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Anfang des 20. Jahrhunderts war die Expansion der Angestelltenschaft in erster Linie im kaufmännischen Bereich mit der Herausbildung einer breiten Masse ein-facher Angestellter mit weitgehend routinisierten und mechanisierten Tätigkeiten verbunden. Die neuere Entwicklung folgt einem gegenläufigen Trend (siehe Ab-schnitt 5.2.2.1). Insofern als Tätigkeiten mit steigender Komplexität zunehmend Spielräume zur Leistungszurückhaltung eröffnen, wäre zu erwarten, dass sich die Sanktions- beziehungsweise Verhandlungsressourcen der Angestellten in Bezug auf ihren impliziten Arbeitsvertrag erhöhen (siehe Abschnitt 5.2.2.2).

5.1.1 Die Entwicklung der Tätigkeitsniveaus

Die Gehalts- und Lohnstrukturerhebung unterscheidet in Orientierung an den Qualifikationsanforderungen der ausgeübten Tätigkeit sowie der mit ihr verbun-denen Personalverantwortung und Entscheidungsbefugnisse exklusive der leiten-den Angestellten vier Leistungsgruppen (LG): Angestellte in verantwortlicher Tätigkeit mit oder ohne Personalverantwortung und eingeschränkten Dispositi-onsbefugnissen (LG II), Angestellte mit mehrjähriger Berufserfahrung oder Spezi-alkenntnissen ohne Personalverantwortung (LG III), Angestellte in einfacher Tä-tigkeit mit qualifizierter Berufsausbildung (LG IV) sowie Angestellte in Un- und Angelerntentätigkeit (LG V). Da ausschließlich Vollzeitbeschäftigte berücksich-tigt190 werden, ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse das allgemeine Tätig-keitsniveau etwas nach oben verzerren.

Seit den 1950er Jahren steigt das durchschnittliche Tätigkeitsniveau der Ange-stellten (Statistisches Bundesamt 1972:9). Ende der 1950er Jahre übte noch knapp die Hälfte aller Angestellten im verarbeitenden Gewerbe einfache Tätigkeiten mit geringen Handlungsspielräumen oder Un- und Angelerntentätigkeiten aus (LG IV und LG V). Zwei Fünftel gehörten der LG III an, und weniger als ein Fünftel übte eine verantwortliche Tätigkeit mit Dispositionsbefugnissen aus (Statistisches Bundesamt 1960; Prozentzahlen eigene Berechnung). Bei der Verteilung der An-gestellten auf die Leistungsgruppen im Zeitverlauf fallen zwei Aspekte ins Auge:

Über die verschiedenen Wirtschaftsgruppen hinweg zeigt sich eine deutliche Ver-schiebung von den beiden unteren in die höheren Leistungsgruppen (siehe auch Anhang Grafiken 14a/b). Gleichzeitig lag über den gesamten Zeitraum das durch-schnittliche Tätigkeitsniveau der technischen Angestellten deutlich über dem der

190 Ebenso ausgeschlossen sind Auszubildende sowie Personen, die wegen Krankheit, Einstellung oder Entlassung nicht für den gesamten Erhebungsmonat entlohnt wurden.

kaufmännischen191 (Statistisches Bundesamt 1960), wenn auch bei letzteren ein Nachholeffekt erkennbar wird. Die Entwicklung differierte zwischen den unter-suchten Branchen, zeigt aber die gleiche Tendenz.

1974 gehörte in allen untersuchten Branchen ein nur sehr geringer Anteil der Angestellten der niedrigsten Leistungsgruppe (LG V) an, 2005 war diese Gruppe nahezu aus der Tariflandschaft verschwunden. Wird im Folgenden Bezug auf Angestellte mit einfacher Tätigkeit genommen, sind daher einfache Tätigkeiten auf Grundlage erworbener Fachkenntnisse (in der Regel Abschluss einer beruflichen Ausbildung) gemeint (LG IV).

Die Entwicklung im kaufmännischen Bereich ergibt folgendes Bild:

Kaufmännische Angestellte mit eigenverantwortlicher Tätigkeit/Fachspezialistenfunktion:

Mit Ausnahme des Maschinenbaus verzeichnete allein LG II relative Zuwächse.

Ihr Anteil stieg im geringsten Fall um 70%, in einem Fall verdoppelte er sich fast.

1974 noch die kleinste Leistungsgruppe, stellten sie 2005 in der Automobilindust-rie192 mit der knappen Hälfte die größte Gruppe kaufmännischer Angestellter, in der Elektroindustrie lagen ihre Anteile mit denen der LG III gleich auf. Kaufmänni-sche Angestellte mit Berufserfahrung/Spezialkenntnissen ohne Personalverantwortung: 1974 bildeten kaufmännische Angestellten mit mittlerem Tätigkeitsniveau in allen Bran-chen die größte Gruppe. Ihre Anteile verringerten sich mit Ausnahme des Ma-schinenbaus um 3,1% (Elektroindustrie) bis 19,7% (chemische Industrie). Im Maschinenbau und der chemischen Industrie bildeten sie auch 2005 noch die größte Gruppe. Kaufmännische Angestellte in einfacher Tätigkeit mit Ausbildung: Die Anteile der LG IV nahmen mit Ausnahme der chemischen Industrie mit Verände-rungsraten von -40% (Maschinenbau) bis -59,2% (Automobilindustrie) stark ab.

Sie schwankten 2005 zwischen einem guten Fünftel (Maschinenbau und chemi-sche Industrie) und 11,1% (Automobilindustrie) (siehe Grafik 14a).

Die Entwicklung im technischen Bereich ergibt folgendes Bild:

Technische Angestellte mit eigenverantwortlicher Tätigkeit/Fachspezialistenfunktion: Über alle Branchen hinweg verzeichnete allein LG II relative Zuwächse. Die Zuwachs-raten fielen im Vergleich zum kaufmännischen Bereich vor dem Hintergrund eines wesentlich höheren Ausgangsniveaus deutlich geringer aus – ihre Anteile schwankten 1974 zwischen einem Viertel (chemische Industrie) und der knappen Hälfte (Automobilindustrie). In der Automobil- und Elektroindustrie bildeten sie

191 Die erheblichen Niveauunterschiede zwischen der kaufmännischen und technischen industriellen Angestelltenschaft 1957 zeigt Tabelle 10: Kaufmännische und technische Angestellte nach Leis-tungsgruppen im verarbeitenden Gewerbe 1957

LG II LG III LG IV LG V Alle

kaufmännische Angestellte 11,0 39,5 37,5 11,9 100,0

technische Angestellte 26,5 46,2 23,9 3,4 100,0

Quelle: Statistisches Bundesamt 1960; Prozentzahlen eigene Berechnung.

192 Angaben zur Automobilindustrie bezogen auf Wirtschaftsgruppe Kraftwagen und Kraftwagentei-le.

22,3 21,3

1974 2005 1974 2005 1974 2005 1974 2005

Chemische Industrie Elektroindustrie Kraftwagen und

Kraftwagenteile Maschinenbau LG IV LG III LG II

LGV 1974 3,4 3,3 1,4 4,9

2005 0,0 0,0 0,0 2,7

Grafik 14a: Kaufmännische Angestellte nach Leistungsgruppen in ausgewählten Wirt-schaftszweigen 1974 und 2005 (in Prozent)

Quellen: Gehalts- und Lohnstrukturerhebung, Statistisches Bundesamt 1975, 2006a.

2005 mit jeweils gut 50% die größte Gruppe. Technische Angestellte mit Berufserfah-rung/Spezialkenntnissen ohne Personalverantwortung: 1974 erreichte auch bei den techni-schen Angestellten die Gruppe mit mittlerem Tätigkeitsniveau (LG III) in allen Branchen die größten Anteile. In der chemischen Industrie und im Maschinenbau war dies noch 2005 der Fall. Technische Angestellte in einfacher Tätigkeit mit Ausbildung:

Sie bildeten Mitte der 1970er Jahre wie auch 2005 branchenübergreifend die mit deutlichem Abstand kleinste Gruppe. Ihre Anteile schwankten 2005 zwischen 3%

(Automobilindustrie) und 13% (chemische Industrie) (siehe Grafik 14b).193

Demnach übt nur noch eine – zudem kleiner werdende – Minderheit der kaufmännischen und eine noch kleinere Gruppe technischer Angestellter eine einfache Tätigkeit ohne Entscheidungsbefugnisse aus. Tätigkeitstypen mittleren Niveaus, die sich durch das selbständige Arbeiten im Rahmen von Anweisungen auszeichnen, verlieren allmählich zugunsten von Fachspezialisten und Führungs-kräften an Gewicht. Die Entwicklung spricht dafür, dass zunehmende und weit-reichende Teile der Angestellten Tätigkeiten ausüben, die ihnen informelle Macht-potenziale und allgemein Spielräume zur Leistungszurückhaltung eröffnen und somit relativ starke Verhandlungspartner ihres impliziten Arbeitsvertrages sind.

193 Die gleiche Tendenz zeigt sich im verarbeitenden Gewerbe (siehe Anhang Grafik 15b).

18,4 13,2 10,1 9,5

4,3 3,1

12,2 11,1 54,5 52,8

47,4 38,1

49,0

43,8 47,8 46,0

25,7 34,0

42,0

52,4 46,7 53,1

39,3 42,9

0 10 20 30 40 50 60

1974 2005 1974 2005 1974 2005 1974 2005

Chemische Industrie Elektroindustrie Kraftwagen und

Kraftwagenteile Maschinenbau LG IV LG III LG II

LGV 1974 1,5 0,7 0,1 0,8

2005 0,0 1,6 0,0 0,0

Grafik 14b: Technische Angestellte nach Leistungsgruppen in ausgewählten Wirt-schaftszweigen 1974 und 2005 (in Prozent)

Quellen: Gehalts- und Lohnstrukturerhebung, Statistisches Bundesamt 1975, 2006a.

Welche realen Veränderungen auf Ebene der Arbeitsorganisation und -tätigkeiten stehen hinter den steigenden Tätigkeitsniveaus der Angestellten? Verschiebt sich das Kontrollgleichgewicht tatsächlich zu ihren Gunsten?

5.1.2 Veränderungen der Arbeitstätigkeiten und Formen der Kontrolle Die Veränderung der Angestelltentätigkeiten und auf sie bezogenen Kontrolltech-niken erfolgte seit den 1960er Jahren im Rahmen dreier sich ablösender Rationali-sierungskonzepte. Die erste und zweite Rationalisierungsphase können unter dem Stichwort der EDV-gestützten Bürorationalisierung subsumiert werden. Der Be-griff der Bürorationalisierung bezieht sich auf eine Veränderung der Organisati-ons- und Aufgabenstruktur in den kaufmännischen und verwaltenden Abteilungen (EDV wurde auch in technischen Abteilungen eingesetzt, brachte dort aber keine weit reichenden organisatorischen Veränderung mit sich). Sie impliziert die Neu-strukturierung von Arbeitsteilung, Arbeitsablauf- und Kooperationsprozessen mit dem Ziel der Steigerung der Produktivität und Effizienz der Verwaltung. Die erste Phase der Bürorationalisierung, die Büromechanisierung, erfolgte im

Zusammen-hang der Einführung der EDV in den 1960er und frühen 1970er Jahren194 und war durch eine zunehmend tayloristische Organisation der Angestelltentätigkeiten geprägt. Die zweite Phase systemischer Rationalisierung195 setzte ab den späten 1970er Jahren an den negativen Folgewirkungen der betriebenen Taylorisierung an und führte zu einer teilweisen Reintegration von Arbeitsaufgaben. Mit Beginn der 1990er Jahre bildeten sich im Zuge neuer Managementkonzepte zunehmend generalistische Tätigkeitsprofile mit ‚unternehmerischen’ Anforderungen. Im Rahmen der verschiedenen Rationalisierungsmaßnahmen entstanden verschiedene Tätigkeitstypen, die bezüglich der Komplexität der Tätigkeiten variierten und ver-schiedenen Angestelltengruppen in unterschiedlichem Maße informelle Machtpo-tenziale und Spielräume zur Leistungszurückhaltung eröffneten.

EDV-gestützte Bürorationalisierung –Taylorisierung von Angestelltentätigkeiten: Die Ra-tionalisierungsbestrebungen der 1960er und frühen 1970er Jahre setzten an den Problemen eines kontinuierlich steigenden Informations- und Datenumfangs im Zuge des Wirtschaftsbooms und dem zu Beginn der 1960er Jahre einsetzenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften an. Die notwendige Rekrutierung nicht einschlägig ausgebildeter Personen für Sachbearbeiterpositionen förderte eine Rationalisierung nach tayloristischen Prinzipien. Mittels EDV sollten Arbeitspro-zesse vereinfacht sowie massenhaft anfallende Hilfsfunktionen und routinisierte Elemente der Vorgangsbearbeitung (Datenerfassung, Datensortierung, Datendo-kumentation, Textverarbeitung, Berechnungs- und Buchungsvorgänge) substitu-iert werden (Baethge und Oberbeck 1986:22; Jacke und Feldhoff 1994:40,65). Der Entwicklungsstand der Hardware (Rechenkapazitäten, Speicherplatz) und Soft-ware (Grenzen der Programmierung und Integration komplexer Programme)196 erlaubte zunächst die Übernahme überwiegend schematischer, massenhaft wie-derkehrender und damit relativ leicht programmierbarer Geschäftsvorgänge in der Lohn- und Gehaltsabrechnung, dem Finanz- und Rechnungswesen sowie bei natur- und ingenieurwissenschaftlichen Berechnungen (Fehrmann 1977:115f.;

Trautwein-Kalms 1995:64f.; Boes und Baukrowitz 2002:33ff.).

194 Ab Ende der 1960er Jahre wurden Rechner mit umfangreicheren Verwendungsmöglichkeiten und hoher Rechenleistung in Großserie produziert. Sie ersetzten die Lochkartentechnik und hielten allmählich auch Einzug in Unternehmen mittlerer Größe.

195 Systemische Rationalisierung hat den gesamten Betrieb als komplexen Funktionszusammenhang zum Gegenstand. Unter EDV-Nutzung sollen „die Steuerung der Ablaufprozesse, die Gestal-tung der internen und externen DienstleisGestal-tungsqualität und die Reduzierung von Personalkosten und sächlichem Verwaltungsaufwand, möglichst integriert verbessert werden“ (Baethge und Oberbeck 1986:67). In den 1980er Jahren versuchte man, die gesamte betriebliche Logistikkette von Auftragseingang, Materialbeschaffung und -verwaltung, Produktionssteuerung, Qualitäts-kontrolle bis zur Auslieferung sukzessive zu informatisieren (Heidenreich und Schmidt 1990:45). Mit ihrem Fokus auf die Art der Tätigkeit konzentriert sich die Darstellung auf mit systemischer Rationalisierung verbundene Veränderungen der Arbeitsorganisation und deren Konsequenzen für die Tätigkeiten verschiedener Angestelltenfunktionstypen.

196 Erst allmählich wurden höhere Programmiersprachen entwickelt. Zudem bestanden erhebliche Schnittstellenprobleme.

Im Zentrum stand die Umstellung von manueller auf rechnergestützte Daten-verarbeitung. Konsequenz wie Voraussetzung war eine einfachere, transparentere Ablaufgestaltung. Die Kombination beider Maßnahmen erbrachte deutliche Ge-schwindigkeitsvorteile und Potenzial für Personaleinsparungen (Jaeggi und Wie-demann 1966:26f.; Barck, Mickler et al. 1972:82; Hörning und Bücker-Gärtner 1982:40f.). Die Büroorganisation wurde zentralisiert, Bürotätigkeiten spezialisiert.

Wichtige organisatorische Maßnahmen waren die Arbeitsteilung zwischen Sach- und Routineaufgaben, Zentralisierung der Schreibdienste, Standardisierung einzel-ner Arbeitsschritte (auch Textschematisierung) und Einführung von Leistungs-vorgaben. „Die Aufgaben wurden genau definiert, klare Vorschriften erlassen, Aufgabenumfänge reduziert und die eigenverantwortlichen Bestandteile der Arbeit zurückgeschnitten“ (Heisig und Littek 1992:232). Die Maßnahmen bedingten eine Polarisierung anspruchsvoller Sachbearbeitung und standardisierter, wenig qualifi-zierter Büromaschinenbedienung und Hilfsarbeit (Baethge und Oberbeck 1986:65f.; Jacke und Feldhoff 1994:26,65).

Die erste Phase der Bürorationalisierung war durch eine belegorientierte (indi-rekte) Datenerfassung geprägt, der Computer diente als Hilfsmittel. Aufgabe der qualifizierten Sachbearbeiter war in einem ersten Schritt, die eingehenden Daten einzelner Geschäftsvorfälle zu überprüfen. Codierung, Eingabe der Daten wie etwaige Berechnungsvorgänge erfolgten in einer getrennten Datenaufbereitungs-stelle. Die aufbereiteten Falldaten wurden in Papierform zur Weiterbearbeitung wieder an qualifizierte Sachbearbeiter zurückgegeben. Ein Teil der Sachbearbeiter wurde von Routineaufgaben befreit und mit der Abarbeitung einer größeren An-zahl von Routinefällen betraut. Die Bearbeitung von Sonderfällen wurde bei ein-zelnen Sachbearbeitern konzentriert. Routinetätigkeiten der Dateneingabe und Kontrollarbeiten (die mögliche Bearbeitungsfehler aufgrund fehlerhafter Daten ausschließen sollten) nahmen zu, konnten aber durch eine kleinere Zahl von Bü-romaschinenpersonal und Bürohilfskräften ausgeführt werden (Schiefer 1969:17;

Hörning und Bücker-Gärtner 1982:37f.,54).

Schiefer konstatierte Mitte der 1960er Jahre197 eine deutliche Verschiebung der Arbeitsprofile und -anforderungen in vom EDV-Einsatz betroffenen Abteilungen.

Ein Fünftel der von ihm befragten mittleren männlichen kaufmännischen und technischen Angestellten, überwiegend Jüngere, erlebte im Zuge der Mitarbeit an der Systementwicklung und -organisation oder durch die Übernahme von Sonder-fällen eine Aufwertung ihrer Tätigkeit. Die Hälfte der Betroffenen aber, überwie-gend Ältere, übte zunehmend repetitive Tätigkeiten mit geringen Anforderungen an ihr Fachwissen aus (Schiefer 1969:24ff.;36ff.).

Zwei Studien vom Beginn der 1970er Jahre zu Folge fiel die Beurteilung der EDV-bedingten Rationalisierung durch die qualifizierten Angestellten im Weiteren Verlauf weitgehend positiv aus. Bei einer Befragung männlicher kaufmännischer

197 Untersucht wurden je eine Behörde/Bank, vier Betriebe der Eisen- und Stahl-, sowie zwei Betrie-be der chemischen Industrie.

und technischer Angestellter198 konstatierten vor allem diejenigen in nicht-leitender Position mit beruflicher Ausbildung einen Zuwachs an Verantwortung (Grüning 1978:23ff.). In einer weiteren Untersuchung199 gab die Hälfte der betrof-fenen kaufmännischen Angestellten an, ihre Tätigkeit habe an Komplexität ge-wonnen. Ein Drittel hatte den Eindruck, selbständiger arbeiten zu können und einer geringeren Kontrolle durch Vorgesetzte zu unterliegen, „die funktionale Autorität [konzentriere sich] nun beim Sachbearbeiter selbst“ (Barck, Mickler et al.

1972:86). Ein Viertel erlebte die Arbeit aufgrund weggefallener Routinearbeiten als leichter. Nur eine Minderheit erfuhr die Entwicklung als Dequalifizierung, eher wurden neue Anforderungen an technisches Wissen betont.

In Forschung und Entwicklung diente EDV als Rechenhilfsmittel. Drei Viertel der Ingenieure und Wissenschaftler bemerkten eine Entlastung von zeitaufreiben-den, „entnervenden“ Routinetätigkeiten zugunsten „schöpferischer und denken-der“ Aspekte (ebd.:62f.,82ff.). Nur eine kleine Gruppe fürchtete angesichts der Arbeitsteilung zwischen EDV-Spezialisten und Entwicklern und zugleich zuneh-mend abstrakterer und standardisierter Arbeitsprozesse eine Dequalifizierung sowie dauerhaft leichter ersetzbar zu werden.

Die Studien bilden einen besonderen Ausschnitt der industriellen Angestellten ab, da sie sich auf qualifizierte, männliche Angestellte beziehen. Die allgemeine Zunahme komplexerer, verantwortungsvollerer Tätigkeitsprofile trotz Taylorisierung wird aber nicht nur durch die Ergebnisse zur Entwicklung der kaufmännischen und technischen Angestellten nach Leistungsgruppen bestätigt.

Laut verschiedener repräsentativer Studien200 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erfuhren zu Beginn der 1970er Jahre, als noch die beleg-orientierte Datenerfassung dominierte, etwa 3 bis 4% aller Angestellten eine Ver-änderung der Arbeitsplatzgegebenheiten. Insbesondere kaufmännische Angestellte waren durch die Einführung der EDV sowie im Zusammenhang dieser erfolgende arbeitsorganisatorische Umstrukturierungen betroffen (Dostal 1978:22f.). Die Untersuchungen bestätigten die nun eindeutige Richtung des Wandels: Veränder-ten sich bei durchschnittlich 2% aller AngestellVeränder-tenarbeitsplätze die Arbeitsanfor-derungen, stiegen bei 1% die Anforderungen an die Berufsausbildung201 (gegen-über 0,1% sinkender Anforderungen) und bei 0,7% die Verantwortung für den Arbeitsablauf (gegenüber 0,01% sinkender Anforderungen) (Dostal 1978:29,31).

EDV-gestützte Bürorationalisierung – Aufgabenreintegration: Ende der 1970er Jahre veränderte sich die Stoßrichtung der Rationalisierungsmaßnahmen. Sie konzen-trierten sich verstärkt auf die Optimierung von Informationsprozessen als Trans-parenz-, Entscheidungs- und Kontrollvoraussetzung (Jacke und Feldhoff 1994:27). Die vorhergehende Zentralisierung der Büroorganisation und

198 Der Untersuchungsbericht gibt keine Auskunft über das Branchensample.

199 Die Untersuchung fand statt in Betrieben der Elektro-, Fahrzeug- und Luftfahrtindustrie.

200 Untersucht wurden Kunststoff-, Holz- und Metallverarbeitende, Ernährungs-, Druckindustrie.

201 Hiervon waren insbesondere Warenkaufleute, DV-Fachkräfte und Rechnungskaufleute betroffen.

hende Arbeitszerlegung bedingte zunehmend Reibungsverluste bei der Planung, Koordination und Kontrolle der einzelnen Arbeitsschritte (Heisig und Littek 1992:234). Nun sollte die EDV der Unterstützung und Leistungsverbesserung der Sachbearbeitung dienen, die Rücknahme der Arbeitszerlegung und direkter Kon-trolle die Flexibilität und den Einsatz kreativer Fähigkeiten in der Sachbearbeitung garantieren. Die neue EDV-gestützte Rationalisierung betraf wieder primär In-formationsverarbeitungs- und Verwaltungstätigkeiten, aber auch Konstruktion und Entwicklung (Kadritzke 1985; Baethge und Oberbeck 1986:69ff.).

Die EDV avancierte zum zentralen Instrument der Informationsverarbeitung und Arbeitsmittel. Die nun quellenorientierte (direkte) Datenerfassung erfolgte an Computerterminals und Bildschirmgeräten wieder durch die Sachbearbeiter selbst.

Mit der belegorientierten Datenerfassung verbundene reine Routinetätigkeiten entfielen weitgehend (Hörning und Bücker-Gärtner 1982:37f.,54). EDV kann über Dialogsysteme Bearbeitungsprozesse in verschiedenem Maße steuern.202 Anfang der 1990er Jahre waren Organisationsweisen mit komplexen, anspruchsvollen Arbeitsplatzanforderungen im Angestelltenbereich weit verbreitet (Heisig und Littek 1992:223,236). Die Konsequenzen des neuen EDV-Einsatzes differierten aber für verschiedene Tätigkeitstypen erheblich.

Im kaufmännischen Bereich bildeten sich allgemein vier Funktionstypen aus, deren Tätigkeiten sich hinsichtlich ihrer Handlungsspielräume und berufsfachli-chen Anforderungen unterschieden: (1) Primäre Aufgabe anspruchsvoller Sachbe-arbeiter ist die Datenselektion und -interpretation für marktbezogene Entschei-dungen (Abschluss und Erweiterung von Geschäftskontakten, Einschätzung von Risiken). Nur bestimmte Aspekte der Tätigkeit sind standardisier-, steuer- und kontrollierbar, der Sachbearbeiter verfügt über große Ermessensspielräume (etwa Ein- und Verkäufer wichtiger Produkte, Marktanalysten). EDV kommt in erster Linie als Hilfsmittel zum Einsatz.

(2) Weniger anspruchsvolle Sachbearbeiter (teilweise selbständige Tätigkeiten) bearbeiten einzelne Geschäftsvorfälle im Rahmen rechtlich und/oder vertraglich definierter Leistungen. Ihre Aufgabe setzt nicht den vollen Einsatz ihrer ursprüng-lichen Qualifikationen wie fachliches Wissen, Bearbeitungs- und Entscheidungs-kenntnisse, Formulierungskünste voraus (etwa Disponenten im Einkauf). Die Strukturierbarkeit ihrer Tätigkeit ist durch den Kontakt zu Kunden erschwert.

(3) Mit abwicklungstechnischen Aufgaben befasste einfache Sachbearbeiter er-bringen Assistenz- und Administrationsleistungen (Nachbearbeitung und Durch-führung getätigter Geschäftsabschlüsse oder Verwaltungsentscheidungen), die

202 Bei computerunterstützter Sachbearbeitung werden vorgangsrelevante Informationen zur Verfü-gung gestellt, die Bearbeitung steuert der Sachbearbeiter. Bei computergesteuerter Bearbeitung definiert das System einzelne Arbeitsschritte oder den genauen Bearbeitungsablauf (mittels Bild-schirmmaske). Es erteilt für konkrete Aufgaben Zugang zu ausgewählten Informationen oder legt Bearbeitungsreihenfolge und Entscheidungspunkte fest (Gerstenberger 1982:152; Schäfer 1984:361f.; Baethge und Oberbeck 1986:70).

formalisiert werden können und, auf Computerprogramme übertragen, hochgra-dig steuerbar und transparent sind. Die Bedienung der Programme erfolgt durch Sachbearbeiter ohne (größere) individuelle Dispositions- oder Entscheidungsspiel-räume (Arbeitsweise, Zeiteinteilung, Improvisationsmöglichkeiten) (Baethge und Oberbeck 1986:183ff.).

(4) Angestellte in der Daten- und Textverarbeitung sind in eine hochformali-sierte, technisch vermittelte Arbeitsorganisation eingebunden, sodass für sie häufig

„die Maschine zum einzigen ‚Dialog-Partner’“ wird (Jacke und Feldhoff 1994:77).

Dadurch, dass der PC die Zahl der Anschläge und Fehler registriert, kann die Textverarbeitung weitgehend technisch kontrolliert werden (Jacke und Feldhoff 1994:80). Die Tätigkeit eröffnet bei geringen Arbeitsplatzanforderungen keine Dispositions- oder Entscheidungsspielräume. Kenntnisse über den Bedeutungszu-sammenhang der Arbeit sind weitgehend überflüssig.

Im technischen Bereich beeinflussten die neuen EDV-Systeme primär die Konstruktionsplanung und -entwicklung. Computer Aided Design (CAD) erlaubt eine durchgängige Computerisierung des Konstruktions- und Planungsprozesses.

Es schränkt Entscheidungsspielräume ein und macht Arbeitsabläufe transparent (Martin und Widmer 1988:21f.; Heidenreich und Schmidt 1990:50). Die Tätigkeit von Entwurfskonstrukteuren prägt eine offene Struktur des Arbeitshandelns und des Arbeitsergebnisses. Sie treffen risikobehaftete, folgenreiche Entscheidungen innerhalb enger zeitlicher Vorgaben. Ihre Effizienz hängt von der erfahrungsba-sierten Fähigkeit ab, zu entscheiden, ob Konstruktionselemente intensiv oder routinemäßig zu bearbeiten sind, und neue Probleme auf bekannte Lösungen zurückzuführen. Ihre vielfältigen Kooperationszusammenhänge (mit Ingenieuren, Kunden, Ausarbeitern, der Produktion) setzen hohe kommunikative Kompeten-zen voraus. Die Nutzung von CAD als Werkzeug, das räumliches Vorstellungs-vermögen unterstützt und die Zeichnungsarbeit verkürzt, verändert den Charakter ihrer Tätigkeit nicht. Anders bei der ihnen nachgelagerten Tätigkeit der Ausarbei-ter. Diese erstellen Werkstückzeichnungen, die sie herkömmlich in enger Abspra-che mit den Konstrukteuren präzisieren, Konstruktionsstücklisten, Zusammen-stellungszeichnungen und legen bei Bedarf Konstruktionsdetails fest. Mit CAD erstellen Konstrukteure automatisch präzisere Zeichnungen, die Ergänzung von Details durch die Ausarbeiter wird weitgehend überflüssig. Wird zudem die Arbeit in Projektgruppen aufgelöst, muss die erschwerte Kommunikation zwischen Kon-strukteuren und Ausarbeitern mittels umso präziserer Zeichnungen aufgefangen werden. Die Zunahme von Routinetätigkeiten auf Kosten interessanterer und selbständiger Anpassungsleistungen wird weiter gefördert (Manske, Mickler et al.

1991:15ff. beispielhaft für zwei zentrale Funktionstypen im Maschinenbau).

Die neue Arbeitsorganisation in den kaufmännischen Bereichen und der EDV-Einsatz hatten ambivalente Veränderungen der Kontrolltechniken zur Fol-ge. Direkte Kontrolle wurde partiell durch Ergebniskontrolle ersetzt. Zumindest qualifizierte Tätigkeiten sollten eher im Rahmen einer an Freiwilligkeit und