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Die Plazenta – Funktion und evolutive Aspekte der Plazentaentwicklung.98

4. Diskussion

4.1 Die Plazenta – Funktion und evolutive Aspekte der Plazentaentwicklung.98

Die Plazenta ist ein evolutionsbiologisch sehr junges Organ, welches als physiologische Verbindung zwischen zwei Individuen die Viviparie ermöglicht.

Entsprechend vielfältig sind die Funktionen der Plazenta. Sie bewerkstelligt den Nährstofftransport, vermittelt den Gasaustausch und ermöglicht die Blutversorgung des Embryos. Die Plazenta kommuniziert aber auch mit dem maternalen Metabolismus, beeinflußt die Funktionen und das Wachstums des Ovars und steuert die Blutversorgung des Uterus (Cross, 2000). Ebenso vielfältig wie ihre Funktionen sind die strukturellen Unterschiede der Plazenta zwischen den verschiedenen Spezies. Allerdings besteht in der Evolution der Plazentatiere ein eindeutiger entwicklungsbiologischer Trend hin zur Reduktion der Zellschichten, welche den fötalen und maternalen Blutkreislauf voneinander trennen (Wooding & Flint, 1994). So gesehen nimmt die Plazenta beim Menschen und bei den Nagetieren die höchste Entwicklungsstufe ein, denn hier tritt das maternale Blut in direkten Kontakt mit dem Trophoblasten des Fötus.

Aufgrund dieser evolutiven Gemeinsamkeit ist die Maus ein geeignetes Modell, um die molekularbiologischen Grundlagen der Plazentaentwicklung zu verstehen und die gewonnenen Kenntnisse auf das humane System zu übertragen (Cross, 2000).

konditionale AP-2γ-Allel inaktiviert und so den gewebespezifischen Phänotyp induziert.

4.1.1 Aufbau der Plazenta – Die Trophopblastensubpopulationen

Die Entstehung der Trophoblastenzellinien ist der erste Differenzierungsprozess in der Säugetierentwicklung. Diese Zellen vermitteln die Implantation und bilden die meisten extraembryonalen Gewebe. In der frühen Embryonalentwicklung der Maus existieren drei Trophoblastensublinien. Erstens die primären und sekundären Riesenzellen, welche den Embryo umschließen und sich in direktem Kontakt mit der maternalen Dezidua befinden.

Zweitens die Trophoblastenpopulation des ektoplazentalen Konus. Drittens die ektodermale Zellschicht des Chorions oder auch extraembryonales Ektoderm -eine totipotente Stammzellpopulation mit uneingeschränktem Differenzierungspotential (Tanaka et al., 1998).

Bei den primären Riesenzellen handelt es sich um zunächst diploide Zellen, die in den Uterus einwandern und am Aufbau der Embryonalhöhle beteiligt sind.

Während der Schwangerschaft bilden die Trophoblastenzellen des Chorions zusammen mit dem extraembryonalen Mesoderm der Allantois eine stark verzweigte Struktur, das sogenannte Labyrinth. Im Mesoderm entstehen Blutgefäße, die ein dichtes Kapillarnetz zwischen Fötus und Plazenta aufbauen und die Blutversorgung sicherstellen. Aus dem ektoplazentalen Konus entwickelt sich zwischen der Labyrinthzone und der Dezidua der Spongiotrophoblast, und die sekundären Riesenzellen migrieren von proximal nach distal und umschließen, wie die primären Riesenzellen, den Embryo. Die nun voll entwickelte Plazenta bleibt bis zum Ende der Schwangerschaft erhalten (Cross, 2000).

4.1.2 Funktion der Riesenzellen

Die polyploiden Riesenzellen verhindern eine maternale Immunreaktion gegen den Konzeptus und unterstützen die Versorgung des Embryos mit maternalem Blut, indem sie eine Reihe verschiedener Zytokine exprimieren, welche die Angiogenese fördern und vasodilatorische Wirkung besitzen (Cross, 2000). Die basischen Helix-Loop-Helix Transkriptionsfaktoren Hand1 und Mash2

übernehmen bei den Differenzierungsprozessen der Riesenzellen antagonistische Funktionen. Während Mash2 die Differenzierung der Riesenzellen inhibiert und gleichzeitig die Proliferation stimuliert (Guillemot et al., 1994), fördert Hand1 die Differenzierung der Riesenzellen (Riley et al., 1998; Scott et al., 2000). Dabei inhibiert Hand1 die Aktivität von Mash2 auf indirektem Weg (Scott et al., 2000).

Neben den bHLH-Transkriptionsfaktoren gibt es noch weitere Transkriptionsfaktoren, welche die Differenzierungsprozesse der Riesenzellen steuern. Andere Gene wie Gata2/Gata3 regulieren die Riesenzellenhormone Proliferin und das plazentale Laktogen I (Ma et al., 1997).

4.1.3 Die Entstehung des Labyrinths

Wie bei vielen anderen Geweben auch, spielt bei der Entwicklung der Plazenta die konzertierte Interaktion verschiedener Zellinien eine grundlegende Rolle. So fusionieren die Allantois und das Chorion zur Chorioallantois und entwickeln sich koordiniert weiter (vgl. Abb. 4.1).

Riesenzellen Labyrinth-bildung (verändert nach Anson-Cartwright, 2000).

A: Die Allantois wächst in Richtung des Chorions aus.

B: Die Allantois lagert sich an das Chorion an, wächst weiter und drückt das Chorion an den ektoplazentalen Konus, so daß die ektoplazentale Höhle verschwindet.

C. Bildung der Labyrinthanlage durch Fusion von Chorion und Allantois

D: Bildung des Labyrinths durch Verzweigung der Allantois und Vaskularisierung.

Deshalb führen Defekte in einem der beiden Komponenten zu einer Fehlregulation des Fusionsprozesses. So verursachen Mutationen in den Genen itga4 (Yang et al., 1995) fgfr2 (Xu et al., 1998) und mrj (Hunter et al., 1999) Defekte im Chorion, während Vcam1 (Kwee et al., 1995; Gurtner et al., 1995), Brachyury (Glueksohn-Shoenheimer, 1944) und lim1 (Shawlot & Behringer, 1995) für die Entwicklung der Allantois wichtig sind.

An der Entstehung des Labyrinths ist eine Vielzahl verschiedener Gene beteiligt. Die Funktionen und Wechselwirkungen dieser Gene in einem so komplexen Gewebe wie dem Labyrinth, das ein Produkt aus Trophoblastenzellen, Mesoderm, Blutgefäßen und Gefäßderivaten darstellt, sind weitgehend ungeklärt. Klar scheint allerdings zu sein, daß die wichtigsten morphogenen Prozesse durch die Trophoblastenzellen gesteuert werden.

4.1.4 Initiation der Morphogenese der Chorioallantois

Das Mesoderm der Allantois und die sich darin entwickelnden Blutgefäße wachsen in das Chorion ein. Dieser Prozeß wird durch den Transkriptionsfaktor Gcm1 gesteuert. Hohe Gcm1-Konzentration an definierten Stellen des Chorions (zu diesem Zeitpunkt der Entwicklung auch als Chorionplatte bezeichnet) initiieren die Einfaltung des Chorions und das Einwachsen der Allantois (Anson-Cartwright et al., 2000). Gcm1 wird nur so lange exprimiert, wie sich das Labyrinth durch wiederholte Verzweigung vergrößert (Basyuk et al., 1999).

4.1.5 Oberflächenvergrößerung der Chorioallantois.

Während Gcm1die Morphogenese der Chorioallantois reguliert, steuern andere Gene das Größenwachstum des Labyrinths, darunter Transkriptionsfaktoren, Adhäsionsmoleküle und unterschiedliche Komponenten von Signaltransduktionskaskaden Labyrinths (Hemberger & Cross, 2001). Ein häufig beobachteter Phänotyp bei verschiedenen Mutanten ist ein unterentwickeltes Labyrinth. Genaue Studien dieser Phänotypen bestätigten die postulierten Signalkaskaden, die bislang meist auf biochemischen Daten beruhten. So spielt

die Aktivierung des Ras/MAP- Kinase-Signalweges durch die Rezeptor Tyrosin Kinasen (RTK) bei der Entwicklung des Labyrinths eine wichtige Rolle.

Mutationen in diesen Rezeptoren führen zur Ausbildung eines zu kleinen Labyrinths (Hemberger & Cross, 2001).

4.1.6 Vaskularisierung des Labyrinths

Das Wachstum der Blutgefäße scheint durch Signale des Trophoblasten gesteuert zu werden. Die Signale sind weitgehend unbekannt, man hat jedoch gezeigt, daß Esx1, welches ausschließlich in den Trophoblastenzellen des Labyrinths exprimiert wird, bei diesen Prozessen eine zentrale Funktion übernimmt. Die Esx1-Nullmutante bildet ein vergrößertes Labyrinth, in dem eine verringerte Zahl von Blutgefäßen beobachtet wird (Li & Behringer, 1998).

4.1.7 Aufgabe des Labyrinths beim Nährstofftransport

Es gibt viele Mutanten, die anatomische Defekte bei der Plazentabildung zeigen, allerdings nur wenige, die einen spezifischen Defekt beim Nährstofftransport entwickeln. Bei der Esx1-Mutante wurde eine gestörte Nährstoffaufnahme nachgewiesen und als Folge davon ein retardiertes Größenwachstum des Fötus beobachtet (Li & Behringer, 1998). Ein weiteres für die Nährstoffversorgung wichtiges Gen ist Connexin 26 (Cx26), ein Protein der Kommunikationskontakte („Gap junctions“). Cx26-defiziente Embryonen sind stark wachstumsretardiert und sterben aufgrund eines Defekts im plazentalen Glukosetransport (Gabriel et al., 1998).