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Rüdiger Nübling

Im Dokument Liebe Kolleginnen und Kollegen, (Seite 57-60)

Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg

Psychotherapeutische Versorgungsforschung – Versorgungsforschung in der Psychotherapie

„Versorgungsforschung tut Not!“, sie ist eine wissen-schaftliche und auch politi-sche Herausforderung, wie Kordy (2008) es formulierte.

Dies ist zutreffend sowohl für das Gesundheitswesen insge-samt als auch für die Psycho-therapie im Besonderen. Ziel der Versorgungsforschung ist die Generierung von grund-legendem und vor allem an-wendungsnahem Wissen über die Praxis der Kranken- und Gesundheitsversorgung, das der Öffentlichkeit wie auch Entscheidungsträgern zur Ver-fügung gestellt wird (vgl. Pfaff, 2003). Gesetzliche, politische und ökonomische Eingriffe modifizieren fortlaufend Ver-sorgungsstrukturen und -pro-zesse, allerdings in der Regel ohne die Auswirkungen für die Betroffenen wissenschaftlich zu überprüfen. Wegen dieser fehlenden Evaluation besteht oft nur eine geringe Transpa-renz hinsichtlich der Auswir-kungen sowohl für gesunde als auch vor allem für erkrank-te Menschen. Psychothera-peutische Versorgungsfor-schung wird in Anlehnung an Kordy (2008) bzw. Schulz et al. (2006) verstanden als For-schung, die die konkrete ge-leistete psychotherapeutische Versorgung zum Gegenstand hat bzw. macht. Sie bezieht sich auf Strukturen, Prozesse

und Ergebnisse, erforscht Be-darf, Indikation, Zugangswege, Inanspruchnahme von Psy-chotherapie, ihre Schnittstel-len bzw. Vernetzung, Dosis-Wirkungsbeziehungen, ihren Outcome (unter Alltagsbe-dingungen) oder ihre Kosten-Nutzen-Relation (Schulz et al., 2006). Zentrale Fragen und Schwerpunkte betreffen auch die Prävalenz, mögliche Ursachen und Auswirkungen von Unter-, Über- und Fehl-versorgung, die Interaktionen zwischen Diagnostik und The-rapie, transsektorale Verläufe und komplexe Interdependen-zen der Versorgung (Glaeske et al., 2009). Aufgabe der Ver-sorgungsforschung ist deshalb vor allem die Beschreibung und Analyse der Versorgungs-situation („Ist”- und Defizit-Analysen) und hierauf auf-bauend die Entwicklung von neuen Versorgungskonzepten und deren wissenschaftliche Begleitung sowie die Evaluie-rung von Versorgungskonzep-ten unter realen Bedingungen („Routineversorgung”) auf der Ebene der Gesamtbevölke-rung oder relevanter Populati-onen (ebd.).

Bereits im Forschungsgutach-ten zum PsychThG (Meyer, Richter, Grawe, Schulenburg &

Schulte, 1991, S. 30, 153f) wur-de die Datenlage zur

psycho-therapeutischen Versorgung als unzureichend bezeichnet.

Eine Aussage, die auch heute noch gültig ist. Obwohl aus der nun über 50-jährigen Tradition der Psychotherapieforschung eine heute kaum mehr über-schaubare Anzahl von Thera-piestudien entstanden ist, die die Wirksamkeit von Psycho-therapie belegen, muss fest-gehalten werden, dass nur ein geringer Anteil dieser Studien in der konkreten Versorgungs-praxis unter Alltagsbedingun-gen durchgeführt wurde. Dies bedeutet, dass aus den Be-funden der Psychotherapiefor-schung nicht ohne weiteres auf die alltägliche Versorgung geschlossen werden kann. Ei-ne entscheidende Frage für die psychotherapeutische Ver-sorgungsforschung ist demzu-folge die nach den Ergebnis-sen in der realen Versorgung.

Zwischenzeitlich existieren eine Reihe von Studien, die – obwohl sie nie so benannt wurden – der Versorgungsfor-schung zuzurechnen sind (vgl.

Nübling, 2009), sowohl im ambulanten als auch v. a. im Bereich der stationären Versor-gung (vgl. u. a. die Metaanaly-se über 67 fast ausschließlich naturalistische Studien in der psychosomatischen Rehabilita-tion; Steffanowski, Löschmann, Schmidt, Wittmann & Nübling, 2007).

In der vorliegenden Übersicht sollen beispielhaft zwei neue bzw. neuere Studien sowie eine alte (mit neuen Ergebnis-sen) herausgegriffen und vor-gestellt werden:

„

„ die Studie „Transparenz und Ergebnisorientierung zur Optimierung der psy-chotherapeutischen Versor-gung“ (TRANS-OP-Studie),

„

„ die Studie „Ambulante Psy-chotherapie in Deutschland aus Sicht der Patienten“ so-wie

„

„ die abschließende Publika-tion der „Mannheimer

In der TRANS-OP-Studie (u. a.

Puschner & Kordy, 2010;

Puschner & Kraft, 2008; Gallas et al., 2008, 2010) wurde der Verlauf der psychischen, kör-perlichen und interpersonalen Beeinträchtigungen während eines Zweijahreszeitraumes nach Beantragung ambulanter Psychotherapie untersucht.

Die Studie versteht sich als ein Beitrag zur Versorgungs-forschung in der

Psychothe-Aktuelles aus der Forschung

rapie. Untersucht wurden im Rahmen eines naturalistischen Forschungsansatzes n=627 Versicherte der Deutschen Krankenversicherung (DKV), die eine ambulante Psycho-therapie (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie [TP], analytische Psychotherapie [AP], oder Verhaltenstherapie [VT]) in Anspruch nahmen. Die Rücklaufquoten der Patienten bezogen auf die Ausgangs-stichprobe lagen für die vier folgenden Messzeitpunkte je-weils um 80%, die der Thera-peuten bei ca. 65%; dies zeigt eine hohe Akzeptanz der Stu-die v. a. bei den Patienten. Der Gesundheitszustand der Pati-enten wurde mittels standardi-sierter Instrumente (SCL-90-R, GBB-24, BSS, HAQ, Interperso-nelle Probleme) erfasst.

Die wichtigsten Ergebnisse:

Die überwiegende Mehrzahl der Patienten wies zu Beginn der Therapie erhebliche psy-chische Beeinträchtigungen, interpersonale Probleme und auch körperliche Beschwerden auf (Selbst- und Fremdbeurtei-lung). Die unterschiedlichen Parameter verbesserten sich in allen drei Therapieverfahren beträchtlich. Die therapeuti-sche Arbeitsbeziehung war ein durchgängiger, aber nicht sehr starker Prädiktor für den Be-handlungserfolg. Dabei erwies sich die Qualität der therapeu-tischen Arbeitsbeziehung als abhängig von der Beeinträch-tigungsschwere (je schwerer beeinträchtig, desto schlechter die Arbeitsbeziehung; Pusch-ner & Kordy, 2010). Ein wesent-licher Befund zur Therapie-dauer ist, dass der Median in allen drei Richtlinienverfahren deutlich niedriger war als in vergleichbaren früheren Stu-dien (z. B. Löcherbach et al., 2000). Sie lagen für die VT bei 25, die TP bei 42 und für

die AP bei ca. 100 Sitzungen.

Auch zeigte sich, dass das ge-nehmigte Stundenkontingent nur bei ca. zwei Drittel (VT und AP) bzw. drei Viertel (TP) der Behandlungen ausgeschöpft wurde. Die Ergebnisse zeigen nach Auffassung der Autoren, dass der durch die Gutach-ter bewilligte Zeitrahmen in der Versorgungspraxis flexibel ausgestaltet wird, wobei so-ziodemografische Faktoren dabei kaum eine Rolle spie-len. Häufigere Verlängerungen der Therapie ergaben sich bei Patienten, die zu Behand-lungsbeginn stärker psychisch beeinträchtigt sind, was auf eine individualisierte, an den Bedürfnissen der Patienten orientierte Inanspruchnahme psychotherapeutischer Res-sourcen hindeutet.

Eine wesentliche Zielrichtung der TRANS-OP Studie lag in der Verbesserung der empi-rischen Grundlagen für ein Ergebnismonitoring und Er-gebnismanagement in der am-bulanten Psychotherapie. Da-mit verlagert sich das Interesse vom erreichten Gesundheits-zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. Therapieende) zu der Dynamik des Ände-rungsverlaufes. In der Studie wurde u. a. deutlich, dass die Änderungsprozesse nicht mit dem Ende der Behandlung aufhören, sondern über die Behandlung hinaus bestehen bzw. sich weiter entwickeln (Puschner & Kordy, 2010). Die Repräsentativität der Studie ist durch die Beschränkung auf Patienten einer privaten Krankenversicherung sicher eingeschränkt (überdurch-schnittliches Bildungs- und Einkommensniveau, untypisch ausgewogenes Geschlechter-verhältnis bei Privatversicher-ten) oder zumindest nur für den Anteil privatversicherter

Psychotherapiepatienten ge-geben. Dennoch schafft die TRANS-OP-Studie – wie in ih-rem Namen programmatisch vorgegeben – ein erhebliches Maß an Transparenz in der psychotherapeutischen Ver-sorgung und stellt damit bei-spielgebend einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer systematischen psycho-therapeutischen Versorgungs-forschung dar.

Die Studie „Ambulan-te Psychotherapie in Deutschland aus Sicht der Patienten“

Die Studie von Albani et al.

(2010, 2011) stellt die derzeit aktuellste publizierte Studie im Rahmen der Psychotherapeu-tischen Versorgungsforschung dar. Sie liefert Aussagen über die Versorgungssituation der ambulanten Psychotherapie in Deutschland unter realen Praxisbedingungen. Im Rah-men einer bevölkerungsre-präsentativen, naturalistischen Erhebung wurden im Zeitraum zwischen Juni 2008 bis Sep-tember 2009 über Telefon-interviews insgesamt n=1212 Personen, die im Zeitraum der letzten 6 Jahre in ambu-lanter psychotherapeutischer Behandlung (n=698) oder zum Zeitpunkt der Befragung noch in ambulanter Psycho-therapie waren (n=514), zu ihren Erfahrungen mit ihrer ambulanten psychotherapeu-tischen Behandlung befragt.

Die Methodik ist angelehnt an die bekannte „Consumer-Reports-Studie“ (Seligman, 1995). Erhoben wurden sozio-ökonomische Merkmale, Anga-ben zu Anlass, Zugangswegen, Kostenträgern und Ansprech-partnern für psychische Erkran-kungen, Behandlungsformen, begleitende medikamentöse Behandlungen und

Behand-lungssettings der Psychothe-rapie. Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass der weitaus überwiegende Teil der Psycho-therapiepatienten an mehre-ren Erkrankungen leidet (Mul-timorbidität) und bestätigen damit aus Sicht der Autoren den hohen Bedarf an fachge-rechter psychotherapeutischer Versorgung. Die ambulante Psychotherapie wurde von den Patienten als sehr wirksam ein-geschätzt. Die Besserungsraten betrugen für alle Beschwerden mehr als 50%, häufig mehr als 65%, außer bei Übergewicht (37%) und sexuellen Funk-tionsstörungen (44%). Die

„Ver schlechterungsraten“ lagen durchweg unter 10%. Die Pati-enten bzw. ehemaligen Patien-ten gaben auch an, dass sich die Psychotherapie auch auf weitere, relevante Lebensbe-reiche sehr positiv auswirkte, u. a. auch auf ihre Arbeitsfähig-keit und Arbeitsproduktivität.

Sie waren nach der Psycho-therapie wesentlich seltener krankgeschrieben und nahmen weniger Termine bei anderen Behandlern in Anspruch. Etwa 9 von 10 Befragten gaben an, dass sie mit ihrem Therapeuten zufrieden waren. Ein äußerst problematisches Ergebnis der Studie ist, dass die Patienten bei ihrer Entscheidung für eine Psychotherapie nur selten zu einer psychotherapeutischen Behandlung ermutigt wurden, wenn sie über ihre Probleme sprachen, weder von Fachkräf-ten (Psychiater, Hausärzte etc.) noch von Angehörigen (Famili-enmitglieder, Bekannte/Freun-de). Die Autoren deuten dies als einen Hinweis darauf, dass es auch heute noch ein häu-fig tabuisiertes Thema zu sein scheint, psychische Probleme zu haben bzw. psychothera-peutische Hilfe zu beanspru-chen (Stigmatisierungsängs-te). Dass selbst Fachärzte für

Psychotherapeutenjournal 1/2011 59

R. Nübling

Psychiatrie nur etwa ein Viertel der Patienten an einen Psy-chotherapeuten weiter verwei-sen und dagegen in über 50%

Psychopharmaka verschreiben, ist leider immer noch bezeich-nende Realität.

Die „Mannheimer Kohortenstudie – 25-Jahres-Katamnese“

Die Mannheimer Kohortenstu-die ist eine der aufwändigsten Studien zu Ursachen und Pro-gnosen psychischer Erkrankun-gen weltweit. 600 Mannhei-mer der Jahrgänge 1935, 1945 und 1955 wurden über knapp 35 Jahre hinweg begleitet und untersucht. Für die Studie, die den Autor dieses Beitrags schon zu Studienzeiten beglei-tet hat – die ersten Zeitschrif-tenbeiträge erschienen Anfang der 1980er Jahre, die erste Monographie 1987 (Schepank, 1987) – arbeiteten drei For-schergenerationen mit einem Personaleinsatz von 75 Mann-jahren und einem Mitteleinsatz von mehreren Millionen Eu-ro. Aus ihr gingen insgesamt neun Monographien, über 50 Originalarbeiten, 3 Habilitatio-nen und ca. 20 DissertatioHabilitatio-nen hervor. Sie stellt damit eine der bedeutendsten Studien dar, die jemals an einer deut-schen Forschungseinrichtung zu psychogenen Erkrankun-gen durchgeführt wurde. Jetzt wurden die Ergebnisse der letzten Dekade als „25-Jahres-Katamnese“ in einer weiteren, abschließenden Monographie veröffentlicht (Lieberz et al., 2011). Weltweit ist diese Studie eine der wenigen Längsschnitt-untersuchungen, die über 30 Jahre die psychische Gesund-heit eines repräsentativen Be-völkerungsquerschnitts unter-sucht. Sie stellt damit – obwohl nie als solches benannt bzw.

klassifiziert – auch eines der

Pi-onierprojekte psychotherapeu-tischer Versorgungsforschung dar. Die Studie hatte auch wesentlichen Einfluss auf die Aussagen des Forschungsgut-achtens zum Psychotherapeu-tengesetz (Meyer et al., 1991) und damit auf die Realisierung des Gesetzes 1999.

Ergebnisse der bereits vor-liegenden Studien A-D (A:

1979-1982, B: 1983-1985, C:

1988-1990, D: 1991-1994) waren u. a. die Schichtabhän-gigkeit psychogener Erkran-kungen (niedriger Sozialsta-tus – häufigere psychogene Erkrankungen), das besonders hohe Chronifizierungsrisiko von Frauen der unteren sozi-alen Schichten, die langfristige pathogene Wirksamkeit von in Kindheit und Jugend auftre-tenden psychosozialen Belas-tungsfaktoren, der Zusammen-hang zwischen Familienstand und psychischer Erkrankung (psychisch Kranke waren eher geschieden oder unverheira-tet) sowie die Bildungsabhän-gigkeit seelischer Gesundheit (höhere Bildung – seelisch gesünder).

Etwa 10 Jahre nach Ende des Studienabschnitts D (D-Studie) wurden ab 2004 die Forschungsarbeiten für die letzte Phase, die sogenannte E-Studie, wieder aufgenom-men und 2010 abgeschlossen.

Mit unglaublicher Kleinarbeit und mit schier unglaublichem Zeiteinsatz, finanziell unter-stützt durch zwei Stiftungen, hatte die Forschungsgruppe ei-nen Teil der Studienpatienten zunächst wieder ausfindig ge-macht, angesprochen und auf-wändig, v. a. mit ausführlichen Interviews, aber auch mit einer umfangreichen Testbatterie (u. a. SF12, F-Sozu-22, GBB, HADS) untersucht. Von den ursprünglich 600 Mannheimer

Bürgern, die an der Ausgangs-studie (A-Studie) teilgenom-men hatten, konnten insge-samt n=127 (21,2%) für eine erneute Erhebung gewonnen werden, davon n=87 auch für die ausführlichen 3-5 Stunden dauernden häuslichen Inter-views. Verstorben waren zwi-schenzeitlich 37 (21 Männer, 16 Frauen).

Ergebnisse: Ca. zwei Drittel der zu E untersuchten Bürger sind im Langzeitverlauf über 25 Jahre als seelisch stabil und gesund einzuschätzen.

Die Prävalenz psychischer Er-krankungen von ca. 25-30%

hält sich konstant über alle Studienphasen, ein in den ers-ten Publikationen sensationel-les Ergebnis, was inzwischen durch weitere epidemiologi-schen Untersuchungen gut be-legt ist (u. a. Wittchen & Jacobi, 2005, 2006; Jacobi, Klose &

Wittchen, 2004). In den Studi-en A-D zeigte sich eine hohe Zeitstabilität der quantitativen psychischen Beeinträchtigung, in der E-Studie war die psychi-sche Beeinträchtigung deutlich geringer, was allerdings auf eine Positivselektion zurückge-führt werden könnte (E-Stich-probe ist zu allen Zeitpunkten A-D geringer beeinträchtigt). In der aktuellen E-Studie standen neben den o. g. Prädiktoren folgende deutlicher im Vorder-grund: soziale Unterstützung hat eine Pufferwirkung für die psychische Gesundheit, sozia-le Kompetenz und Leistungsfä-higkeit sind bedeutsam für die Bewältigung psychischer Be-lastungen. Ebenfalls wurde in der E-Studie die überragende Bedeutung der frühkindlichen und kindlichen psychosozialen Belastung für die spätere psy-chische Gesundheit bestätigt.

Deutlicher wurde die Psycho-pathologie des Vaters als star-ker „Risikomarstar-ker“ für spätere

gesundheitliche Auffälligkeiten.

In der Langzeitbetrachtung zeigt sich, dass väterliche Ab-wesenheit und/oder väterliche Psychopathologie einen gro-ßen Einfluss auf die psychische Gesundheit haben. Von den Autoren wird die Frage aufge-worfen, ob das psychothera-peutische Versorgungssystem ausreichende und angemesse-ne Angebote für Mänangemesse-ner z. B.

aus unteren sozialen Schichten bereithält.

Diskussion und Ausblick

Die vorgestellten Studien sind Meilensteine der psychothe-rapeutischen Versorgungs-forschung. Zwei der Studien zielen auf die Akzeptanz und die Ergebnisse ambulanter Psychotherapie, die dritte auf die Abschätzung der Häufigkeit psychischer Störungen, auch im Langzeitverlauf und damit des Bedarfs an psychothera-peutischen Behandlungsmög-lichkeiten. Eine Reihe weiterer, früherer Studien kann aus heu-tiger Sicht der psychotherapeu-tischen Versorgungsforschung zugerechnet werden, so z. B.

die Versorgungsanalyse im Rahmen der Gesundheitsbe-richterstattung (Schulz, Barg-haan, Harfst & Koch, 2008), die Versorgungsstudien zur ambulanten Psychotherapie (v. a. Löcherbach et al., 2000;

Zepf et al., 2001; Scheidt et al., 1998, 1999; Rudolf et al., 2001; Grande et al., 2006;

Jacobsen et al., 2007; alle zi-tiert nach Nübling, 2009), die Studien zur Versorgung in der Kinder- und Jugendlichenpsy-chotherapie (Albota, 2004;

Reisch et al., 2007; Nübling et al., 2006; Zepf et al., 2003; al-le zitiert nach Nübling, 2009), Programmevaluationsstudien im Bereich der stationären

psychotherapeutischen/psy-Aktuelles aus der Forschung

chosomatischen Rehabilitati-on (vgl. die Metaanalyse vRehabilitati-on Steffanowski et al., 2007), Studien zur stationären psych-iatrischen Versorgung (Härter et. al., 2007; Heymann et al., 2003; alle zitiert nach Nübling, 2009), aktuelle Versicherten-analysen gesetzlicher Kranken-kassen (Gmünder Ersatzkasse, 2008; Techniker Krankenkasse, 2008; BKK Bundesverband, 2008; Barmer, 2009; alle zi-tiert nach Nübling, 2009) oder auch die verfügbaren Kosten-Nutzen-Analysen (Margraf, 2009; Zielke, 2007, 2008;

Wittmann et al., 2002; alle zitiert nach Nübling, 2009).

Weitere Studien werden der-zeit abgeschlossen und stehen kurz vor ihrer Veröffentlichung.

Hervorzuheben sind hier die von der Forschungsgruppe des

Mannheimer Otto-Selz-Insti-tuts um Prof. Werner Wittmann begleiteten bzw. durchge-führten Studien der Techniker Krankenkasse sowie der KV Bayern zur Qualitätssicherung ambulanter Psychotherapie, deren Ergebnisse ähnlich aus-fallen werden (vgl. Steffanows-ki et al., 2011). Psychotherapie in der realen Versorgungssitua-tion, weitab von kontrollierten RCTs, ist sehr erfolgreich und z. T. – was Psychotherapeuten selbst nicht so gerne hören, was aber gesundheitspolitisch ein äußerst schlagkräftiges Argument für die Psychothe-rapie, für deren Erhalt und v. a. auch für deren weiteren Ausbau darstellt – höchst effi-zient: Jeden in Psychotherapie investierten Euro bekommt die Gesellschaft in zwei-, drei-,

vierfachem Volumen zurück;

der so genannte Return of Investment (ROI) ist für die Psychotherapie – v. a. auch im Vergleich zu anderen Gesund-heitsleistungen – erheblich.

Psychotherapie zahlt sich aus, für den einzelnen Patienten, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes (vgl. z. B. Nübling, 2011). Und deshalb weiter:

Versorgungsforschung in der Psychotherapie tut Not, weite-re, kontinuierliche Studien sind aufzulegen, die Mittel dafür be-reitzustellen. Auch sie selbst, die Studien also, lohnen sich für die Sicherstellung der Psy-chotherapie in der Gesellschaft und damit für alle Beteiligten, auch für die Psychotherapeu-ten selbst – wenn sie auch nach wie vor in der Profession wenig beliebt sind.

Literatur

Albani, C., Blaser, G., Geyer, M., Schmutzer, G. & Brähler, E.

(2010). Ambulante Psycho-therapie in Deutschland aus Sicht der Patienten – Teil I:

Versorgungssituation. Psy-chotherapeut, 55 (6), 503-514.

Albani, C., Blaser, G., Geyer, M., Schmutzer, G. & Brähler, E.

(2011). Ambulante Psycho-therapie in Deutschland aus Sicht der Patienten. Teil 2:

Wirksamkeit. Psychothera-peut, 56 (1), 51-60.

Gallas, C., Kächele, H., Kraft, S., Kordy, H. & Puschner, B.

(2008). Inanspruchnahme, Verlauf und Ergebnis ambu-lanter Psychotherapie. Be-funde der TRANS-OP-Studie und deren Implikationen für die

Richtlinienpsychothera-Hardt/Bauer/Cramer-Düncher u.a. (Hrsg.)

Neue Aufgaben in der Psychotherapie?

Sollen Psychotherapeuten krankschreiben, einweisen und Psychopharmaka verordnen dürfen?

2010. VIII, 117 Seiten, Softcover, 29,95 ISBN 978-3-86224-009-8

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