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Wir stellen uns reelle Zahlen zun¨achst als (nicht unbedingt abbrechende) Dezi-malbr¨uche vor, etwa

π= 3.14159. . .

Die Menge der reellen Zahlen bezeichnen wir mit R. Offenbar sind N und N0 Teilmengen von R. Weitere f¨ur uns interessante Teilmengen sind die Menge der ganzen Zahlen

Z={. . . ,−2,−1,0,1,2,3, . . .} sowie dieMenge der rationalen Zahlen

Q={x∈R: x=p/q mit p∈Z, q∈N}. Dabei gilt

N⊂N0 ⊂Z⊂Q⊂R.

Reelle Zahlen, die nicht rational sind, heißenirrational.

Rationale Zahlen entstehen also als Quotienten ganzer Zahlen (wobei wir nat¨urlich nicht durch 0 dividieren). Berechnet man diese Quotienten mit dem

¨ublichen Divisionsverfahren, so erh¨alt man einen abbrechenden Dezimalbruch wie 95 = 1.8 oder einen periodischen Dezimalbruch wie

115

990 = 0,1161616. . .= 0,116.

Umgekehrt entspricht jeder periodische Dezimalbruch einem Quotienten ganzer Zahlen, den man wie folgt gewinnen kann: Ist z.B.x= 1,231, so ist

1000x = 1231,31 = 1231,313131. . . , 10x = 12,31 = 12,313131. . . , und Subtraktion liefert

990x= 1219 bzw. x= 1219 990 .

Betrachtet man die abbrechenden Dezimalbr¨uche als Dezimalbr¨uche mit der Pe-riode 0, so k¨onnen wir festhalten:

Die rationalen Zahlen sind gerade diejenigen reellen Zahlen, die durch periodische Dezimalbr¨uche dargestellt werden k¨onnen.

Entsprechend werden die irrationalen Zahlen durch nichtperiodische Dezimal-br¨uche wie 0.101001000100001. . . dargestellt.

Wenden wir das oben beschriebene Verfahren auf x = 0.9 = 0,999. . . an, so erhalten wir wegen 10x= 9,9, dass 9x= 9 bzw. x= 1. Die Gleichheit

0,999. . . = 1

ist kein Widerspruch. Sie zeigt nur, dass verschiedene Dezimalbr¨uche ein und dieselbe reelle Zahl darstellen k¨onnen. M¨ochte man eine eindeutige Darstellung

reeller Zahlen durch Dezimalbr¨uche erzwingen, so muß man die Periode 9 (oder die Periode 0) verbieten.

Will man Analysis betreiben, so ist die naive Vorstellung von reellen Zahlen als Dezimalbr¨uchen nicht ausreichend. Andererseits ist ein systematischer Aufbau ei-ner Theorie der reellen Zahlen recht schwierig. Wir beschr¨anken uns daher darauf, ein System von Axiomen zusammenzustellen, die von der Menge der reellen Zah-len erf¨ullt werden und auf die wir im weiteren stets zur¨uckgreifen. Unter einem Axiom versteht man dabei eine als wahr anerkannte oder als wahr angenommene Aussage, die nicht auf einfachere Aussagen zur¨uckgef¨uhrt werden kann.

Auf Rgibt es zwei Rechenoperationen: die Addition + und die Multiplikation ·, die je zwei reellen Zahlen a, bdie reellen Zahlen a+b und a·b zuordnen. Dabei sollen die folgenden Regeln gelten:

K¨orperaxiome

(A1) a+b=b+a (Kommutativgesetz) (A2) (a+b) +c=a+ (b+c) (Assoziativgesetz)

(A3) Es gibt eine Zahl 0∈R, die Null, mit a+ 0 =a f¨ur alle a∈R. (A4) Zu jeder Zahl a∈R gibt es eine Zahl −a∈Rmit a+ (−a) = 0.

(A5) ab=ba (Kommutativgesetz)

(A6) (ab)c=a(bc) (Assoziativgesetz)

(A7) Es gibt eine Zahl 1∈R mit 16= 0 mit a·1 = a f¨ur alle a∈R.

Diese heißt Eins.

(A8) Zu jeder Zahl a∈R mit a6= 0 gibt es eine Zahl a1 ∈R mit a·a1 = 1.

(A9) a·(b+c) =ab+ac (Distributivgesetz)

Die Axiome (A1)–(A4) bilden die Rechenregeln f¨ur die Addition und (A5)–(A8) die f¨ur die Multiplikation. (A9) regelt die Beziehungen zwischen Addition und Multiplikation. Die Bezeichnung K¨orperaxiome kommt daher, dass eine Menge mit zwei Operationen + und ·, f¨ur die die Regeln (A1)–(A9) gelten, ein K¨orper heißt. Also istR (genau wie Q) ein K¨orper.

Aus diesen Axiomen lassen sich alle weiteren Rechenregeln wiea·0 = 0 ableiten.

Wir werden das nicht tun, sondern vermerken lediglich die folgenden Aussagen

¨uber das L¨osen von Gleichungen.

Folgerung 1.1 Seien a, b reell. Dann gibt es genau ein x∈R mit a+x=b.

Warum? Nun, wir m¨ussen uns ¨uberlegen, dass es eine solche Zahlxgibt und dass sie eindeutig bestimmt ist. Die Existenz einer Zahl mit bestimmten Eigenschaften kann man zeigen, indem man eine solche Zahl einfach angibt. In unserem Fall ist

das einfach. F¨urx:= (−a) +b ist n¨amlich

a+x=a+ ((−a) +b)(A2)= (a+ (−a)) +b(A4)= 0 +b (A1)= b+ 0(A3)= b.

Die Eindeutigkeit ergibt sich z.B. so. Ist x eine Zahl mit a+x=b, so ist x=x+ 0 = 0 +x= ((−a) +a) +x= (−a) + (a+x) = (−a) +b, d.h. es ist notwendigerweise x= (−a) +b.

Folgerung 1.2 Seien a, b reell und a 6= 0. Dann gibt es genau ein x∈R mit a·x=b.

Die L¨osung ist nat¨urlich die Zahl x=a1b.

Auf R ist außerdem eine Ordnung <erkl¨art. F¨ur diese soll gelten:

Ordnungsaxiome

(A10) Es gilt genau eine der Beziehungen a < b, a=b oderb < a.

(A11) Aus a < b und b < cfolgt a < c (Transitivit¨at).

(A12) Aus a < b folgta+c < b+c f¨ur alle c∈R.

(A13) Aus a < b folgtac < bc f¨ur alle c∈R mit c >0.

Außerdem vereinbaren wir die folgenden Schreibweisen:

a≤b, wenna < b oder a=b a > b, wennb < a

a≥b, wennb ≤a, und wir nennena ∈R

• positiv, wenn a >0,

• negativ, wenn a <0, und

• nichtnegativ, wenn a≥0.

Schließlich f¨uhren wir Bezeichnungen f¨ur Intervalle ein. F¨ura < b sei [a, b] := {x∈R:a ≤x≤b} abgeschlossenes Intervall (a, b] :={x∈R:a < x≤b}

[a, b) :={x∈R:a≤x < b}

halboffene Intervalle (a, b) :={x∈R:a < x < b} offenes Intervall.

Aus den Ordnungsaxiomen folgt beispielsweise, dass man Ungleichungen addieren und unter bestimmten Bedingungen auch multiplizieren darf:

• Ausa < b und c < d folgta+c < b+d.

• Aus 0< a < b und 0< c < dfolgt ac < bd.

Dagegen kehrt sich bei Multiplikation einer Ungleichung mit einer negativen Zahl die Ordnungsrelation< um:

• Ausa < b und c < 0 folgt ac > bc.

Archimedisches Axiom

(A14) Zu beliebigen positiven reellen Zahlen x, y gibt es ein n ∈ N so, dass n·x > y.

Dieses Axiom wird z.B. beim Beweis einiger Konvergenzaussagen benutzt. Es besagt, dass man eine (m¨oglicherweise sehr kleine) positive Zahl nur hinreichend oft zu sich selbst addieren muß, um eine beliebige (sehr große) Zahl zu ¨ubertreffen.

Die Axiome (A1) – (A14) gelten auch f¨ur die rationalen Zahlen. Erst das folgende Axiom charakterisiert die reellen Zahlen vollst¨andig. Dieses Axiom ist f¨ur die Analysis besonders wichtig. Vor seiner Formulierung m¨ussen wir einige Begriffe einf¨uhren.

Ist M eine Teilmenge der reellen Zahlen und k eine reelle Zahl so, dass m ≤ k f¨ur alle m ∈ M, so heißt M nach oben beschr¨ankt, und k heißt eine obere Schrankef¨urM. Istk eine obere Schranke f¨urM und gibt es keine kleinere obere Schranke f¨urM, so heißtk das Supremum von M, und man schreibt k= supM. Analog erkl¨art man die Begriffe nach unten beschr¨ankt, untere Schranke und gr¨oßte untere Schranke. Besitzt M eine gr¨oßte untere Schranke, so heißt diese das Infimumvon M, und wir schreiben infM daf¨ur.

BeispieleF¨urM :={x∈R:x≤2}ist 3 eine obere Schranke und 2 die kleinste obere Schranke. Es ist also M nach oben beschr¨ankt und supM = 2. Auch f¨ur M :={x∈R:x <2} ist supM = 2.

Das Supremum einer Menge M muß also nicht zu M geh¨oren. Wenn es dazu geh¨ort, nennen wir es das Maximum von M und schreiben maxM statt supM. Geh¨ort das Infimum einer Menge zur Menge, so nennen wir es das Minimum und schreiben minM statt infM. F¨ur die Mengen im Beispiel ist also 2 das Maximum von M, w¨ahrend M kein Maximum besitzt. Schließlich heißt eine Menge beschr¨ankt, wenn sie nach oben und unten beschr¨ankt ist.

Vollst¨andigkeitsaxiom

(A15) Jede nichtleere und nach oben beschr¨ankte Menge reeller Zahlen besitzt ein Supremum.

Wir ¨uberlegen uns, dass dieses Axiom in der Menge der rationalen Zahlen nicht gilt. Dazu betrachten wir die Menge

M :={1,1.4,1.41,1.414,1.4142, . . .}, die entsteht, indem wir die Dezimalbruchentwicklung von √

2 an der nullten, ersten, zweiten,. . .Stelle nach dem Komma abbrechen. Dann ist M eine Menge rationaler Zahlen, deren Supremum in R gleich √

2 ist. Um zu zeigen, dass diese Menge kein SupremuminQhat, m¨ussen wir uns ¨uberlegen, dass√

2 nicht rational

ist, also √

26∈Q. (1.1)

Dazu gehen wir indirekt vor, d.h. wir nehmen an, √

2 w¨are rational. Dann gibt es nat¨urliche Zahlen m, n mit √

2 = mn , die wir dar¨uber hinaus so w¨ahlen, dass der Nenner n minimal wird. (Wir erinnern uns: jede nichtleere Teilmenge von N hat ein kleinstes Element.) Dann ist

√2n = m |quadrieren

2n2 = m2 |+ 2n2−4mn+m2 4n2−4mn+m2 = 2(m2−2mn+n2)

(2n−m)2 = 2(m−n)2.

Wegen 1 < mn < 2 ist n < m < 2n, d.h. 2n −m und m − n sind positiv.

Wurzelziehen liefert also

2n−m=√

2(m−n) bzw. √

2 = 2nmmn . Der Nenner m−n ist aber kleiner als n, da ja 2n−m > 0.

Wir haben also eine Darstellung von√

2 mit kleinerem Nenner gefunden, was im Widerspruch zu unserer Annahme steht. Die Annahme erweist sich so als falsch, d.h. √

2 ist irrational.