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Paviment-Decor im Kontext: Pavimentformen und Raumtypen

Im Dokument Teil II: Das späte 2. und beginnende 1. (Seite 136-143)

Vergleich mit spätsamnitisch-hellenistischen Häusern Pompejis

2.7 Paviment-Decor im Kontext: Pavimentformen und Raumtypen

Auch für die Pavimente lässt sich die Frage nach Optionen visueller Differenzierung, nach dem konkreten Bezug zum einzelnen Raum und nach der Verwendung von Pavimentformen für spezi-fische Raumtypen fragen. In die Zeit des 2. und 1.Jhs.v.Chr. fällt allerdings ein grundlegender Wandel der Pavimentformen. Die Überlegungen können folglich nicht mit der (relativ späten) Casa del Fauno ansetzen, sondern müssen in das 2.Jh.v.Chr. zurückgreifen.

‚Einfache‘Pavimente im 3. und 2.Jh.v.Chr.

Bereits im 2.Jh.v.Chr. stand ein relativ breites Spektrum an Pavimenttypen zur Verfügung. An dem zusammenhängenden Pavimentkomplex der Casa di Sallustio (VI2,4; Abb.117) zeigt sich, dass Räume durch die Verwendung verschiedener Pavimente voneinander unterschieden werden konn-ten. Während Tablinum (19), Triclinium (22) sowie der Durchgang (22) zum Peristyl mit weißen Lithostrota ausgestattet wurden, erhielten die übrigen Räume ein Opus signinum (Cocciopesto) mit weißen Tesserae. Das Atrium (10) besaß ein dunkles Opus signinum (Lavapesta) mit eingesetzten Tesserae550. Verschiedene Hausbereiche waren folglich durch unterschiedliche Bodenfarben diffe-renziert–Schwarz am Atrium, Rot in den Cubicula, Weiß in einzelnen Aufenthaltsräumen. Durch die dunklen Pavimente im Hof und die hellen Pavimente in den großen Aufenthaltsräumen ergaben sich unterschiedliche atmosphärische Effekte, von einer Raumhierarchie kann man jedoch nicht sprechen.

550 Pernice 1938, 38f., dort auch eine systematische Zusammenschau aller frühen Häuser und ihrer Pavimentaus-stattungen (S.3850); PPM IV (1993) 87147 s. v. VI 2,4, Casa di Sallustio (V. Sampaolo) 104115 Abb.27. 40. 48.

Abb.117:Casa di Sallustio (VI2,4), Grundriss mit Pavimenten.

Abb.118ac:Casa

In anderen Häusern ist ein und derselbe Pavimenttypus für alle Räume verwendet worden. Eine Differenzierung konnte in diesen Fällen durch unterschiedliche Tessera-Muster eingeführt werden, zwingend ist dies aber nicht. So besitzen in der Casa della Fontana piccola (VI8,23.24) die Fauces (1), das Atrium (2), Ala (7)551 und das kleinere Atrium (17) einen Lavapesta-Boden mit Tessera-Reihen(Abb.118a–c)552. Das einheitliche Muster betont die Zusammengehörigkeit der Raumgrup-pe. In der Casa di Giuseppe II (VIII2,39;Abb.119) kommt es hingegen zu einer über das Boden-Ornament hergestellten Raumdifferenzierung553. Das Zentrum der Alae nimmt ein Tondo mit Schuppenmuster ein, das von einem rechteckigen Mäanderband eingefasst wird. In Cubiculum (c) ist es ein Schuppenteppich mit Mäanderrahmung, der von einem Streifen mit Tessera-Reihen eingefasst ist, in Cubiculum (e) ein Mäanderteppich mit einer Rahmung aus Tessera-Reihen, in Cubiculum (k) ein Rautenteppich. In Cubiculum (l) ist der Mäanderteppich von einem dünnen Streifen mit unregelmäßig versetzten Tesserae eingefasst. Nur in Cubiculum (m) ist auf einen Tessera-Decor ganz verzichtet worden. Die verschiedenen Muster wurden eingesetzt, um Aufmerk-samkeit zu lenken und optische Variationen herzustellen.

Im 3. und noch im 2.Jh. werden die Pavimente einer Ästhetisierung zugeführt, bisweilen lässt sich auch eine kontextuelle Differenzierung greifen. Die verfügbaren Pavimentqualitäten liegen jedoch zu nah beieinander, als dass man über den Bodenbelag eine Raumhierarchie hätte erzeugen können.

Pavimentvielfalt im späten 2. und beginnenden 1.Jh.v.Chr.: die Casa del Fauno

Am Übergang vom 2. zum 1.Jh.v.Chr. verändern sich die Skalen der visuellen Differenzierung mit dem Auftreten neuer Luxuspavimente.‚Einfache‘und‚luxuriöse‘Pavimente werden–sicher auch in der damaligen Perspektive– unterscheidbar. Die Casa del Fauno kann als besonders presti-geträchtiger Kontext Aufschluss über die soziale Wertschätzung geben, die man den einzelnen Pavimenttypen entgegenbrachte (Abb. 65).

Paviment-Hierarchien lassen sich zuvorderst an dem Verhältnis einzelner Pavimenttypen zueinander ablesen. So sind die neu im Pavimentspektrum vertretenen Opera sectilia und Opera vermiculata als Emblemata inszeniert und von einfacheren Pavimentformen umgeben554. Bei diesen rahmenden Pavimenten handelt es sich um polychrome oder weiße Lithostrota (polychrom:

Alae 11/29; 15/30; monochrom: Ala 24/14; Triclinium 12/35), seltener um ein monochrom weißes

551 Nur im vorderen Teil erhalten.

552 PPM IV (1993) 621659 s. v. VI 8,23.24, Casa della Fontana piccola (Th. Frölich) 624631 Abb.4. 5. 14; Fröhlich 1996, 78. Abb.62.

553 Zum Folgenden PPM VIII (1998) 308356 s. v. VIII 2,39, Casa di Giuseppe II (V. Sampaolo).

554 Zur Datierung dieser Pavimentformen in das beginnende 1.Jh.v.Chr., s. Pernice 1938, 125. 129; anders Tschira 1940, 29, der auf ein Paviment aus Terracina verweist, das aus weißen Tessellae mit in grünen Tessellae eingelegter Inschrift besteht, die sich auf das Jahr 144 oder 108v.Chr. datieren lässt. Auch Tschira weist dieses Schwarz-Weiß-Mosaik an die Wende vom ersten zum zweiten Stil, sodass hier eine späte Datierung anzunehmen wäre.

Abb.119:Casa di Giuseppe II (VIII2,39), Grundriss mit Pavimenten.

Mosaik (Tablinum: 13/33; Triclinia 30/42; 14/34). Auch diese Pavimenttypen sind im ausgehenden 2.Jh.v.Chr. neu im Pavimentspektrum vertreten. In Cubiculum (17/28) ist der kleine Vorraum mit einem polychromen Emblema aus Opus vermiculatum besetzt, während der Klinenbereich ein sehr grobes, polychromes Mosaik erhalten hat. Lithostrota und monochrom weiße, aber auch einfache polychrome Mosaiken erweisen sich folglich als graduell weniger qualitätvoller Pavimenttyp. In den Fauces (IV/38) ist ein polychromes Lithostroton von einem weißen Mosaikrahmen eingefasst, wodurch das polychrome Lithostroton als höherwertig gegenüber dem weißen Mosaikrahmen inszeniert wird. Zieht man den Materialaufwand als weiteres Kriterium hinzu, so ergibt sich inner-halb der Lithostrota eine weitere Differenzierung. Besonders einfach fallen die monochrom weißen Lithostrota des Vestibulums (5/26) und der beiden Alae des Ostatriums aus. Aufwendiger sind aufgrund ihrer Polychromie die Lithostrota in den beiden Alae des Westatriums, in den beiden Peristylen und in den Fauces (IV/38). Eine weitere Unterscheidung ergibt sich durch die Materia-lien, die für die polychromen Lithostrota Verwendung fanden. Während für die Lithostrota der Alae und Peristyle vulkanisches Glas verwendet wurde555, bestand das Lithostroton der Fauces aus zerschlagenen, bunten Flusskieseln. Opera sectilia und Bildmosaiken (Emblemata) erweisen sich somit als besonders hochwertige Pavimenttypen, gefolgt von polychromen Lithostrota. Das Ver-hältnis von weißen Lithostrota und weißen Tessellat-Mosaiken lässt sich nicht definieren. Ähnlich schwierig ist es, die soziale Wertschätzung der Opera signina, die in den Cubicula am West- und Ostarium Verwendung fanden, im Verhältnis zu den Tessellaten zu bestimmen556.

Die verschiedenen Pavimenttypen lassen sich darüber hinaus auch hinsichtlich ihrer ästheti-schen Qualitäten befragen. Lithostrota und Opera signina bieten aufgrund der unregelmäßig geformten Steinchen, die sie einschließen, eine in sich strukturierte, heterogene Oberfläche. Im Fall der Gußmörtelböden bleibt diese monochrom–in der Casa del Fauno wird auf einen Tessera-Decor der Cocciopesto- und Lavapesta-Böden verzichtet. Im Fall der Lithostrota steht auch eine poly-chrome Variante zur Verfügung, die ein unruhiges Farbspiel hervorbringt. Die monochrom weißen Tessellate bieten durch ihre normierte Steinchenform eine andere Seherfahrung (Raum 43/43). Sie schaffen eine geordnete Bodenfläche, auf welcher der Blick ruhen kann. Ihre unterhaltende Qualität fällt gering aus, allerdings treten monochrome Böden sehr viel weniger in visuelle Kon-kurrenz zur umgebenden Wand. Die Luxuspavimente– Opera sectilia und Emblemata–bieten indes ein Maximum an Ornamentalität bzw. Bildlichkeit. Opera sectilia zeichnen sich durch eine regelhafte, geometrische Struktur und ein attraktives polychromes Farbspiel aus, wodurch ihnen eine hohe ornamentale Qualität zukommt. Emblemata führen in die Räume eine ganz neue Form von Bildlichkeit ein.

Soziale Wertzuschreibungen und ästhetische Qualitäten waren gleichermaßen verantwortlich für die Wahl von Pavimentformen für spezifische Raumkonstellationen.

Opera sectilia besetzen in der Casa del Fauno zentrale Blickpunkte auf der Längsachse des westlichen Atriumtraktes: Fauces, Impluvium und Tablinum. Zwar waren sie nicht gleichzeitig sichtbar, ihr Zusammenhang wurde jedoch erfahrbar, wenn man sich entlang der Achse bewegte.

Das visuell aufwendigste Opus sectile mit spektakulärem, dreidimensionalem Würfelmuster besetzt den Endpunkt der Achse, das Tablinum.

Polychrome Opera vermiculata sind in Räumen verlegt, die sich aufgrund ihrer Lage innerhalb des Hauses, ihrer Größe, ihrer Zugänglichkeit, ihrer Beleuchtung durch Fenster und damit nicht zuletzt aufgrund der Aus- und Durchblicke, die sie gewähren, als besonders repräsentative Ver-weilräume ansprechen lassen. Dies gilt für die auf ganzer Front zu einem der Atrien geöffneten Alae (11/29; 15/30; 24/14), für die auf das südliche Peristyl geöffnete Alexander-Exedra (29/37) und für die auf das Nordperistyl geöffnete Exedra (30/42). Hinzu kommen die zwar verschließbaren, jedoch

555 Blake 1930, 131.

556 Gegen eine Klassifizierung alseinfachspricht sich Vassal 2006, 3 aus.

Triclinium (31/44) ein weißes Lithostroton als Hauptpaviment erhielt, so wird der Decor-Aufwand am Boden gezielt zurückgenommen.

Monochrom weiße Tessellate wurden in der Casa del Fauno als Rahmung für aufwendigere Pavimente eingesetzt. In Triclinium (43/43) und Cubiculum (21/9) fungieren sie allerdings als eigentliches ‚Hauptpaviment‘. Durch die Rücknahme von Bild, Ornament und Polychromie am Boden wurde die Aufmerksamkeit stärker auf die Wände gelenkt.

Estrichböden finden im Westatrium (Lavapesta) und Ostatrium (Cocciopesto) ebenso Verwen-dung wie in den Cubicula an den Atrien, mit Ausnahme von (17/28) am Westatrium und (21/9) am Ostatrium. Gerade die monochrom schwarzen und monochrom roten Estriche besitzen aufgrund ihrer homogenen Farbigkeit und lebendigen Oberflächenstruktur einen großen Einfluss auf die Raumwirkung.

Die Verwendung von Pavimenten bestimmt sich somit durch ihre ästhetische Wirkung und ihren sozialen‚Wert‘. Die zentralen Blickpunkte der Casa del Fauno werden mit Opera sectilia besetzt, für die prunkvollen Verweilräume kommen unterhaltende Bildmosaiken zum Einsatz. Für Höfe bzw. die sie umgebenden Portiken werden Opera signina und Lithostrota verwendet, die für eine rasche Fortbewegung einen‚neutralen‘Grund herstellen. Auch für die Cubicula wird ein solch homogenisierender, leicht zu überblickender Boden-Decor gewählt. Indem einzelne Räume von dieser Decor-Ordnung abweichen, wird es möglich, durch den Decor eigene Akzentsetzungen einzuführen. So wird das Cubiculum (17/28) gegenüber den anderen Cubicula des Hauses beson-ders herausgehoben, die Pavimentordnung führt eine von der Raumordnung abweichende Werte-ordnung ein.

Weitere Paviment-Ensembles des späten zweiten Stils

Das Paviment-Ensemble der Casa del Fauno ist mit seiner großen Zahl an exzeptionellen Pavimen-ten in der Zeit des ersPavimen-ten Stils singulär. Üblicherweise besaßen selbst anspruchsvolle Häuser557des späteren 2. und beginnenden 1.Jhs.v.Chr. auch weiterhin Estrichböden, die durch einen Tessera-Decor aufgewertet werden konnten. Wenn überhaupt, wurden nur einzelne Räume durch Prunkpa-vimente herausgehoben.

Daher soll mit der Casa delle Colombe a mosaico (VIII2,34-35;Abb.120) ein weiteres, reich ausgestattetes Haus vergleichend hinzugezogen werden, in dem sich ein zusammenhängender Pavimentkomplex erhalten hat. Er soll daraufhin befragt werden, ob sich die für die Casa del Fauno beobachteten kontextuellen Verwendungsformen von Pavimenten zumindest in ihren Grundzügen bestätigen lassen. Die Mehrzahl der am Atrium (c) gelegenen Räume war mit Opera signina (Cocciopesto) ausgestattet, die sich hinsichtlich ihres Decors unterschieden558. Für Vestibulum (b)

557 Auch Vassal 2006, 3.

558 NoackLehmann-Hartleben 1936, 4455, Phase A.

Abb.120:Casa delle Colombe a mosaico (VIII2,34-35), Grundriss mit Pavi-menten.

wurde ein Schuppenmuster (mit seitlich rahmender Tessera-Reihen) gewählt559, das die Bewegung zum Atrium hin leitet; den Übergang zum Atrium markiert eine Mäanderschwelle560. Die neben-einander liegenden Cubicula (e) und (f) besitzen einen Decor aus einfachen Tessera-Reihen, das anschließende Cubiculum (g) ein quer zum Eingang orientiertes Rautenmuster, Cubiculum (k) einen Mäanderteppich. In keinem der Räume führt das Paviment eine Differenzierung zwischen Vorraum und Alkoven ein. Von dieser mit Opus signinum ausgestatteten Raumgruppe unterschei-det sich der Decor von Ala (h), der möglicherweise in Ala (i) ein Pendant fand: Hier ist ein weißes Lithostroton verlegt.

Durch ihre Pavimente besonders herausgehoben sind die in einer zweiten Phase neu angeleg-ten und vermutlich in diesem Zuge ausgestatteangeleg-ten Räume auf der Südseite des Atriums: Tablinum

559 Schuppen-Decor auch sonst häufig in Fauces; so in den Fauces (2) der Casa di Polibio (IX13,1-3), s. PPM X (2003) 183356 s. v. IX 13,1-3, Casa di Polibio (I. Bragantini) 185f. Abb.2a; Pisapia 2015, 121. Abb.3; das Motiv wurde auch in der Folgezeit beibehalten und in Mosaiktechnik umgesetzt; s. Pesando u.a. 2006, 221f.

560 Zum Folgenden PPM VIII (1998) 264290 s. v. VIII 2,34.35, Casa delle Colombe a mosaico (V. Sampaolo) 266f.

Abb.2; 268 Abb.5. 6; 271f. Abb.12; 275 Abb.18; 274 Abb.17.

gezeichneten Löwen, der mit seinen Pranken einen Panther schlägt und unter sich begräbt (100×100 cm)564. Da die Emblemata nicht mehr in situ sind, ist ihre ursprüngliche Ausrichtung nicht verlässlich zu rekonstruieren. In jedem Fall aber sind es die besonders prunkvollen, auf die Landschaft hin ausgerichteten Räume, die einen Decor mit Mosaikemblemata erhalten haben. Die Opera signina der Cubicula hingegen führen verschiedene Variationen ein, ohne dass sich eine Hierarchie ergeben würde.

Am Beispiel der Casa delle Colombe a mosaico bestätigt sich, dass noch im 2.Jh.v.Chr. nur durch ihren Decor differenzierte Pavimentformen zum Einsatz kamen. Im beginnenden 1.Jh.

wurden prunkvolle Mosaikemblemata für die Ausstattung architektonisch besonders herausgeho-bener Räume (in diesem Fall mit Ausblick auf die Landschaft) gewählt565. Architektur und Decor wirken folglich zusammen, um einzelne Räume in besonderer Weise zu nobilitieren.

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