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4 Methodik

Die theoretischen Erläuterungen des vorangegangen Kapitels dienen als Grundlage zur Konzeptualisierung eines empirisch zu testenden Modells der Organisationsquali-tät. Die Modellierung basiert auf Daten eines quantitativen Organisationssurveys des Forschungsprojekts LORE, das an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Zent-rum für Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaften der Universität Bielefeld durchgeführt wurde. Entsprechend der theoretischen Vorannahmen stellen Reha-Einrichtungen die Untersuchungseinheiten der empirischen Analysen dar. Nach-folgend werden die Konzeptualisierung des Modells sowie die darauf aufbauenden Hypothesen, das Forschungsdesign, die Datengrundlage, die anzuwendenden statisti-schen Auswertungsverfahren und die Stichprobe beschrieben. Da es in der organisati-onsbezogenen Versorgungsforschung bislang an einem einheitlichen Standard metho-discher Qualitätsanforderungen mangelt, orientiert sich die empirische Analyse in ers-ter Linie an sozialwissenschaftlichen Arbeitsweisen bzw. Forschungsmethoden. Dane-ben sind Empfehlungen eines Memorandums des DNVF e.V. zu berücksichtigen, die einen Beitrag zur Systematisierung von Erhebungs- und Auswertungsverfahren in der organisationsbezogenen Versorgungsforschung leisten (Pfaff et al. 2009).

4.1 Konzeptualisierung eines Organisationsmodells und Hypothesenbildung

Abb. 2: Modell der „high performance“ Organisation in der medizinischen Rehabilitation modifiziert nach dem Bielefelder Unternehmensmodell von Badura et al. (2013, S. 50)

Die Treiber des Bielefelder Unternehmensmodells werden unverändert in die Analysen einbezogen. Als Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter werden das Wohlbefinden und das Commitment erfasst. Diese Frühindikatoren werden als eine weitere zentrale Vo-raussetzung dafür angesehen, dass die Ko-Produktion von Gesundheit erreicht werden kann. Für Spätindikatoren wird im Rahmen des Modells bewusst auf den Begriff „Be-triebswirtschaft“ verzichtet. Dieses wird konsistent zur angewandten Begriffsbestim-mung einer „Organisation“ anstelle eines Unternehmens vorgenommen. Für die Ein-richtungen der gesundheitlichen Versorgung wird es vielmehr als angemessen erach-tet, Organisationsergebnisse normativ zu bestimmen. Unterschieden wird dabei zwi-schen der berufsgruppenübergreifenden Teamorientierung, dem Vorhandensein einer Problemkultur und patientenseitigen Outcome-Merkmalen (Behandlungserfolg, Patien-tenzufriedenheit etc.).

Im Fokus der Untersuchung stehen sowohl Unterschieds- als auch Zusammen-hangsanalysen. Letztere können infolge des anzuwendenden Studiendesigns einer Querschnittserhebung nur eine empirische, nicht aber eine reale Kausalität unterstel-len. Die empirische Kausalität stellt jedoch eine notwendige Voraussetzung zur Model-lierung statistischer Analysen dar. Nachfolgend sind die zu testenden Hypothesen im

Netzwerkkapital

Führungskapital

Überzeugungs- und Wertekapital

Fachliche Kompetenz

Arbeitsbedingungen

Berufsgruppenübergreifende Teamorientierung

Patientenseitige Outcomes

Wohlbefinden

Commitment

Frühindikatoren Spätindikatoren

Leistungsbereitschaft Ko-Produktion von

Gesundheit Ergebnisse Treiber

Fehlerkultur

Einzelnen dargelegt. Entsprechend eines korrekten wissenschaftlichen Arbeitens wird stets gegen die Nullhypothese getestet (Bortz & Döring 2006); der besseren Lesbarkeit halber unterstellen die nachfolgenden Hypothesen stets einen Zusammenhang bzw.

einen Unterschied, was der Alternativhypothese entspricht.

Unterschiedshypothesen80:

In einem ersten Analyseschritt ist der Frage nachzugehen, inwieweit organisationsbe-zogene Ressourcen und die Versorgungsqualität zwischen den Einrichtungen der Stichprobe ungleich verteilt sind (Hypothesenblock I). Die Identifizierung von Unter-schieden ist in erster Linie von inhaltlicher Bedeutung, da entsprechend der theoreti-schen Vorannahmen davon auszugehen ist, dass die in dieser Arbeit zu untersuchen-den Ressourcen ungleich verteilt sind. Die Analyse der Variation von Merkmalen ist auch von methodischer Relevanz. So ist das Vorhandensein von Variabilität sowohl für die generelle Durchführbarkeit der Analysen als auch für das konkrete Auswertungs-vorgehen richtungsweisend. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob sich anhand der Daten ebenfalls Unterschiede in der Verteilung von Ressourcen sowie Belastungen zwischen Berufs- und definierten Personengruppen zeigen lassen (Hypothesenblock II).

Hypothesenblock I:

80Die Konstrukte und Konzepte der einzelnen Hypothesen werden im Methodenkapitel dieser Arbeit weiter operationalisiert. Während die Treiber entsprechend des ProSoB-Fragebogens des Bielefelder Ansatzes übernommen wurden, weichen die Ergebnisindikatoren von diesem ab.

Ressourcen/ Treiber:

Das soziale Kapital mit den Subkomponenten Netzwerk-, Führungs- und Wertekapital so-wie die Güte immaterieller Arbeitsbedingungen sind zwischen den Reha-Einrichtungen der Untersuchungsstichprobe ungleich verteilt.

Ergebnisse II:

Qualitätsmerkmale der rehabilitativen Versorgung variieren zwischen den Einrichtungen der Untersuchungsstichprobe.

Die Chance der Erreichung eines normativen Reha-Erfolgs der Rehabilitanden ist nicht in allen Einrichtungen gleich; Unterschiede bleiben auch nach Kontrolle für die jeweilige Re-habilitandenklientel bestehen.

Ergebnisse I:

Mitarbeiter zeigen nicht in allen Reha-Einrichtungen der Untersuchungsstichprobe dieselbe Leistungsfähigkeit und -bereitschaft.

Hypothesenblock II:

Zusammenhangshypothesen:

In einem weiteren Schritt geht es um die Testung multivariabler Zusammenhänge im innerbetrieblichen Geschehen. Die Analysen entsprechen dem Ansatz neuer Ansätze der Sozialkapitalforschung, indem die Bedeutung kultureller Aspekte auf kollektive Phänomene untersucht wird (siehe hierzu Kapitel 3.3.2). Die multivariablen Zusam-menhänge werden, sofern erforderlich unter Kontrolle personenbezogener oder be-rufsgruppenbezogener Merkmale modelliert.

Hypothesenblock III:

Das wesentliche Potenzial der Analysen liegt in der Verknüpfung von scheinbar unab-hängigen Daten zu auf der einen Seite patientenseitigen Ergebnismerkmalen und auf der anderen Seite Merkmalen des organisationsbezogenen Kontextes. Durch Zusam-menführung dieser Daten unterschiedlicher Analyse-Ebenen81 wird die Prüfung des theoretisch begründeten Einflusses der „Organisation“ auf individuelle Outcomes mög-lich. Dieser Ansatz entspricht in seiner Logik der traditionellen netzwerkorientierten Forschungstradition zum Sozialkapitalansatz (siehe Kapitel 3.3.2).

Hypothese IV:

81 Dieses meint Daten auf der Ebene der Organisation und der Ebene der Rehabilitanden. Die Datensätze werden im Methodenkapitel näher erläutert.

Die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter steht in einem Zusammenhang mit dem Vorrat an sozialem Kapital und der Güte immaterieller Arbeitsbedingungen.

Die kollektive Leistungsfähigkeit des sozialen Systems – gemessen an der Qualität der Teamorientierung – steht in einem Zusammenhang mit dem Vorrat an sozialem Kapital und der Güte immaterieller Arbeitsbedingungen.

Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein einer Problemkultur und dem Vorrat an sozialem Kapital.

Die Chance einen normativen Reha-Erfolg zu erreichen, steht in einem Zusammenhang mit personenbezogenen sowie maßnahmenbezogenen Merkmalen und darüber hinaus mit dem Netzwerkkapital einer Reha-Einrichtung.

Es gibt Unterschiede in der berufs- und personengruppenspezifischen Beurteilung der zur Verfügung stehenden organisationsbezogenen Ressourcen.

Alle genannten Zusammenhangsanalysen stellen das soziale Kapital in den Mittelpunkt der Untersuchung. Abschließend sind deshalb Hypothesen zu formulieren, die die Va-rianz des sozialen Kapitals in Abhängigkeit von Strukturmerkmalen der Organisation prüfen. Diese Hypothesen leiten sich nicht unmittelbar aus dem Modell zur Organisati-onsqualität ab.

Hypothesenblock V82:

Die gemeinsame Betrachtung aller Hypothesen gibt ein differenziertes Bild einer „high performance“ Organisation, die sich nicht nur durch eine beständig hohe Leistungsfä-higkeit auszeichnet, sondern auch durch einen achtsamen Umgang mit den Beschäf-tigten und dem Streben nach einer stetigen Verbesserung der eigenen Kernkompeten-zen. Damit zielen die empirischen Analysen darauf ab, die Variation von sozialen und personalen versorgungsrelevanten Strukturen zu beschreiben und Zusammenhänge mit der Versorgungsqualität sowie patientenbezogenen Outcomes aufzuzeigen. Dieses ist eines der typischen Ziele in der organisationsbezogenen Versorgungsforschung (Pfaff et al. 2009).