracht gezogen werden kann, müssen folgende Voraus-setzungen erfüllt sein:

– Der aktuelle Bestand erreicht die nach der Zonen-ordnung zulässige Geschosszahl noch nicht;

die Ausnützung ist nicht bereits in den beste-henden Geschossen voll ausgeschöpft;

– das bestehende Gebäude weist keine Ab-standsverstösse auf, weil durch den Wegfall der Besitzstandsgarantie im Rahmen dieser To-talsanierung der Abbruch der betreffenden Fas-sadenteile erforderlich würde;

– dem Abbruch des bestehenden Daches stehen keine denkmalpflegerischen Anordnungen entgegen (ist das Gebäude inventarisiert, emp-fiehlt sich vor Inangriffnahme der Projektierung die Einholung eines definitiven Entscheids be-treffend allfälliger Schutzmassnahmen);

– in gewissen Fällen können auch priv❁te ’ Grunddienstbarkeiten zugunsten benachbar-ter Grundstücke einer Aufstockung entgegenste-hen.

Wenn eine oder mehrere der obgenannten Voraus-setzungen nicht erfüllt sind, kommen verschiede-ne Vorgehensweisen in Betracht, um das Vorha-ben trotzdem durchziehen zu können:

• Zonenplanänderung zwecks Erhöhung der Geschosszahl und/oder Verringerung der Ab-stän❄e (’ Problematisierung unter Erneuerungs-absicht 2: Nutzungsänderung zu gewerblichen Zwecken).

• Initiierung ei■er ’ Sondernutzungsplanung, in deren Rahmen von verschiedensten Bauvor-schriften der nutzungsplanerischen Grundord-nung abgewichen werden kann. Je nach kanto-naler Regelung ergeben sich jedoch folgende Probleme:

Wenn die Aufstellung durch das Gemeinwe-sen zu erfolgen hat, scheitert diese allenfalls be-reits an entsprechenden Kapazitäten in der Bauver-waltung (finanzielle und personelle Belastungen).

Vor allem aber stehen einer Aufstellung durch die öffentliche Hand je nach kantonaler Regelung strenge Voraussetzungen im Wege: Wenn im Rah-men von Sondernutzungsplanungen sehr weitge-hende Regelungen betreffend Kubatur, Stellung, weiterer äusserer Merkmale und Nutzung der ein-zelnen Bauten getroffen werden müssen, stellt der Erlass eines Sondernutzungsplans nach traditio-neller Auffassung einen schweren Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar. Die Interessenlage des Ei-gentümers in der hier besprochenen Situation macht jedoch deutlich, dass in einem solchen Fall an den Erlass eines Sondernutzungsplans keine strengeren Voraussetzungen geknüpft werden sollten, als sie für die nutzungsplanerische Grund-ordnung zu beachten sind, weil ja die

Überbau-36

IP BAU

ungsmöglichkeit für den Privaten nicht weiter ein-geschränkt, sondern im Gegenteil eine sinnvolle Erneuerung erst ermöglicht wird.

Falls eine private Aufstellung des Sondernut-zungsplans möglich ist, ergibt sich in bereits über-bauten Quartieren folgendes Problem: Wenn der Auslöser ein Einzelvorhaben ist, wird der Plan häufig am mangelnden Interesse der Nachbarn scheitern, wenn diese selbst keine Mehrausnüt-zungen anstreben oder bereits im Rahmen der Regelbauweise Sanierungen vorgenommen ha-ben. Die Inkraftsetzung eines Sondernutzungs-plans durch die Legislative wird jedoch in aller Regel von der Sichtbarmachung eines über-greifenden Konzepts abhängen, was den Einbezug mehrerer Parzellen nötig macht. Damit in Zukunft überzeugenden Lösungen mittels privat aufge-stellter Sondernutzungspläne auch in kleineren Perimetern zum Durchbruch verholfen werden

kann, wäre durch das Gemeinwesen folgende Vor-leistung zu erbringen: Durch die Ausarbeitung nicht grundeigentümerverbindlicher Quartierge-staltungspläne bzw. die kommunale Richtpla-nung sind mit der GrundordRichtpla-nung verträgliche al-ternative Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzei-gen. Durch den Nachweis der Konformität mit diesem übergeordneten Konzept liesse sich dann der Weg ebnen für eine positive Aufnahme in der Gemeindeversammlung, auch wenn die konkrete Sondernutzungsplanung nur einen kleinen Peri-meter erfasst.

• Prüfung der Möglichkeiten, n❁ch ’ Gesamtü-berbauung zu projektier❅n; ’ Problematisierung unter Erneuerungsabsicht 3: Ergänzungsbau.

• Ablösung einer ‘Aussichtsservitute’ oder priva-trechtlichen Ausnützungsbeschränkung durch gegenseitige Übereinkunft; v❇l. ’ Grund-dienstbarkeiten.

Zutritt 1: Typologie von Umbausituationen