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Probleme für demenzerkrankte Personen im Zusammenhang mit einer

Eine Aufnahme in ein Krankenhaus stellt für demenzerkrankte Menschen eine be-sondere Belastung dar. Die irritierende, fremde Umgebung bei gleichzeitiger akuter Erkrankung, kann zu einer krisenhaften Situation führen. Dies zeigt sich häufig durch ein agitiertes Verhalten der/des Patientin/Patienten. Weiters können Symptome wie Aggressivität, Unruhe sowie Ess- oder Trinkstörungen bei der Aufnahme und beim anschließenden Krankenhausaufenthalt auftreten. Demenz stellt in den wenigsten Fällen die Aufnahmediagnose dar. Meist sind es ganz andere Einweisungsgründe.

Manchmal wird erst im Krankenhaus die Diagnose Demenz gestellt, denn durch eine unbekannte Umgebung bzw. Situation können Gedächtnisstörungen nicht mehr

„überspielt“ werden und kognitive Fehlleistungen werden sichtbar.

Krankenhausaufenthalte haben generell weitreichende Auswirkungen auf die Ge-dächtnisleistung der an Demenz Erkrankten. So weist Rockwood (2012) darauf hin, dass jeder Krankenhausaufenthalt für demenzerkrankte Menschen mit einer kogniti-ven Verschlechterung, unabhängig von Komorbiditäten, verbunden ist. Das Ausmaß dieser Erkenntnis wird durch die Tatsache verstärkt, dass ca. ein Drittel der Demenz-erkrankten mindestens einmal pro Jahr im Krankenhaus behandelt werden (Pinkert &

Holle, 2012). Häufig weisen die einbezogenen Studien für diese Arbeit auf die her-ausfordernde Betreuungssituation in den Krankenhäusern hin. Ärztinnen/Ärzte wie Pflegepersonen sind im Umgang mit dieser Patientinnen-/Patientengruppe nicht ge-schult und fühlen sich in der Behandlung und Betreuung überfordert. Durch die

de-mografische Entwicklung gibt es bereits eine hohe Anzahl an demenzerkrankten Menschen im Krankenhaus. Isfort et al. (2014) errechneten einen durchschnittlichen Anteil von 23% der Patientinnen/Patienten mit Demenz im Krankenhaus. Nachdem die Betreuungsqualität auch den Entlassungszeitpunkt beeinflusst, wird in der Arbeit noch näher auf die Probleme des Krankenhauspersonals mit der Versorgung von demenzerkrankten Patientinnen/Patienten eingegangen.

3.1.1 Häufigere Aufnahmen

Lin et al. (2013) versuchte mit Versicherungsdaten der USA anhand von fünf ACSC- Diagnosen (Früh- und Spätkomplikationen bei Diabetes, Hypertonie, COPD, Asthma, Herzinsuffizienz) zu belegen, dass ein Unterschied in der Häufigkeit der Kranken-hausaufnahmen zwischen Patientinnen/Patienten mit Alzheimer oder verwandten Erkrankungen und Patientinnen/Patienten ohne diese Erkrankungen besteht. Es zeigte sich, dass vor allem bei Früh- und Spätkomplikationen im Rahmen des Diabe-tes und der Hypertonie eine höhere Rate von Krankenhausaufnahmen bei der Grup-pe mit Alzheimer sichtbar wurde. Bei den Krankheitsbildern COPD, Asthma und Herzinsuffizienz war die Aufnahmerate in der Gruppe mit Alzheimer geringer. Vo-raussetzung für dieses Ergebnis war, dass die Untersuchungsgruppen in Bezug auf Alter, Geschlecht, Rasse und Anzahl der chronischen Erkrankungen einem Matching unterzogen wurden. Wurden die Untersuchungsgruppen nicht gematched, waren die Aufnahmeraten bei allen fünf Erkrankungen in der Gruppe der Alzheimerpatientin-nen/-patienten am höchsten. Erklären lassen sich diese Daten dadurch, dass die Alzheimerdemenz und andere Demenzarten vor allem eine Erkrankung des höheren Alters ist und neben der Demenzerkrankung noch andere chronische Erkrankungen vorliegen.

Die Daten von Lin et al. (2013) zeigen aber auch, dass Alzheimerpatientinnen/-patienten anhand von Komorbiditäten wie Malnutrition, Aspiration, Pneumonie oder Dekubitus ein erhöhtes Risiko für eine Krankenhausaufnahme haben. Im Gegenzug zeigte die Studie von Ennis et al. (2014), dass alleinlebende Personen gegenüber nicht alleinlebenden Personen über 85 Jahren (mit oder ohne Demenz) kein erhöhtes Risiko einer Krankenhauseinweisung haben. Es ist sogar zu vermuten, dass

alleinle-bende Personen über 85 Jahren weniger an Demenz, Herzerkrankungen und Komorbidität leiden als die gleiche Altersgruppe nicht alleinlebender Personen.

In einer Studie von Becker et al. (2010), die 547 Alten- und Pflegeheime in Florida auf Krankenhausüberweisungen untersuchte, fanden sich bei 18,5% aller Kranken-hausüberweisungen eine ACSC-Diagnose. Lag zusätzlich eine Demenzdiagnose vor, erhöhten sich die Krankenhauseinweisungen mit einer ACSC-Diagnose auf 44%. Nebenbei zeigten sich höhere Überweisungsraten aufgrund einer ACSC-Diagnose in gewinnorientierten Einrichtungen.

Davydow et al. (2014) belegten mittels einer amerikanischen Kohortenstudie mit 7.031 Teilnehmern über 50 Jahren, dass Depression, Demenz und kognitive Beein-trächtigung, als Einzeldiagnose oder kombiniert, zu einem höheren Risiko einer po-tenziell vermeidbaren Krankenhausaufnahme führt. Weiters zeigten sich bei diesen Patientinnen/Patienten häufigere Rehospitalisationen innerhalb von 30 Tagen nach einer Spitalsaufnahme wegen Pneumonie, Herzinsuffizienz oder Myokardinfarkt als bei anderen Patientinnen/Patienten. Mögliche Ursachen werden in einem Nichtein-halten der medizinischen Therapie bei chronischen Erkrankungen und schwierigen Betreuungssituationen zu Hause angenommen. Besonders ein hohes Alter und sozi-oökonomische Faktoren deuten auf ein erhöhtes Risiko hin.

3.1.2 Ursachen für Aufnahme

Phelan et al. (2012) durchsuchten bei 3.019 versicherten Personen über 65 Jahren im Zeitraum von 1994 – 2007 alle Krankenhausaufenthalte auf Einweisungsgründe.

Sie zeigten auch die Unterschiedlichkeit der Aufnahmediagnosen und Aufnahmera-ten bei demenzerkrankAufnahmera-ten und nicht demenzerkrankAufnahmera-ten Personen auf. 494 Personen entwickelten während der Studienzeit eine Demenz. Davon wurden 86% mindestens einmal stationär aufgenommen. Durchblutungsstörungen, Atemwegserkrankungen, Verdauungsstörungen und Urogenitalerkrankungen waren doppelt so oft Aufnahme-gründe für Demenzerkrankte als bei nicht an Demenzerkrankte. Im Rahmen der ACSC – Diagnosen und Demenz waren bakterielle Pneumonie, Herzinsuffizienz und Harnwegsinfektion für 2/3 der Krankenhausaufnahmen verantwortlich. Das restliche 1/3 bestand aus COPD, Dehydratation, Magen- und Duodenalulkus.

In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse untersuchten Toot et al.

(2013) die Ursachen für Krankenhausaufnahmen bei Demenzerkrankten im Ver-gleich zu nicht Demenzerkrankten. Es konnten drei Kategorien identifiziert werden:

1. Physische Faktoren, 2. Psychische Faktoren und 3. Sozial-und Umweltfaktoren.

Bei den physischen Faktoren wurden vor allem orthopädische Probleme wie z.B.

Stürze und alle Arten von Frakturen beschrieben. Aber auch respiratorische, urologi-sche, gastrointestinale, kardiologische und neurologische Probleme. Diese Erkran-kungen führten wiederum bei Demenzerkrankten häufiger zu Krankenhauseinwei-sungen als bei nicht Demenzerkrankten. Bei den psychischen Faktoren führten vor allem Verhaltensauffälligkeiten zur vermehrten stationären Behandlung. Im Rahmen der Sozial- und Umweltfaktoren ist vor allem die zunehmende Hilfsbedürftigkeit in den täglichen Aktivitäten wie z.B. Körperpflege, Kleidung, Toilettengang und Ernäh-rung Grund für eine Krankenhausaufnahme. Diese Faktoren führten zu einer Ver-doppelung des Risikos für eine Krankenhausaufnahme bei demenzerkrankten Per-sonen im Vergleich zu nicht an Demenz erkrankten PerPer-sonen.

3.1.3 Ursachen für eine Überweisung aus dem Alten-/Pflegeheim

Die meisten Heimbewohnerinnen/-bewohner weisen ein hohes oder sehr hohes Alter mit einem durchschnittlichen Lebensalter von 82 Jahren auf. Man schätzt, dass zwi-schen 50% und 80% der Heimbewohnerinnen/-bewohner unter psychizwi-schen Störun-gen leiden, die meist auf eine demenzielle Erkrankung zurückzuführen sind. Typisch für die Bewohnerinnen-/Bewohnerstruktur sind somit nicht nur schwerwiegende kör-perliche Beeinträchtigungen, sondern auch ausgeprägte kognitive Einbußen und Verhaltensauffälligkeiten (Schaeffer et al., 2008).

Givens et al. (2012) untersuchten 323 Altenheimbewohnerinnen/-bewohner mit einer fortgeschrittenen Demenz auf Gründe für Krankenhaustransfers. Es zeigte sich in dieser Studie, dass es innerhalb von 18 Monaten bei den Teilnehmerin-nen/Teilnehmern zu 74 Krankenhauseinweisungen und 60 medizinischen Visiten vor Ort kam. Gründe für Transferierungen in ein Krankenhaus waren zu 59% unklare Infektionen, 41% dieser 59% wurden einer Atemwegsinfektion zugeordnet. Weiters

wurden 8% wegen einer gastrointestinalen Blutung, 7% wegen Atemnot, 5% wegen einer Fraktur, 3% wegen einer Herzinsuffizienz und die restlichen 18% wegen andere Ereignisse in ein Krankenhaus überstellt.

Amador et al. (2014) zeigten in einer empirischen Studie die Ursachen für den Ein-satz einer/eines Notärztin/-arztes in sechs englischen Altenheimen bei Bewohnerin-nen/Bewohnern mit Demenz während eines Jahres auf. Die Hauptursache für den Einsatz der/des Notärztin/-arztes waren Stürze von Bewohnerinnen/Bewohner (42%

aller Einsätze), weitere Ursachen waren respiratorische, kardiovaskuläre, gastroin-testinale und urogenitale Probleme. Fast die Hälfte (43%) wurden in weiterer Folge in einem Krankenhaus stationär versorgt.

Um das Risiko einer Krankenhausüberweisung zu reduzieren, beschreibt Carter (2005), dass durch gut ausgebildetes Pflegepersonal eine Krankenhausüberweisung bis zu 65% bei Pneumonie und 67% bei Gastroenteritis bei gleichzeitiger Alzheimer-demenz vermieden werden kann.

3.1.4 Problemstellungen für das Krankenhauspersonal

Durch den Anstieg der zu betreuenden Menschen mit Demenz im Krankenhaus, die häufig eine Multimorbidität mit einer zwangsläufigen Polypharmazie aufweisen, kommt es zu einer nie dagewesenen Belastung des Krankenhauspersonals. Dazu kommt, dass demenzielle Symptome in Krankenanstalten häufig nicht als solche er-kannt werden und als alterstypische Verhaltensweisen missachtet werden. Für Be-troffene ist eine Krankenhausaufnahme eine erhebliche psychische Belastung. Sie fühlen sich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und werden häufig zunehmend unruhig und ängstlich. Sie „stören“ organisatorische Abläufe und lehnen immer wie-der therapeutische Maßnahmen ab. Sie können Mitpatientinnen/-patienten gefährden und erzeugen nachts für Unruhe (Angerhausen, 2008). Die Krankenhausstrukturen sind in Österreich noch nicht an diese Patientinnen-/Patientengruppe adaptiert. Die Dringlichkeit einer Anpassung dieser Strukturen verdeutlichen die Ergebnisse von Mayer et al. (2015) weiter.

Mayer et al. (2015) untersuchten die Prävalenz von kognitiv Beeinträchtigten älteren Patientinnen/Patienten in mehreren Spitälern von Wien und kamen zu dem Ergebnis, dass 52% aller Patientinnen/Patienten ab einem Alter von 65 Jahren nach dem

Mini-Cog Test (drei-Wörter-Uhrentest) an einer kognitiven Einschränkung leiden. Hoff-mann (2013) weist aber darauf hin, dass in den wenigsten Krankenhäusern kognitive Screenings durchgeführt werden. Das legt nahe, dass viele Demenzerkrankungen übersehen und folglich nicht dokumentiert werden (Pinkert, Holle, 2012).

Im Rahmen einer Pilotstudie versuchte Mayer et al. (2013) die versorgungs- und be-treuungsspezifischen Problembereiche aus der Sicht Pflegender in einem Kranken-haus darzustellen. Es wurden folgende sieben Problembereiche in der Betreuung von Demenzerkrankten im Krankenhaus beschrieben:

1. Kommunikation und Information kann durch den Schweregrad der Erkrankung sehr beeinträchtigt sein.

2. Demenzerkennung ist bei nicht diagnostizierter Demenz durch aktuelle Erkran-kungen erschwert.

3. Der Stationsaufenthalt wird durch die Anpassungsschwierigkeiten der demenzer-krankten Patientinnen/Patienten beeinflusst. Das interdisziplinäre Behandlungsteam so wie auch Mitpatientinnen/-patienten fühlt sich oftmals überfordert.

4. Zusammenarbeit mit den Ärztinnen/Ärzten kann durch Missverständnisse auf-grund der kurzen Patientinnen-/Patientenkontakte erschwert sein.

5. Die Aktivitäten des täglichen Lebens wie Essen/Trinken, Körperpflege oder Aus-scheidung bedarf viel Unterstützung von Seiten der Pflegepersonen, das häufig durch nicht angepasstes Verhalten der Demenzerkrankten erschwert ist.

6. Demenzassoziiertes Verhalten älterer Menschen, gekennzeichnet durch ständiges Herumwandern, exzessiver Abwehrreaktionen, Desorientierung mit resultierender Stationsflüchtigkeit, bringen Pflegepersonen an die Grenzen der Belastbarkeit.

7. Ein erhöhter Zeitaufwand in der Betreuung dieser Menschen ergibt sich durch ei-nen erhöhten Beobachtungsaufwand auf Grund einer Selbst- und Fremdgefährdung.

Weiters benötigen diese Patientinnen/Patienten mehr Zuwendung und Beschäfti-gung, die sich mit dem Arbeitspensum der Pflegepersonen kaum vereinbaren lassen.

Unterstrichen wird diese Problematik in den Krankenhäusern durch eine griechische Studie von Yiannopoulou et al. (2012), in der eine Demenzprävalenz bei

hüftgelenk-nahen Frakturen von 85% beschrieben wird. Auch bei allgemeinchirurgischen Eingrif-fen war die Demenzprävalenz bei beachtlichen 61%.