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Reduzierte Faktor V-Aktivität bei unauffälligem Mutations- screening (Patient 5)

2 Zielsetzung dieser Arbeit

6.1 Diskussion der einzelnen Mutationen / Patienten

6.1.5 Reduzierte Faktor V-Aktivität bei unauffälligem Mutations- screening (Patient 5)

Die Patientin zeigte keine Auffälligkeiten in der Sequenz und hatte eine FV-Aktivität von 64%. Bei der molekulargenetischen Untersuchung fanden sich keine Mutationen. Aufgrund einer großen Homologie zwischen FV und FVIII sowie der dadurch ähnlichen post-translationalen Modifikation kann man bei unauffälliger FVIII-Aktivität von einer normalen posttranslationalen Modifikation und Exkretion des FV ausgehen (Zhang et al., 2003 & 2004). Die Ursache der verminderten FV-Aktivität ist letztendlich unklar. Möglicherweise handelt es sich auch um einen erworbenen FV-Mangel beispielsweise durch Antikörper (Ajzner et al., 2003). Um dies zu verifizieren, müsste das Serum jedoch noch auf Antikörper untersucht werden.

6 Diskussion

6.1.6 Mutationen 139delG (cDNA) und Arg2027Gln (Patient 6a/b)

Bei dieser untersuchten Familie fanden wir die neue Mutation 139delG (cDNA).

Diese Deletion führte zu einem Frameshift an AS -15 und einem Stopcodon an Position -10 des Propeptids. Die „nonsense“-Mutation führte dann höchstwahrscheinlich zu einem kompletten Funktionsverlust des betroffenen Allels.

Bei der 65-jährigen Mutter bestand eine reduzierte FV-Aktivität von 52%, die APCR-Ratio war mit 2,1 normal. Dieser Aktivitätsverlust lag wahrscheinlich an der neu entdeckten „nonsense“-Mutation 139delG (cDNA), die zu einem funktionellem Verlust des betroffenen Allels führte, während die APC-Funktion des Genproduktes unbeeinflusst blieb.

Die wohl verantwortliche Mutation konnte sowohl bei der Mutter als auch bei der Tochter gefunden werden. Im Gegensatz zur Mutter war die Tochter wiederholt durch Thrombosen und Lungenembolien auffällig geworden. Außergewöhnlich war die niedrige APCR-Ratio von 1,1 obwohl sie nur heterozygote FV-Leiden-Trägerin ist.

Die oben bereits bei der Mutter beschriebene Mutation 139delG führt allem Anschein nach zum Verlust des non-Leiden-Allels und damit zum pseudohomozygoten Hervortreten der FV-Leiden-Mutation.

Der Einfluss der bei der Tochter ebenfalls neu entdeckten Mutation Arg2027Gln ist unklar, da ihre Allellokalisation nicht geklärt werden konnte. Die im Vergleich zur Mutter bestehende und unerklärte niedrige Aktivität des FV (20%), lässt jedoch vermuten, dass sich die Mutation auf dem exprimierten FV-Leiden-Allel befindet.

Arg2027Gln ist somit wohl für den zusätzlich bestehenden Aktivitätsverlust von 60%

verantwortlich. Eine mögliche Strukturänderung in der C2-Domäne könnte wie bei anderen vorbeschriebenen Mutationen zu einer verminderten Affinität des FV zu den Phospholipidmembranen beitragen oder eine verminderte Sekretion verursachen (Scanavini et al., 2004).

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6.1.7 Mutation Gly1715Val (Patient 7a/b)

Beide Familienmitglieder hatten eine FV-Aktivität von ca. 55%. Auffällig war die starke APCR von 1,2 bei der Mutter. Dies spricht für eine homozygote FV-Leiden-Mutation, es zeigte sich jedoch, dass diese nur heterozygot vorlag. Die neu entdeckte Mutation Gly1715Val scheint für den (nahezu) vollständigen Funktionsverlust eines Allels verantwortlich zu sein. Bei der Mutter führte dies zu einer pseudohomozygoten Expression der FV-Leiden-Mutation. Die Mutation befindet sich in der A3-Domäne (vgl. Abb. 5.18). Die Hauptaufgabe der A3-Domäne ist die Verbindung der leichten Kette mit der A1-Domäne der schweren Kette. Die Mutation ist zwar nicht in direkter Nähe zur calcium- (1572, 1576, 1577, 1583) oder kupferbindenden (1815, 1817) Region (Pellequer et al., 2000; Sorensen et al., 2004), jedoch könnten auch entfernt liegende Mutationen weit reichende Störungen in der Tertiärstruktur des Proteins verursachen. Möglich wäre dies zum Beispiel über eine Beeinflussung der Disulfidbrücke Cys1697-Cys1723 (Duga et al., 2004).

6.1.8 Polymorphismen Met2120Thr und Met1736Val (Patient 8)

Dieser Patient fiel durch eine erhöhte Blutungsneigung auf, welche jedoch nicht allein an der reduzierten FV-Aktivität lag, sondern auch in der gleichzeitig bestehenden Thrombozytopenie mitbegründet war. Ein solcher Zusammenhang wurde erstmals von Tracy et al. beschrieben (FV Quebec) (Tracey et al., 1984). Es handelte sich dort um einen Thrombozytendefekt, welcher eine stark verminderte Speicherung von FV in den α-Granula der Thrombozyten zur Folge hat. Bei dem Patienten lagen uns diesbezüglich jedoch keine Informationen vor.

Die wahrscheinlichste Ursache für die reduzierte FV-Aktivität ist jedoch in den vorhandenen Polymorphismen zu suchen, welche sich bei einer Kombination oft gegenseitig beeinflussen. Zum Teil verstärken sie ihre Wirkung, zum Teil heben sie sich auf. Bei Kombination des Haplotyps R2 und der Polymorphismen Met1736Val, Met2120Thr und Asp2194Gly kann die FV-Aktivität z.B. auf 18% erniedrigt sein

6 Diskussion

(Asselta et al., 2006; Castoldi et al., 2004; van der Neut Kolfschoten et al., 2003;

Yamazaki et al., 2002).

Die Kombination aus Met2120Thr und Met1736Val wurde bisher noch nicht beschrieben. Met2120Thr führt heterozygot zu einer Verminderung des FV-Spiegels um ca. 25% (Scanavini et al., 2004). Met1736Val als alleinige Mutation führt zu einer leicht verminderten Exkretion des FV. In Kombination mit anderen Mutationen (s.

Kap. 1.2.1.) war dieser Effekt jedoch zum Teil deutlich verstärkt (Yamazaki et al., 2002). Die Reduktion der FV-Aktivität auf 56% kann gut durch die Kombination beider Mutationen erklärt werden, in welcher es scheinbar zu einer Verstärkung der Einzelwirkungen kommt. Dies könnte zum Beispiel auf einer Änderung der Tertiärstruktur beruhen, bei der sich die Einzelwirkungen multiplizieren. Der genaue Mechanismus bleibt hier jedoch unklar.

6.1.9 Mutation -428C>C/T (cDNA) (Patient 9 und 10)

Beide Patientinnen fielen durch „juvenile Thrombosen“ auf. Sie zeigten ähnliche FV-Aktivitäten (57% und 65%) und APC-Rationes (2,4 und 2,1). Die Thromboseneigung schien somit nicht im FV begründet, außer die PS-ähnliche PC-Cofaktorfunktion des FV oder ähnliches wären betroffen. Auffällig war, dass beide Patienten den gleichen Haplotyp (Met2120Thr) und die gleiche Mutation -428C>C/T (cDNA) in der Promotorregion besaßen. Leider bestand keine Möglichkeit, die Patientinnen bezüglich eines möglichen Verwandtschaftsverhältnisses zu befragen. Für den gut untersuchten Polymorphismus Met2120Thr fanden sich in der Literatur keine Hinweise auf eine Assoziation mit Thrombosen bzw. auf Beeinflussung der PS-ähnlichen PC-Cofaktorfunktion des FV, auszuschließen ist dies jedoch nicht. Für die Mutation -428C>C/T (cDNA) ist eine derartige Beeinflussung nicht zu erwarten, da Mutationen der Promotorregion zwar in der Lage sind, die Synthesemenge des FV zu beeinflussen, jedoch die Funktionsfähigkeit des fertigen FV nicht verändern können.

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Der heterozygote Met2120Thr Polymorphismus führt zu einer Verminderung des FV-Spiegels um ca. 25% (Scanavini et al., 2004). Die FV-Aktivität lag also mit 57% bzw.

65% unterhalb des zu erwartenden Wertes von etwa 75%. Das ist insofern sehr interessant, da die Mutation -428C>C/T (cDNA) in der Promotorregion liegt und somit die erste beschriebene Mutation mit Assoziation zur FV-Aktivität ist. Vermutlich liegt in dieser Region eines der Promotorelemente. Durch die Mutation könnte die Affinität für Enhancer vermindert bzw. die für Silencer verstärkt werden, was eine verlangsamte/verminderte Transkription zur Folge hätte. Die Aktivitätsminderung könnte somit durch eine veränderte Genregulation mit der Folge einer verminderten Synthese und daraus folgendem FV-Mangel erklärt werden.

6.1.10. Mutation Pro1376Ser (Patient 11)

Die Thromboseneigung bei diesem Patienten lag am wahrscheinlichsten in der bestehenden Polycythämia vera begründet. Zusätzlich fiel eine verminderte FV-Aktivität von 74% auf. Der bei dem Patienten gefundene Polymorphismus Met1736Val führt jedoch nur zu einer marginalen Expressionsstörung.

Ein Zusammenhang zwischen einer Polycythämia vera und einem FV-Mangel wurde bereits von Hasegawa et al. beschrieben (Hasegawa et al., 1980). Ein zugrunde liegender Pathomechanismus konnte jedoch noch nicht identifiziert werden, so dass diesbezüglich nur Spekulationen möglich sind. Denkbar wäre z.B. eine vermehrte Aufnahme von FV in veränderte Megakaryozyten, was zu einem Abfall der FV-Plasmakonzentration führen könnte.

Für den FV-Aktivitätsverlust könnte aber auch die neu gefundene Mutation Pro1376Ser verantwortlich sein. Die sich in der B-Domäne befindende Mutation wird normalerweise während der Aktivierung herausgeschnitten. Die Mutation befindet sich zwar nicht in unmittelbarer Nähe zu den Spaltstellen (Duga et al., 2003), sie könnte jedoch dennoch über eine Konformationsänderung zu einer erschwerten Präsentierung der Spaltstellen Arg709, Arg1018 oder Arg1545 führen. Dadurch käme es zu einer verlangsamten Aktivierung mit nachfolgend reduzierter FV-Aktivität.

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6.1.11 Mutationen Tyr324Stop und Val1813Met (Patient 13)

Der Patient hatte lediglich eine 3%-ige FV-Restaktivität. Das bedeutet, dass die Funktion beider FV-Allele stark gestört war. Relevante Polymorphismen existierten nicht. Es wurden jedoch die neue Mutation Tyr324Stop und die bekannte Val1813Met-Mutation gefunden. Auf dem ersten Allel kam es durch die Substitution von Cytosin durch Guanin an Position 1056 der mRNA zur Ausbildung eines Stopcodons an AS-Position 324. Diese nonsense-Mutation führte zur Synthese eines funktionslosen FV-Fragments. Die geringe Restfunktion des FV beruhte lediglich auf dem zweiten Allel. Val1813Met hat wie unter Kap. 6.1.4. bereits beschrieben Auswirkungen auf die Stabilität zwischen schwerer und leichter Kette. Diese Instabilität des FVa führt dann zum fast vollständigen Aktivitätsverlust des zweiten Allels, vorausgesetzt, die Mutation Val1813Met befindet sich auf dem exprimierten Allel, was bei einem Aktivitätsverlust von deutlich über 50% zu erwarten ist (Montefusco et al., 2003).