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„Rechtsextremismus“ in der „Mitte“ der Gesellschaft

Verschiedene wissenschaftliche Studien zur Verbreitung rechtsextremer  Einstellungen machen deutlich: So genannte rechtsextreme Einstellun-gen sind kein Phänomen einer gesellschaftlichen Randgruppe, sondern  zeigen eine weite Verbreitung und Anschlussfähigkeit innerhalb der  sogenannten Mitte der Gesellschaft. Ein rechtsextremes Weltbild um-fasst verschiedene Einstellungsmuster, deren verbindendes Kennzeichen  Ungleich wertigkeits  vorstellungen sind. Die Forscher̲innengruppe um 

Oliver Decker und Elmar Brähler von der Universität Leipzig zählt dazu  Ausländerfeindlichkeit, Chauvinismus, Befürwortung einer Diktatur,  Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des National-sozialismus.4 Auch das Forscher̲innenteam um Wilhelm Heitmeyer  vom Institut für Interdisziplinäre Konfl ikt- und Gewaltforschung (IKG)  der Universität Bielefeld dokumentiert seit dem Jahr 2002 im Rahmen  der Studie „Deutsche Zustände“ die Entwicklung und Verbreitung der  Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit als ein Syndrom, das auf der  Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit als ein Syndrom, das auf der  Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit

Grundlage gemeinsamer Ideologien der Ungleichwertigkeit beruht und  verschiedene Merkmalselemente umfasst.5

Vom Institut für Interdisziplinäre Konfl ikt- und Gewaltforschung der Institut für Interdisziplinäre Konfl ikt- und Gewaltforschung der Institut für Interdisziplinäre Konfl ikt- und Gewaltforschung Universität Bielefeld wurde in den Jahren 2008-2010 das Projekt „Sozi-alraumanalysen zum Zusammenleben vor Ort (SoRA-ZO)“ durchgeführt,  in dem das Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit auf  den sozialen Nahraum und die dort ansässige Bevölkerung angewandt  worden ist.6 Der Ort Borna war Bestandteil dieser wissenschaftlichen  Erhebungen. Den Untersuchungen lag die Annahme zugrunde, dass der  unmittelbare Lebensraum und soziale Nahraum der Menschen ‒ das  Gemeinwesen ‒ Einfl uss  auf Meinungen und Erfahrungen ausübt und  damit insbesondere auch die ‒ unter Umständen ‒ abwertenden Einstel-lungen gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten prägt. Dahinterste-hendes wissenschaftliches Ziel ist es, die Bedeutung der Struktur von  Städten, Gemeinden und Stadtvierteln für die Entstehung des Ausmaßes  an Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu untersuchen. Die weite  Verbreitung menschenverachtenden Denkens im Gemeinwesen stellt 

4  Vgl. Decker et al. (2010): 18.

5  Das Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wird als ein Konglomerat aus    abwertenden Einstellungen gegenüber Individuen aufgrund ihrer gewählten oder zuge-  schriebenen Gruppenmitgliedschaft bezeichnet. Personen werden demnach aufgrund ihrer    Gruppenzugehörigkeit als ungleichwertig markiert und sind verschiedenen Formen von Dis-  kriminierung ausgesetzt. Diese abwertenden Einstellungen gegenüber verschiedenen    gesellschaftlichen Gruppen bestehen dabei nicht isoliert voneinander, sondern bilden    gemeinsam ein Vorurteilssyndrom. Die Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit umfasst    folgende Einstellungsmuster: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamopho-  bie, Etabliertenvorrechte, Sexismus, Homophobie, Abwertung von Obdachlosen, Abwertung   von Menschen mit Behinderungen. Vgl. u.a. Heitmeyer (2011).

6  Vgl. Marth et al. (2010): 61. 

7  Neben Borna wurden in der ersten Erhebungsrunde Befragungen in vier weiteren Kommu-  nen in den neuen Bundesländern durchgeführt, darunter Altenburg und Wernigerode.

zudem eine Legitimationsgrundlage für die Aktivitäten neonazistischer  Gruppierungen dar und sichert deren Akzeptanz bzw. gesellschaftliche  Anschlussfähigkeit. 

Als zentrale Kategorie dieser Sozialraumanalysen gilt das Konzept der  politischen Kultur, das die „Verteilung von individuellen Einstellungen  hinsichtlich verschiedener politischer Sachverhalte in der Bevölkerung  eines lokal begrenzten Sozialraums“8  beschreibt. Als dessen Einfl ussfak-toren werden sowohl der Begriff  der politischen Machtlosigkeit als auch  die Wahrnehmung der NPD als Partei benannt. Beide beeinfl ussen die  politische Kultur eines Gemeinwesens zentral, zudem leisten sie men-schenverachtenden Einstellungen auf individueller Ebene Vorschub.9 Als ein zentraler Einfl ussfaktor der Gruppenbezogenen Menschenfeind-lichkeit wurde außerdem das Konzept der 

lichkeit wurde außerdem das Konzept der 

lichkeit Desintegration als reale oder Desintegration als reale oder Desintegration drohende Erfahrung erhoben.10

Die Ergebnisse der Erhebung am Standort Borna verweisen auf einige Be- sonderheiten. Insbesondere die Zustimmung zu fremdenfeindlichen Aus-sagen ist in Borna höher als in den Vergleichsorten. So stimmten 50,4% 

der Befragten der Aussage zu: „Es leben zu viele Ausländer in Borna“ und  42,5% der Aussage „Ausländer sind eine Belastung für das soziale Netz“. 

Neben der hohen Zustimmung zu rassistischen Einstellungen zeigte sich  zudem die Abwertung von sozial Schwächeren, insbesondere wohnungs-losen Menschen, als weit verbreitet. Darüber hinaus wird deutlich, dass  der Prozess einer zunehmenden Normalisierung der NPD weiter fortge-schritten ist als in anderen Orten, fast 25% der Befragten stimmten der  Aussage zu „Die NPD ist eine Partei wie jede andere auch“.11 

8  Marth et al. (2010): 63.

9  Vgl. Marth et al. (2010): S. 63f.6  Vgl. Marth et al. (2010): 61. 

10  Das Konzept der Desintegration als Gegenbegriff  zur Integration als ein soziologisches Erklä-  rungsmodell und Einfl ussfaktor der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wird verstan-  den als „ein auf unterschiedlichen Ebenen angesiedeltes Phänomen, das die nicht eingelösten   Leistungen von gesellschaftlichen Institutionen und Gemeinschaften anzeigt, in einer Gesell-  schaft existentielle Grundlagen des Zusammenlebens, gegenseitige soziale Anerkennung    und die persönliche Unversehrtheit der Gesellschaftsmitglieder zu sichern.“ (Imbusch/Heit-  meyer (2008): 13). Als typische Desintegrationsphänomene werden dabei die Verschärfung     sozialer Ungleichheiten, die Ausgrenzung bestimmter sozialer Gruppen oder auch die Ab-  wertung und Diskriminierung gesellschaftlicher Minderheiten benannt.

11  Vgl. Borstel et al. (2009).

Die Ergebnisse der Sozialraumanalysen wurden an den Orten der  Erhebung präsentiert und in sogenannten Übersetzungswerkstätten12 diskutiert, die zudem die Grundlage für eine Weiterarbeit darstellten. 

Sowohl in der Anlage der SoRa-ZO Studie als auch in deren Ergebnissen  für Borna zeigten sich auf inhaltlicher und konzeptioneller Ebene wich-tige Anknüpfungspunkte für die gemeinwesenorientierte Arbeitsweise  im Projekt Horizont 21 ‒ Demokratie leben und lernen in Sachsen und  Sachsen-Anhalt. Das Gemeindeporträt Borna als qualitativ angelegte  Sachsen-Anhalt. Das Gemeindeporträt Borna als qualitativ angelegte  Sachsen-Anhalt

Sozialraumanalyse bestätigte zudem die zentralen Ergebnisse der Erhe-bung für Borna. 

Neben dem Thema Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und  Rechtsextremismus waren weitere Schwerpunkte die Möglichkeiten und  Potentiale zivil gesellschaftlichen Engagements im Gemeinwesen. Bereits  in der Konzeption der Studien ist ein interventionsnahes Ziel angelegt: 

die Initiierung bzw. Unterstützung einer refl exiven Stadtgesellschaft und  damit auch die Förderung bürgerschaftlichen Engagements.13 Die hohen  Zustimmungswerte zu den verschiedenen Dimensionen der Gruppen-bezogenen Menschenfeindlichkeit verdeutlichen, dass ein Engagement  bezogenen Menschenfeindlichkeit verdeutlichen, dass ein Engagement  bezogenen Menschenfeindlichkeit

für eine demokratische Kultur im Gemeinwesen von einer intensiven  inhaltlichen Auseinandersetzung mit menschenverachtendem Denken  innerhalb der Bevölkerung begleitet sein muss. Dazu gehört auch eine  Problematisierung der NPD als Partei und von neonazistischen Struk-turen im Gemeinwesen, die eine Aufgabe aller demokratischen Kräfte  darstellt. Des Weiteren zeigt sich innerhalb der SoRA-Zo Studien, dass  die Stärkung einer demokratischen Kultur zentral von einer Beteiligung  und Mitbestimmung der Bürger̲innen begleitet ist, indem Demokratie  erfahrbar gemacht wird. 

12  In den Übersetzungswerkstätten werden die Ergebnisse der wissenschaftlichen Erhebungen   vor Ort vorgestellt und diskutiert, womit zudem das Ziel verbunden war, Ansätze für eine    Weiterarbeit mit den Themen und Problemen wie auch Projektideen zur Stärkung der demo-  kratischen Kultur zu entwickeln.

13  Vgl. dazu Projektbeschreibung „Sozialraumanalysen zum Zusammenleben vor Ort (SoRA-ZO)    in Gemeinden und Städten“ (Universität Bielefeld o.J.). 

Horizont 21 verfolgte diese Ziele auf verschiedenen Wegen, insbesonde-Horizont 21

re in der Unterstützung und Stärkung bestehender zivilgesellschaftlicher  Strukturen und Akteur̲innen. Eine zentrale Zielgruppe des Projekts wa-ren Jugendliche, die sowohl von sozioökonomischen Entwicklungen und  daran gebundenen Desintegrations erfahrungen speziell im ländlichen  Raum, als auch von Neonazi-Gewalt besonders betroff en sind. Gleichzei-tig stellen sie eine wichtige Zielgruppe für deren menschenverachtende  Ideologie dar.