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Die Automobilindustrie zählt zu den Branchen mit der niedrigsten Wertschöpfungstiefe.

Nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) werden im Fahrzeugbau rund drei Viertel der Bruttoproduktion bereits in den Vorstufen, d.h. nicht beim eigentli-chen Fahrzeughersteller, erzeugt. Neben typisch industriellen Vorprodukten wie Kraftwa-genteilen, elektronischen Bauteilen und Baugruppen oder Verbindungstechnik entfällt ein beträchtlicher Teil dieser Wertschöpfung auf den Dienstleistungssektor.

So ist etwa die Logistik ein untrennbarer Bestandteil des Herstellungsprozesses gewor-den und der Anteil der Logistikprozesse an der Wertschöpfung in der Automobilindustrie steigt seit Jahren. Die Aufgaben sind vielfältig und reichen von der Gewährleistung von Just-in-time- und Just-in-Sequence-Produktion bis hin zur Gestaltung und Koordination der weltweiten Lieferketten – und dies unter Berücksichtigung verschiedener Beschaf-fungsstrategien wie „Local Sourcing“ oder „Best Cost Country Sourcing“. Dies stellt sehr hohe Anforderungen an die logistischen Prozesse in der Automobilindustrie. So wird die

„intelligente Fabrik“ zunehmend zum Maßstab. In diesem Kontext werden z.B. immer mehr Teile und Lieferungen mit RFID-Tags ausgestattet, sodass ihre Position permanent verfolgt werden kann.

Zu einem der größten Automotive-Logistik-Dienstleister in Hessen zählt die Rudolph Lo-gistik Gruppe mit Sitz in Gudensberg (Schwalm-Eder-Kreis), die einen Großteil ihrer welt-weit 4.500 Mitarbeiter an mehreren Standorten in Hessen beschäftigt. Die Schenker Deutschland AG – mit Hauptsitz in Frankfurt, einem Zentral-Hub in Friedewald und wei-teren Standorten in Haiger, Kassel und Kelsterbach – bietet ebenfalls maßgeschneiderte Logistik-Lösungen für die Automobilindustrie an. Frankfurt ist zudem deutscher bzw. eu-ropäischer Hauptstandort weiterer großer Logistikkonzerne, die im Bereich der Automo-tive-Logistik weltweit und in Hessen tätig sind – und zwar der Ceva Logistics Gruppe und von GEODIS. In Mörfelden-Walldorf befindet sich zudem der Sitz GEFCO Deutschland.

Zu den bedeutenden Automotive-Logistikunternehmen in Hessen zählen auch DHL, DSV und Rhenus Logistics. Reifenlogistik ist einer der Schwerpunkte der Fiege Logistik, deren Zentralreifenlager in Dieburg ist. Von dort und von einem weiteren Lager in Breuberg aus werden primär Pirelli-Reifen vertrieben.

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Zu den Aufgabenstellungen der Logistik in der Automobilbranche zählt auch die Entwick-lung neuer Konzepte zur Effizienzsteigerung (bspw. im Rahmen von Industrie 4.0). Hier besteht eine Schnittstelle zu einer weiteren Dienstleistungsbranche, die für die Automo-bilindustrie mittlerweile eine essenzielle Rolle spielt – und zwar die Entwicklungsdienst-leister. Diese übernehmen zunehmend vormals von den Automobilherstellern selbst ausgeführte Entwicklungsarbeiten. Der Tätigkeitsbereich der Branche umfasst die Pro-duktentwicklung von Bauteilen, Modulen und Systemen eines Fahrzeugs bis hin zur Ent-wicklung von kompletten Fahrzeugen und die Erprobung von Prototypen – aber auch die Entwicklung von Produktionsfabriken sowie -anlagen und deren Prozesse.

Ein typisches Beispiel eines derartigen „Allround-Entwicklungsdienstleisters“ aus Hes-sen ist EDAG mit Hauptsitz in Wiesbaden und weiteren hessischen Standorten in Fulda und in Petersberg bei Fulda. EDAG beschäftigt allein in Hessen rund 1.800 seiner über 8.300 Mitarbeiter weltweit. Seit dem Herbst 2019 befindet sich in Rüsselsheim ein neuer großer Player in diesem Bereich – und zwar der französische SEGULA Technologies Konzern. Den Großteil der noch rund 800 Mitarbeiter (Stellenabbau angekündigt) vor Ort hat SEGULA vom Opel-Entwicklungszentrum übernommen. Weitere auf Engineering und technische Dienstleistungen im Bereich Automotive spezialisierte Dienstleister sind u.a. der Bertrandt-Konzern mit über 12.000 Mitarbeitern weltweit, der in Hessen in Fuldabrück bei Kassel vertreten ist, die IAV GmbH Ingenieurgesellschaft Auto und Ver-kehr mit 8.000 Mitarbeiter deutschlandweit (Standorte in Hessen: Frankfurt und Kassel), die Brunel GmbH mit über 3.000 Mitarbeitern deutschlandweit (Standorte in Hessen:

Frankfurt und Kassel), die FERCHAU Engineering GmbH mit rund 7.000 Mitarbeitern weltweit und mehreren Standorten in Hessen, die ASAP-Gruppe mit über 1.200 Mitar-beitern in Deutschland (Standorte in Hessen: Rüsselsheim und Kassel), Invenio mit Stammsitz in Rüsselsheim und einer Niederlassung in Nauheim und nicht zuletzt Altran Deutschland in Frankfurt am Main.

Investitionen

Ohne Investitionen können bestehende Produktionskapazitäten weder erhalten noch modernisiert werden – geschweige denn erweitert. Investitionen sind somit wesentlich für Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen. Nachfolgend werden zunächst die Brut-toanlageinvestitionen, eine wichtige Kennziffer für die Investitionstätigkeit, thematisiert.

Anschließend wird auf die Investitionsausgaben für Umweltschutzmaßnahmen – eine spezielle Kategorie der Bruttoanlageinvestitionen – näher eingegangen.12

12 Die Angaben zu den Umweltschutzinvestitionen (Berichtsjahr 2018) sind im Vergleich zu den Bruttoan-lageinvestitionen (Berichtsjahr 2019) erst später verfügbar. Somit ist der Vergleich der jeweils aktuellen Daten nur eingeschränkt möglich.

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Die Bruttoanlageinvestitionen13 der hessischen Automobilindustrie im Jahr 2019 sum-mierten sich auf einen Wert von 652 Mio. Euro, womit diese erneut gegenüber dem Vor-jahr (484 Mio. Euro) angestiegen sind. Dies trifft auch für die Investitionsquote – definiert als Bruttoanlageinvestitionen im Verhältnis zum erwirtschafteten Branchenumsatz – zu, die 2019 bei 3,1 % lag und damit nahezu dem Durchschnitt der hessischen Industrie (3,2 %) entspricht. Die außergewöhnlich hohen Bruttoanlageinvestitionen der hessi-schen Automobilindustrie des Jahres 2016 mit 1,2 Mrd. Euro (Investitionsquote: 7,4 %) können sicherlich nicht als Maßstab dienen.

Bruttoanlageinvestitionen der Automobilindustrie in Hessen 2015 bis 2019

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

Ein wichtiger Indikator des Engagements in Sachen Umweltschutz stellen die Investiti-onsausgaben für Umweltschutzmaßnahmen dar.14 Diese Investitionen sind jedoch nicht nur aus dem Blickwinkel eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Umwelt zu sehen, sondern nachhaltiges Wirtschaften steht auch zunehmend für die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit einer Branche. So profitiert etwa von Investitionen in die Energieeffizi-enz nicht nur die Umwelt, sondern sie stellen über die Kostenseite auch einen Wettbe-werbsfaktor dar.

13 Erfasst wird der Wert der im Geschäftsjahr aktivierten Bruttozugänge an Sachanlagen, d.h. Ersatz- und Neuinvestitionen. Aktivierte Großreparaturen und geringwertige Wirtschaftsgüter sind ebenso einbezogen wie selbst erstellte oder in Bau befindliche Anlagen sowie Leasing-Güter, die beim Lea-sing-Nehmer zu aktivieren sind. Nicht berücksichtigt werden insbesondere Investitionen in Zweignie-derlassungen im Ausland, Zugänge durch den Kauf ganzer Betriebe oder Unternehmen, der Erwerb von Finanzanlagen sowie der Erwerb von immateriellen Vermögensgegenständen (z.B. Patente).

14 Zu den Umweltschutzinvestitionen gehören alle Investitionen in Sachanlagen, die eine Verringerung oder Vermeidung von schädlichen Emissionen in die Umwelt bewirken bzw. den Einsatz von Res-sourcen reduzieren. Es kann sich hierbei zum einen um additive Maßnahmen handeln, d.h. in der Regel separate, vom übrigen Produktionsprozess getrennte Anlagen, die dem Produktionsprozess vor- oder nachgeschaltet sind (z.B. Kläranlage). Zum anderen werden integrierte Maßnahmen er-fasst, die dadurch charakterisiert sind, dass die Umweltbelastung direkt im Produktionsprozess redu-ziert wird (z.B. durch geschlossene Prozess- und Kühlwasserkreisläufe oder durch Maschinen mit niedrigen Lärmemissionen).

2015 2016 2017 2018 2019

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Im Jahr 2018 summierten sich die Investitionsausgaben für Umweltschutzmaßnahmen in der hessischen Automobilindustrie auf 9,1 Mio. Euro, womit 1,9 % der gesamten Brut-toanlageinvestitionen des Jahres 2018 der hessischen Automobilindustrie – im Sinne der

„Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ der amtlichen Statistik – auf Investi-tionen zum Schutze der Umwelt entfallen. Zum Vergleich: Die Quote im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes lag 2018 bei 4,4 %. Die relative geringe Umweltschutzinves-titionsquote steht im Einklang mit den Produktionsverhältnissen, denn von größerer Re-levanz sind Emissionen – deren Vermeidung oder Verminderung entsprechende Investi-tionen erfordern – in vorgelagerten Teilen der automobilen Wertschöpfungskette (z.B. in der Metallindustrie oder der Gummi- und Kunststoffindustrie).

2018 wurden mehr Umweltschutzinvestitionen getätigt als ein Jahr zuvor, wobei insge-samt betrachtet die Investitionstätigkeit im Zeitverlauf schwankt und auch die Aufteilung nach Umweltbereichen sich von Jahr zu Jahr deutlich ändern kann. 2018 investierte die Branche in Hessen u.a. 2,8 Mio. Euro in Maßnahmen aus dem Bereich Abwasserwirt-schaft und 2,2 Mio. Euro für Klimaschutzmaßnahmen. Erstere sind Maßnahmen zur Ver-minderung der Abwassermenge bzw. Abwasserfracht und zum Schutz der Oberflächen-gewässer und des Grundwassers. Letztere sind Maßnahmen zur Vermeidung und Ver-minderung der Emission von Kyoto-Treibhausgasen (u.a. CO2), Maßnahmen zur Nut-zung erneuerbarer Energien sowie Energieeffizienz steigernde Maßnahmen und Ener-giesparmaßnahmen (z.B. Isolierung von Anlagen und Produktionsgebäuden, Wärme-rückgewinnung mittels Wärmetauscher

)

. Selbstverständlich beschränkt sich das Enga-gement der heimischen Automobilindustrie in puncto Umweltschutz nicht auf diese In-vestitionen in Sachanlagen. Der weitaus größere Beitrag ist in verbesserten bzw. neuen Fahrzeugen zu sehen, die sich durch einen geringeren Energieverbrauch und einen ge-ringeren Schadstoffausstoß auszeichnen.

Umweltschutzinvestitionen der Automobilindustrie in Hessen 2014 bis 2018

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

5.891

2014 2015 2016 2017 2018

Anteil der

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Energieverbrauch

Wie stellt sich der Energieverbrauch15 der hessischen Automobilindustrie dar? Die Bran-che verbrauchte im Jahr 2019 rund 12,4 Mio. Gigajoule (GJ) bzw. 3,4 Mio. Megawatt-stunden (MWh) Energie – 9,8 % des gesamten Energieverbrauchs der hessischen In-dustrie. Der wichtigste Energielieferant für die Branche in Hessen war 2019 Erdgas (57,0 %). Strom (33,4 %) deckt weitgehend den restlichen Energiebedarf der heimischen Automobilbranche ab.

Energieverbrauch der Automobilindustrie in Hessen im Jahr 2019 differenziert nach Energieträgern

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

Die Kennziffer Energieverbrauch je Beschäftigten – die so genannte Energieintensität – erlaubt einen Vergleich der Branche mit anderen hessischen Industriezweigen sowie mit der Automobilindustrie bundesweit. In Hessen verbrauchte die Branche im Jahr 2019 je Beschäftigten gut 230 GJ Energie (Deutschland: 170 GJ). Damit liegt die Energieinten-sität unter dem Durchschnitt der hessischen Industrie (knapp 310 GJ). Da die Automo-bilindustrie viele der für die Fertigung benötigten Teile von Zulieferern bezieht, finden zahlreiche energieintensive Produktionsprozesse eben bei diesen Automobilzulieferern statt, die zu einem Teil anderen Branchen zugeordnet sind (z.B. der Metallindustrie mit einer Energieintensität von fast 340 GJ je Beschäftigten). Ein Beispiel für eine sehr ener-gieintensive Branche in Hessen ist die Chemische und Pharmazeutische Industrie (über 770 GJ je Beschäftigten), ein Bereich der hessischen Industrie mit ausgesprochen ge-ringer Energieintensität stellt der hessische Maschinenbau dar (nur 60 GJ pro Beschäf-tigten).

15 Soweit Energieträger als Brennstoffe zur Stromerzeugung in eigenen Anlagen eingesetzt werden, enthält der Gesamtenergieverbrauch Doppelzählungen, die sowohl den Energiegehalt der einge-setzten Brennstoffe als auch des erzeugten Stroms umfassen. Der Gesamtenergieverbrauch enthält ebenfalls den nichtenergetischen Verbrauch von Energieträgern, wobei diesem in den meisten Bran-chen (Ausnahme: Chemische Industrie) keine Bedeutung zukommt.

57,0%

33,4%

9,6%

Erdgas Strom Sonstige

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