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2. Literatur

2.1 Herdengesundheit

2.1.1 Produktionserkrankungen

Die zumeist in der Transitperiode auftretenden Produktionserkrankungen umfassen laut Drackley (2006) neben den von Payne (1972) beschriebenen ursprünglichen metabolischen Erkrankungen Hypocalcämie, Hypomagnesiämie und Ketose auch die Labmagenverlagerung (LMV), subklinische Acidose, Retentio secundinarum (Ret.

sec.), sowie Fertilitätsstörungen, Lahmheiten und infektiöse Erkrankungen wie Masti-tis und EndometriMasti-tis (PAYNE 1972; DRACKLEY 2006). Auch nach Herdt (2006) gehören nicht nur die metabolischen, sondern ebenso die infektiösen Erkrankungen zu den Produktionserkrankungen. Es handelt sich nach Ansicht des Autors gesamthaft um Erkrankungen, welche durch das Management und die Zucht im Zusammenhang mit einer intensiven Landwirtschaft eine erhöhte Prädisposition aufweisen (HERDT 2006).

Das größte Risiko der Milchkuh Produktionserkrankungen zu bekommen, besteht in der Transitperiode (DRACKLEY 1999; DEGARIS u. LEAN 2008; MULLIGAN u.

DOHERTY 2008b). In dieser Zeit gerät die Kuh in eine NEB, da zum einen ihre Trockenmasseaufnahme (TMA) in den letzten drei Wochen der Gravidität, ins-besondere aber in der letzten Woche vor der Geburt abnimmt (um etwa 30%) und zum anderen die Anpassung der TMA nach der Geburt nicht adäquat zur steigenden Milchleistung erfolgt (HAYIRLI 2006).

Im Folgenden werden die Ketose und die Leberverfettung genauer beschrieben, da sie wichtiger Bestandteil der vorliegenden Arbeit sind. Zudem werden die Hypo-calcämie und die LMV sowie die infektiösen Produktionserkrankungen (Ret. sec., Metritis, Endometritis, Mastitis) und Lahmheiten definiert.

2.1.1.1 Ketose und Leberverfettung

Bei einer NEB kommt es zum Abbau von Triglyceriden (TG) aus dem Fettgewebe und zur Freisetzung nicht veresterter (freier) Fettsäuren (NEFAs); dieser Vorgang wird auch als Lipolyse bezeichnet (HERDT 2000). Die freien Fettsäuren können ins Blut abgegeben und in der Leber als Energielieferanten genutzt, oder aber zu Ketonkörpern metabolisiert bzw. wieder zu TGs verestert werden (HERDT 2000). Zur energetischen Nutzung werden die NEFAs zunächst der ß-Oxidation unterzogen (ADEWUYI et al. 2005). Bei der Oxidation lipogener C2-Verbindungen (Acetat und Butyrat) entsteht Acetyl-Coenzym A (Acetyl-Co A) und bei der Oxidation glykogener C3-Verbindungen (Propionat) Oxalacetat (VAN KNEGSEL et al. 2005). Zu Lakta-tionsbeginn fallen zum einen im Zusammenhang mit der Körperfettmobilisation ver-mehrt C2-Verbindungen an, zum anderen fördert eine hohe Milchleistung eine hohe Laktose-Produktion aus den vorliegenden C3-Verbindungen.

So kann es zu einem Ungleichgewicht zwischen Acetyl-Co A und Oxalacetat kommen, welche idealerweise im Verhältnis von eins zu eins vorliegen sollten, um im Zitronensäurezyklus zu Citrat zu reagieren und so zur Energiegewinnung beitragen zu können (VAN KNEGSEL et al. 2005). Im Überschuss anfallendes Acetyl-Co A wird vermehrt zu Ketonkörpern (ß-Hydroxybutyrat [BHBA], Acetoacetat und Aceton) abgebaut (VAN KNEGSEL et al. 2005). Der hierbei vorherrschende Ketonkörper ist BHBA, wobei eine starke Korrelation zwischen BHBA und Acetoacetat im Blut besteht (DUFFIELD et al. 2009). Acetoacetat stellt den „Ausgangsketonkörper“ dar, welcher sich zu BHBA reduzieren oder zu Acetat decarboxylieren lässt (NIELSEN u.

INGVARTSEN 2004).

Kühe mit einer klinischen Ketose zeigen Appetitlosigkeit (insbesondere in Bezug auf Kraftfutter), einen merklichen Rückgang ihrer Milchproduktion, eine deutliche Abnah-me an Körpergewicht sowie bisweilen harte, trockene Faeces und nervöse Symp-tome wie heftiges Lecken (DUFFIELD et al. 2009). Ketose tritt vorzugsweise in den ersten zwei bis sieben Wochen nach der Geburt auf (NIELSEN u. INGVARTSEN 2004) und obgleich erhöhte Ketonkörper nach der Geburt beim Rind einen physio-logischen Anpassungsprozess an den erhöhten Energiebedarf darstellen, ist eine übersteigerte Ketonkörperanreichung als ein ungenügendes Anpassungsvermögen des betroffenen Tieres einzuschätzen (DUFFIELD et al. 2009). Zu Laktationsbeginn zeigen bei einmaliger Untersuchung ca. 50% der Kühe (DOHOO u. MARTIN 1984) und bei wiederholter Kontrolle der Tiere in einem Untersuchungszeitraum von über sechs Wochen p.p. bis zu 97% eine subklinische Ketose (ASL et al. 2011).

Die subklinische Ketose wird definiert, als eine übersteigerte Ketonkörperan-reicherung (>1200 μmol) im Blut (LEBLANC 2010) bei fehlenden klinischen Anzeichen einer Ketose (DUFFIELD 2000; CARRIER et al. 2004). Es ist dargelegt worden, dass bei Kühen, die an subklinischer Ketose erkranken, das Risiko für die Entstehung einer Metritis (DOHOO u. MARTIN 1984; DUFFIELD et al. 2009) bzw.

einer Dislocatio abomasi (DUFFIELD et al. 2009) erhöht ist.

In Zusammenhang mit der bereits beschriebenen Lipolyse steigt zudem das Risiko der Kuh für eine Leberverfettung (GRUMMER 2008). Dem liegt zugrunde, dass NEFAs nicht nur zu Acetyl-Co A oxidiert, sondern auch als Triglyceride (TG) verestert, in der Leber gespeichert und als „very low density lipoproteins“ (VLDLs) möglicher-weise wieder ausgeschleust werden können (ADEWUYI et al. 2005). Allerdings zeigen Wiederkäuer eine sehr langsame Exportrate für diese VLDLs, so dass dieser Stoffwechselweg der NEFAs schnell erschöpft ist (GRUMMER 2008).

Die Konzentration an TGs in der Leber beim Rind nimmt im Zeitraum zwischen 17 Tagen a.p. und Tag 1 p.p. um das Vier- bis Fünffache zu und die NEFA-Konzen-trationen im Blutplasma steigen zwischen dem 17. Tag a.p. und der Geburt um das Vierfache an (GRUMMER 1993).

Die TG-Syntheserate in der Leber verhält sich proportional zu den NEFA-Konzentrationen im Plasma. Das Krankheitsbild einer Leberverfettung entsteht, wenn die Syntheserate an TG die Hydrolyserate an TG und die Ausschleusung als VLDL aus der Leber übersteigt (GRUMMER 1993). Bei der Beurteilung von Leberbioptaten wird bei TG-Werten >10% von einer schweren und bei Werten zwischen 5-10% TG im frischen Lebergewebe von einer moderaten Leberverfettung ausgegangen (BOBE et al. 2004). In den ersten vier Wochen p.p. erkranken ca. 5-10% der Kühe an einer schweren und zwischen 30 und 40% an einer moderaten Leberverfettung (BOBE et al. 2004). Kühe mit schwerer Leberverfettung zeigen klinische Symptome wie eine starke Abnahme an Körpergewicht, einen sehr starken Rückgang der Futterauf-nahme und entwickeln schlimmstenfalls eine Hepato-Encephalopathie mit Ataxie, Somnolenz und Koma (BOBE et al. 2004).

2.1.1.2 Hypocalcämie

Die Hypocalcämie der Milchkuh ist mit einer mittleren Inzidenz von 21% (Spanne: 0 bis 83%) ebenfalls eine bedeutende metabolische Produktionserkrankung (LEAN et al. 2006). Das Risiko an Hypocalcämie zur erkranken, steigt in jeder weiteren Lak-tation um jeweils 9% an (LEAN et al. 2006).

Degaris et al. (2008) legen für Kühe mit klinischer Hypocalcämie Konzentrationen von <1,4 mmol/l zugrunde und gehen bei Werten zwischen 1,4 und 2,0 mmol/l von einer subklinischen Hypocalcämie aus (DEGARIS u. LEAN 2008). Larsen et al.

(2001) haben dagegen einen Calciumspiegel von 1,5 mmol/l gewählt, um zwischen einer leichten und einer schweren Hypocalcämie zu unterscheiden (LARSEN et al.

2001).

Die klinischen Anzeichen einer Hypocalcämie sind Unruhe, ein schwankender Gang, Zittern, eine kalte Körperoberfläche und im ausgeprägten Stadium Festliegen mit in der Flanke angelegtem Kopf auf Höhe des Herzens (LARSEN et al. 2001; MURRAY et al. 2008).

2.1.1.3 Labmagenverlagerung

Darüber hinaus ist die seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts bekannte Labmagenverlagerung (BEGG 1950) eine bei der Milchkuh verbreitete Produktions-erkrankung (LEBLANC et al. 2005). Die Inzidenz für die Labmagenverlagerung (LMV) wird in Deutschland mit 1,6% bis 7,5% angegeben. Untersuchungen in Nord Amerika machten für einzelne Herden sogar Inzidenzen von bis zu 20% aus (DOLL et al. 2009).

Klinisch kann eine LMV durch ein auskultierbares typisch helles Klingelgeräusch (in verschiedenen Tonhöhen, „Steelband – Effekt“) und plätschernde Geräusche bei der Schwingauskultation diagnostiziert werden (VAN WINDEN et al. 2003).

2.1.1.4 Retentio secundinarum, Metritis und Endometritis

Grunert und Andresen (1995) bezeichnen eine Ablösung der Secundinae zwischen 6 und 12 Stunden p.p. als verzögert und sprechen bei einem Verweilprozess von über 12 Stunden p.p. von einer Retentio secundinarum (GRUNERT 1995). Eine zusam-menfassende Auswertung von 50 Veröffentlichungen zum Thema Ret. sec. zwischen 1979 und 1995 erbrachte einen Medianwert von 8,6 % für die Inzidenz einer Retentio secundinarum (KELTON et al. 1998). Eine aktuelle Untersuchung beschreibt eine Krankheitshäufigkeit von ca. 5% (KOECK et al. 2012).

Eine Metritis tritt in den ersten 21 Tagen nach der Geburt auf und ist nach Sheldon et al. (2009) gekennzeichnet durch eine Vergrößerung des Uterus mit einem übel riechenden rot-braunen, oder bisweilen viskösen, weißlichen, purulenten Ausfluss. In Abhängigkeit der Gesundheitsbeeinträchtigung des Tieres wird die Metritis in ver-schiedene Grade eingeteilt. Eine Metritis ersten Grades liegt bei vergrößertem Uterus mit purulentem Vaginalausfluss, ohne Anzeichen einer akuten systemischen Erkrankung vor. Der zweite Grad ist charakterisiert durch das zusätzliche Vorliegen einer systemischen Erkrankung, gekennzeichnet durch Fieber, Abgeschlagenheit

und eine reduzierte Milchleistung. Liegen darüber hinaus Erscheinungen einer Toxämie wie Inappetenz und Schocksymptomatik vor, wird dies als Grad 3 bewertet (SHELDON et al. 2009).

Nach Sheldon et al. (2008) können bei 80 bis 100% der Kühe postpartal Bakterien im Uterus nachgewiesen werden. Der Anteil an Metritiden liegt bei bis zu 40% in der ersten Woche nach der Geburt (SHELDON et al. 2008). Bei etwa 16% (LEBLANC et al. 2002; KAUFMANN et al. 2010) bis 20% (SHELDON et al. 2008; DUBUC et al.

2012) der Tiere entwickelt sich daraus eine klinische Endometritis. Eine klinische Endometritis ist charakterisiert durch in der Vagina detektierbaren eitrigen (> 50%

eitrige Beimengungen) Ausfluss aus dem Uterus > 21 Tage p.p. oder durch das Vorliegen von mukopurulentem (50% Mucus, 50% Eiter) Ausfluss aus dem Uterus, ebenfalls in der Vagina feststellbar, ab 26 Tage p.p. (SHELDON et al. 2009).

2.1.1.5 Mastitis

Die klinische Mastitis tritt ebenfalls zumeist in der Transitperiode auf (BALLOU 2012) und ist gekennzeichnet durch Entzündungssymptome am Euter (z.B. Schwellung, Schmerzhaftigkeit und Rötung), makroskopische Veränderungen des Milchsekrets und kann von Anzeichen einer systemischen Erkrankung (z.B. Fieber, Lethargie und Appetitlosigkeit) begleitet sein (HARMON 1994).

Bei einer in Brandenburg durchgeführten Studie wurde eine Mastitisprävalenz von 26,4% angegeben (TENHAGEN et al. 2006) und in anderen Arbeiten Prävalenzen von ca. 13% (KOECK et al. 2012) bis ca. 30% (ABERA et al. 2012) dargelegt. In einer weiteren Untersuchung konnte ein Anstieg der Krankheitshäufigkeit von 28% in der ersten Laktation auf ca. 44% in der 7. Laktation festgestellt werden (GERNAND et al. 2012).

2.1.1.6 Lahmheiten

Die Lahmheitsbeurteilung beim Rind erfolgt im Wesentlichen durch eine Beobach-tung der Art der Fortbewegung des Tieres. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Rückenkrümmung im Stehen und im Gehen entwickelten Sprecher et al. (1997;

Anhang 9.1) ein Schema zur Einteilung in fünf Lahmheitskategorien: normal, leicht lahm, mittelmäßig lahm, lahm und schwer lahm (SPRECHER et al. 1997).

Die Prävalenz für Lahmheit wird in Großbritannien mit 37% (Werte von 0 bis 79%) (BARKER et al. 2010) und in Deutschland mit 34% (Werte von 0 bis 81%) ange-geben (DIPPEL et al. 2009), wobei Klauenerkrankungen die häufigste Ursache (mit mehr als 80%) für schwere Lahmheiten darstellen (MURRAY et al. 1996; SOMERS et al. 2003).