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4. Methodische Grundlagen

4.2 Qualitative Methodik

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4.2.1 Induktive Verfahren (Studie I)

Mithilfe der induktiven qualitativen Methodik werden datengetrieben explorative Gesetzmäßigkeiten und Strukturen aufgedeckt (Mey & Mruck, 2010). Dieser Ansatz wurde gewählt, um das Erleben von subjektiven kognitiven Störungen in drei verschiedenen Probandengruppen zu beschreiben, da die Möglichkeit besteht, neue Themenbereiche zu explorieren, ohne an gegebene theoretische Strukturen gebunden zu sein.

Die IPA als induktives Verfahren orientiert sich an den Prinzipien der Phänomenologie, der Hermeneutik und der Ideografie (Smith & Osborn, 2015): ideografisch, da von einem Einzelfall ausgehend auf generelle Aussagen geschlossen werden soll (Willig 2013);

phänomenologisch, weil die IPA Erfahrungen exploriert und versucht, diese mit den Worten des Probanden möglichst erlebnisnah auszudrücken (Smith et al. 2009) und hermeneutisch, weil aus Aussagen Bedeutungen und theoretische Schlussfolgerungen gezogen werden, um eine dahinterliegende Theorie aufzustellen. Zur Umsetzung der IPA muss die Datensammlung mit einem meist halbstrukturierten Interview in einer möglichst homogenen Stichprobe erfolgen (Willig, 2013). Folglich wurden in Studie I homogene Gruppen basierend auf ihrer diagnostischen Zuordnung gebildet (eine Gedächtnisambulanzpatientengruppe, eine Gruppe von Probanden mit einer klinischen Diagnose einer Major Depression und gesunde Kontrollprobanden).

Der Ablauf der IPA ist zyklisch und verläuft in einem iterativen Wechselspiel aus Abstraktion bzw. Themenfindung und der Arbeit am Text. Demnach wird versucht, nah am beschriebenen Text und dem zu erforschenden Phänomen zu bleiben (im Falle der hier analysierten Interviews wird so nah wie möglich am Wortlaut des Patienten geblieben).

Konkret wird der Text sukzessive durchlaufen, mit dem Ziel vorläufige Themen zu identifizieren. Die Themen werden dann als Cluster gruppiert, summiert und tabellarisch abgebildet. Dieser Vorgang erfolgt pro Interview. Mit dieser Liste von Themen wird das Textmaterial wiederholt durchgegangen, um die Deckung zwischen Themen und Inhalten des Textes zu prüfen. Können nicht alle Textstellen abgedeckt werden, müssen weitere Themen gebildet werden. Sukzessive werden die Interviews der Probanden durchgearbeitet, wobei die Neubildung von Themen immer mit einer Prüfung des Textmaterials einhergeht, um eine optimale Anpassung zwischen Text und Thema zu ermöglichen. Abschließend folgt eine

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Strukturierung in unter- und übergeordnete Themen, wobei sich stets eng am Text und demnach des Wortlauts des Probanden orientiert wird.

4.2.2 Deduktive qualitative Verfahren (Studie II)

Als deduktives qualitatives Verfahren wurde die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring gewählt, um basierend auf theoretischen Grundlagen bereits extrahierte SCD-Kategorien in der vorhandenen Stichprobe zu prüfen.

Die qualitative Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring hat die Zielsetzung, Kommunikationsmaterial systematisch und regelgeleitet zu analysieren, um Nachvollziehbarkeit und Wiederholbarkeit zu schaffen und eine im Anschluss folgende quantitative Analyse zu ermöglichen (Mayring, 2010). In ihrem Ursprung wurde die qualitative Inhaltsanalyse in der Kommunikationswissenschaft für große Datenmengen entwickelt und ist gut geeignet für ‚Mixed-Methods‘-Ansätze, die qualitative und quantitative Analyseschritte verbinden. Die in Tabelle 7 dargestellten Grundannahmen ermöglichen ein strukturiertes und regelgeleitetes Vorgehen (Mayring & Gahleitner, 2019). Neben der Theoriebildung und Hypothesenfindung eignet sich die qualitative Inhaltsanalyse auch zur Hypothesenüberprüfung.

Mit dem Ziel, sprachliches Material systematisch und regelgeleitet zusammenzufassen, bilden transkribierte Audiodateien die Datenbasis. Im Fall der vorliegenden Arbeit sind die verschriftlichten Interviews die Datengrundlage.

Tabelle 7. Grundannahmen der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring &

Gahleitner, 2019)

Die acht Grundannahmen der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring 1. Einsortieren des Materials in ein Kommunikationsmodell

2. Formulieren von Analyseregeln 3. Analyse folgt einem Ablaufmodell 4. Erstellen eines Kategoriensystem

5. Zuordnung von Kategorien zu den Textstellen 6. Rückkopplungsschleifen

7. Systematischer Einsatz von Gütekriterien 8. Einbezug quantitativer Analysen

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In der konkreten Umsetzung wird mit dem Aufstellen von Hypothesen basierend auf früheren Theorien und Studien begonnen, die dann in Form von Kategorien operationalisiert und in einem Kategoriensystem abgebildet werden, das zentral für die Zuordnung von Textstellen ist. Kategorien werden auf Basis der aktuellen Literatur aufgestellt und an dem vorhandenen Textmaterial bzw. den Interviews auf ihr Wiederfinden getestet. In vorliegender Arbeit wurden die von Rachel Buckley induktiv erarbeiteten SCD-Kategorien als Grundlage verwendet.

In einem weiteren Arbeitsschritt werden die Kategorien ausformuliert bzw. definiert.

Prototypische Textstellen können als Ankerbeispiele aufgenommen werden. Zusätzlich werden Kodierregeln bestimmt, die der Abgrenzung zwischen den verschiedenen Kategorien dienen.

Textstellen, die nicht eindeutig kodiert bzw. durch Kategorien abgedeckt werden können, müssen diskutiert werden und das Kategoriensystem ist entweder um eine neue Kategorie zu erweitern oder es muss eine bestehende Kategorie so angepasst werden, dass alle Textpassagen abgedeckt werden können.

Ein Kategoriensystem mit Kodierschema ist in der qualitativen Inhaltsanalyse wie folgt aufgebaut: Jede Kategorie erhält einen Namen, eine Definition, ein Ankerbeispiel und eine Kodierregel (siehe Tabelle 8). Das vollständige Kodierschema ist im Anhang A abgebildet.

Das Ankerbeispiel stellt den Prototyp einer jeden Kategorie dar und ordnet Objekten assoziierte Eigenschaften eines stellvertretenden Objektes zu. Die Kodierregel grenzt die Kategorie von anderen Kategorien ab, um die Zuordnung zu erleichtern und den Unterschied zu anderen Kategorien zu verdeutlichen. Zentrale Gütekriterien bei solch einer inhaltsanalytischen Arbeit stellen die Intra-Koder-Übereinstimmung und die Inter-Koder-Übereinstimmung dar. Für beide sind Übereinstimmungsindizes berechenbar.

67 Tabelle 8. Ausschnitt aus dem SCD-Kategoriensystem

Definition Ankerbeispiel Kodierregel

Erhöhte Häufigkeit von kognitiven Problemen Subjektives Erleben einer quantitativen Zunahme der häufigkeit von Gedächtnis- oder anderen kognitiven Fehlern.

Gemeint ist die subjektive Einschätzung der Häufigkeit.

„Mir fällt es oft schwer mich zu erinnern."

Der Patient verwendet Adverbien wie ,,oft", ,,häufig", "dauernd", "immer" oder Phrasen wie ,,die ganze Zeit über" in Verbindung mit Gedächtnisbeschwerden. Demgegenüber stehen Verbalisationen wie ,,selten", fast nie" oder ,,manchmal" als ein Zeichen für eine seltene und weniger Intrusive Erfahrung, welche mit dem Ausschluss dieser Kategorie einhergeht.

Abzugrenzen ist die Kategorie B9 welche sich nicht auf die Quantität, sondern die Qualität der Beschwerde bezieht.

Ein Empfinden von

Predomination und wachsenden Sorge über

Gedächtnisstörungen Eine Empfindung der

Predomination und wachsender Sorge bezüglich der Häufigkeit von Gedächtnisfehlern.

,,es passiert ein paar Mal am Tag, allermindestens"(1) ,,Ich habe das ganze Haus auf den Kopf gestellt, um es zu finden"(2)

,,es wird sicherlich heute passieren" oder ,,Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern. Aber ich vermute es ist eine lange Zeit her (3)

Zeitliche Phrasen die implizit mit Sorgen verbunden sind (1). Dies bezüglich werden Hinweise auf Beängstigung ausgedrückt (2).

Sorge verbunden mit einer Wahrnehmung von gesteigerter Häufigkeit (3)

Anmerkung. Die zusammengeführten Kategorien in ihrer 1. Version. Entnommen aus der unveröffentlichten Bachelorarbeit von Andreas Spiekermann; SCD= Subjective Cognitive Decline.

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