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D. Sonstige Verfahrensgarantien,

I. Verfahrensgarantien

3. Recht auf eine wirksame Beschwerde

Sind die in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Frei-heiten verletzt worden, so hat der Verletzte das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigen-schaft gehandelt haben.285

Art 13 EMRK gewährt nur für den Fall Rechtsschutz ( effective remedy ), dass ein in der Konvention oder deren Zusatzprotokollen veranker-tes Grundrecht verletzt worden ist. Insofern ist das durch Art 13 EMRK normierte Beschwerderecht ein Akzessorisches. Sind demnach keine in der Konvention einschließlich ihrer Zusatzprotokolle gewährleis-teten Menschenrechte oder Grundfreiheiten betroffen, so kann auch nicht die Rechtsschutzgarantie nach Art 13 EMRK herangezogen wer-den. Es handelt sich somit um keinen eigenständigen Rechtsschutzbe-helf. Beachtung ist allerdings dem Umstand zu schenken, dass Art 13 EMRK einen subjektivrechtlichen Anspruch gewährt. Überdies kann der EGMR erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe angerufen werden.286

Gemäß Art 13 EMRK muss eine wirksame Beschwerdemöglichkeit vor einer nationalen Behörde gegeben sein. Das ist weniger als gericht-licher Rechtsschutz. Maßgeblich sind die Kompetenzen und prozessu-alen Garantien in einem konkreten Verfahren, um entscheiden zu kön-nen, ob es sich um einen wirksamen Rechtsbehelf handelt.287

Obwohl nach dem Wortlaut des Art 13 EMRK ein in der Konvention verankertes Grundrecht verletzt sein muss, um Individualbeschwerde an den EGMR erheben zu können, genügt es nach der Rechtsprechung des EGMR, wenn die Verletzung eines Konventionsrechtes in vertretba-rer Weise ( arguable claim ) behauptet werden kann.288 Sinn und Zweck von Art 13 EMRK ist nämlich, dass es eine nationale Instanz gibt, die

285 Art 13 EMRK.

286 Vgl Berka, Die Grundrechte, Rz 864; Frowein in Frowein / Peukert, EMRK³ ( 2009 ) Art 13 Rz 1; Grabenwarter, EMRK5 ( 2012 ) 483 Rz 166 f; Schäffer, Die Entwicklung der Grundrechte, in: HGR VII / 1, § 200 Rn 102; Mayer, B-VG4, Art 13 MRK Tz I.1; Wal-ter / Mayer / Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10, Rz 1564.

287 Frowein in Frowein / Peukert, EMRK³, Art 13 Rz 5.

288 Vgl Grabenwarter, EMRK5 488 Rz 177; Schäffer, Die Entwicklung der Grundrechte, in: HGR VII / 1, § 200 Rn 102 f; Walter / Mayer / Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfas-sungsrecht10, Rz 1564.

sich mit der Frage der Verletzung eines Konventionsrechtes auseinan-dersetzt. Diese Garantie würde eine zu weitgehende Einschränkung erfahren, wenn man die feststehende Rechtsverletzung als Vorausset-zung für die Anwendbarkeit des Art 13 EMRK verlangen würde.289

Problematisch kann das Erfordernis einer arguable claim insofern sein, als der EGMR diese Anforderung von Fall zu Fall unterschiedlich auslegt und deshalb einige Beschwerden, welche sich auf Art 13 EMRK stützten, zurückgewiesen hat, weil eine Verletzung eines Konventi-onsrechtes nicht in vertretbarer Weise nachgewiesen werden konnte.

So konnte zB das Recht auf eine wirksame Beschwerde in einem Fall angeblicher Folter nicht geltend gemacht werden, da der Foltervorwurf nicht zweifelsfrei ( beyond reasonable doubt ) erwiesen war und es somit an einem vertretbaren Anspruch mangelte.290

Auf die Rechtsform des in Beschwerde gezogenen Aktes kommt es grundsätzlich nicht an. Eine wirksame Beschwerdemöglichkeit ist gegen jeden Staatsakt, der möglicherweise ein Grundrecht verletzen kann, einzurichten. Rechtsschutz ist somit gegen Akte der schlichten Hoheitsverwaltung, gegen Akte der Privatwirtschaftsverwaltung, aber auch gegen Säumnis bzw staatliches Unterlassen zu gewähren.291 Art 13 EMRK ist aber auch im Falle behaupteter Verletzungen eines Konven-tionsrechtes durch die Judikative oder Legislative anwendbar. Maßge-bend ist einzig und allein, dass es sich um einen dem Staat zurechenba-ren Hoheitsakt handelt, wodurch ein von der EMRK geschütztes Recht verletzt wird.292

Die Bestimmung des Art 13 EMRK verpflichtet ferner den Gesetzge-ber zur wirksamen Ausgestaltung von Rechtsmitteln gegen Entschei-dungen, die Konventionsrechte berühren. Zu beachten ist, dass der Rechtsschutz nicht zwingend ein Gerichtlicher sein muss.293 Auch die Anrufung eines anderen Organs, zB eines Ministers oder die Einberu-fung eines parlamentarischen Ausschusses kann ausreichend sein, sofern diese Instanz nicht Richter in eigener Sache ist.294 Mindestvo-raussetzung ist, dass es sich um eine unabhängige und unparteiische

289 Grabenwarter, EMRK5 488 Rz 176.

290 Frowein in Frowein / Peukert, EMRK³, Art 13 Rz 2 ff.

291 Berka, Die Grundrechte, Rz 866.

292 Vgl Frowein in Frowein / Peukert, EMRK³, Art 13 Rz 11; Grabenwarter, EMRK5 487 Rz 175.

293 Walter / Mayer / Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10, Rz 1565.

294 Berka, Die Grundrechte, Rz 869.

Instanz handelt.295 Um dem Erfordernis einer wirksamen Beschwerde-möglichkeit Genüge zu tun, ist dem Betroffenen ein Rechtsanspruch auf inhaltliche Prüfung und auf Entscheidung einzuräumen.296 Wei-ters ist erforderlich, dass die nationale Instanz gegen einen rechtswid-rigen Akt auch geeignete Abhilfe schaffen kann.297 Allerdings ist mit dem Recht auf eine wirksame Beschwerde kein individueller Anspruch auf Geltendmachung der Konventionskonformität von Gesetzen ver-bunden.298

Die im österreichischen Recht zur Verfügung stehenden ordentli-chen und außerordentliordentli-chen Rechtsmittel sowie die Rechtsbehelfe des Zivil- und Strafrechtes, die Rechtsmittel im Verwaltungsverfahren ein-schließlich der gemeinderechtlichen Vorstellung, die Beschwerden an die UVS und an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, der Individu-alantrag gegen Gesetze und Verordnungen, stellen im Sinne des Art 13 EMRK wirksame Beschwerdemittel dar. Auch die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen oder von Entschädigungsansprüchen nach dem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz sowie die Möglichkeit der Einbringung von Subsidiaranklagen nach § 72 StPO oder von Fortset-zungsanträgen nach § 195 StPO sind hiezu zu zählen.299 Darüber hin-aus ist auch der Fristsetzungsantrag gemäß § 91 GOG als wirksamer Rechtsbehelf im Sinne des Art 13 EMRK zu qualifizieren. Hingegen ent-sprechen Beschwerden an die Volksanwaltschaft, welche lediglich zur Abgabe von Empfehlungen berechtigt ist, sowie Aufsichtsbeschwer-den, auf dessen Erledigung man keinen Rechtsanspruch hat, nicht den Anforderungen des Art 13 EMRK.300 Um den Rechtsschutz des einzel-nen Bürgers weiter zu erhöhen, wurden im Jahre 1997 die sog Rechts-schutzbeauftragen eingeführt.301

Abschließend stellt sich die Frage, wie ein potentiell Rechtsschutz-bedürftiger seinen Anspruch vor einer nationalen Behörde durchset-zen kann. Da die EMRK in Österreich zur Gänze im Verfassungsrang steht und ihre Grundrechte somit verfassungsgesetzlich

gewährleis-295 Grabenwarter, EMRK5 489 Rz 179.

296 Schäffer, Die Entwicklung der Grundrechte, in: HGR VII / 1, § 200 Rn 104.

297 Mayer, B-VG4, Art 13 MRK Tz II.1.

298 Schäffer, Die Entwicklung der Grundrechte, in: HGR VII / 1, § 200 Rn 104; Wal-ter / Mayer / Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10, Rz 1565.

299 Berka, Die Grundrechte, Rz 870.

300 Schäffer, Die Entwicklung der Grundrechte, in: HGR VII / 1, § 200 Rn 106.

301 Siehe Kapitel » Rechtsschutzbeauftragte «.

tete Rechte darstellen, kann sich ein Betroffener mittels Bescheid-beschwerde nach Art 144 B-VG an den VfGH zur Wehr setzen.302 Erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe kann sich der Rechtsschutzbedürftige direkt mittels Individualbeschwerde an den EGMR wenden. Gibt der Gerichtshof der Beschwerde statt, so kann er gemäß Art 41 EMRK der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zusprechen.

Im Lichte des Art 13 EMRK kann es problematisch erscheinen, dass im Zuge eines Gerichtsverfahrens gemäß Art 139 oder 140 B-VG gestellte Normprüfungsanträge für die antragstellende Partei nicht durchsetz-bar sind. Auch wenn die Gerichte zur Fassung eines Prüfungsbeschlus-ses verpflichtet sind, sofern sie Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung oder gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Geset-zes hegen, hat die antragstellende Partei keinen rechtlichen Anspruch darauf. Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation von Art 13 EMRK wird man aber davon ausgehen können, dass sich ein Gericht mit den aufgeworfenen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Norm gründlich auseinanderzusetzen und allenfalls auch zu begründen hat, weshalb es einer Anregung zur Einleitung eines Normprüfungsverfah-rens nicht gefolgt ist.303

Die Möglichkeit einer Individualbeschwerde an den EGMR stünde für den Betroffenen dann offen, wenn ein in der Konvention oder deren Zusatzprotokollen festgelegtes Recht oder eine Grundfreiheit verletzt ist.