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4.3.2 Prädiktoren der weiteren Sprachentwicklung bei Late Talkers

4.3.2.3 Prädiktion einer sprachlichen Schwäche mit drei Jahren

Damit wurden zur Testung ihres prädiktiven Wertes in einem Modell folgende Variablen aufgenommen:

- das Sprachverständnis für Wörter, repräsentiert durch den SETK-2 Untertest VI, - der Schulabschluss der Mutter,

- der nonverbale Entwicklungsstand, repräsentiert durch die Skala Perzeption der MFED, - externalisierendes Problemverhalten, bestimmt über die CBCL 1½ - 5.

Das allgemeine lineare Modell zur Testung von Einflüssen metrischer und kategorialer Vari-ablen ergab, dass alle einbezogenen VariVari-ablen einen signifikanten und eigenständigen Beitrag zu Erklärung des Sprachentwicklungsstandes mit drei Jahren leisten (s. Tab. 40).

Tab. 40: Allgemeines lineares Modell zur Erklärung der mittleren SETK 3-5 T-Werte

Varianzquelle df F Sign.

SETK-2 VI 1 6,998 ,011

MFED P 1 5,050 ,030

CBCL External 1 4,949 ,031

Abschluss Mutter 2 5,493 ,007

Die erreichte Varianzaufklärung beträgt ,528 (R2), d.h. die Varianz der mittleren SETK 3-5 Werte erklärt sich zu ca. 53 % aus den Variablen Schulabschluss der Mutter, Verständnis für Wörter, dem nonverbalen Entwicklungstand und externalisierendem Problemverhalten.

Tab. 41: Ergebnisse der Regressionsanalysen und Chi2-Tests für die Vorhersage einer Sprachschwäche (ehemalige Late Talkers)

Metrische Einflussgrößen – Ergebnis der

logistischen Regression Kategoriale Einflussgrößen – Ergebnis des Chi2-Tests

Variable Sign. Exp (B) Variable Chi2 df Sign.

ELFRA-2 Wortschatz ,327 1,018 Geschlecht ,128 1 ,720

SETK-2 VI ,023 ,911 Geschwisteranzahl ,720 2 ,698

SETK-2 VII ,101 ,951 Geschwisterstatus ,958 2 ,619

SETK-2 PI ,355 1,069 Abschluss Mutter 11,260 2 ,004

SETK-2 PII ,728 ,965 Abschluss Vater 7,338 2 ,026

MFED HG ,376 ,904 Familienanamnese Vater 2,653 1 ,103

MFED P ,013 ,641 Feinmotorik ,100 1 ,752

CBCL Internal ,437 1,025 Mundmotorik 1,673 1 ,196

CBCL External ,016 1,127 Psypath.: Kontakt ,083 1 ,773

TTS wahrg.

Schwierig-keit ,893 1,014 Psypath.: emot. Resonanz 2,496 2 ,287

TTS Annäherung ,440 ,789 Psypath.: ausdauernd 4,956 1 ,026

TTS Anpassung ,227 1,724 Psypath.: zögerlich 1,626 1 ,202

Psypath.: Frustrationstol. 1,148 2 ,563

TTS Temperament ,019 2 ,990

Anmerkung: abhängige Variable = Diagnose einer Sprachschwäche (SETK 3-5 T-wert kleiner/gleich 40), Exp (B) <

1 = Wahrscheinlichkeit für Unauffälligkeit erhöht, Exp (B) > 1 = Wahrscheinlichkeit für Auffälligkeit erhöht, wenn unabhängige Variable größeren Wert annimmt

Aus den Berechnungen ergibt sich, dass höhere Werte im Sprachverständnis, ein höheres Entwicklungsalter, niedrige Werte für externalisierendes Problemverhalten, eine höhere Schul-bildung der Mutter wie auch des Vaters sowie im psychopathologischen Befund eingeschätztes ausdauerndes Verhalten mit einer größeren Wahrscheinlichkeit für Unauffälligkeit ein Jahr später einhergehen (s. Tab. 41). Im Alter von zwei Jahren erhobene sprachproduktive Werte spielen für die Vorhersage einer sprachlichen Auffälligkeit im Sinne einer mindestens vorliegenden Schwäche innerhalb der Gruppe der Late Talkers keine Rolle. So ist beispielsweise die Anzahl der gesprochenen Wörter im Elternfragebogen (ELFRA-2 Wortschatz) nicht bestimmend dafür, wer sprachliche Rückstände aufholt oder wer als dauerhaft schwach zu bewerten ist. Die Wirkung der eben genannten Einflussfaktoren lässt sich grafisch anhand von Risikokurven in den Abb. 21

und 22 verdeutlichen. Jeder Punkt innerhalb der Diagramme steht für eine Beobachtung. Die Kurve entspricht den vom logistischen Regressionsmodell bestimmten Wahrscheinlichkeiten für eine Sprachauffälligkeit. Für jeden Testwert des Sprachverständnisses für Wörter des SETK-2 in Abb. 21 bspw. kann abgelesen werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, ein Jahr später immer noch sprachlich auffällig (d. h. mindestens schwach) zu sein.

Abb. 21: Wahrscheinlichkeit für Auffälligkeit mit drei Jahren für verschiedene SETK-2 VI Werte (ehemalige Late Talkers)

70 60

50 40

30

20 SETK-2 VI T-Wert

1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

Wahrscheinlichkeit für Auffälligkeit

Anmerkung: Jeder Punkt im Diagramm steht für eine oder mehrere Beobachtungen. Die Kurve entspricht den vom logistischen Regressionsmodell bestimmten Wahrscheinlichkeiten für Auffälligkeit.

Abb. 22: Wahrscheinlichkeit für Auffälligkeit für verschiedene CBCL 1½ - 5 T-Werte der Skala „externalisierendes Verhalten“ (ehemalige Late Talkers)

70 60

50

40 CBCL External T-Wert

1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3

Wahrscheinlichkeit für Auffälligkeit

Anmerkung: Jeder Punkt im Diagramm steht für eine oder mehrere Beobachtungen. Die Kurve entspricht den vom logistischen Regressionsmodell bestimmten Wahrscheinlichkeiten für Auffälligkeit.

Der prädiktive Einfluss der kategorialen Variable „Schulbildung der Mutter“ lässt sich anhand des Balkendiagramms in Abb. 23 veranschaulichen. In der Gruppe der Late Talkers mit Müt-tern, die den Schulabschluss „Abitur“ haben, ist die Wahrscheinlichkeit am größten, ein Jahr später sprachlich völlig unauffällig zu sein. Mehr als die Hälfte der Kinder erfüllt nicht mehr die Kriterien einer Sprachauffälligkeit. In den Gruppen mit den Schulabschlüssen „Realschule“

und „Hauptschule“ sind dagegen mit drei Jahren deutlich mehr Kinder sprachlich schwach als unauffällig (80 % bzw. 93 %), wobei die Unterschiede zwischen diesen beiden Schulabschlüssen nicht signifikant ausfallen.

Abb. 23: sprachliche Schwäche mit drei Jahren in Abhängigkeit vom Schulabschluss der Mutter (ehemalige Late Talkers)

20 7

56

80 93

44

0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

Hauptschule Realschule Abitur

mind. sprachlich schwach unauffällig

Anmerkung: abgetragen sind prozentuale Häufigkeiten, mindestens sprachlich schwach = „mind. ein T-Wert klei-ner/gleich 40“ , unauffällig = „alle T-Werte über 40“

Prädiktionsmodell für die Diagnose „sprachliche Schwäche“ mit drei Jahren

Die im Einzelvergleich als signifikante Prädiktoren identifizierten Variablen gleichen weitest-gehend den für die Vorhersage des Sprachniveaus signifikanten Einflüssen. Damit entsprechen die für die Modellberechnung zu beachtenden Abhängigkeiten zwischen den möglichen Prädiktoren denjenigen aus Tab. 39. Wie schon im Abschnitt zuvor wird der Schulabschluss des Vaters nicht in die Modellberechnung einbezogen. Die Korrelationen zwischen den CBCL-Werten spielen keine Rolle, da nur der externalisierende Wert im Einzelvergleich eine Vorhersage liefert, der internale dagegen nicht. Die restlichen Variablen korrelieren nur mäßig untereinander. Die subjektive Einschätzung zur Ausdauer der Kinder wurde nicht mit einbezo-gen. Die schrittweise logistische Regression mit der abhängigen Variable „sprachlich schwach“

oder „unauffällig“ im SETK 3-5 ergab insgesamt ein Modell, das eine richtige Klassifizierung in auffällig oder unauffällig in 80 % der Fälle zulässt (s. Tab. 42). Der Parameter Nagelkerkes R2 von ,546 entspricht in etwa der Varianzaufklärung bei einer linearen Varianzanalyse. Die Sensitivität des Modells kann mit 85 % angegeben werden, die Spezifität mit 71 %. Nacheinander wurden in drei Schritten in das Erklärungsmodell aufgenommen (s. Tab. 43):

- Schulabschluss der Mutter,

- Verständnis für Wörter (SETK-2 VI),

- Externalisierendes Problemverhalten, erfasst über die CBCL 1½ - 5.

Diese drei Variablen sind somit als signifikante Prädiktoren ausgewiesen. Ein niedrigerer Schulabschluss der Mutter, ein schlechtes Verständnis für Wörter sowie externalisierendes Problemverhalten stehen bei einem Late Talker im Zusammenhang mit einer ungünstigeren Prognose. Die Wahrscheinlichkeit, mindestens eine sprachliche Schwäche im Alter von drei Jahren aufzuweisen, ist bei dieser Variablenkonstellation erhöht. Zur Prädiktion einer sprach-lichen Schwäche trägt das mit der MFED erfasste nonverbale Entwicklungsalter dagegen keinen zusätzlichen Erklärungswert bei.

Tab. 42: Klassifizierungstabelle der logistischen Regression nach drei Schritten (ehemalige Late Talkers) Vorhergesagt – SETK 3-5 T-Wert

Beobachtet – SETK 3-5 T-Wert alle T-Werte über

40 mind. ein T-Wert

klei-ner/gleich 40 Prozentsatz der Richtigen

alle T-Werte über 40 12 5 70,6

(Spezifität) mind. ein T-Wert kleiner/gleich

40 5 28 84,8

(Sensitivität)

Gesamtprozentsatz 80,0

Anmerkung: mind. ein T-Wert kleiner/gleich 40 = mindestens sprachlich schwach, alle T-Werte über 40 = unauffällig

Tab. 43: Vorhersagemodell der logistischen Regression nach drei Schritten

df Sign. Exp(B)

Schritt 3 Schulabschluss der Mutter 2 ,021 Abschluss = 1: 1,543 Abschluss = 2: 36,728

SETK-2 VI 1 ,024 ,871

CBCL External 1 ,036 1,150

Anmerkung: Schulabschluss = 1: Hauptschule, Schulabschluss = 2: Realschule, sonst: Abitur