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Architektur und Decor trugen dazu bei, räumliche Zusammenhänge mit jeweils unterschiedlichen Atmosphären zu belegen. Bereits die Architektur erzeugte ein Kontrast zwischen den großen offenen und damit hellen Höfen und den geschlossenen Aufenthaltsräumen. Atrium und Peristyl sowie die verschiedenen Typen von Aufenthaltsräumen unterschieden sich aber auch untereinan-der erheblich. Der Decor trug zu dieser Ausdifferenzierung weiter bei, indem er die ästhetische Erfahrung intensivierte und eine semantische Dimension in die Häuser einführte.

Die ästhetische Ordnung des Hauses

Der Grundeindruck der frühen Häuser wurde zuvorderst durch ihre architektonisch-ästhetische Struktur definiert.

Am Atrium liegen die eigentlichen Wohnräume– die offenen, für alle einsehbaren Schau-bereiche (Tablinum, Alae) wie auch die verschließbaren Triclinia und Cubicula. Durch die regel-hafte Platzierung von Raumöffnungen wird das Atrium als Ort des Wohnens und damit als Zentrum des Hauses inszeniert. Diese Vorstellung, auf allen Seiten von Wohnräumen umgeben zu sein, wird durch die Symmetriebeziehungen körperlich erfahrbar gemacht, rhythmisiert. Mit der asymmetri-schen Platzierung der Alae im‚hinteren‘Atriumsbereich verschiebt sich der Raumakzent jedoch hin zum Tablinum. Decor trägt zu dieser Raumerfahrung erheblich bei. Die optische Markierung von Schwellsituationen, die Heraushebung des mittigen Impluviums, die Einfassung von Alae und Tablinum durch Pilaster, schließlich auch der Wand-Decor verstärken diese Raumordnung. Vor allem wurde das Atrium zu einem Ort der Erfahrung von dreidimensionalen Bildobjekten. Nur in seltenen Fällen dürfte dies für Skulpturen gegolten haben. In gleich mehreren Häusern wird man jedoch mit einem Bild-Decor am Compluvium, mit bebilderten Arcae sowie mit gegenständlich ornamentierten Tischen rechnen dürfen. Bilder werden folglich in ganz unterschiedlichen Medien und verschiedenartigen Präsentationszusammenhängen erfahrbar.

DasPeristylnimmt sich als architektonisch eingefasstes Gartenareal aus. Durch seinen offenen Hof ist es nicht nur heller als das Atrium, es erlaubt vor allem die Erfahrung eines gestalteten und inszenierten‚Natur‘-Raums. Wird der Garten von vier Portiken eingefasst, so ist das Erscheinungs-bild in maximaler Weise symmetrisiert. Wohnräume liegen, wenn überhaupt, nur auf einer oder zwei Gartenseiten, werden aber üblicherweise nicht symmetrisch arrangiert. Einerseits treten sie hinter dem Portikusdach ohnehin kaum in Erscheinung, andererseits schätzte man am Peristyl eine freiere, flexiblere Raumordnung. Wieder verdichten Decor-Elemente die Raumerfahrung– korres-pondieren doch an den geschlossenen Peristylrückwänden stuckierte Pilaster mit den Vollsäulen der Portikus. Architekturordnung und Garten treten in einen besonders auffälligen Kontrast. Bild-objekte fehlen in diesem Kontext zunächst noch weitgehend.

Atrium und Peristyl verbindet, dass ihr unfigürlicher Boden einen gewissermaßen neutralen Hintergrund für die Bewegung im Raum bietet. An der Wand schaffen die Raumöffnungen am Atrium und die Säulen- und Pilasterstellungen am Peristyl einen Decor-Rhythmus, auf den der Wandputz reagiert. Mit seinen großen, liegenden, schwarzen Orthostaten und mehreren Reihen von Quadermauerwerk nimmt er zugleich auf die Raumvolumina Bezug. Zum Träger figürlicher

Aufenthaltsräume, in denen typischerweise drei Klinen aufgestellt wurden, erlaubten mit ihren großen peristylseitigen Fenstern einen Ausblick ins Grüne. Innerhalb eines Hauses sind sie durch-gängig mit (relational) aufwendigeren Gestaltungsformen belegt. Der unterschiedliche Zuschnitt der Räume, die verschiedenen Beleuchtungssituationen und der Decor trugen zur Variation der Raumatmosphären bei. Atmosphärisch andersartig fielen die kleinen, dunklen und zugleich hohen Cubicula aus, von denen aus man bei geöffneten Türen in den Architekturraum des Atriums blickte.

Intimität konnte durch eine im Bereich des Alkovens abgehängte Decke erzeugt werden. Üblicher-weise waren nicht alle kleinen Räume eines Hauses aufwendig ausgestattet. Allerdings konnten einzelne Cubicula durch eine besonders reiche Ausstattung nobilitiert werden. Während die visuel-le Differenziertheit auf die Formen der Aufmerksamkeit rekurrierte, die in einem Raum voraus-zusetzen sind, nahm der Decor-Maßstab auf die Raumgrößen Bezug. In den Höfen wurde ein großformatiger Decor gewählt, Cubicula–und hier insbesondere der Alkoven–zeichneten sich durch einen ausgesprochen kleinen Decor-Maßstab aus.

Die unterschiedlichen Raumwirkungen lassen sich damit auf verschiedene decorative Strate-gien zurückführen:

– Die Markierung von räumlichen Übergängen durch Schwellen, Schwellpavimente oder Pavi-mentwechsel am Boden, durch Pilaster an den Raumecken und durch verschiedene Formen der Wand-Decoration.

– Die Akzentuierung von Symmetrie-Achsen am Boden (durch die Betonung des Raumzentrums), die parataktische Ordnung des Raumes an der Wand.

– Die Differenzierung verschiedener Funktionsbereiche innerhalb eines Raumes durch den Bo-den-, Wand- und Decken-Decor.

– Die Skalierung von Decor-Größen in Abhängigkeit von den Raumgrößen.

– Die Nobilitierung von Prunkräumen durch das Zusammenwirken verschiedener, ästhetisch besonders anspruchsvoller Decor-Elemente.

Die semantische Ordnung des Hauses

In den Häusern des ausgehenden 2. und beginnenden 1.Jhs.v.Chr. werden verschiedene Modi von Bildlichkeit erprobt.‚Bilder‘nehmen sich jedoch in dieser Zeit relativ schwach aus. In Gestalt von figürlichen Eingangskapitellen, Dachterrakotten und gemalten Frieszonen besetzen sie Zonen des Übergangs. Sie treten dem Betrachter nicht auf Augenhöhe entgegen, sondern erfordern einen Blick in die Höhe. In Bezug auf die häusliche Ordnung allerdings treten sie an markanten Positionen auf:

am Eingang, im Zentrum des Atriums (Compluvium, Impluvium, Statuetten) sowie in den pro-minenten Aufenthaltsräumen.

Während die Eingangskapitelle häufig dionysische Trabanten vorführen und das Compluvium mit Tieren, zumeist Löwenköpfen, besetzt wird, nehmen sich die Sujets der Wand- und Bodenbilder in den Aufenthaltsräumen vielfältiger aus. An der Wand sind neben vegetabilen Friesen verschie-denste naturhafte Sujets (insbesondere Vögel) und dionysische Trabanten beliebt. Auf den farblich

gefassten Quadern sind die monochromen Darstellungen erst auf den zweiten Blick kenntlich und ambiguisieren zugleich den‚Status‘der Wand. In den (ihrerseits liminalen) Frieszonen werden Einzelmotive additiv komponiert, repetiert und damit auch ornamenthaft präsentiert. Mit den Paviment-Emblemata treten dem Betrachter am Boden gerahmte Bilder entgegen, die das Raum-zentrum besetzen. Doch auch hier fällt die Bildlichkeit der beliebten Tierbilder, wie auch der emblematisch präsentierten, dionysischen Akteure relativ schwach aus. Tierwelten, Dionysisches und auch die Nildarstellungen werden eingesetzt, um möglichst sinnliche, attraktive ‚Welten‘ vorzustellen, die sich auf Kulinarisches, auf Sexuell-Erotisches, auf attraktive Landschaftsräume und‚gefährliche‘Tierbegegnungen verschiedener Art beziehen lassen. Erzählende Mythenbilder fehlen im Bildspektrum zunächst ebenso wie lebensweltliche Menschendarstellungen. Vor diesem Hintergrund wird die Exzeptionalität des Alexandermosaiks besonders deutlich. Doch auch die Bilder am Boden besetzen eine‚marginale‘Position, werden in Schrägansicht wahrgenommen, ihre Bildlichkeit ‚zerfällt‘, wenn man den Raum betritt. Skulpturen schließlich bleiben die absolute Ausnahme. Sie wurden wohl wie der‚Faun‘in der Blickachse der Häuser gezeigt, als Blickfang inszeniert und doch auf ein kleines,‚überschaubares‘Format reduziert.

Nimmt man die Einzelbeobachtungen zu einzelnen Gattungen zusammen, so zeigt sich für das ausgehende 2. und beginnende 1.Jh.v.Chr., dass Bilder nicht nur häufig in ‚Randpositionen‘ platziert sind, sondern sich auch thematisch wenig dicht ausnehmen. Mit dem weitgehenden Verzicht auf menschliche Körperbilder treten sie nicht in eine unmittelbare‚Konkurrenz‘mit der Lebenswelt.

2.11 Die soziale Bedeutung von Decor

Die für den ersten Stil exemplarisch besprochene Casa del Fauno zeichnet sich durch einen aus-gesprochenen Raumluxus aus. Dieser findet in einigen anderen frühen Stadtpalästen eine Paralle-le, kontrastiert aber mit den Wohnmöglichkeiten kleiner und kleinster Häuser. Während die Casa del Fauno über zahlreiche, große Aufenthaltsräume verfügte, die zu unterschiedlichen Anlässen, auch in Abhängigkeit von Tages- und Jahreszeit, genutzt werden konnten, besaßen sehr kleine Häuser wie Domus VI 2,11 (Plan 16) meist nur einen größeren Raum, der für den Empfang von Gästen zur Verfügung stand (hier: Raum 8)606. Diese Praxis war aber offenbar so bedeutsam, dass man auf Empfangsräume, wenn möglich, nicht verzichtete. Das atmosphärische Setting unter-schied sich allerdings schon durch die architektonischen Gegebenheiten: Während große Häuser wie die Casa del Fauno Weitläufigkeit (laxitas) atmeten, waren die Wohnverhältnisse kleiner Häuser deutlich beengter.

Nicht nur die architektonische, sondern auch die decorative Gestaltung der Häuser unter-schied sich erheblich. Die Casa del Fauno war mit einer Vielzahl an nobilitierenden Elementen versehen– Blickachsen, komplexe Licht-Schattenspiele, aufwendige Scheinarchitekturen in Stuck, raffinierte Formen der Wandgestaltung, Prunkpavimente, Skulpturen, aufwendige Dachlö-sungen. Der Gebrauch von Bildern, aber auch von herausgehobenen Ausstattungselementen wie Opera sectilia erweist sich aus dieser Perspektive als Luxusphänomen. Es ist deutlich geworden, dass die anderen großen Stadtpaläste nicht über eine solche Dichte an Bildern verfügen. Dies mag zumindest teilweise dem Umstand geschuldet sein, dass diese im Laufe ihrer Zeit stärker umge-staltet wurden und ihre ursprüngliche Ausstattung eingebüßt haben. Für gut erhaltene Kontexte wie die Casa di Sallustio liegt aber doch nahe, dass man den Mangel an Bildelementen nicht als defizitär begriff. Vielmehr repräsentiert der Verzicht auf Bilder, insbesondere die Wahl von (un-figürlichen) Putzquadern an der Wand, den Geschmack des 2.Jhs.v.Chr. Dies gilt für Prunkhäuser

606 PPM IV (1993) 151157 s. v. VI 2,11 (I. Bragantini).

mit einem aufwendigen und zugleich ungewöhnlichen Metopen-Triglyphen-Fries ab610. In der Casa del Cenacolo (IX12,1-2), deren Obergeschoss über eine Treppe von einer Taberna (IX12,2) im Erdgeschoss aus zu betreten war, wurde das Cenaculum mit einem polychromen Emblema aus-gestattet. Besonders signifikant ist auch in dieser Hinsicht die kleine Casa di Cipius Pamphilus (VII6,38). Nicht nur das tetrastyle Atrium-Peristyl und die Exedra (23) mit ihren Säulen in antis sprechen für eine gehobene Ausstattung. Cubiculum (29) erhielt am Übergang zum zweiten Stil ein polychromes Lithostroton mit kreisförmigem, polychromem Fisch-Emblema611.

Umgekehrt hat in der weitläufigen Casa di C. Iulius Polybius (IX13,1-3) Atrium (O) ein für eine tägliche Nutzung praktisches Flusskiesel-Paviment erhalten, wie es sonst für Außenräume, etwa Gehwege, gewählt wurde612. Vermutlich stand hier die praktische Nutzung des Hofes im Vorder-grund, während in den anderen drei atriumsartigen Bereichen aufwendigere Ausstattungsformen gewählt wurden.

Es lassen sich damit hinreichend Beispiele dafür beibringen, wie in kleinen und großen Häusern soziale Ausstattungslogiken durchbrochen werden konnten. Mit Blick auf die Decor-Elemente in ihrer Gesamtheit darf man jedoch festhalten, dass hinsichtlich Technik, Material und ikonographischer Differenziertheit besonders aufwendige Medien–seien es Figuralkapitelle, figür-liche Dachterrakotten, Emblemata oder figürlich-komplexe Wandmalereien–nicht ausschließlich, aber doch in der Mehrzahl in großen Häusern vorkommen613.

607 Wallace-Hadrill geht sogar so weit, die Verwendung ersten Stils in einfachen Häusern überhaupt infrage zu stellen. Dies darf sicher ausgeschlossen werdenes liegen hinreichend Belege für kleine, im ersten Stil ausgestattete Häuser vor: Domus I 2,10, s. PPM I (1990) 1825 s. v. I 2,10, Domus Volusii Fausti (I. Bragantini); Domus I 2,15, s. PPM I (1990) 28f. s. v. I 2,25 (I. Bragantini); Domus I 2,16, s. PPM I (1990) 3036 s. v. I 2,16 (M. de Vos); Domus I 2,17PPM I (1990) 3744 s. v. I 2,17 (A. de Vos); Casa della Grata metallica (I2,28), s. PPM I (1990) 5863 s. v. I 2,28, Casa della Grata metallica (M. de Vos); I 8,18, s. PPM I (1990) 914918 s. v. I 8,18 (V. Sampaolo).

608 PPM I (1990) 407482 s. v. I 6,15, Casa dei Ceii (M. de Vos) 418424 Abb.1219; Spinazzola 1953, 257.

609 Domus I 6,9, Casa del Cenacolo (V2,h) und Fullonica di Stefano (I6,7), s. o. S. 138f.

610 PPM I (1990) 914918 s. v. I 8,18 (V. Sampaolo) 915 Abb.2.

611 PPM VII (1997) 210223 s. v. VII 6,38, Casa di Cipius Pamphilus (V. Sampaolo).

612 PPM X (2003) 183356 s. v. IX 13,1-3, Casa di Polibio (I. Bragantini) 188f. Abb.4; vgl. Pisapia 2015, 121 Abb.1.

613 Zu den Emblemata vermiculata weniger differenziert und einen Zirkelschluss in Kauf nehmend Zapheiropoulou 2006, 121:Die Frage, ob in dieser frühen Phase die Verzierung der Böden mit emblemata sich nur auf reiche und üppig dekorierte Häuser beschränkte, kann positiv beantwortet werden.

Im Dokument Teil II: Das späte 2. und beginnende 1. (Seite 154-158)