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Die Daten aus Schaubild 7 vermitteln ein klares Bild über den Charakter haushalts­

intemer Prozeßverläufe der politischen Präferenzen von Ehepartnern. Betrachtet man zunächst die absoluten Größenverteilungen so zeigt sich, daß bei über 70 Prozent aller Ehepaare bezüglich ihrer politischen Präferenzen Meinungskonformität besteht (1984: Teilgruppe 4, schwarze Säulen). Im Falle konformer EinstellungsStrukturen stimmen ca. 80 Prozent der Ehepaare ein Jahr später (1985) immer noch in ihrer

Mei-Schaubild 7: Die Struktur haushaltsin­

terner Wandlungsprozesse politischer Präferenzen bei Ehepartnern.

Anteile % (N In 100)

IZ2 1987 H D 1986 H D 1985 H 1984

Datenbasis: SOEP; integrierte Längs­

schnittdaten von Welle 1 (1984) bis Welle 4 (1987).

Teilgruppen:

1 - Parteipräferenz des Haushaltsvorstands (HHV) ist identisch mit der des jeweiligen Ehepartners (PAR) (Anteil in Prozent).

2 - Einer der Partner gibt an. keine feste Parteineigung zu haben (Anteil in Prozent).

3 - Parteipräferenz des Haushaltsvorstands ist nicht identisch mit der des Ehepartners (Anteil in Prozent).

4 - Reale Fallzahlen einzelner Gruppen: 1984, 1984 und 1985,1984 bis 1986,1984 bis 1987; jeweils identische (nichtidentische) Parteipräferenzen von Haushaltsvorständen und ihren Ehepartnern. Die Verteilungen der Teil gruppen 1 bis 3 beziehen sich auf die jeweilige Ausgangspopulation des Vorjahres (Teilgruppe 4).

nung überein (Teilgruppe 1). Bei 17 Prozent hat einer der Ehepartner eine neutrale Position eingenommen ("Ohne Präferenz") und nur drei Prozent stimmen bezüglich ihrer politischen Überzeugungen inhaltlich nicht mehr überein (Teilgruppe 3). Eine einmal erzielte Meinungskonformität wird also in hohem Maße beibehalten und dar- überhinaus mit der Zeit zusätzlich stabilisiert: Betrachtet man die Meinungsstrukturen von Ehepaaren in 1987, die zwischen 1984 und 86 ausschließlich konforme Parteinei­

gungen äußerten (Säulengruppe 1987), wird dieser Sachverhalt besonders deutlich. 90 Prozent der Ehepartner stimmen hier immer noch in ihren Meinungen überein, bei nur acht Prozent nimmt ein Ehepartner eine neutrale Haltung ein, und nur zwei Pro­

zent differieren in ihren politischen Präferenzen.

Einen völlig anderen Verlauf nehmen die Verteilungen bei Ehepaaren mit nicht-kon- formen Meinungsstrukturen. Von allen Ehepaaren, die 1984 in ihrer politischen Präferenz divergierten, fanden 1985 über 50 Prozent zu übereinstimmenden Meinun­

gen. In fast einem Drittel aller Fälle nimmt jedoch einer der Ehepartner eine neutrale Position ein, so daß der reale Anteil meinungsinkonsistenter Ehepaare unter 20 Pro­

zent liegt Durch statistische Auswahlverfahren können auch nur jene (wenigen) Ehe­

paare betrachtet werden, denen es nicht gelang, zwischen 1984 und 1986 konforme Meinungen herauszubilden (Säulengruppe 1987). Zwar bildete nur ca. ein Viertel die­

ser Ehepaare von 1986 auf 87 konforme politische Präferenzen heraus, dennoch bleibt der Anteil realer Meinungsdivergenzen unter 35 Prozent, denn in über 45 Pro­

zent (!) aller Fälle gibt nun einer der Ehepartner an, keiner Partei mehr zuzuneigen.

Zusammenfassend läßt sich damit festhalten: Die auf der Basis der Theorie von FESTINGER aufgestellten Annahmen lassen sich für haushaltsinteme Verän­

derungen politischer Präferenzen bestätigen. So findet sich zum einen ein allgemein hoher Anteil meinungskonformer Ehepaare (über 70%). Andererseits zeigt sich, daß meinungsinkonsistente Ehepaare dazu tendieren, ihre Meinungen einander an­

zugleichen. Dafür zeichnen sich zwei Lösungswege ab. Der eine liegt in einer inhaltlichen Meinungsangleichung, der andere - insbesondere bei den (wenigen) Ehe­

paaren, die über längere Zeit hinweg zu keiner solchen Übereinstimmung kommen konnten - liegt darin, daß einer der Partner seine Präferenz zugunsten einer neutralen Position aufgibt und damit zur "Lösung" aktueller Meinungsdivergenzen beiträgt.

Daß es sich bei diesen Angleichungsprozessen tatsächlich um inhaltliche Überein­

stimmungen von Haushaltsvorständen und ihren - meist weiblichen - Ehepartnern handelt, wird für einzelne Parteien durch Schaubild 8 bestätigt. Dargestellt werden für vier Parteien und differenziert nach Haushaltsvorständen und ihren Ehepartnern in den linken Teilgruppen (1,4,6,8) jeweils der Prozentanteil der Präferenz für eine bestimmte Partei in 1987, die 1986 von einer Person noch nicht präferiert wurde - es handelt sich also um den allgemeinen Anteil individueller Neuzugänge an Anhängern der betreffenden Partei von 1986 auf 87. Die Teilgruppen rechts davon (2,5,7,9) ent­

halten ebenfalls Anteile neuer Parteipräferenzen, hier allerdings unter der Bedingung, daß der jeweilige Partner von 1986 auf 87 seine Präferenz zugunsten der jeweiligen Partei veränderte. Am Beispiel der SPD sei dies verdeutlicht: Von allen

Haushalts-Schaubild 8: Parteipräferenzen im Haushaltskontext - Prozentverteilungen.

Prozent

\ / A Haushaltsvor. 1987 SH Ehepartner 1987

Datenbasis: SozioÖkonomisches Panel -Integrierte Lfingsschnittdaten 1984-87.

Teilgruppen:

(1.4.6.8) - Allgemeine Übergänge von Haushaltsvorständen und Ehepartnern zwischen 1986-1987; Bedingung: Die wird 1986 nicht oräferi@rt. Angegeben wird der Anteil der jeweiligen Parteipräferenz in 1987

(2.5.7.9) - Übergänge von Haushaltsvorständen und Ehepartnern zwischen 1986-1987; Bedingungen: 1. Die Partei wird 1986 von beiden Partnern nicht präferiert; 2. Der Partner präferiert die jeweilige Partei in 1987. Angegeben wird der eigene Anteil der jeweiligen Parteipräferenz in 1987.

3 - Wie die Gruppen 2,5,7,9; zusätzliche Bedingungen: 1. Nur Befragte bis zum 45. Lebensjahr; 2. Nur Befragte mit (sehr) starkem Interesse für Politik.

Vorständen, die 1986 diese Partei nicht präferierten, präferieren ca. neun Prozent ein Jahr später die SPD (Teilgruppe 1). Diese Personen stellen die individuelle Referenz­

gruppe für Teilgruppe 2 dar, die inhaltlich wie folgt zu interpretieren ist: Von den Haushaltvorständen, die 1986 - ebenso wie ihr Ehepartner - die SPD nicht präferier­

ten, von denen aber alle Ehepartner (100%) 1987 die SPD präferierten, geben über 60 Prozent 1987 an, nun auch der SPD zuzuneigen - oder, etwas weniger abstrakt: Präfe­

riert einer der Ehepartner von einem Jahr auf das andere die SPD, so schließen sich fast zwei Drittel der jeweiligen Partner dieser Meinungsänderung an. Dieses präg­

nante Resultat findet sich tendenziell auch bei anderen Parteien - überall bilden haus­

haltsbezogene Übergänge ein Vielfaches der individuellen Übergänge.

Ergänzend sei jedoch angefügt, daß diese Konformitätsprozesse auch bestimmten Einschränkungen unterliegen. Teilgruppe 3 stellt diesen Sachverhalt exemplarisch für die SPD-Anhänger dar. Betrachtet man nur jüngere und politisch interessierte Perso­

nen, so zeichnet sich ein erheblich geringerer Angleichungseffekt sowohl für Haus­

haltsvorstände, als auch für deren Ehepartner ab. Die Intensität des Wunsches, sich mit seiner Meinung konform mit der des Partners zu befinden, ist also nicht unab­

hängig von bestimmten Individualmerkmalen zu sehen. Es erscheint nicht unplau­

sibel, daß gerade innerhalb jüngerer Ehegemeinschaften eine bezüglich politischer Überzeugungen divergierende Meinungskonstellation durchaus als akzeptabel gilt, denn sowohl das eheliche Partnerschaftsverhältnis als auch der individuelle Stellen­

wert politischer Überzeugungen unterlag in den letzten Jahrzehnten einem nicht uner­

heblichen Wandel.

4.3 Zusammenfassung und Zwischenresümee

Die vorangegangenen Ausführungen konnten deutlich machen, daß Forschungsde­

signs, die die Veränderungen politischer Präferenzen ausschließlich mittels Längs­

schnittauswertungen auf Individualdatenbasis verständlich zu machen versuchen, für diese Forschungsaufgabe substantiell wichtige Informationen übersehen. Wo Men­

schen in Beziehungen Zusammenleben, ist neben der Vielzahl individueller Mei­

nungsbildungsfaktoren (neue Informationen, persönliche Veränderungen etc.) zumin­

dest eine weitere Einflußgröße zu berücksichtigen, nämlich das Bedürfnis nach Mei­

nungskonformität mit dem Partner. Den - wie auch immer ausgelösten - individuellen Veränderungen von Parteipräferenzen kommt innerhalb sozialer Primärgruppen inso­

fern eine doppelte Bedeutung zu (wobei der zeitliche Zusammenhang beider Kom­

ponenten allerdings hier nicht konkret zu bestimmen ist): Sie reflektieren nicht nur ei­

gene, "personeninteme" Neubewertungen des politischen Parteienspektrums, sondern signalisieren in vielen Fällen auch dem jeweiligen Partner, seine - nunmehr divergie­

rende - Meinung zu überprüfen. Natürlich können quantitative Umfragedaten nur unzureichend Aufschluß über Inhalt und Verlauf der dabei involvierten haushaltsin- temen Meinungsbildungsprozesse geben. Wohl aber ist, in Gestalt des hohen Aus­

maßes an Meinungskonformität bei Ehepartnern, das Ergebnis dieser Prozesse erkennbar. Identifiziert werden kann - für eine quantitativ eher unbedeutende Gruppe

von Ehepaaren - aber auch ein Prozeß, der durch die "Aufgabe" einer bestehenden politischen Präferenz zu einer mittelbaren Form von Meinungskonformität fuhrt. Das relativ hohe Ausmaß an individueller Meinungsvariabilität über die Zeit stellt also keineswegs nur das Ergebnis persönlicher Umbewertungen von rational-kognitiv verarbeiteten Sachinformationen dar, sondern kann in nicht unerheblichem Umfang auch in Verbindung mit haushaltsintemen Prozessen zur Meinungskonformität gese­

hen werden. Beide Faktoren - Informationsverarbeitung und Konformitätsbedürfnis - wirken in wechselseitigem Zusammenspiel auf die zeitliche Konsistenz individueller Meinungsstrukturen. Insofern kann sich eine ausschließlich auf das Individuum bezo­

gene Analyse der Variabilität bzw. Stabilität von Parteineigungen als irreführend erweisen.

In der sozialpsychologischen Einstellungsforschung wurde allerdings oft die Frage aufgeworfen, inwieweit die durch bestimmte Gruppenprozesse induzierten Verände­

rungen echte Meinungs- bzw. Einstellungsänderungen widerspiegeln, oder ob es sich nur um ein äußeres, durch die Anwesenheit anderer Personen verursachtes, verbales Nachgeben handelt, um eine (im Interview geäußerte) Scheinanpassung nach außen unter Beibehaltung der eigenen Meinung (LUCHINS/ LUCHINS 1955). Das fol­

gende Kapitel versucht diesem Sachverhalt dadurch Rechnung zu tragen, in dem es die Interviewsituation als zusätzliche Kontextinformation miteinbezieht.

5. Panelauswertungen von Kontextinformationen unter Berück­