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Plakate und Arbeitscharts in diversen Grössen

Im Dokument 2 /2008 (Seite 29-33)

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A t m o s p h ä r e n b a u

Videografisches Coaching im Kunstunterricht

Auf der Grundlage des systemischen Coachings entwirft die Autorin eine selbstreflexive Kommunikationsform mit der Videokamera, die Beziehungskommunikation für professionelle Unterrichtskommunikation als Videokom-munikation erschliesst. Ihr Handlungsfeld ist dabei der Kunstunterricht an einer Hauptschule.

Die Anforderungen der Gesellschaft an Lehrer sind im Wandel. Wie andere Organisationen auch, benötigt Schule ein Modell, das über die Eigenart ihrer Organisation infor-miert. Eine der Leistungen eines solchen Modells wäre es, Möglichkeiten der Selbstbeobachtung freizusetzen und da-für geeignete Professionalisierungswege anzubieten.1 Kontext Unterrichtsentwicklung

Ein solches Lernfeld stellt beispielhaft folgende Fragen:

Wie sieht das Navigationssystem für unterrichtliche Kom-munikation aus? Verfügt die Lehrperson über Kriterien für diese professionelle Beobachtungsaufgabe? Wie lassen sich Steuerung und Selbstorganisation von Lernprozessen mit-einander verbinden?

Auf der Grundlage systemischen Coachings entwerfe ich eine selbstreflexive Kommunikationsform mit der Vi-deokamera, die Beziehungskommunikation für professio-nelle Unterrichtskommunikation als «Videokommunikatio-nen» erschliesst. Mein Handlungsfeld ist Kunstunterricht an einer Hauptschule. Die entworfene Methode ist an an-dere Text-Bild-Kontexte anschlussfähig2, denkbar sind alle kommunikativen Situationen in Lehrer-Schüler-Interaktio-nen, auch ausserhalb des Kunstunterrichts. Als Design selbstregulativer Kommunikationstechniken bietet sie die Möglichkeit, Praxis in dem Sinne zu professionalisieren, in dem sich die Fähigkeit zur reflektierten Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung öffnet.

Forschungsfragen

In der forschenden Perspektive eines systemischen Coa-chings erscheinen Kooperation und Beziehungsbildung als Hauptverfahren gelingender Kommunikation. Im Coa-chinggespräch geht es darum, Kooperationsprinzipien der Wertschätzung der «Wirklichkeit» des Gesprächsteilneh-mers nutzbar zu machen.

Für den (Kunst) Unterricht eröffnet sich die Frage, ob eine coachingorientierte Beziehungsgestaltung ästhetische Strukturierungen enthält und welche kommunikativen Kon-sequenzen sich daraus ergeben. Meine Leitfragen sind:

1. Wie hat ästhetische Arbeit in der Schule Teil am Wissen von kooperativen Atmosphären?

2. Wie entstehen Bilder in Kooperationsprozessen?

Methode

Mein Untersuchungsfeld ist eine reflexive Beobachtung von ästhetischen Kommunikationen im Rahmen von vi-deografischen Unterrichtsgesprächen mit Hauptschülern.

Methodisch knüpfe ich an die Verfahren Coaching, Hand-lungsforschung und Qualitative Inhaltsanalyse von Video-aufnahmen an.

Das zugrundeliegende, systemisch-konstruktivisti-sche Coachingkonzept des Kieler Modells wird als Methode zur Erforschung unterrichtlicher Kommunikationspraxis genutzt. Systemisches Coaching organisiert sich als Ge-sprächsgestaltung zweiter Ordnung, d.h. die Gesprächsge-stalterin versteht sich als Teil der Welt, die sie beobachtet und berücksichtigt, dass die Fragen, die sie stellt, bereits mögliche Antworten enthalten. Grundlage ist die Idee der Zirkularität, in der eine strikte Trennung von Subjekt und Objekt, Beobachter und Beobachtetem verwischt und un-scharf wird. Das Konzept des Selbst wird auf eine dynami-sche Weise gedeutet, die das Moment der Zirkularität be-tont: Als Konsequenz erscheint das Selbst nicht als etwas Statisches oder Festes, sondern wird permanent und im-mer wieder erzeugt (v. Foerster 2006)3.

Im Bereich der Handlungsforschung (action research) entspreche ich damit einem kommunikativen Wissensbe-griff, der auf Wissenskonstruktion im Diskurs zielt.

Qualitative Inhaltanalyse von Videoaufnahmen

Das Forschungssetting sieht eine dialogisch-interaktive Ge-staltung von Videomaterial vor. Zur Entwicklung eines Auswertungsschemas orientiere ich mich an Grundprinzi-pien der Qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2003)4. Die Auswahl der Stichprobe erfolgt unter Gesichtspunkten der kooperativen Bildgestaltung, anschlussfähige Beobach-tungskategorien finden sich in Gilligans Untersuchungen zur therapeutischen Kooperation (Gilligan 1998).

Videokonversationen als intensive Zirkularität

Die Erzeugung kommunikativer Prozesse durch prozessua-les, filmisches Begleiten nenne ich Videokonversationen.

Ich beziehe mich dabei auf den Begriff des «Kon-versie-rens» von Maturana, mit dem er ein Sich-Miteinander-Dre-hen-Und-Wenden bezeichnet, welches Voraussetzung ist, Von Anne Krefting

Malerin und Kunstpädagogin. Seit 2008 ist sie als Professo-rin für Theorie (Faculty of Sciences & Applied Arts) an der German University in Kairo (GUC) tätig.

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um Kommunikation überhaupt erst entstehen zu lassen (Maturana 2000)5. Im Prozess des Filmens werden die Kommunikationspartner ästhetisch im virtuellen Raum zu einer zirkulären Struktur, in die sich die Teilnehmer/innen in die jeweiligen Videobilder einschreiben.

Das Interface als imaginäres Interaktionsfeld

Im Interface der Videokamera wird die Aufmerksamkeit ge-steigert, das Sprechen verlangsamt, die Kommunikation intensiv und bedeutungsvoll, die eigene Aufmerksamkeit mit der der Teilnehmer/innen synchronisiert. Das Interface beobachte ich als Schnittstelle, die kommunikative Mög-lichkeiten eröffnet. Ich lehne mich dabei an die systemi-sche Auffassung von Khazaeli6 an, der handlungsorien-tierte Interfaces für Benutzeroberflächen exploriert. Die Verbindung von Kamera, Modellbauten und Handlungen und Sprache werden in diesen Realräumen als greifbare Benutzerschnittstellen erprobt. In den Videokonversatio-nen wird eine kommunikative Steuerungsinformation er-zeugt. Repräsentation und Interaktion finden auf einer gemeinsamen Ebene statt.

Interaktion als Ästhetische Erfahrung

Ich folge den Kriterien einer Ästhetischen Erfahrung von Dewey und den Kooperationsideen der Ericksonschen Hyp-notherapie7. Interaktionen werden als ein Modell für die Konstruktion von Erlebniswirklichkeiten realisiert, als das Erleben absorbierende Sequenzen, als Beziehung, die Deu-tungen hervorruft, als Erfahrungsprozess, der die Aufmerk-samkeit fesselt, Orientierungen spiegelt und erweitert.

Das kommunikative Geschehen wird zweifach pers-pektiviert: Als Unterrichtende fasse ich alle Gestaltungs-handlungen als Unterscheidungen auf, als Forschende un-tersuche ich Gesprächsumgebungen als Methoden der Koo-peration in interaktionistischer Bildgestaltung im Hinblick auf die Kategorien «sprachliches pacing», «sprachliches leading», «bildnerisches pacing», «bildnerisches leading», Interaktion Text/Bild.

Rapport bezeichnet den gelingenden Aufbau einer tragfähigen Beziehung, welche Voraussetzung für Coa-chinggespräche ist. Mit Ressource ist im systemischen Dis-kurs die jedem Menschen eigene Fähigkeit zur Selbstorga-nisation gemeint. Leading (Führen) und Pacing (Folgen) sind der Hypnotherapie8 entnommene Verfahren zum pro-fessionellen Beziehungsaufbau (= Rapport).

Ausschnitt. Fallstudie: Drinnen ist Draussen. Videokon-versation in einer 5. Klasse der Wilhelm Busch Haupt-schule, Wesseling (bei Köln)

Das Setting

Die videografischen Bilder entstehen als kooperative Ent-scheidungen im Prozess des Konversierens.

Dem Setting der Videokonversation ging die Aufgabe voraus, ein «verkehrtes» Verhältnis von Innen- und Aus-senräumen zu erkunden. Der Impuls «drinnen = draussen»

wurde in Schachteln mit farbigen Papieren, mitgebrachten Gegenständen und Materialien, Wasserfarben zu Raummo-dellen entwickelt. Das Thema einer (Unter-)Wasserwelt wurde von der Schülerin individuell gewählt und mit dem Titel «Ocean Wave» bereits sprachlich gedeutet.

Das folgende Transskript ist ein Ausschnitt aus einer längeren Videosequenz. Die Lehrerperson ist im folgenden Gespräch «L», die Teilnehmerin «T».

Transkript: Ocean Wave

L. erfragt die gewünschte An-fangseinstellung, um Rapport herzustellen und Ressourcen aufzubauen. T. legt eine hän-gende Figur in der Modellmitte fest. Bild (Abb. 1) zeigt in der linken Hälfte Figur auf Surf-brett, die an einem Faden hängt und rechts davon eine aus Karton geschnittene, farbige Sonne mit Strahlen und Gesicht. Im Hintergrund sind differenziert horizontal struk-turierte helle und dunkle Blautöne mit weissen Streifen, darauf gelbe und hellblaue Fischformen. […]

L: Und die [Surferfigur, A.K .] ist ja genau so nah an der Sonne wie an den Wellen, oder?

T: Ja.

L: Und was müsste ich mir jetzt als nächstes angucken auf deinem Bild?

T: Unten zum Strand.

L. folgt der Deutung der Teilnehmerin und fährt mit der Kamera nach unten. Bild (ohne Abb.) zeigt Wellen, Fische (non-verbales Pacing).

T: Wir gehen runter zum Strand. Oh wenn ich zum Strand gehe, komme ich ja erst mal an ganz vielen Fischen vor-bei. Oh, was ist das für einer?

L. suggeriert, sich im Modell zu befinden und bringt eige-ne Wahreige-nehmung mit ein. L. führt, indem sie an eieige-nem aus blauem Karton geschnittenen Fisch die Kamera an-hält, um die Besonderheit hervorzuheben, mit Wertschät-zung zu unterstützen und zu erweitern (verbales Leading).

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Bild (Abb. 2) zeigt Fisch, der diagonal an einem Faden über dem Boden mit aus grünem Karton geschnittenen Pflanzen hängt (non-verbales Leading).

T: Das ist ein Hai.

L: Ist der gefährlich oder freundlich?

T: Gefährlich.

L: Erzähl.

T: (zögert) Der könnte beissen.

L: Zum Beispiel. Frisst der die kleinen Fische dahinten?

T: Hm, hm.

L: Wo sollen wir jetzt hingehen?

L. suggeriert weiter, sich mitten in dem Modell zu befin-den, um Aufmerksamkeit zu fesseln.

T: Da unten zu den Muscheln.

L. folgt der Anweisung der Teilnehmerin und fährt weiter nach unten. Bild (Abb. 3) zeigt das Hinterteil des Hais, eine aus Karton geschnittene grüne Pflanzenform unten links, am rechten unteren Bildrand Mu-scheln und eine glänzende Kugel (non-verbales Pacing).

L: Aha, wunderbar. Und was ist das da hinten in der Ecke?

T: Eine Muschel mit einer dicken Perle.

L: Ahhh, das ist ne ganz besondere Perle, die schimmert ja silbrig, oder?

T: Hmm.

L. betont die Besonderheiten der gestalteten Objekte (ver-bales Pacing) und erfragt die Bedeutung einzelner Details.

L: Hm. Woll’n wir mal jetzt weiter wandern?

T: Ja, da rüber.

L. suggeriert weiterhin mitten im Modell zu sein und folgt dem Vorschlag der Teilnehmerin und fährt mit der Kamera weiter nach links. Bild (ohne Abb) zeigt blaue Wellen mit metallen schimmernden Partikeln, gelbe und blaue Fische in unterschiedlichen Richtungen in der oberen Hälfte, Mu-schel, Schneckenhaus, blauen Sand, blaue Kugel in der unteren Bildhälfte (non-verbales Pacing).

L: Und was sind da? Da sind auch noch Perlen, oder?

T: Das sind wertvolle Perlen, blaue Perlen.

L. spiegelt die Betonung des Wertvollen und nimmt Verbin-dung damit auf, um einen Er-fahrungsprozess der Wertschät-zung zu unterstützen. Bild (Abb. 4) zeigt blaue Perlen, Mu-schel in der Bildmitte, gelben Fisch vor blauem Hintergrund, blauem Sand in der unte-ren Bildhälfte, ein Schneckenhaus am rechten Bildrand (non-verbales Pacing). […]

Beziehungskommunikation als ästhetischer Prozess Aus der Lehrerperspektive lässt sich kommunikatives Ver-halten als ein unendlicher Prozess des Anbietens, Anneh-mens, Verwertens, Entwerfens oder Neuformulierens von Beziehungsdefinitionen beobachten: Alles Verhalten hat Mitteilungscharakter und ist Kommunikation. Verstanden zu sein bedeutet in diesem Zusammenhang, die eigene Sicht der zwischenmenschlichen Wirklichkeit mit einem anderen zu teilen.

In tragfähigen Beziehungen, in denen Partner weit-gehend stillschweigende Übereinstimmung gefunden ha-ben, verfügen sie über die Metaregeln, Regeln für die Än-derung ihrer Regeln (Watzlawick 2005)9, d.h. sie sind im-stande, aus sich selbst heraus neue Regeln hervorzubrin-gen oder bestehende Regeln zu ändern, um die betreffende Situation zu meistern.

Gesprächsumgebungen als Atmosphären

Kommunikative Atmosphären lassen sich hier als etwas zwischen den Subjekten aufsuchen, das diese Subjekte miterzeugen: eine Intensität des Zwischen, eine Grundlage zwischenmenschlichen Vertrauens, eine schützende Funk-tion für die Entwicklung des Individuums, bei der es um das Sprechen selbst in einer prozessualen Funktion geht.

Als Bezugspunkt eines pragmatischen Ästhetikbe-griffs lässt sich folgender Atmosphärenbegriff für schuli-sche Arbeit nutzen: «Atmosphäre ist die gemeinsame Wirk-lichkeit des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen.

Sie ist die Wirklichkeit des Wahrgenommenen als Sphäre seiner Anwesenheit und die Wirklichkeit des Wahrneh-menden, insofern er, die Atmosphäre spürend, in be-stimmter Weise leiblich anwesend ist.» (Böhme 1995)10

Beobachtet man Lehrer als ästhetische Arbeiter, zielt ihre Praxis darauf, durch Arbeit am Gegenstand Atmos-phären herzustellen. In dem Masse wie es gelingt, diese Umgebungen performativ und kommunikativ als Bereich ästhetischer Wirklichkeit durchsichtig und sprachfähig zu machen, wird Unterricht professioneller Atmosphärenbau.

In diesem Sinne spreche ich von Gesprächsumgebungen

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aus atmosphärischen, d.h. interaktionistischen Gestal-tungselementen.

Indem der Ansatz videografischen Coachings Lehrer-Schüler-Interaktionen als zirkuläre Figur beobachtet, bie-tet er Lehrpersonen die Möglichkeit zur reflektierenden Selbstbeobachtung, die davon ausgeht, dass Lehrer- und Schüleräusserungen interaktionistisch gekoppelt und da-her nicht unabhängig voneinander beobachtbar sind. Die entstehende Selbstreflexivität zielt auf Professionalisie-rung der Lehrerkommunikation durch Bewusstwerdung.

Als gemeinsam konstruierte Wirklichkeit können die koo-perativ entstehenden Videobilder der Gruppe zur Verfü-gung gestellt werden.

Anmerkungen

1 Dirk Baecker: Postheroisches Management. Ein Vademecum, Berlin 1994.

2 Anne Krefting: Coaching als Methode der Handlungsforschung in der Kunstpädagogenbildung, in: BDK Mitteilungen 4/06, S.

31-35.

3 Heinz von Foerster/Bernhard Pörksen: Wahrheit ist die Erfin-dung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker, Heidelberg 2006, S. 94.

4 Philipp Mayring: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, Stuttgart 2007.

5 Humberto R. Maturana: Biologie der Realität, Frankfurt 2000, S. 361-379.

6 Khazaeli, Cyrus, Dominik: Systemisches Design. Intelligente Oberflächen für Information und Interaktion, Reinbeck 2005, S. 230.

7 Stephen G Gilligan: Therapeutische Trance. Das Prinzip der Ko-operation in der Ericksonschen Hypnotherapie, Heidelberg 1998, S. 61.

8 Vgl. dazu: Stephen G Gilligan: Therapeutische Trance. Das Prin-zip der Kooperation in der Ericksonschen Hypnotherapie, Hei-delberg 1998.

9 Paul Watzlawick: Münchhausens Zopf oder Psychotherapie und

«Wirklichkeit», München 2005, S. 32.

10 Gernot Böhme: Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik, Frank-furt 1995, S. 34.

Inserate

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