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Ausnahmebewilligung unter Besei- Besei-tigungsrevers

3 Baubewilligungs- Baubewilligungs-verfahren

3.1 Einleitung .1 Vorbemerkung

3.3.6 Ausnahmebewilligung unter Besei- Besei-tigungsrevers

Ausnahmebewilligungen können von der Bedin-gung abhängig gemacht werden, dass sich der Eigentümer verpflichtet, bei Änderung der rechtli-chen oder tatsächlirechtli-chen Verhältnisse denjenigen Zustand wiederherzustellen, der bestünde, wenn ohne Ausnahmebewilligung gebaut worden wäre.

Mittels sog. Beseitigungsrevers erfolgt die Bewilli-gung also nur unter ausdrücklichem Widerrufs-vorbehalt und die eingeräumte Befugnis wird zu einem Provisorium auf unbestimmte Zeit abge-schwächt. Das ist insofern untypisch, als im Rah-men des Baubewilligungsverfahrens die Rechtsla-ge grundsätzlich umfassend und definitiv zu klären ist (vgl.→ Einheit der Bewilligung). Zwei Aspekte sind zu berücksichtigen:

• Beseitigungsreverse dürfen nur verlangt werden, wenn sich dies aus gewichtigen sachlichen Grün-den aufdrängt: Denn der grundsätzlich in bezug auf getätigte Investitionen zu gewährende → Bestan-desschutz wird zum vornherein ausgeschlossen.

• Anderseits kann sich die Ausnahmebewilligung unter Revers aus Gründen der

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keit aufdrängen, wenn dies aus der Sicht des Ei-gentümers als mildere Massnahme gegenüber ei-ner gänzlichen Verweigerung seines Bauvorha-bens erscheint.

• Beispiel: Art. 55 Abs. 3 BauG/FR, zitiert unter Pt. 3.3.4

• Beispiel: § 101 PBG/ZH

“Baulinienwidrige Bauten und Anlagen im Baulinienbereich dürfen entsprechend dem bisherigen Verwendungszweck unterhalten und modernisiert werden.” (Abs. 1)

“Weitergehende Vorkehren sind nur zu bewil-ligen, wenn die Baulinie in absehbarer Zeit nicht durchgeführt werden soll und wenn mit sichernden Nebenbestimmungen zur bau-rechtlichen Bewilligung ausgeschlossen wird, dass das Gemeinwesen bei der Durch-führung der Baulinie den entstandenen Mehr-wert zu entschädigen hat.” (Abs. 2)

§ 100 PBG/ZH sieht entsprechende Möglichkeiten vor für den Fall, dass der Baulinienbereich mit der Erstellung oberirdischer Gebäudevorsprünge erstmals überstellt wird. Für bestehende Bauten ist diese Bestimmung genauso brisant wie der oben zitierte § 101 Abs. 2, der Erweiterungen von Bautei-len erlaubt, die die Baulinie bereits überstelBautei-len (also eigentlich ein → Bestandesprivileg darstellt).

Mangels Flexibilität in der Situierung einer bisher baulinienkonformen Baute können somit ver-mehrt z.B. nachträgliche Erker- und Balkonanbau-ten ermöglicht werden: Diese sollBalkonanbau-ten in vielen Situationen unter Verletzung der generellen Bauli-nienvorschriften auf den Boden abgestützt werden können, damit bei deren Erstellung keine unnöti-gen Kältebrücken geschaffen werden müssen, vgl.

→ Erneuerungsabsicht 12: Vergrösserung der Balkone.

3.3.7 Würdigung

Es gibt wohl kaum ein baurechtliches Institut, das so viele Fragen aufwirft und deshalb auch zu ent-sprechend uferlosen Diskussionen führt wie die Ausnahmebewilligung. Diese Feststellung trifft vor allem für Generalermächtigungen zu; dabei

verdienen folgende Aspekte besondere Erwäh-nung:

• Sinn und Zweck von Generalermächtigungen ist es, als Auffangtatbestände in bezug auf irgendwel-che materiellen Bauvorschriften und in allen er-denklichen – nicht aber voraussehbaren – Fällen situationsgerechte Entscheide zu ermöglichen.

Deshalb sollte von exemplifikativen Aufzählungen von Situationen, in denen die Erteilung eines Dis-penses gerechtfertigt sein kann, abgesehen wer-den: Sie stiften per saldo mehr Verwirrung, als dass zur korrekten Auslegung der Ausnahmebe-stimmung beigetragen werden kann.

• Die Auferlegung von Bedingungen oder Aufla-gen i.Z.m. der Gewährung einer Bewilligung ge-stützt auf eine reine Generalermächtigung ist sach-widrig, wenn damit dem Baugesuchsteller mehr Einschränkungen auferlegt werden, als dies im Rahmen einer “normalen” Baubewilligung zuläs-sig wäre. Denn die generellen Ausnahmetatbe-stände wollen Unzulänglichkeiten beseitigen, die grundsätzlich der Gesetzgeber zu verantworten hat (vgl. einleitende Bemerkungen unter Pt. 3.3.1).

Der betreffende Bauherr ist insofern an seiner Situation nicht “selber schuld” und soll deshalb auch nicht mit Bedingungen und Auflagen “be-straft” werden.

• Regelmässig auftretende Probleme beim (Um-) Bauen können nicht ohne weiteres mittels Genera-lermächtigungen gelöst werden, weil es grund-sätzlich Aufgabe von Gesetzgebung und Planung ist, häufig und typischerweise auftretende Interes-senkonflikte zu lösen.

Insbesondere durch die Erstellung von Quartierge-staltungs-Richtplänen (planerische Lösung) und/

oder gezielte Neuschaffung von Spezialermächti-gungen (gesetzgeberische Lösung) könnten aber gerade in bezug auf Umbauperimeter die nötigen Handlungsspielräume geschaffen werden:

• Behördenverbindliche Pläne als Auslegungs-hilfe im Baubewilligungsverfahren

Mittels einer sogfältig und detailliert betriebenen kommunalen Richtplanung lassen sich Probleme in der Anwendung von Regelbauvorschriften und entsprechender genereller Ausnahmetatbestände entschärfen: → Quartiergestaltungs-Richtpläne, die ihrer Natur nach keine direkt grundeigentümer-verbindlichen Anordnungen enthalten, können viel zur transparenten Ermessensbetätigung Zutritt 2: Einzelne Rechtsinstitute und -verfahren

durch die Behörden beitragen. Die Erteilung von Ausnahmebewilligungen ist dann weniger su-spekt, wenn sich die Baubewilligungsbehörde in ihrer Ermessensbetätigung auf ein parzellenüber-greifendes, behördenverbindliches Konzept stüt-zen und damit ihren Entscheid hinreichend be-gründen kann.

Die Notwendigkeit eines parzellenübergreifenden Quartierrichtplans wird aber auch bei der oben zitierten Spezialermächtigung gem. Art. 7a BauG/

BS sichtbar (vgl. Pt. 3.3.5): Danach dürfen – im Gegensatz zu den gängigen Regelungen betref-fend → Gesamtüberbauungen – aus städtebauli-chen Erwägungen sehr weitgehende Abweichun-gen für ein einzelnes Bauvorhaben gewährt wer-den. Zur transparenten Ermessensbetätigung kann wohl auf einen Quartierrichtplan nicht ver-zichtet werden, weil die im Anhang (Abschnitt E) zum BauG/BS – wenn auch sehr detailliert – aufge-führten gesetzlichen Anforderungen notwendiger-weise abstrakt formuliert sind; eine befriedigende Lösung ist somit durch die gesetzliche Regelung allein noch nicht gewährleistet (vgl. auch Pt. 3.4.3.3 zu den “Gesamtüberbauungsartigen Vergünsti-gungen für Einzelvorhaben”).

• Vermehrtes Vorsehen von Spezialermächtigun-gen

Wirklich schwierige Ermessensfragen ergeben sich eigentlich nur bei der Anwendung von Gene-ralermächtigungen: Denn im Falle der Spezialer-mächtigung ist die Interessenabwägung idealer-weise bereits so weitgehend durch das Gesetz vorgezeichnet, dass weniger Bedenken aufkom-men können, die Bewilligungsbehörde lasse sich bei ihrem Entscheid von sachwidrigen Überlegun-gen leiten oder entscheide geradezu willkürlich.

Wenn Voraussetzungen und Rechtsfolge ziemlich genau bestimmt sind, handelt es sich bei einem solchen Ausnahmetatbestand sogar eher um eine ganz gewöhnliche Spezialbestimmung (sog. lex specialis): Die (um-)bauhindernde Grundnorm wird dann durch die entsprechende Spezialer-mächtigung für einzelne Sachverhalte so weitge-hend konkretisiert, dass diese als grundsätzlich selbständiger gesetzlicher Tatbestand zur Anwen-dung gelangen kann. M.a.W.: Die Grundnorm dient dann nur noch beschränkt als Auslegungshil-fe, weil die speziellere Vorschrift einen weitgehend selbständigen Normzweck vermittelt (im

Gegen-satz zur Anwendung von Generalermächtigungen, wo in erster Linie Sinn und Zweck der Norm, von der “befreit” sein will, berücksichtigt werden muss).

Bei genügender Konkretisierung von Spezialer-mächtigungen erübrigt sich auch die Vorausset-zung des Vorliegens “besonderer Verhältnisse”, wie sie für die Anwendung von Generalermächti-gungen von der verwaltungsrechtlichen Dogmatik zur Wahrung der Gewaltenteilung gefordert wird.

Diese Überlegung trifft in noch verstärktem Masse auf die Ausnahmebewilligungserteilung unter Beseitigungsrevers zu, da in solchen Fällen gar keine definitive Interessenabwägung vorgenom-men werden muss.

Zur Lösung von Schwierigkeiten, wie sie bei der Erteilung einer Ausnahmebewilligung entstehen können, bieten sich je nachdem auch verfahrens-technische und weitere Alternativen an:

• Frühe Kontaktnahme mit der Baubehörde Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens will der Bauherr oft “auf Biegen und Brechen” in den Genuss einer Ausnahmebewilligung kommen, weil aus einer allenfalls angeordneten Umprojek-tierung erhebliche Mehrkosten entstehen. Damit solche Sachzwänge vermieden werden können, sollte in einer frühen Projektierungsphase ein dies-bezüglicher → Vorentscheid eingeholt werden.

• Sondernutzungspläne als Alternative zur Aus-nahmebewilligung?

Je nach gesetzlicher Ausgestaltung von Sonder-nutzungsplänen stellen diese echte Alternativen zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung dar, weil sie im Gegensatz zu den obgenannten Richtplänen grundeigentümerverbindliche Anordnungen ent-halten. Wenn durch das Umbauvorhaben auf einer einzelnen kleineren Parzelle ausgelöst, muss aber die Sondernutzungsplanung auf ganz gezielte An-ordnungen beschränkbar sein und idealerweise als Alternative zur Grundordnung angeboten wer-den können: Damit kann erreicht werwer-den, dass eine von der Regelbauweise abweichende bauli-che Massnahme auf einer einzelnen Parzelle reali-siert werden kann, ohne dass gleichzeitig der gan-ze von der Sonderbauweise erfasste Perimeter umfassend beplant werden müsste, vgl. die Aus-führungen zu den → Sondernutzungsplänen, insb.

Pt. 4.6.4 und 4.6.7.

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• Zusätzlich ist frühzeitig abzuklären, ob nicht mit-tels → privatrechtlicher Absprachen innerhalb nachgiebigen öffentlichen Rechts die nötigen Handlungsspielräume geschaffen werden kön-nen, vgl. Pt. 3.6.4.2.

3.4 Gesamtüberbauungen

3.4.1 Wesen und Funktion der