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Potenziell vermeidbare Krankenhausaufenthalte für Frauen und Männer mit Demenz

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Academic year: 2022

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Mag. Annemarie Doppler

Potenziell vermeidbare Krankenhaus- aufenthalte für Frauen und Männer mit

Demenz

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts

im Rahmen des Universitätslehrganges Interdisziplinäre Gerontologie

Univ.-Prof.

in

Dr.

in

med. Éva Rásky, MME

Karl-Franzens-Universität Graz und UNI for LIFE

Grünbach, Mai 2016

(2)

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inlän- dischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröf- fentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Versi- on.

8. Mai. 2016

(3)

Vorwort

Demenz ist eine Erkrankung mit der jede/jeder Österreicherin/Österreicher in irgend- einer Form schon konfrontiert wurde oder wird. Häufig ist jemand in der Familie oder im Freundeskreis daran erkrankt. Durch die Komplexität der Erkrankung sowie durch eine gleichzeitige Multimorbidität, sind demenzerkrankte Menschen besonders ge- fährdet, stationär in einem Krankenhaus aufgenommen zu werden. Doch dies ist für diese Personengruppe ein äußerst ungünstiger Ort, denn viele verlieren in der neuen Umgebung häufig ihre Orientierung und es kommt zu Einbrüchen in ihrer Gedächt- nisleistung. Weiters steigt im Zusammenhang mit einer Krankenhausaufnahme die psychische Belastung für alle Beteiligten. Dies sind neben den betroffenen demenz- erkrankten Menschen ihre Angehörigen, sowie das gesamte Behandlungsteam.

Auf Grund einer persönlichen Betroffenheit stellte ich mir immer wieder die Frage, wie Krankenhausaufenthalte vermieden werden könnten. Ich versuche daher in die- ser Arbeit anhand einer Literaturanalyse Möglichkeiten einer Vermeidung von Kran- kenhausaufenthalten nachzugehen, um Lösungsansätze aufzuzeigen.

Auf diesem Weg möchte ich auch noch einigen Personen, die mich besonders in der Zeit der Erstellung der Masterarbeit unterstützt haben, danken.

Vorerst einen besonderen Dank an meine wissenschaftliche Betreuerin Frau Univ.- Prof.in Dr.in med. Éva Rásky, die mich bei der Ausgestaltung dieser Arbeit wesentlich unterstützte.

Danke auch an die Unternehmensleitung der oberösterreichischen Gesundheits- und Spitals AG, die mir dieses Studium ermöglichte.

Ein herzliches Dankeschön an meine gesamte Familie. Meinem Ehemann Dipl. Ing.

Manfred Doppler, der so manchen meiner Texte gegengelesen hat und bei meinen Kindern Michael und Judith, die durch ihr Spezialwissen im IT-Bereich mein Schrei- ben wesentlich erleichterten.

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Abstract

Problemstellung: Ältere Patientinnen/Patienten mit Demenz werden dreimal so oft in ein Krankenhaus eingewiesen, als die gleiche Altersgruppe ohne Demenz. Kran- kenhausaufenthalte führen zu einer kognitiven Verschlechterung der Betroffenen.

Personen mit einem niedrigen MMST-Wert (Mini-Mental-Status-Test) haben ein ho- hes Risiko, ein postoperatives Delirium zu erleiden. Einweisungsgründe sind vor al- lem Stürze, Verhaltensauffälligkeiten, Herz-, Atem- oder gastrointestinale Erkrankun- gen, Infektionen, Komorbiditäten, aber auch strukturelle Probleme in der Betreuung dieser Patientinnen/Patienten. Krankenhäuser sind strukturell nicht angepasst und die Mitarbeiterinnen/-arbeiter nicht geschult, um auf diese Personengruppe adäquat einzugehen und es fehlt an spezifischen Behandlungs- und Betreuungskonzepten.

Der mobile geriatrische Konsiliar-/Liaisondienst, der hier Mängel abfedern könnte, ist kaum ausgebaut.

Fragestellung: Wie muss die Primärversorgung gestaltet sein, um einen Kranken- hausaufenthalt zu vermeiden oder zumindest zu verkürzen, ohne demenzerkrankten Frauen und Männern die notwendige medizinische Behandlung vorzuenthalten?

Hypothesen: Durch einen niederschwelligen Zugang zur Primärversorgung können potenzielle Krankenhausaufnahmen von demenzerkrankten Frauen und Männern vermieden werden. Der Einsatz von geriatrischen und psychiatrischen Konsiliar- /Liaisondiensten kann die Überweisung von Pflegeheimbewohnerinnen/-bewohnern mit der Diagnose Demenz in ein Krankenhaus reduzieren helfen.

Methodik: Die Fragestellungen wurden über eine Literatursuche und –analyse be- antwortet. Für die Literatursuche wurden die Datenbanken PubMed und Embase verwendet.

Ergebnisse: Potenzielle Krankenhausaufenthalte lassen sich vermeiden, wenn die primäre Versorgung Demenzerkrankte umfassend versorgt. Es bedarf einer medizi- nischen Versorgung, die der Multimorbidität der Betroffenen gerecht wird. Mit Unter- stützung eines gerontopsychiatrischen oder geriatrischen Konsiliar-/Liaisondienstes können Demenzerkrankte auch außerhalb des Krankenhauses, fachärztlich versorgt werden. Pflegende Angehörige brauchen eine laufende Begleitung/Betreuung, damit ein vorhandenes, gutes und soziales Netz bestehen bleiben kann. Ein integrativer Versorgungsansatz führt, wie internationale Modellprojekte zeigen, zu den besten Ergebnissen.

(5)

Abstract

Problem definition: Elderly patients with dementia are admitted three times more often to hospital, than people of the same age group without dementia. Hospital stays lead to a cognitive decline of the parties concerned. People with a low MMST-Rate (Mini-Mental-Status-Test) are on a high risk to suffer from postoperative delirium.

Reasons for hospital admissions are especially falls, behavioral problems, heart, lung and gastrointestinal diseases, infections, comorbidity, but also structural problems of the care for these patients. Hospitals are structurally not adapted, the staff is not ed- ucated to respond to the special needs of these people and specific care and treat- ment competence is missing. The mobile geriatric consultation-liaison service, which could absorb this insufficiency, is barely developed.

Question: How does primary care have to look like, to avoid or at least shorten the hospital stays, without withholding the necessary medical treatment from men and women with dementia?

Hypothesis: By providing simple access to primary care, potential hospital admis- sions of men and women with dementia can be avoided. The implementation of geri- atric and psychiatric consultation-liaison services can help to reduce transfers of nursing home residents with the diagnosis of dementia to a hospital.

Methodology: The questions were answered by literary research and analysis. For the literary research the databases PubMed and Embase were used.

Results: Potential hospital stays can be avoided, if primary care provides enough supplies for dementia patients. It requires medical aid which satisfies the multimorbid- ity of the people concerned.

By the support of a geropsychiatric or a geriatric consultation-liaison service, demen- tia patients can receive specific medical treatment outside of a hospital. Caring rela- tives need ongoing support to maintain an existing, good and social network. An in- tegrative approach to treatment leads to the best results, as international model pro- jects show.

(6)

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ... 6

Abbildungsverzeichnis ... 8

1 Einleitung ... 9

1.1 Problemdarstellung ... 11

1.2 Fragestellungen/Hypothesen ... 13

2 Methodik ... 15

2.1 Literaturrecherche ... 15

2.2 Suchprotokolle ... 18

2.3 Relevante Begriffsdefinitionen ... 22

2.3.1 Demenz ... 22

2.3.2 Primärversorgung ... 29

2.3.3 Integrierte Versorgung ... 31

2.3.4 ACSC – Ambulatory Care Sensitive Conditions ... 34

2.4 Verwendete Literatur ... 36

2.3.1 Studien zur Krankenhausaufnahmehäufigkeit und Aufnahmeursache 36

2.3.2 Studien im Zusammenhang von Konsiliar-/Liaisondienst ... 38

2.3.3 Studien im Zusammenhang mit hausärztlicher/ambulanter Versorgung ... 40

3 Ergebnisse ... 41

3.1 Probleme für demenzerkrankte Personen im Zusammenhang mit einer stationären Versorgung ... 42

(7)

3.1.1 Häufigere Aufnahmen ... 43

3.1.2 Ursachen für Aufnahme ... 44

3.1.3 Ursachen für eine Überweisung aus dem Alten-/Pflegeheim ... 45

3.1.4 Problemstellungen für das Krankenhauspersonal ... 46

3.2 Konsiliar-/Liaisondienst ... 48

3.2.1 Gerontopsychiatrischer Konsiliar-/Liaisondienst ... 49

3.2.2 Geriatrischer Konsiliar-/Liaisondienst ... 51

3.3 Modelle für die medizinische Versorgung ... 52

3.3.1 Hausarztmodell ... 53

3.3.2 Primäre Versorgung - Primary Health Care ... 56

3.3.3 Integrierte Gesundheitsversorgung ... 58

3.3.4 Case Management ... 60

3.3.5 Ambulante geriatrische Remobilisation ... 62

3.3.6 Memory-Klinik ... 63

4 Diskussion ... 65

5 Schlussfolgerungen... 71

6 Literatur ... 73

(8)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schlagwörter... 17

Abbildung 2: Suchprotokoll PubMed ... 19

Abbildung 3: Suchprotokoll Embase ... 21

Abbildung 4: Die wichtigsten Ursachen der primären Demenz ... 24

Abbildung 5: Primärversorgungsteam ... 30

Abbildung 6: Netzwerk „Integrierte Versorgung“... 32

Abbildung 7: Versorgungsnetzwerk ... 59

(9)

1 Einleitung

Demenz ist vor allem eine Erkrankung von Frauen und Männern im höheren Alter, die durch vermehrte chronische Erkrankungen der Betroffenen gekennzeichnet ist.

Im Zuge der demografischen Entwicklung nimmt die Anzahl der demenzerkrankten Menschen in der Bevölkerung zu. Die Prävalenz der Demenz beträgt in Österreich in der Altersgruppe der 65- bis 69-jährigen 7 von 1.000 Frauen bzw. 6 von 1.000 Män- nern und in der Altersgruppe der 85- bis 89-jährigen 140 von 1.000 Frauen und 90 von 1.000 Männern (BMG, 2014). Dies zeigt, dass mit zunehmendem Alter die Prä- valenz stark zunimmt. Man geht von 100.000 Erkrankungsfällen in Österreich aus.

Nachdem die meisten Erkrankten von Angehörigen betreut werden, ist anzunehmen, dass 500.000 Österreicherinnen/Österreicher direkt oder indirekt von Demenz betrof- fen sind (BMG, 2014). Laut der österreichischen Alzheimergesellschaft (ÖAG) ist für 2050 mit einem Anstieg der Demenzfälle auf ca. 250.000, also mehr als einer Ver- doppelung, zu rechnen. Das hätte zur Folge, dass vermehrt Patientinnen/Patienten mit Demenz in den Krankenhäusern behandelt werden müssten. Um Krankenhaus- aufenthalte für diese Personengruppe zu vermeiden, braucht es eine entsprechende medizinische wie pflegerische und betreuende Versorgung außerhalb des Kranken- hauses.

Mehrere Staaten haben nationale Demenzpläne erstellt, um die generelle und ge- sundheitliche Versorgung dieser Menschen zu sichern und zu verbessern. Kirchen- Peters et al. (2012a) erstellten beispielsweise anhand einer Analyse von nationalen Demenzplänen für Australien, England, Frankreich, Niederlande, Nordirland, Norwe- gen, Schottland und die Schweiz Handlungsempfehlungen für Deutschland. Sie glie- dern sich in vier Handlungsbereiche:

1. Generelle Aufklärung und Information über Demenz,

2. Entwicklung von präventiven und integrativen Maßnahmen,

3. Sicherstellung von Unterstützungsangeboten für die betroffenen Familien und der pflegenden Angehörigen sowie

4. Schaffung von adäquaten, evidenzbasierten Versorgungsstrukturen inner- und außerhalb der Krankenhäuser.

(10)

Dies impliziert auch, in die Forschung zu investieren. Für Österreich gibt es seit No- vember 2015 vom Bundesministerium für Gesundheit und dem Sozialministerium empfohlene Demenzstrategien (Juraszovich et al., 2015), die dem deutschen De- menzplan ähnlich sind. Beide Pläne gehen davon aus, dass die Effektivität nur über ein multimodales Vorgehen zu erzielen ist.

Derzeit werden Betroffene und deren Angehörige meist über die/den Hausärz- tin/Hausarzt versorgt, die häufig nicht über ausreichende Kenntnisse von Testverfah- ren und Therapieleitlinien verfügen (Kirchen-Peters et al., 2012b). Nur ein kleiner Teil der Demenzerkrankten wird von einer/einem Fachärztin/Facharzt behandelt, wobei besonders der ländliche Bereich unter einer Unterversorgung von psychiatrischen, neurologischen oder geriatrischen Fachäztinnen/Fachärzten leidet. Zum Beispiel wird der Bezirk Freistadt in Oberösterreich mit ca. 65.000 Einwohnerinnen/Einwohnern, von einer Fachärztin für Psychiatrie (mit Kassenverträgen) und zwei Fachärzten für Neurologie (Wahlärzte mit je einem Ordinationstag in der Woche) versorgt (ÄKOÖ, 2015).

Nachdem die Demenz eine Erkrankung des fortgeschrittenen Alters ist, leiden Be- troffene auch an vielen somatischen Erkrankungen. Diese Multimorbidität, oftmals begleitet mit einer Polypharmazie, führt zu hohen Herausforderungen in deren Be- handlung im häuslichen wie im stationären Bereich.

Familien brauchen besonders bei der parallel auftretenden sekundären Demenz- symptomatik, wie z.B. Wahnvorstellungen, Unruhe oder Aggressivität, Unterstützung von professionellen Kräften um Krankenhauseinweisungen zu vermeiden. Je besser Angehörige in der Betreuung von Demenzerkrankten geschult sind, desto eher kön- nen Komplikationen wie Stürze, Mangelernährung oder eine allgemeine Verschlech- terung von weiteren Erkrankungen vermieden werden, die wiederum zu Kranken- hauseinweisungen führen können.

Weiteres bedarf eine adäquate, medizinische Behandlung interdisziplinäre Zusam- menarbeit, um Betroffene und deren Familien ein hohes Maß an Lebensqualität zu ermöglichen.

Die Gewährleistung der Pflege und Betreuung wird zunehmend eine soziale und kul- turelle Herausforderung für Gesellschaft und Politik, denn die Zunahme der älteren

(11)

Bevölkerung, und die Abnahme der jüngeren Bevölkerung, werden den Anteil der informellen Pflege und Betreuung reduzieren. Die Versorgungslage von demenzer- krankten Frauen und Männern ist dringend zu verbessern, um ein Ansteigen von vermeidbaren Krankenhausaufenthalten entgegen wirken zu können. Mit einer Opti- mierung der Versorgung außerhalb des Krankenhauses, können neben der Lebens- qualität aller Betroffenen, auch die Kostensteigerung für die Gesellschaft eher hintan gehalten werden. Doch dazu muss die Gesellschaft bereit sein, den Umgang mit demenzerkrankten Menschen zu lernen.

1.1 Problemdarstellung

Krankenhausaufenthalte bergen für demenzerkrankte Personen erhebliche Risiken wie psychische Belastungen, unzureichende Behandlungen und vermehrt Komplika- tionen (Angerhausen, 2008). Ehlenbach et al. (2010) und Wilson et al. (2012) zeigten anhand von Kohortenstudien, dass eine Krankenhausbehandlung bei Demenzpatien- tinnen/-patienten zu kognitiven Verschlechterungen führt, unabhängig von vorbeste- henden Komorbiditäten. Trotzdem werden ältere Patientinnen/Patienten mit Demenz dreimal häufiger in ein Krankenhaus eingewiesen als die gleiche Altersgruppe ohne Demenz (Hofmann, 2013). Auch Walsh et al. (2003) weisen darauf hin, dass vor al- lem Menschen mit kognitiven Störungen häufiger im Krankenhaus behandelt werden, als Menschen ohne kognitive Störungen. Einweisungsgründe sind vor allem Stürze, Verhaltensauffälligkeiten, Herz-, Atmungs- oder gastrointestinale Erkrankungen, In- fektionen, Komorbiditäten aber auch strukturelle Probleme in der Betreuung dieser Patienteninnen/Patienten (zit. aus Pinkert & Holle, 2012). Hofmann (2013) kam im Rahmen einer Literaturanalyse zu dem Ergebnis, dass aus Pflegeheimen Kranke mit fortgeschrittener Demenz häufig wegen respiratorischer Infekte in ein Krankenhaus überwiesen werden. Die meisten Einweisungen wurden als vermeidbar eingeschätzt, da die Infektionen auch im Pflegeheim hätten behandelt werden können (Givens et al., 2012).

Weiteres zeigten Sarczynski et al. (2012) in einer Beobachtungsstudie, dass 42% der Personen mit einem niedrigen MMST-Wert an einem postoperativen Delirium litten.

Dies wiederum führte zu persistierenden kognitiven Einbußen von bis zu einem Jahr.

(12)

Zu bedenken ist auch, dass die Akutkrankenhäuser nicht auf diese Patientinnen- /Patientengruppe eingestellt sind. Es fehlt an spezifischen Behandlungs- und Betreu- ungskonzepten.

Als eine von vielen möglichen Interventionen zur Reduzierung der Krankenhausein- weisungen von Pflegeheimbewohnerinnen/-bewohner, die sehr häufig auch an De- menz erkrankt sind, zeigte Schippinger et al. (2012) in einer Pilotstudie, dass ein mobiler geriatrischer Konsiliardienst die Krankenhauseinweisungen aus einem Pfle- geheim deutlich reduzieren kann.

Eine Verkürzung des Krankenhausaufenthaltes konnte Angerhausen (2008) nach- weisen, indem Versorgungsabläufe und räumliche Gegebenheiten an diese Patien- tinnen-/Patientengruppen angepasst wurden. Auch eine geriatrische Frührehabilitati- on ist bei leicht- bis mittelgradiger Demenz physisch wie kognitiv förderlich (Korczak et al., 2012). Um aber eine Entlassung aus einem Krankenhaus zu ermöglichen, muss eine intakte Versorgung zu Hause gewährleistet sein. Das heißt, dass de- menzerkrankte Personen die nötige Unterstützung im Alltag und in gesundheitlichen Belangen erhalten müssen. In der Mehrzahl wird dies durch pflegende Angehörige, professionell Pflegende und Hausärztinnen/Hausärzte gewährleistet. Häufig können Patientinnen/Patienten aber nicht entlassen werden, weil kein entsprechendes Ver- sorgungsnetz vorhanden ist und in einer stationären Langzeitpflegeeinrichtung kein Platz zur Verfügung steht. Dies hat zur Folge, dass demenzerkrankte Patientin- nen/Patienten Monate im Krankenhaus auf einen Pflegeplatz warten müssen (Mayer et al., 2013).

Weiters bedarf es intensivierter Schulungsmaßnahmen in Kommunikation oder Um- gang mit herausfordernden Verhaltensweisen bei Demenz, für alle Beteiligten rund um den demenzerkrankten Menschen. Denn nur durch entsprechendes Wissen und adäquate Handlungskompetenzen aller Beteiligten, sowie Ausbau der erforderlichen Strukturen, kann eine Verbesserung der Demenzversorgung gewährleistet werden und folglich Krankenhauseinweisungen vermeiden. Können Krankenhausaufenthalte vermieden werden, heißt dies für Betroffene und deren Familie weniger Belastung, mehr Lebensqualität und für das österreichische Gesundheitssystem ökonomische Vorteile. Besonders dann, wenn eine Aufnahme in eine stationäre Langzeitpflegeein- richtung vermieden werden kann. Beispielsweise lagen die Kosten 2009 in Öster-

(13)

reich bei 10.000 – 11.000 Euro pro Jahr und Patientin/Patient in häuslicher Pflege und 25.000 – 43.000 Euro pro Jahr und Patientin/Patient in stationärer Betreuung (Gleichweit & Rossa, 2009). Werden diese Menschen zusätzlich in einem Kranken- haus versorgt, ist mit noch höheren Beträgen zu rechnen, denn durch die Multimor- bidität der Demenzerkrankten ist die Gefahr einer Krankenhausaufnahme deutlich erhöht.

Um Krankenhausaufenthalte zu vermeiden, müssen Erkrankungen identifiziert wer- den, die auch außerhalb des Krankenhauses behandelt werden können. Weiters ist zu bestimmen, welche Voraussetzungen außerhalb des Krankenhauses notwendig sind, um demenzerkrankte Frauen und Männer extramural behandeln bzw. betreuen zu können. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung mit internationalen Demenz- konzepten und Forschungsergebnissen die potenzielle Krankenhausaufenthalte vermeiden helfen.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Literatur auf Faktoren zu durchsuchen, die einen Kran- kenhausaufenthalt für demenzerkrankte Frauen und Männer vermeiden helfen. Wei- ters sollen Erkrankungen neben der Diagnose Demenz bestimmt werden, die auch außerhalb des Krankenhauses behandelt werden können, ohne einer Benachteili- gung in der Therapie und Betreuung für diese Personengruppe.

1.2 Fragestellungen/Hypothesen

Vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Problemstellung leiten sich folgende Fragestellungen ab:

Wie muss die Primärversorgung gestaltet sein, um einen Krankenhausaufenthalt möglichst zu verkürzen oder ganz zu vermeiden, ohne demenzerkrankten Frauen und Männern die notwendige medizinische Behandlung vorzuenthalten?

Kann eine funktionierende Primärversorgung und im Bedarfsfall ein geriatrischer oder psychiatrischer Konsiliar-/Liaisondienst Überweisungen von im Pflegeheim le- benden demenzerkrankten Frauen und Männern in ein Krankenhaus reduzieren?

Welche Erkrankungen von Bewohnerinnen und Bewohnern können in einem Pflege- heim mit Hilfe von geriatrischen oder psychiatrischen Konsiliar-/Liaisondiensten be- handelt werden und welche nicht?

(14)

Es wurde von folgenden Hypothesen ausgegangen:

Durch einen niederschwelligen1 Zugang zur Primärversorgung können potenzielle Krankenhausaufnahmen von demenzerkrankten Frauen und Männern vermieden werden.

Der Einsatz von geriatrischen oder psychiatrischen Konsiliar-/Liaisondiensten kann die Überweisungen von Pflegeheimbewohnerinnen/-bewohnern mit der Diagnose Demenz in ein Krankenhaus reduzieren.

1 „Niedrigschwelligkeit oder Niederschwelligkeit bezeichnet die Eigenschaft eines Dienstes oder An- gebots, das von den Nutzenden nur geringen Aufwand zu seiner Inanspruchnahme erfordert“.

http://worterbuchdeutsch.com/de/niederschwellig

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2 Methodik

Die Masterarbeit basiert auf einer Literaturrecherche mit einer narrativen Literatur- analyse in der Zeit vom August bis Dezember 2015. Diese Form der Literaturarbeit wurde gewählt, um einen aktuellen Überblick der heterogenen und weitgestreuten Studien zu ermöglichen und die zu Beginn erstellten Hypothesen zu testen. Es sollen aus dieser Literaturanalyse Probleme identifiziert werden, die potenziell vermeidbare Krankenhausaufenthalte bei Frauen und Männern mit Demenz beeinflussen und letztendlich Krankenhausaufenthalte potenzieren.

2.1 Literaturrecherche

Um die leitenden Fragestellungen zu beantworten, wurde in den Datenbanken Pub- Med und Embase recherchiert. Damit auch die deutschsprachige Literatur berück- sichtigt werden konnte, wurden unterschiedlichen Fachverlage wie z.B. Springer oder Hogrefe herangezogen und mittels Anwendung des Schneeballsystem, bei der Sich- tung der Literatur, relevante Studien gefunden und einbezogen. Auf Grund der Fo- kussierung auf die englisch- und deutschsprachige Literatur, nehmen die Ergebnisse im Besonderen auf den angloamerikanischen und deutschsprachigen Raum Bezug.

Recherchiert wurde in den Datenbanken PubMed und Embase mit Schlagwörtern, die in unterschiedlicher Art und Weise miteinander verknüpft wurden. Für die Suche verwendete Schlagwörter sind in Tabelle 1 dargestellt. Die große Anzahl der Treffer bedurften einer zusätzlichen Eingrenzung, um die relevante Literatur zu identifizie- ren. So wurden einschließlich Publikationen aus den Jahren 2005 – 2015 herange- zogen, die in deutscher oder englischer Sprache veröffentlicht wurden. Ausgeschlos- sen wurden Studien, die sich im Rahmen von Demenz mit der Versorgung am Ende des Lebens oder mit der Versorgungsqualität im Krankenhaus auseinandersetzten.

Ziel der Literaturrecherche und deren Aufarbeitung war es, bereits erfolgte, nationale wie internationale Verbesserungen in der Versorgung von demenzerkrankten Men- schen darzustellen. Es soll vor allem aufgezeigt werden, welche Maßnahmen bzw.

Faktoren Krankenhauseinweisungen verhindern können und vor allem welche Er- krankungen auch außerhalb des Krankenhauses adäquat behandelt werden können.

Bei der Schlagwortsuche und den folgenden unterschiedlichsten Verknüpfungen der

(16)

Schlagwörter, wurde der Schwerpunkt der Recherche besonders auf die ambulante und stationäre Versorgung von demenzerkrankten Menschen gelegt.

In den Datenbanken PubMed und Embase konnten gesamt 241 Treffer erzielt wer- den. Alle Artikel wurden zunächst anhand der Titel auf ihre Relevanz bezüglich der definierten Fragestellungen durchgesehen und auf 76 Artikel reduziert. Auf Grundla- ge der Abstracts erfolgte anschließend eine weitere Selektion der verbliebenen Tref- fer. Letztendlich konnten neun Studien aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Australien in die Arbeit einbezogen werden. Deutschsprachige Studien wurden in unterschiedlichen Fachdatenbanken bzw. Übersichtsarbeiten ge- funden. Insgesamt konnten 13 relevante deutschsprachige Artikel gesichtet werden.

Ergänzt wurden die gefundenen Studien mit systemischen und narrativen Literatur- übersichtsarbeiten, die im Rahmen der Literatursuche gesichtet wurden. Ebenso flossen literarische Werke, die internationale Versorgungsmodelle beschreiben, in die Ergebnisse dieser Arbeit ein.

Im Rahmen der Diskussion fand eine ergänzende Recherche zu medizinischen Ver- sorgungsmodellen in Alten-/Pflegeheimen statt.

Zur besseren Nachvollziehbarkeit des Recherchevorganges, werden nachfolgend die Schlagwörter und der Suchprozess in PubMed und Embase dargestellt.

(17)

Deutsch Englisch

Demenz dementia

Aufnahmediagnose/Einweisungsdiagnose admission diagnosis Krankenhaus (Eintritt) hospital (admissions) Krankenhausüberweisung/-transferierung hospital transfers Potenziell vermeidbare Krankenhausaufent-

halte

avoidable admission preventable hospitalization

ACSC - Ambulatory Care Sensitive Conditions

Patientinnen-/Patientenaufnahme patient admission Altenpflegeeinrichtung/Altenheim/Pflege-

heim, Seniorenheim

nursing home

Altenheimbewohnerinnen/Altenheimbewohner nursing home residents

Ambulante Versorgung outpatient care/ambulatory care

Stationäre Versorgung inpatient care

Integrierte Versorgung integrated care

Primärversorgung Primary Health Care

Geriatrischer/psychiatrischer Konsiliardienst geriatric/mental/psychiatric consul- tant

Behandelbare Erkrankung treatable disease Abbildung 1: Schlagwörter

(18)

2.2 Suchprotokolle

In den folgenden Tabellen wird die systematische Literatursuche in den Datenbanken von PubMed und Embase dargestellt.

Datenbank Schlagwörter Treffer Relevante

Treffer PubMed ("nursing homes"[MeSH Terms] OR ("nursing"[All Fields] AND "homes"[All Fields]) OR "nursing homes"[All

Fields] OR ("nursing"[All Fields] AND "home"[All Fields]) OR "nursing home"[All Fields]) AND "geriatric con- sultant"[All Fields] AND ("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND ("2005/12/04"[PDat] :

"2015/12/01"[PDat])

3 3

"geriatric consultant"[All Fields] AND ("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND ("2005/12/04"[PDat] : "2015/12/01"[PDat])

5 0

"medical consultant"[All Fields] AND ("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND ("2005/12/04"[PDat] : "2015/12/01"[PDat])

4 2

"medical consultant"[All Fields] AND ("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND ("2005/12/04"[PDat] : "2015/12/01"[PDat])

7 6

"integrated care"[All Fields] AND ("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND (Review[ptyp]

AND "2005/12/04"[PDat] : "2015/12/01"[PDat])

7 1

"inpatient care"[All Fields] AND (("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND problems[All Fields]) AND (Review[ptyp] AND "2005/12/04"[PDat] : "2015/12/01"[PDat])

1 1

(("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND preventable[All Fields] AND ("hospitalisation"[All Fields] OR "hospitalization"[MeSH Terms] OR "hospitalization"[All Fields])) AND ("2005/12/09"[PDat] :

"2015/12/06"[PDat])

17 8

(19)

(Gerontopsychiatric[All Fields] AND Consultation-Liaison[All Fields]) AND ("2005/12/09"[PDat] :

"2015/12/06"[PDat])

2 2

(("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND ("ambulatory care"[MeSH Terms] OR ("ambula- tory"[All Fields] AND "care"[All Fields]) OR "ambulatory care"[All Fields]) AND sensitive[All Fields] AND con- ditions[All Fields]) AND ("2005/12/09"[PDat] : "2015/12/06"[PDat])

10 7

(("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND ACSC[All Fields]) AND ("2005/12/09"[PDat] :

"2015/12/06"[PDat])

3 2

(("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND ("referral and consultation"[MeSH Terms] OR ("referral"[All Fields] AND "consultation"[All Fields]) OR "referral and consultation"[All Fields] OR "consulta- tion"[All Fields]) AND liaison[All Fields] AND ("psychiatry"[MeSH Terms] OR "psychiatry"[All Fields])) AND

"nursing home"[All Fields] AND ("2005/12/16"[PDat] : "2015/12/13"[PDat])

4 2

(("dementia"[MeSH Terms] OR "dementia"[All Fields]) AND ("referral and consultation"[MeSH Terms] OR ("referral"[All Fields] AND "consultation"[All Fields]) OR "referral and consultation"[All Fields] OR "consulta- tion"[All Fields]) AND liaison[All Fields] AND ("psychiatry"[MeSH Terms] OR "psychiatry"[All Fields]) AND ambulatory[All Fields]) AND ("2005/12/16"[PDat] : "2015/12/13"[PDat])

1 1

Abbildung 2: Suchprotokoll PubMed

(20)

Datenbank Schlagwörter Treffer Relevante Treffer Embase (dementia and avoidable and admission).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, original

title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

18 1

(dementia and preventable and hospitalization).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, orig- inal title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

40 7

((dementia and $admission diagnosis$ and hospital) not delirium).mp. [mp=title, abstract, heading word,

drug trade name, original title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword] 24 2 ((dementia and $admission diagnosis$ and hospital) not delirium).mp. [mp=title, abstract, heading word,

drug trade name, original title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

6 3

(dementia and $inpatient care$ and diagnosis).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, orig- inal title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

22 1

(dementia and $inpatient care$ and diagnosis).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, orig- inal title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

12 6

(geriatric consultant and dementia).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, original title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

5 1

(nursing home residents and consultant and dementia).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, original title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

8 6

($ambulatory care$ and dementia and $primary health care$).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, original title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

13 3

($nursing home$ and $geriatric consultant$ and dementia).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, original title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

1 1

($integrated care$ and dementia and $ambulatory care$).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, original title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

1 1

(21)

($hospital admission$ and "admission diagnosis" and dementia).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, original title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

11 2

($nursing home residents$ and $hospital transfers$ and dementia).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, original title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

9 6

(decrease and $hospital admission$ and dementia and $nursing home$).mp. [mp=title, abstract, heading word, drug trade name, original title, device manufacturer, drug manufacturer, device trade name, keyword]

7 1

Abbildung 3: Suchprotokoll Embase

(22)

2.3 Relevante Begriffsdefinitionen

Um ein einheitliches Verständnis zu ermöglichen, werden vier wichtige umfassende Begriffe wie Demenz, Primärversorgung, integrierte Versorgung und ACSC – Ambu- latory Care Sensitive Conditions geklärt.

2.3.1 Demenz

Definition: Der Begriff Demenz beschreibt eine über die Altersnorm hinausgehende langfristige Störung der kognitiven Leistungen, die zu einer Verschlechterung des gewohnten Leistungsniveaus führt (Kastner & Löbach, 2014). Eine umfassendere Definition der Demenz ist wie folgend in der „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“ (ICD-10) verfasst:

„Demenz (F00-F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fort- schreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähig- keit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrol- le, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, bei zerebrovaskulären Störungen und bei anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen“ (ICD-10-GM Version 2015).

Voraussetzung für die Stellung der Diagnose Demenz ist ein Anhalten der beschrie- benen Symptome über mindestens sechs Monate. Das Syndrom Demenz beginnt mit leichten Problemen in alltäglichen Handlungen, die zunehmend immer größer werden und letztendlich in einer völligen Hilfsbedürftigkeit der Erkrankten endet. Zur Diagnosestellung werden Anamnese, körperliche Untersuchungen, kognitive Scree- ning-Tests, Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren verwendet.

In der Literatur von Grond (2014) und Kastner & Löbach (2014) wird eine Einteilung von drei Schweregraden vorgenommen. Grond (2014) bezeichnet das erste Stadi- um als Früh- oder Vergessensstadium. Betroffene vergessen Wörter, haben Orien- tierungsstörungen in fremder Umgebung und es fällt ihnen schwer, etwas Neues zu lernen. Dies kann häufig zu Depressivität und Inaktivität führen. Das zweite Stadium

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bezeichnet Grond (2014) als mittleres oder Verwirrtheitsstadium, das durch zeitliche, örtliche und situative Verwirrungen gekennzeichnet ist. Es kommt zu sozialen Auffäl- ligkeiten mit möglichen aggressiven Verhalten. Das dritte Stadium ist laut Grond (2014) das fortgeschrittene Hilflosigkeit- oder Spätstadium. Betroffene sind total von Anderen abhängig. Sie leiden an Inkontinenz, Schluckstörungen, ev. Halluzinationen und erkennen Angehörige nicht. Kastner & Löbach (2014) beschreiben in diesem Stadium vor allem die Einschränkungen der körperlichen Mobilität bis hin zur Bettlä- gerigkeit, die eine palliative Betreuung und Pflege nötig macht. Die einzelnen Stadien können sich in ihrer Symptomatik bzw. Ausprägung überschneiden und sind im Ver- lauf von den unterschiedlichen Demenzformen und den äußeren Einflussfaktoren wie z.B. somatische Erkrankungen, soziale Isolation abhängig (Höfler et al., 2015).

Die Begleitsymptome der Demenz teilt Kastner & Löbach (2014) in folgende drei Gruppen:

1. Kognitive Symptome

2. Psychische Störungen und Verhaltensänderungen 3. Körperliche Symptome

Kognitive Symptome

Sie sind wesentliche Kennzeichen der Demenz und bereits im Frühstadium zu er- kennen. Alle Symptome treten nicht gleichzeitig auf, sondern entwickeln sich je nach Stadium und Individuum unterschiedlich. Die kognitiven Symptome verschlechtern sich fortschreitend. Zu Beginn einer Demenz lassen sich erste Veränderungen der Merkfähigkeit beobachten. Orientierungsstörungen kommen erst viel später dazu (Monate bis Jahre). Sprachstörungen (Aphasien) treten schon sehr für auf, die mit Wortfindungsstörungen beginnen und mit einem Verstummen der Betroffenen enden können. Auch Störungen der Handlungsabläufe (Apraxie), Wiedererkennungsstörun- gen (Agnosie), Aufmerksamkeitsstörungen und eine Veränderung der Gedächtnis- leistung und des Urteilsvermögens sind bezeichnend (Kastner & Löbach, 2014).

Psychische Störungen und Verhaltensänderungen

Für diese Form der Symptome hat sich der englische Begriff BPSD (behavioral and psychological symptoms of dementia) etabliert. In den Pflegewissenschaften wird vor allem der Begriff „Herausforderndes Verhalten“ verwendet. Psychische Veränderun-

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gen werden über einen längeren Verlauf beobachtet, die sich vor allem in Form von Angstzuständen, Depressivität, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen äußern (Kastner & Löbach, 2014). Die Verhaltensänderungen äußern sich vor allem durch Unruhe und Agitiertheit, Aggressivität oder durch eine Veränderung des sexuellen Verhaltens. Es muss hier vor allem zwischen „normal verstehbaren Reaktionen“

durch erklärbare angstauslösende Situationen, und primären Demenzsymptomen unterschieden werden. Das Auftreten dieser Veränderungen, wie am Beispiel des ruhelosen Umherwanderns, kann tageszeitlich sehr unterschiedlich sein (meist ge- gen Abend). Aber auch eine beeinträchtigte Sinneswahrnehmung oder Schmerzen können zu vorübergehenden Verhaltensänderungen führen (Kastner & Löbach, 2014).

Körperliche Symptome

Zu den häufigsten Veränderungen der physischen Funktionen gehören Gangstörun- gen mit wiederholten Stürzen. Aber auch ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus oder allgemein Schlafstörungen, Schluckstörungen, Schmerzen und Sensibilitätsstörun- gen, vermindertes Durst- und Hungergefühl (kann zu einer Mangelernährung führen), Inkontinenz sowie Bewegungseinschränkungen. Sie treten bei allen demenzerkrank- ten auf und weisen in ihrer Ausprägung auf ein Schwerestadium hin (Kastner &

Löbach, 2014).

Demenzformen: Auf Grund der unterschiedlichen Ursachen und Verläufe werden beispielhaft folgende Demenzformen unterschieden:

Abbildung 4: Die wichtigsten Ursachen der primären Demenz

Quelle: Möller, Hans-Jürgen; Laux, Gerd; Deister, Arno (2009): Psychiatrie und Psychotherapie: Duale Reihe. 4.

Auflage. Thieme-Verlag: Stuttgart. S.201

(25)

Alzheimer-Demenz ist die häufigste Form und zählt wie die Lewy-Körperchen- Demenz und die frontotemporale Demenz zu den neurodegenerativen Formen. Die Ursache liegt in schädlichen Prozessen direkt in und an den Gehirnzellen. Die vasku- läre Demenz tritt durch Erkrankungen der Blutgefäße im Gehirn auf. Auslöser können eine Minderdurchblutung, Blutungen, Ödembildungen oder erhöhter Blutdruck sein.

Demenz kann aber auch im Rahmen anderer Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Normaldruck-Hydrozephalus bzw. im Rahmen einer Infektionserkrankung wie am Beispiel einer HIV-Infektion auftreten (Marwedel et al., 2013a).

Therapiemöglichkeiten: Demenztherapien können neben den medizinischen Mög- lichkeiten auch mit nicht medizinischen Maßnahmen individuell optimiert werden. Be- sonders eine individuelle Abstimmung der Therapiemöglichkeiten kann Kranken- hausaufenthalte vermeiden helfen. Unterstützt wird dies zusätzlich durch einen nie- derschwelligen Zugang zu Demenztherapien. Um die Komplexität der Therapiefor- men anschaulicher zu machen, werden folgend mögliche medikamentöse und nicht- medikamentöse Therapieformen dargestellt.

Pharmakologische Therapie bei kognitiven Symptomen mit Antidementiva:

Die Hauptvertreter dieser Gruppe sind Azetylcholinesterasehemmer (Donepezil, Ri- vastigmin, Galantemin) und NMDA (N-Methyl-D-Aspartat) – Antagonisten (Meman- tin). Die fortschreitende Verschlechterung der Erkrankung kann mit diesen Medika- mentengruppen hinausgezögert werden. Azetylcholinesterasehemmer und NMDA- Antagonisten haben sich besonders bei der Alzheimer bzw. bei der vaskulären De- menz bewährt. Diese Wirkstoffgruppen verbessern die Signalübertragung zwischen den Gehirnnervenzellen. Azetylcholinesterasehemmer verhindern den Abbau von Azetylcholin und verbessern somit seine Wirkung. Memantin verhindert eine Über- stimulation bestimmter Glutamatrezeptoren und verbessert somit die Signalübertra- gung zwischen den Gehirnzellen (Marwedel, 2013b).

Pharmakologische Therapie bei nicht-kognitiven Symptomen:

Unter nicht-kognitive Symptome werden Störungen des Erlebens, Befindens und Verhaltens zusammengefasst. Neben einer pharmakologischen Therapie sollten die- se Symptome zuerst nicht-pharmakologisch therapiert werden. Erst auf ein nichtan-

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sprechen dieser Therapie folgt die pharmakologische Therapie. Nachfolgend werden die wichtigsten Substanzklassen dargestellt.

Antipsychotika sollten nur eingesetzt werden, wenn andere Ursachen ausgeschlos- sen wurden und die Symptomatik ausgeprägt ist, wie z.B. ausgeprägte Verfolgungs- ideen, Halluzinationen, wahnhaftes Erleben usw. Auf Antipsychotika mit anticholiner- gem Wirkstoff ist zu verzichten, weil sie ein Delirium auslösen können. Das einzige zugelassene Antipsychotikum bei Demenzerkrankungen ist Risperidon (Schmidt et al., 2010; zit. aus Sepandj, 2014).

Antidepressiva werden demenzerkrankten Mensch gegeben, wenn depressive Symptome als belastend erlebt werden. Sie können z.B. Schlafstörungen, Antriebs- losigkeit, Appetitlosigkeit und Verhaltensstörungen bessern. Serotonin- Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) oder der reversible MAO-A-Hemmer werden als Mittel erster Wahl empfohlen. Auf Substanzen mit anticholinergem Wirkungsprofil ist zu verzichten, um kein potenzielles Delirium auszulösen (Schmidt et al., 2010; zit.

aus Sepandj, 2014).

Benzodiazepine sind durch die häufigen Nebenwirkungen wie Sturzneigung, Muskel- schwäche, Schläfrigkeit oder Verwirrtheit nur mit strenger Indikation zu verordnen.

Bei Halluzination und Wahn sind sie kontraindiziert. Nur Wirkstoffgruppen mit kurzer Halbwertszeit können empfohlen werden (Schmidt et al., 2010; zit. aus Sepandj, 2014).

Robausch & Grün (2014) zeigten im Rahmen einer Studie, dass im Jahr 2013 de- menzerkrankte Menschen Antidementiva als auch Antidepressiva und/oder Antipsy- chotika einnahmen (zit. aus Höfler et al., 2015)

Nicht-pharmakologische Therapien:

Zur nicht-pharmakologischen Behandlung durch die Ärztinnen/Ärzte zählen vor allem Aufklärungs- und Beratungsgespräche. Betroffene und deren Angehörige erlangen dadurch zunehmend Verständnis für die krankheitsbedingten Veränderungen und können den zukünftigen Betreuungsverlauf planen. In der folgenden Darstellung werden Gesundheitsberufe neben der Medizin vorgestellt, die in der nicht- pharmakologischen Therapie Einsatz finden.

(27)

Ergotherapie fördert durch gezieltes Training die Handlungsfähigkeit im Alltag. Sie zielt darauf ab, die Autonomie des Menschen zu erhalten, die gesellschaftliche Teil- habe zu fördern und die Lebensqualität zu verbessern (DVE, 2016). McLaren et al.

(2013) konnten in einer Literaturanalyse nachweisen, dass durch ergotherapeutische Interventionen eine funktionelle Verschlechterung bei Demenzerkrankten hinausge- zögert wird und somit der Aufenthalt zu Hause länger möglich ist.

Diätologie kann mit gezielten Maßnahmen dem ungewollten Gewichtsverlust entge- gen wirken. Zu Beginn der Demenz sind häufig Probleme beim Einkauf und der Le- bensmittelauswahl zu erwarten. Im fortgeschrittenen Stadium verlernen die Betroffe- nen zunehmend das Kochen. Verstärkend auf die Mangelernährung wirkt sich die Veränderung von Appetit und Durst, Erhöhung des Energiebedarfs, Nebenwirkung von Medikamenten oder Dysphagie aus (Auer E., 2014).

Logopädie setzt sich vor allem mit den Sprach- und Schluckstörungen bei Demenz- erkrankten auseinander. Die Interventionen richten sich vor allem auf die Erhaltung der Sprachfähigkeit und Förderung der Schluck- und Essbereitschaft (Jungwirth, 2014).

Orthoptik versucht durch Früherkennung von Sehstörungen potenziellen Stürzen vorzubeugen.

Physiotherapie ist vor allem für den Erhalt alltagspraktischer Fähigkeiten und vor al- lem zum Erhalt von Gleichgewicht, Kraft, Koordination und Beweglichkeit wichtig. Mit gezielten therapeutischen Interventionen kann Stürzen entgegengewirkt werden. Be- sonders Demenzerkrankte sind durch die zunehmende Gangunsicherheit sturzge- fährdet (Wewerka & Schlegel, 2014).

Musiktherapie ist eine sehr individuelle Behandlungsform und wird vor allem dann eingesetzt, wenn die verbale Kommunikation zusehends beeinträchtigt ist. Neben der Förderung der Ausdrucksfähigkeit kann es angstlindernd wirken, Unruhe vermindern, die Stimmungslage verbessern uvm. (Phan Quoc & Geretsegger, 2014).

Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz: Die österreichische Gesund- heitspolitik betont, besonders in der Betreuung von demenzerkrankten Menschen,

„ambulant vor stationär“. Es wird hier einerseits dem Wunsch der meisten Betroffe-

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nen Rechnung getragen, aber dazu braucht es entsprechende leichtzugängliche extramurale Unterstützungsangebote. Neben der medizinischen Versorgung brau- chen demenzerkrankte Menschen Pflege und Betreuung um bis ans Lebensende zu Hause leben zu können. Laut Statistik Austria (2014) werden 22% der Menschen mit Betreuungs- und Pflegeaufwand in einer stationären Pflegeeinrichtung betreut. Dies zeigt, dass die Hauptlast der Pflege und Betreuung bei den Familien selbst liegt.

Dennoch holen sich pflegende Angehörige, trotz hoher Belastung durch den progre- dienten Verlauf der Demenzerkrankung, kaum professionelle Hilfe. Laut Huber (2009) nehmen nur 25% der Befragten mobile Dienste in Anspruch. Belastungen er- geben sich durch Berufstätigkeit oder durch die eigene Betagtheit. Folgend werden mögliche Entlastungsdienste dargestellt.

Der Besuchsdienst fördert den Kontakt zu den Menschen und somit die Teilhabe am Gemeinschaftsleben und wirkt somit auch der Vereinsamung und Isolation entgegen.

Freiwillig Engagierte verbringen stundenweise ihre Zeit mit den demenzerkrankten Menschen zu Hause oder in Betreuungseinrichtungen mit Kommunizieren, Zuhören, Spaziergängen, Spiele etc. Dabei wird sehr häufig Biografiearbeit gemacht, die wie- derum viele Anknüpfungspunkte für die Betreuung ermöglicht (Harm & Hoschek, 2014).

Die Personenbetreuung, häufig in Form der 24-Stunden-Betreuung, ist seit 2007 ge- setzlich geregelt. Es sind vor allem ausländische Frauen und Männer die als Perso- nenbetreuerinnen/-betreuer in Österreich arbeiten. Häufig haben sie nur eine sehr minimalistische bis keine Ausbildung in der Pflege (Harm & Hoschek, 2014).

Der mobile Hospizdienst begleitet und betreut Schwerkranke und sterbende Perso- nen in ihrem häuslichen Umfeld, wobei die terminale Phase im Rahmen einer fortge- schrittenen Demenz nicht eindeutig bestimmbar ist. Monatelang geht dieser Phase Inkontinenz, Bettlägerigkeit, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und ein Sprachverlust voraus (Wilkening, 2012). Die professionelle Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz stellt eine große Herausforderung in der Pflege dar, denn Pflege- und Betreuungskonzepte zeichnen sich noch immer durch ihre „Medizinlas- tigkeit“ aus (Schneider & Deufert, 2014).

(29)

Neben der häuslichen Pflege und Betreuung etablieren sich zunehmend neue Wohn- und Betreuungsformen.

2.3.2 Primärversorgung

Der Begriff der Primärversorgung oder Primary Health Care (PHC) wird oft als haus- ärztliche Grundversorgung verstanden. Es ist zwar richtig, dass Hausärztin- nen/Hausärzte eine zentrale Rolle einnehmen, aber für eine Beschreibung wäre es zu kurz gegriffen. Folgend wird daher versucht, den Begriff von Primärversorgung (PHC) genauer zu definieren.

Bereits 1978 erklärte die WHO (World Health Organisation) im Rahmen der „Con- ference on Primary Health Care” in Alma-Ata das Konzept der Primärversorgung als Schlüssel zur Erreichung der zuvor definierten Gesundheitsziele. Definiert wird die Primärversorgung durch die WHO (1978) folgend: „Unter primärer Gesundheitsver- sorgung ist eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu verstehen, die auf prakti- schen, wissenschaftlich fundierten und sozial akzeptablen Methoden und Technolo- gien basiert und die für Einzelpersonen und Familien in der Gesellschaft durch deren vollständige Beteiligung im Geiste von Eigenverantwortung und Selbstbestimmung zu für die Gesellschaft und das Land in jeder Phase ihrer Entwicklung bezahlbaren Kosten flächendeckend bereitgestellt wird. Sie bildet einen integralen Bestandteil sowohl im Gesundheitssystem eines Landes, dessen zentrale Aufgabe und haupt- sächlichen Schwerpunkt sie darstellt, als auch in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Bevölkerung insgesamt. Sie ist die erste Ebene, auf der Einzelper- sonen, Familien und die Gemeinschaft in Kontakt mit dem nationalen Gesundheits- system treten, so dass die Gesundheitsversorgung so nahe wie möglich an Wohnort und Arbeitsplatz der Menschen gerückt wird, und stellt das erste Element eines kon- tinuierlichen Prozesses der Gesundheitsversorgung dar.“

Im Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz § 3 Z 7 wird die Primärversorgung als „allge- meine und direkt zugängliche erste Kontaktstelle für alle Menschen mit gesundheitli- chen Problemen im Sinne einer umfassenden Grundversorgung verstanden. Sie soll den Versorgungsprozess koordinieren und gewährleistet ganzheitliche und kontinu- ierliche Betreuung. Sie berücksichtigt auch gesellschaftliche Bedingungen.“ Aus die- ser Definition geht nicht hervor, wer die Versorgungsleistungen erbringen soll bzw.

(30)

berechtigt ist. In ausgeprägten Primärversorgungssystemen werden international die Leistungen von multiprofessionellen Teams erbracht (Czypionka & Ulinski, 2014b).

In Österreich ist in der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG Zielsteuerung-Gesundheit Art. 5 Abs.3 Punkt 3 folgendes zu lesen: Der Bereich der Primärversorgung („Primary Health Care“) ist nach internationalem Vorbild auch im niedergelassenen Bereich zu stärken. Seit 2015 wird in Wien von der Wiener Gebietskrankenkasse das erste Ge- sundheitszentrum, nach dem Vorbild eines „Primary Health Care Center“, im Pilot- versuch geführt und weitere folgen 2016. In Österreich soll die Umsetzung der „Pri- mary Health Care Center“ nach den Vorgaben „Das Team rund um den Hausarzt“

erfolgen. In der Mitte steht das sogenannte Kernteam, das sich aus Ärztinnen/Ärzten für Allgemeinmedizin, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson(en) und Ordinationsassistentinnen/-assistenten zusammensetzt (Auer M., 2014).

In der folgenden Abbildung sind die Teammitglieder dargestellt, die nach internatio- nalem Vorbild die Primärversorgung erbringen sollen.

Abbildung 5: Primärversorgungsteam

Quelle: Auer, Martin (2014): Das Team rund um den Hausarzt. Konzept zur multiprofessionellen und interdiszipli- nären Primärversorgung in Österreich. Bundesministerium für Gesundheit. S.16

(31)

Das Primärversorgungsteam unterliegt der medizinischen Leitung einer/eines Ärz- tin/Arzt und soll als erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen oder –problemen die- nen. Die Aufgaben des Kernteams sind vor allem Erstkontakt, Erstellung von Be- handlungsplänen, Betreuung oder Übergabe an Mitglieder des Primärversorgungs- teams, Vernetzung mit anderen Versorgungspartnern und Sicherstellung für weitere Versorgungseinrichtungen. Die Primärversorgung kann örtlich unter einem Dach in Form eines Gesundheitszentrums oder als Netzwerk, das vorhandene Einrichtungen miteinander verbindet, organisiert werden (Auer M., 2014).

In einer Reihe von europäischen Ländern fungieren Primärärztinnen/-ärzte als „Ga- tekeeper“. Das heißt, dass die/der Patientin/Patient mit Hilfe der/des Primärärztin/- arztes durch das Gesundheitssystem gelotst wird. In Österreich ist dies durch die freie Arztwahl nicht obligatorisch (Ottendörfer, 2011).

2.3.3 Integrierte Versorgung

Das „Competence Center Integrierte Versorgung“ der österreichischen Sozialversi- cherung definiert den Begriff der „Integrierten Versorgung“ folgend: „Integrierte Ver- sorgung ist […] eine patientenorientierte, kontinuierliche, sektorenübergreifende und/oder interdisziplinäre und nach einem standardisierten Behandlungskonzept ausgerichtete Versorgung“ (Schauppenlehner, o.J., S.7). Unter den Sektoren werden beispielsweise Hausärztinnen/-ärzte, Fachärztinnen/-ärzte oder Krankenhäuser ver- standen. Diese Versorgungsform versteht sich als umfassend, qualitätsorientiert, ko- operativ, effektiv und zeitgerecht.

Die Versorgung von demenzerkrankten Personen ist durch ihre Multimorbidität, die eine Vielzahl an Arztbesuchen erfordert, und durch die Erkrankung selbst, bedingt durch eine herabgesetzte Adhärenz, besonders herausfordernd. Das „Competence Center Integrierte Versorgung“ und die Wiener Gebietskrankenkasse machen in ih- rem Abschlussbericht „Besser leben mit Demenz“ besonders auf die hohe Anzahl der Schnittstellen in der Versorgung von demenzerkrankten Menschen aufmerksam. Vie- le Probleme ergeben sich aus der Komplexität der Erkrankung und der mangelnden Kooperation und Koordination der Beteiligten (CCIV, 2011).

(32)

Die integrierte Versorgung von demenzerkrankten Menschen ist durch die Vernet- zung der verschiedenen Stellen, die für die Versorgung notwendig sind, ein mögli- cher Weg. Dies fördert und fordert eine hohe Kommunikations- und Kooperationsbe- reitschaft der Leistungserbringer, um eine kontinuierliche Versorgung zu sichern. Im österreichischen „Netzwerk aktiv – besser leben mit Demenz“ übernimmt eine/ein Hausärztin/-arzt oder Fachärztin/-arzt, die in diesem Netzwerk registriert ist, die Ab- klärung und Koordination der Diagnosestellung. Nach Vorliegen der Diagnose kön- nen sich die Betroffenen in dieses Netzwerk einschreiben lassen. Ab diesem Zeit- punkt wird den Demenzerkrankten und deren Angehörigen eine/ein Case Manage- rin/Manager zur Seite gestellt, die/der mit den Betroffenen und den Dienstleistern einen Hilfeplan erstellt. Die/der Ärztin/Arzt die/der für die medizinische Versorgung verantwortlich ist, spricht sich regelmäßig mit der/den Case Managerin/Manager, die/der für den Sozial- und Pflegebereich verantwortlich ist, in Form von Fallbespre- chungen ab, um eine individuelle Betreuung und Versorgung zu ermöglichen (Dorner et al., 2011).

Abbildung 6 stellt das Netzwerk mit den rund um die/den Patientin/Patienten agie- renden Parteien dar.

Abbildung 6: Netzwerk „Integrierte Versorgung“

Quelle: CCIV - Competence Center Integrierte Versorgung. (2011): netzwerk aktiv - besser leben mit demenz.

Abschlussbericht. Wien S.36

(33)

Die Aufgabenbereiche der einzelnen Akteure werden folgend kurz dargestellt.

1. Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin (Hausärztin/-arzt) ist in der Regel ers- te/erster Ansprechpartnerin/-partner für Betroffene und kann nach erfolgtem Screenig die (Früh)diagnostik veranlassen. Weiters wird das Therapiema- nagement in Zusammenarbeit mit Fachärztinnen/-ärzten und anderen Ge- sundheitsberufen wie z.B. Physiotherapie, Gesundheits- und Krankenpflege oder Musiktherapie übernommen. Besonders die Beratung und medizinische Begleitung der Patientinnen/Patienten und deren Angehörige gehören zu den Hauptaufgaben der Hausärztin/des Hausarztes (CCIV, 2011).

2. Fachärztin/Facharzt für Neurologie und/oder Psychiatrie ist für die Abklärung der Demenzdiagnose verantwortlich. Dazu gehört auch die Ursachensuche, um mögliche behandelbare sekundäre Demenzen abzuklären, sowie die De- menztherapie festzulegen (CCIV, 2011). Durch die Multimorbidität der de- menzerkrankten Frauen und Männer bedarf es auch anderer Fachärztin- nen/Fachärzte, wie z.B. Internistinnen/Internisten oder Augenärztin- nen/Augenärzte.

3. Pflegedienste werden von mobilen Pflege- und Betreuungsdiensten, gemäß den Tätigkeiten des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, wahrgenom- men. Durch die häufige Anwesenheit bei den Betroffenen obliegt den Pflege- diensten die Hauptaufgabe der Gewährleistung des kontinuierlichen Informati- onsflusses mit allen Beteiligten und ist weiters für die stadiengerechte Ange- hörigenschulung laufend verantwortlich (CCIV, 2011).

4. Sozialversicherung ist durch das ASVG (Allgemeine Sozialversicherungsge- setz) 1956 geregelt und stellt im Rahmen der Kranken-, Unfall- und Pensions- versicherung Sozialleistungen sicher (SV, 2016).

5. Selbsthilfegruppen - sind direkte Ansprechpartner für Betroffene und ihre Angehörigen. Sie dienen vor allem dem Erfahrungsaustausch und der Einho- lungsmöglichkeit von Informationen (Volkshilfe, 2016).

6. Sozialdienste - Das Leistungsangebot der Sozialdienste besteht z.B. von

"Essen auf Rädern", "Heimhilfe", "Besuchsdienst" bis hin zur qualifizierten Hauskrankenpflege inklusive der Fachsozialbetreuung (BMASK, 2016).

(34)

7. Sachwalterschaft - Übernimmt bestimmte Angelegenheiten eines Menschen mit psychischer Erkrankung oder intellektueller Beeinträchtigung, die jener in der momentanen Situation nicht bewältigen kann (Vertretungsnetz, 2016). Bei demenzerkrankten Personen, die zu Hause leben, sind es häufig finanzielle Angelegenheiten.

8. Ehrenamtliche - unterstützen Angehörige oder auch professionell Pflegende unentgeltlich. Durch den hohen Betreuungsaufwand bei demenzerkrankten Menschen können sie eine enorme Entlastung darstellen (BMFSFJ, 2016).

9. Krankenanstalten - In Österreich gibt es derzeit insgesamt 275 stationäre und tagesklinische Krankenanstalten (BMG, 2016).

10. Gedächtnisambulanz/Memory-Klinik führt Abklärung, Beratung, Therapie- einleitung und das Monitoring von Patientinnen/Patienten ambulant oder stati- onär durch (Salk, 2016). Übernimmt somit ähnliche Aufgaben wie die/der Fachärztin/Facharzt für Psychiatrie oder/und Neurologie.

11. Beratungsstellen - In Österreich gibt es spezielle Alzheimer- Beratungsstellen, die von diversen Organisationen geführt werden. Das Bun- desministerium für Gesundheit bietet durch das Pflegetelefon Beratung für Pflegende an. Weiters stehen zentrale Beratungsstellen und Patientinnen- /Patientenanwaltschaften für Auskünfte zur Verfügung (Alzheimer Austria, 2016).

Die Umsetzung der integrierten Versorgung von demenzerkrankten Menschen beginnt in Österreich sich zunehmend zu etabliern.

2.3.4 ACSC – Ambulatory Care Sensitive Conditions

Unter ACSC versteht man eine Reihe von Krankheitskomplexen, die bei entspre- chender extramuraler Versorgung nicht unbedingt in einem Krankenhaus behandelt werden müssen. Das Konzept Ambulatory Care Sensitive Conditions (ACSC) wurde von Weissmann et al. 1992 in den USA entwickelt, um mögliche Unterschiede in den Krankenhausaufnahmen von krankenversicherten und nicht krankenversicherten Amerikanern zu untersuchen. In der Folge wurde es als Qualitätskontrollinstrument zur Überprüfung der Primärversorgung in unterschiedlichen Ländern verwendet, denn durch eine rechtzeitige und effektive Primärversorgung lassen sich Kranken-

(35)

hausaufenthalte potenziell vermeiden (Czypionka et al., 2014a). Bei den ACSC han- delt es sich somit um Erkrankungen, die durch Primärprävention, einer rechtzeitigen Diagnostik und Behandlung, sowie durch eine kontinuierliche Betreuung, Komplikati- onen und Krankheitsfolgen verhindern können. Dadurch können Krankenhausauf- enthalte vermieden werden (Jorm et al., 2012). In dieser Arbeit wurden ACSC ver- wendet, um intra- und extramurale Maßnahmen zu potenziell vermeidbaren Kran- kenhausaufnahmen zu identifizieren. Im Wesentlichen werden die ACSC in drei Krankheitsgruppen nach Jorm et al. (2012) geteilt:

1. Impfpräventive ACSC – durch die Präventionsmaßnahme „Impfung“ kann die Krankheit (z.B. Influenza, Pneumonie) vermieden werden und somit ist mög- licherweise kein Krankenhausaufenthalt notwendig.

2. Akute ACSC – akute Krankheitszustände, die durch eine entsprechende früh- zeitige Primärversorgung einen Krankenhausaufenthalt nicht nötig macht (z.B.

Nierenbeckenentzündung, HNO-Infektionen, Zahnbeschwerden).

3. Chronische ACSC – chronische Krankheitszustände, die durch eine laufende umfassende Primärversorgung zu weniger Krankenhausaufenthalten führen (z.B. Asthma bronchiale, Diabetes mellitus, Hypertonie, COPD).

In der internationalen Literatur werden 36 Diagnosen aus dem ICD-10-Codes be- schrieben, die nicht unbedingt einer stationären Behandlung bedürfen. Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit stellte die Arbeitsgruppe für medizinische Themen der Gesundheit Österreich GmbH zwölf für Österreich relevante Diagnosen zusammen. Dies sind: Diabetes mellitus mit Komplikationen, Hypertonie, Rücken- schmerzen, Asthma bronchiale – COPD - Emphysem, Dehydratation und Gastroen- teritis, Herzinsuffizienz, Erkrankungen der Atemwege, Dekubitus und Ulcus der Haut, Angina Pectoris, Grippe und Pneumonie, Osteoporose, HNO-Erkrankungen und In- fektionen. Mit diesen Diagnosen werden in Österreich ca. 250.000 stationäre Kran- kenhausaufenthalte pro Jahr verbunden (BMG, 2015).

(36)

2.4 Verwendete Literatur

Die gefundenen Studien sind folgend nach den Hauptthemen gegliedert und darge- stellt.

2.3.1 Studien zur Krankenhausaufnahmehäufigkeit und Aufnahmeursache

Jahr Journal Autor Titel Studiendesign/Setting

2015 Universität Wien, Institut für Pflegewis- senschaft

Mayer H. et al.

Kognitive Beeinträch- tigungen bei älteren PatientInnen im Akut- krankenhaus

Multizentrische Prävalenz- studie über drei Wochen Fünf teilnehmende Kran- kenhäuser in Wien. 1.376 Patientinnen/Patienten über 65 Jahren wurden gescreent/Österreich 2014 BMC Geriatrics

14:95

Amador S. et al.

Emergency ambu- lance service in- volvement with resi- dential care homes in the support of older people with dementia:

an observational study

Langzeitstudie über ein Jahr

133 Demenzerkrankte in sechs Altenheimen /England

2014 J Gen Intern Med

29(11):1451- 1459

Ennis S.K. et al.

Association of Living Alone and Hospitali- zation Among Com- munity-Dwelling El- ders With and Without Dementia

Retrospektive Längs- schnittstudie über zwei Jahre

2.636 registrierte Perso- nen über 65 mit und ohne Demenz in einem inte- grierten Gesundheitssys- tem/USA

2014 J Gen Intern Med

29(10):1362-71

Davydow D.

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