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5. Diskussion

5.3 Peripartale Erkrankungen

5.4.2 Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor als Vorhersageparameter von

Um die Aussagekraft des Parameters IGF-I hinsichtlich einer möglichen Gefährdung für eine Erkrankung in der Transitphase beurteilen zu können, wurden in der vor-liegenden Arbeit die antepartalen IGF-I-Konzentrationen gesunder und von einer Produktionserkrankung betroffener Kühe gegenübergestellt. Es ergaben sich hierbei für gesunde Kühe Konzentrationen von 91,5 ± 2,0 ng/ml gegenüber 85,7 ± 2,2 ng/ml für Kühe, die an wenigstens einer Produktionserkrankung während der Transitphase erkrankten.

Entgegen den Ergebnissen der Studie von Piechotta et al. (2012) konnte in der vorliegenden Arbeit zwischen gesunden und Kühen, die in der Transitperiode eine Produktionserkrankung erlitten, kein signifikanter, wohl aber ein tendenzieller Unterschied festgestellt werden. Die Tierzahl in der vorliegenden Arbeit war mit 300 Kühen deutlich höher als in der Studie von Piechotta et al. (2012) mit 41 Tieren, so dass eine belastbare statistische Auswertung aufgrund der Tierzahl in der vorliegenden Studie gewährleitstet war. Allerdings war in der vorliegenden Feldstudie, wie bereits unter 5.3 erläutert, eine gezielte tägliche Überwachung der Kühe des Großbetriebes (1300 Milchkühe) in den ersten vier Wochen p.p. aufgrund der Arbeitsabläufe, der baulichen Struktur und technischen Ausstattung des Versuchsbetriebes nicht durchgehend möglich. Demgegenüber war in der Untersuchung von Piechotta et al. (2012), welche auf einem Lehr und Forschungsgut stattfand, eine gezieltere Überwachung der Tiere gewährleistet. Es liegen bisher keine weiteren Studien vor, die sich mit Zusammenhängen zwischen antepartal gemessenen IGF-I-Werten beim Rind und der Entwicklung postpartaler Erkrankungen befassen, abgesehen von Arbeiten zu ovariellen Störungen und zur Fertilität (SPICER et al. 1993; LUCY 2000; TAYLOR et al. 2004; KAWASHIMA et al.

2007; PATTON et al. 2007).

In der vorliegenden Studie konnte nachgewiesen werden, dass Kühe die antepartal signifikant niedrigere IGF-I-Konzentrationen hatten, p.p. öfter an einer Ketose erkrankten. Dieses Ergebnis lässt sich dadurch erklären, dass einerseits der größte

Anteil (ca. 80%) des IGF-I in der Leber gebildet wird (FRAGO u. CHOWEN 2005;

RHOADS et al. 2008) und andererseits insbesondere die Ketose auf eine Überforderung der Leber, Ketonkörper in den Zitratzyklus einzuschleusen, zurückzuführen ist. Daher können von einer Ketose betroffene Kühe aufgrund von Leberveränderungen möglicherweise weniger IGF-I produzieren. Eine weiterführende, z.B. anatomisch histologische Untersuchung des Lebergewebes erkrankter Kühe, fand in der hier vorliegenden Arbeit nicht statt, da die Zielsetzung in der Überprüfung prospektiver Blutparameter für Produktionserkrankungen lag. Aller-dings war eine IGF-I-Konzentration von 61,7 ng/ml bei einer Sensitivität von 0,9 und einer Spezifität von 0,4 als Grenze ermittelbar, um zwischen Kühen, die an Ketose erkrankten und gesunden Kühen unterscheiden zu können. Im Vergleich zu den Urin-Tests zur Diagnose einer Ketose, die eine Sensitivität von 0,8 bzw. 0,7 und Spezifität von 0,9 bzw.1,0 bei einer Konzentration von 500 bzw. 4000 μmo/l an Ace-toacetat im Urin für den „Ketostix strip“ Test hatten (IWERSEN et al. 2009) und eine Sensitivität von 0,7 bzw. eine Spezifität von 0,7 für den „Nitroprusside tablet“ Test aufwiesen (NIELEN et al. 1994), lag für den Parameter IGF-I am festgelegten Grenzwert eine vergleichbare oder bessere Sensitivität vor, wenngleich die Spezifität unter der der Urin Tests lag. Bei mit dem Handmessgerät „Precision Xtra“ gemessen BHBA Konzentrationen im Blut konnte sowohl eine Spezifität als auch eine Sensitivität von 0,9 ermittelt werden (CHAPINAL et al. 2011), so dass auch hier eine bessere Spezifität als beim Parameter IGF-I vorliegt. Allerdings können die dargestellten Testmöglichkeiten erst genutzt werden, wenn das Tier bereits in jedem Fall subklinisch an einer Ketose erkrankt ist und sind deshalb nicht als Vorhersagewerte geeignet.

Bei einer NEFA-Konzentration von 0,26 mmo/l lag zur Unterscheidung von Kühen, die von einer subklinischen Ketose betroffen waren oder nicht, die Sensitivität bei 0,8 und die Spezifität bei 0,9 (ASL et al. 2011). Somit lag der Parameter IGF-I bei einem Grenzwert von 61,7 ng /ml mit einer Sensitivität von 0,9 leicht über der des Parameters NEFA, wies aber mit 0,4 eine schlechtere Spezifität auf. Ein möglicher Grund hierfür könnte sein, dass für die Messung der IGF-I-Konzentrationen ein ursprünglich für die Humanmedizin entwickelter ELISA verwendet wurde, da ein

ELISA für Rinder nicht verfügbar ist. Demgegenüber werden NEFA-Konzentrationen üblicherweise mit einer etablierten chemischen Reaktion und anschließender photometrischer Messung ermittelt (ASL et al. 2011).

Grundsätzlich bestünde aber auch für das IGF-I die Möglichkeit einer rountine-mäßigen Messung mit dem Immulite Diagnostik Gerät (Siemens Health Care), wel-ches üblicherweise z.B. für die reguläre Messung von Progesteron in Einsendungs-proben Verwendung findet. Eine Etablierung dieser Methode mit einer ausreichend großen Probenzahl fand in dieser Arbeit aus Kosten Gründen allerdings nicht statt.

Außerdem könnte für die Ergebnisse der Zeitraum der Probenentnahme von Bedeu-tung gewesen sein, da die Arbeit von Piechotta et al. (2012) zeigen konnte, dass der beste Zeitraum, um zwischen gesunden und von einer Produktionserkrankung betrof-fenen Kühen unterscheiden zu können, zwischen 242 und 262 Tagen p.i. lag. In der hier vorliegenden Studie wurden die ersten Untersuchungen am Ende dieses Zeit-intervalls, d.h. am Tag 262 p.i. durchgeführt. Allerdings war in der Untersuchung von Piechotta et al. (2012) auch keine Differenzierung zwischen gesunden und an Ketose erkrankten Kühen ermittelbar.

In der Literatur sind auch bei infektiösen Erkrankungen wie spontan auftretenden E.

coli Mastitiden (HUSZENICZA et al. 2004) und ebenso nach einer artifiziellen Infek-tion mit E. coli niedrigere IGF-I-Werte bei kranken als bei gesunden Kühen nachge-wiesen worden (ELSASSER et al. 1995). Ein solcher Unterschied zwischen gesunden Kühen und Kühen mit infektiösen Erkrankungen ließ sich in der vorliegenden Arbeit nicht bestätigen.

Allerdings liegt über dies hinaus eine sehr aktuelle Studie vor, die nachweisen konnte, dass das Geschlecht des Fetus beim Rind Einfluss auf die Milchproduktion der folgenden Laktation nimmt. Weibliche Nachkommen führten hierbei zu einer höheren Milchproduktion als männliche Nachkommen (HINDE et al. 2014). Nach Ansicht der Autoren könnten hierfür fetale Hormone, die an Rezeptoren im Euter der Mutter binden verantwortlich sein (HINDE et al. 2014).

Begünstigt wird diese Zirkulation fetaler Hormone beim Rind durch die z.B. im Vergleich zum Pferd 5fach größere Plazentafläche. Diese ist nötig, um einen

erhöhten Transportbedarf, der aufgrund der geringen Glukosemengen im Gastrointestinaltrakt des Rindes entsteht, zu ermöglichen (KLISCH u. MESS 2007).

So konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass Insulin-ähnliches Peptid 3, ein Haupt-produkt der Leydig Zellen, in höheren Konzentrationen im Blut trächtiger Rindern mit männlichen Nachkommen nachweisbar war (ANAND-IVELL et al. 2011). Vor diesem Hintergrund bestünde auch die Möglichkeit, dass die IGF-I-Konzentration bei trächtigen Rindern, vom Geschlecht des Feten mit beeinflusst werden könnten. Da zu Beginn der hier dargelegten Studie allerdings keine Hinweise darauf bestanden, dass das Geschlecht des Fetus Einwirkungen auf den Parameter IGF-I und dessen Konzentration im Blut des Muttertieres haben könnte, fand eine Differenzierung zwischen Kühen mit weiblichen oder männlichen Nachkommen in dieser Arbeit nicht statt. Wenn auch beim Rind bisher keine Erkenntnisse darüber vorliegen, dass das Geschlecht des Fetus IGF-I-Werte im Blut der Kuh beeinflusst, so existieren aber Studien beim Menschen (GEARY et al. 2003) und beim Pferd (BECKELMANN et al.

2013), die zeigen, dass neugeborene Mädchen signifikant höhere IGF-I-Konzentrationen im Nabelschnurblut aufwiesen als Jungen und dass als weiblich identifizierte Embryonen beim Pferd signifikant mehr IGF-I mRNA exprimierten, als es bei männlichen Embryonen der Fall war. Darüber ob das Geschlecht des Nachkommen auch die IGF-I- Konzentrationen im Blut der Mutter ändern könnte, machen beide Arbeiten keine Aussage.

Für nachfolgende Untersuchungen sollte bei der Auswertung der IGF-I-Werte tragender Kühe das Geschlecht des Kalbes mitberücksichtigt werden, um zu belegen, das etwaige Unterschiede in den IGF-I-Konzentrationen vom Geschlecht der Nachkommen unbeeinflusst bleiben und IGF-I sich als sicherer

„Anzeigeparameter“ für ein höheres Erkrankungsrisiko nutzen lässt.