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4.4 Stichprobenbeschreibung des Organisationssurveys

5.1.3 Rehabilitative Versorgungsqualität

In einem letzten Schritt ist erfolgreiches Handeln in und von Reha-Einrichtungen – ge-messen an der Ko-Produktion von Gesundheit – empirisch zu untersuchen. Dabei ist vorerst lediglich das innerbetriebliche Geschehen zu betrachten; die Zusammenarbeit mit den Rehabilitanden wird separat in Kapitel 5.2 analysiert. Entsprechend des theore-tischen Modells bemisst sich die rehabilitative Versorgungsqualität an berufsgruppen-übergreifenden kooperativen Strukturen innerhalb der Einrichtungen. Neben der Frage nach dem Grad an wahrgenommener Interdisziplinarität und dem Vorhandensein einer transparenten Problemkultur wurde außerdem die Qualität der Teamorientierung – unabhängig von dem gelebten Teammodell (multi-/ oder interdisziplinär) – unter-sucht. Damit stehen Prozessmerkmale im Zentrum der Aufmerksamkeit.

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Mittelwert Commitment

Klinik n gültige Urteile:

n1=93 n2=55 n3=38 n4=66 n5=45 n6=87 n7=136 n8=103 n9=70 n10=81 n11=68 n12=91 n13=92 n14=106 n15=72 n16=81 n17=86 n18=224

Minimum = 5,40 Maximum = 6,15 Spannweite = 0,75

Mittelwert (gesamt) = 5,64 n = 1.597

Der Tabelle 23 ist zu entnehmen, wie die Beschäftigten der 18 Reha-Einrichtungen, die unmittelbar an der Versorgung beteiligt sind (n=792), Aspekte der interdisziplinären Zusammenarbeit beurteilen. Die gemeinsame Betrachtung der Einzelkriterien zeigt ein Kontinuum zwischen Multi- und Interdisziplinarität an. Beide Formen der Zusammenar-beit umschreiben einen berufsgruppenübergreifenden Austausch. Multidisziplinarität zeichnet sich jedoch durch eine eher hierarchische (Arzt zentrierte) Rangordnung im Behandlungsteam und eine berufsgruppenspezifische Perspektive innerhalb der Be-handlung aus (siehe hierzu weiter Kapitel 2.3). Die Mehrheit der Stichprobe bestätigt routinemäßig stattfindende Teamsitzungen, an denen unterschiedliche Berufsgruppen teilnehmen (73,7%; n=575). Die Rangordnung im Behandlungsteam wird von 68,5%

der Beschäftigten als hierarchisch bis gleichrangig erlebt (n=523). Lediglich 30,3%

(n=229) der befragten Behandler geben an, dass patientenindividuelle Therapieziele gemeinsam im Team und nicht disziplinbezogen festgelegt werden. Eine ständige rufsgruppenübergreifende Diskussion der Therapiepläne wird von 42,5% (n=328) be-richtet. Nur 21,9% (n=169) geben an, dass individuelle Fallbesprechungen für jeden Rehabilitanden vorgenommen werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass allgemeine Rahmenbedingungen, die für die interdisziplinäre Zusammenarbeit grund-legend sind, in der Praxis mehrheitlich gewährleistet sind. Der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung ist allerdings immer noch ein Entwicklungspotenzial zuzusprechen.

Schließlich liegt das übergeordnete Ziel interdisziplinärer Zusammenarbeit nicht alleine in einem berufsgruppenübergreifenden Zusammentreffen, sondern in einer gleichbe-rechtigten Berücksichtigung unterschiedlicher Kompetenzen innerhalb der Therapie-plangestaltung. Dieses stellt eine Grundvoraussetzung dafür dar, dass eine für den individuellen Rehabilitanden optimale Behandlung unter Berücksichtigung seiner indi-viduellen Ressourcen gewährleistet werden kann.

Betrachtet man daneben die Gesamtskala zur Interdisziplinarität, so ist für die Gesamt-stichprobe ein Median144 von zwei bei maximal fünf Punkten festzustellen (n=727).

Dieses deutet darauf hin, dass die berufsgruppenübergreifende Arbeit insgesamt eher multi- als interdisziplinär ausgestaltet ist. Dabei ist zu beachten, dass einrichtungsbe-zogene Differenzen in der Bewertung der Interdisziplinarität bestehen: Für drei Reha-Einrichtungen der Untersuchungsstichprobe resultiert ein Median von Eins, für acht weitere liegt der Wert bei Zwei. In sieben Einrichtungen ist mit einem Median von Drei davon auszugehen, dass die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit zuneh-mend interdisziplinär ausgerichtet ist; in Anbetracht der Bedeutung von Interdisziplinari-tät ist dieser Anteil jedoch immer noch als sehr gering zu bewerten. Eine

144 Aufgrund des als ordinal zu interpretierenden Skalenniveaus ist für diese Variable der Median und nicht das arithmetische Mittel zu berechnen.

penspezifische Betrachtung weist darüber hinaus aus, dass die Ärzteschaft (Median=3) im Vergleich zu allen anderen Berufsgruppen (Median=2) den Grad an wahrgenom-mener Interdisziplinarität positiver beurteilt. Die Gruppenunterschiede werden im Kruskal-Wallis-Test auf dem 1‰-Niveau mit einem Chi-Quadrat-Wert von 60,66 (d.f.=3) signifikant (siehe Tabelle 23).

Merkmale interdisziplinärer Zusammenarbeit Gültige prozentuale Verteilung der Mitarbeiterangaben (Ngesamt=792)

Häufigkeit berufsgruppenübergreifender Teamsitzungen

in Einzelfällen routinemäßig

26,3% 73,7%

Festlegung patientenindividueller Therapieziele

disziplinbezogen gemeinsam im Team

69,7% 30,3%

Berufsgruppenübergreifende Diskussion über Therapiepläne

minimal ständig

57,5% 42,5%

Gemeinsame Fallbesprechungen im Behandler-Team

Problemfälle jeder Rehabilitand

78,1% 21,9%

Rangordnung im Behandler-Team

stark hierarchisch hierarchisch bis gleichrangig

31,5% 68,5%

Wahrgenommene Interdisziplinarität (Median)

Gesamt Ärzte

Psychologen,

Sozialarb./ -päd. Therapeuten Pflegefachkräfte 2,0

(n=727)

3,0 (n=110)

2,0 (n=54)

2,0 (n=311)

2,0 (n=202) Tab. 23: Beurteilung der interdisziplinären Zusammenarbeit in Reha-Einrichtungen

Ein Zusammenhang zwischen dem Grad an wahrgenommener Interdiziplinarität und der zur Verfügung stehenden Zeit zur Erledigung der eigenen Arbeit kann in den Daten nicht bestätigt werden; der Kontingenzkoeffizient wird auf dem 5%-Niveau nicht signifi-kant und nimmt einen Wert von 0,12 (p=.06; n=717) an. Dieses deutet daraufhin, dass andere organisationsbezogene Ressourcen den Grad an gelebter Interdisziplinarität prägen.

Ca. 40% (n=288) der Behandler geben an, dass sie berufsgruppenübergreifend einen vollständig transparenten Umgang mit Problemen im Behandler-Team erleben. Knapp 60% (n=422) berichten hingegen, dass ihr Team schwerwiegende Probleme zum Teil

oder aber stetig verschweigt bzw. unter den Teppich kehrt. Bei einer berufsgruppen-spezifischen Betrachtung145 fällt auf, dass der Anteil an Personen innerhalb der Ärzte-schaft, die das Vorhandensein einer Problemkultur bestätigt, mit 57,5% etwas höher ausfällt, als dieses innerhalb der übrigen Berufsgruppen der Fall ist; dabei fällt insbe-sondere die Pflege mit einem prozentualen Anteil an Bestätigungen von 34,9% auf.

Der auf dem 1‰-Niveau signifikante Chi-Quadrat-Wert von 17,08 (d.f.=3) weist aus, dass die Beurteilung der Problemkultur in Abhängigkeit von der Berufsgruppenzugehö-rigkeit gegen den Zufall abgesichert werden kann (siehe Tabelle 24).

Ärzte

Psychologen, Sozialarb./

-päd.

Therapeuten Pflegefach-kräfte

Gesamt

Problemkultur

gar nicht/

zum Teil vorhanden

n 48 34 200 140 422

% 42,5 58,6 61,7 65,1 59,4

vorhanden

n 65 24 124 75 288

% 57,5 41,4 38,3 34,9 40,6

Gesamt n 113 58 324 215 710

Chi-Quadrat=17,08; d.f.=3; p<.001

Tab. 24: Beurteilung der Transparenz im Umgang mit Problemen im Team (Problemkultur)

Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der berufsgruppenübergreifenden Teamarbeit (multi- oder interdisziplinär) ist die Frage nach der wahrgenommenen Qua-lität der Teamorientierung zu stellen. Die Abbildung 16 zeigt die einrichtungsbezoge-nen Mittelwerte der 18 Einrichtungen im Hinblick auf die beurteilte Qualität berufsgrup-penübergreifender Teamorientierung; Unterschiede zwischen den Einrichtungen wer-den auf dem 1‰-Niveau signifikant. Die Differenz zwischen dem einrichtungsbezoge-nen maximalen und dem minimalen Wert variiert auf einer 18-stufigen Skala um 3,1 Punkte. Die praktische Varianz (ICC) nimmt dabei einen Wert von 0,08 an. Der Mittel-wert aller Einrichtungen liegt bei 12 Punkten, was darauf hindeutet, dass die Qualität der Teamorientierung in der Rehabilitation insgesamt ein Verbesserungspotenzial zeigt; wobei hier die einrichtungsbezogenen Differenzen zu berücksichtigen bleiben (siehe Abbildung 15).

145 Die Gruppe der medizinischen Hilfskräfte konnte aufgrund einer zu kleinen Fallzahl (<50 Personen) nicht in den Varianzanalysen berücksichtigt werden, um entsprechend der Abweichung von der Normal-verteilungsannahme der jeweiligen Variable valide Schätzungen zu ermöglichen. Für eine konsistente Ergebnisdarstellung wurde bereits hier auf diese Berufsgruppe verzichtet.

Standard- abweichung

Varianz-

komponente d.f. Chi-Quadrat p-value

INTRCPT1, u0 0.76 0.58 17 75.26 <0.001

level-1, r 2.63 6.92

Abb. 15: League-Tabelle Qualität der berufsgruppenübergreifenden Teamorientierung (einrichtungsbezogenes arithmetisches Mittel mit 95%-Konfidenzintervall)

Entsprechend der vorhergehenden Analysen zeigt sich auch hinsichtlich der wahrge-nommenen Qualität der Teamorientierung ein auf dem 1‰-Niveau signifikanter Unter-schied zwischen der Ärzteschaft und allen übrigen Berufsgruppen (siehe Tabelle 25).

Berufsgruppe N σx

Arzt 114 13,2 2,8

Psychologe, Sozialarbeiter/ -pädagoge 56 11,9 2,3

Therapeut 325 11,9 2,7

Pflegefachkraft 214 11,6 2,6

Gesamt 709 12,0 2,7

Lévene-Test wird auf dem 5%-Niveau nicht signifikant

Globaltest: F-Wert = 9,69 (d.f.=3; α<0.001)

= Mittelwert, σx = Standardabweichung Tab. 25: Einfaktorielle Varianzanalyse mit der abhängigen Variablen

berufsgruppenüber-greifende Teamorientierung (Gruppierungsvariable: Berufsgruppenzugehörigkeit)

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Mittelwert berufsgruppenübergreifende Teamorientierung

Klinik Minimum = 10,30

Maximum = 13,43 Spannweite = 3,13

Mittelwert (gesamt) = 12 n = 766

n gültige Urteile:

n1=42 n2=28 n3=30 n4=50 n5=19 n6=53 n7=27 n8=36 n9=91 n10=49 n11=66 n12=46 n13=31 n14=44 n15=47 n16=44 n17=19 n18=44

Diese berufsgruppenspezifischen Unterschiede bleiben auch im zweifaktoriellen Vari-anzmodell unter Kontrolle des Merkmals Führungsverantwortung bestehen (F-Test=7,57; p<.001). Führungskräfte beurteilen die berufsgruppenübergreifende Team-arbeit in allen Berufsgruppen etwas positiver als die MitTeam-arbeiter ohne Führungsverant-wortung; auch dieser Haupteffekt wird signifikant (F-Test=9,04; p=0.002). Die größten Differenzen sind dabei in der Gruppe der Psychologen, Sozialarbeiter und -pädagogen zu beobachten (siehe Abbildung 16). Wechselwirkungen zwischen den beiden Variab-len treten nicht auf (F-Test=0,85; p=.464).

Abb. 16: Mittelwertvergleiche für die Qualität berufsgruppenübergreifender Teamorientie-rung in Abhängigkeit der Faktorstufen Berufsgruppe und FühTeamorientie-rungsverantwortung

(n=707)

Die zur Verfügung stehenden zeitlichen Ressourcen im Arbeitsalltag stehen nur in ei-nem schwachen Zusammenhang mit der Qualität der Teamorientierung (Spearman Rangkorrelationskoeffizient rho=.21; p<.000; n=759). Eine stärkere Korrelation von r=0,39 (p<.001; n=713) ist zwischen dem Grad an wahrgenommener Interdisziplinarität und der beurteilten Qualität der Teamorientierung zu beobachten. Der Zusammenhang ist zwar mäßig, aber für eine sozialwissenschaftliche Studie dennoch nennenswert.

Anzunehmen ist damit, dass die Behandler die Qualität der Zusammenarbeit umso besser beurteilen je interdisziplinärer diese gestaltet ist.

Die Analysen zur rehabilitativen Versorgungsqualität verdeutlichen insgesamt, dass die Umsetzung und Qualität einzelner Kriterien berufsgruppenspezifisch unterschiedlich

bewertet werden. Herauszustellen ist dabei insbesondere die Diskrepanz der Ärzte-schaft zu allen weiteren Berufsgruppen. Die Unterschiede zwischen Führungspersonen und Beschäftigten ohne Führungsverantwortung stellen angesichts der gruppenspezi-fisch variierenden Ergebnisse zum Vorrat an Sozialkapital ein zu erwartendes Ergebnis dar.

5.2 Die Bedeutung des organisationsbezogenen Kontextes für die