• Keine Ergebnisse gefunden

1.1 Das Urothelkarzinom der Harnblase

1.1.5 pT1-Tumoren als Grenzfall

Die Invasion der Lamina propria (pT1) ist dadurch charakterisiert, dass urotheliale Zellen in dieser bindegewebigen Schicht nachweisbar sind. Es bleibt dem Pathologen überlassen, ob er eine Subklassifizierung dieser Tumoren in Bezug auf die Eindringtiefe des Karzinoms in Relation zur Muscularis mucosae festhalten möchte (pT1a: oberhalb der Muscularis mucosae, pT1b: in die Muscularis mucosae, pT1c: über die Muscularis mucosae hinaus bzw.

pT1mic:ext). Häufig ist dies aufgrund der schlechten Qualität der Gewebsbiopsate nach einer TUR-B nicht möglich. Dennoch werden Pathologen dazu ausdrücklich ermuntert, so gut als möglich die Invasivität der Lamina propria zu beschreiben (fokal oder extensiv), da man um die prognostische Signifikanz dieser Einteilung weiß (Mhawech-Fauceglia et al., 2007) (van der Aa et al., 2005) (Orsola et al., 2005) (Helpap, 2002). Allerdings halten Paner et al. (2007) aufgrund der Inkonsistenz einer eindeutigen Muscularis mucosae-Schicht und wegen Varia-tionen im Gefäßplexus der Lamina propria ein Substaging für problematisch. Die Arbeit von Orsola et al. (2005) zeigte aber auch, dass die Anzahl der Fälle, bei denen dieses Substaging

möglich ist, mit der Zeit durch die vermehrte Zusammenarbeit von Urologen und Pathologen zu steigen vermag.

Festzuhalten ist, dass eine Subklassifikation in der TNM-Klassifikation nach WHO 2004 nicht vorgesehen ist. Zusätzlich wird empfohlen, dass zu jeder TUR im histologischen Befund das Vorhandensein bzw. Fehlen der Muscularis propria dokumentiert wird, um dem Urologen Rückkopplung über die Tiefe seiner Biopsie und damit über die Qualität der Entnahme zu geben (Seitz et al., 2005). Dabei gilt, dass invasive Urothelkarzinome analog zu den nicht-invasiven PUC in Low-grade- und High-grade-Formen unterteilt werden.

1.1.5.1 Besonderheit der pT1-Urothelkarzinome der Harnblase

Welche Problematik es bezüglich der Einschätzung von pT1-Tumoren gibt, zeigt schon die neue WHO-Klassifikation von 2004, die das Label „oberflächlicher Tumor“ von dieser Sub-gruppe nimmt und ihr eindeutig histopathologische, klinische und biologische Kennzeichen invasiver Tumoren zuschreibt. Studien zeigen, dass etwa 30% der Patienten eine verzögerte Zystektomie benötigen. Diese Patienten benötigen eine engmaschige, sorgfältige Nachsorge, wobei der organerhaltende Ansatz bei ungefähr der Hälfte der Patienten mit ursprünglichem pT1G3 akzeptabel sein soll (Thalmann et al., 2004).

Bei der Entstehung des Harnblasenkarzinoms werden zwei unterschiedliche Pfade diskutiert.

Die Progression von einigen „oberflächlichen“ Tumoren (hauptsächlich pTa und vor allem pT1) zu (muskel-)invasiven High-grade-Karzinomen liefert Hinweise für Überschneidungen dieser zwei Pfade (Luis et al., 2007). Das wirft die Frage des richtigen Managements der pT1-Tumoren auf.

1.1.5.2 Bisherige Empfehlungen zum Behandlungsvorgehen

Um das kurz- und langfristige Risiko sowohl für Rezidive als auch für die Progression vorher-zusagen, entwickelte die EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer) ein Punktesystem und Risikotabellen. Basis für diese Tabellen ist die EORTC-Datenbank, die individuelle Patientendaten von 2.596 Patienten mit TaT1-Tumoren enthält, die in sieben EORTC-Untersuchungen radomisiert wurden. Das Punktesystem basiert auf den

sechs meist signifikanten klinischen und pathologischen Faktoren (elektronischer Rechner online im Internet: URL: http://www.eortc.be/tools/bladdercalculator/ - Stand 01.11.2008):

- die Anzahl der Tumoren - die Tumorgröße

- frühere Rezidivrate

- die T-Kategorie in der TNM-Klassifikation - die Koinzidenz mit einem CIS

- das Tumor-Grade

Aus der gewonnenen Punktezahl können Risikogruppen für das Rezidiv bzw. die Progression abgelesen werden (je Low risk, Intermediate risk und High risk). Dabei reichen die Therapie-möglichkeiten von postoperativer Instillation oder Chemotherapie, adjuvanter intravesikaler Chemotherapie oder adjuvanter intravesikaler BCG-Instillation bis hin zur Zystektomie. Die absoluten Rezidiv- bzw. Progressionsrisiken geben dabei nicht immer das Risiko an, bei dem eine bestimmte Therapie die optimale ist. Die Therapiewahl kann unterschiedlich ausfallen, je nachdem, was für den einzelnen Patienten und Urologen akzeptabel ist.

Kulkarni et al. zeigten anhand von geschätzter Lebenserwartung und qualitätsbezogener ge-schätzter Lebenserwartung in ihrer Arbeit (2007) einen Vorteil durch unverzügliche Zyst-ektomie bei pT1G3-Patienten mit einem Alter unter 70 Jahren. Deshalb vermuten die Autoren einen Benefit bei initial konservativem Vorgehen bei älteren Patienten sowie bei denen, die einen hohen Wert auf Sexual- und Verdauungsfunktion oder Blasenerhalt legen.

Rammeh-Rommani et al. veröffentlichten 2005, dass neben einem Alter über 65 Jahren eine Tumorgröße von mehr als 3 cm und Multifokalität prädiktive Faktoren für ein Rezidiv sind.

Solsona et al. (2000) kommen zu den Ergebnis, die Entscheidung von der Evaluation im Drei-Monatsabstand nach intravesikaler Therapie abhängig zu machen. Dabei halten sie pT1G3, CIS oder Befall von Prostata-Mucosa oder Prostata-Gang als Ergebnis der Drei-Monats-evaluation für Indikationen für eine Zystektomie.

Thalmann et al. konnten keine Überlegenheit der initialen Zystektomie bei pT1G3-Patienten hinsichtlich des Überlebens finden (2004). Auch in den Empfehlungen von 2005 in „Der Urologe“ (Miller et Hautmann) heißt es: „Zusammenfassend lässt sich aus den aktuell zur Verfügung stehenden Literaturdaten kein Vorteil für eine primäre Zystektomie beim T1G3-Harnblasenkarzinom ablesen. Die Therapie mit TUR-B plus BCG bietet den Vorteil des Organerhalts, umfasst jedoch die Erhaltungstherapie, eine lebenslange Nachsorge und die schnelle sekundäre Zystekomie bei BCG-Versagern. [...] Da prospektive randomisierte Stu-dien zu Therapie und Outcome bei pT1G3-Harnblasenkarzinomen fehlen, ist ein

Thera-pieentscheid nur anhand retrospektiver Studien oder mit Hilfe der individuellen Erfahrung des einzelnen Urologen möglich.“

Denzinger et al. kommen 2008 in einer solchen großen retrospektiven Arbeit zu dem Schluss, dass bei high-risk pT1G3-Tumoren mit zwei oder mehr Risikofaktoren (nämlich Multifoka-lität und/oder eine Größe ≥3cm und/oder ein gleichzeitiges CIS) eine frühzeitige Zystektomie erwogen werden sollte. Bei kleineren und unifokalen initialen pT1G3-Blasenkarzinomen ohne CIS hingegen scheint ein Organ erhaltender Ansatz gerechtfertigt zu sein. Bei CIS sollte eine rechtzeitige radikale chirurgische Therapie erwogen werden, da es zu vermindertem karzi-nomspezifischem Überleben führt. Thalmann (2008) unterstützt dies in seinem Comment, weist jedoch auf Auswahl-Bias bei den Patienten hin.