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Phasenproblem

Im Dokument Vesper 2008 diploma thesis (Seite 10-15)

1.2 Röntgenkristallographie von Proteinen

1.2.2 Phasenproblem

Prinzipiell lieÿe sich die Elektronendichteρdurch Fouriertransformation der Strukturfak-toren F ausrechnen:

Die Elektronendichte ist eine reellwertige Funktion, ihre Fouriertransformierte die Struk-turfaktoren hingegen kann eine komplexwertige Funktion sein:

Fhkl =|Fhkl|eiφhkl. (1.1)

Die in der Röntgenkristallographie verwendeten Strahlungsmessgeräte registrieren ledig-lich die Intensität der Strahlung. Weitere Charakteristika elektromagnetischer Wellen wie

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Phasen und Polarisationen gehen verloren. Die Intensität ist proportional zum Betrags-quadrat des Strukturfaktors

I(h,k,l)∝

|Fhkl|eiφhkl

2=|Fhkl|2.

Ohne die Phase φ ist lediglich eine unvollständige Information der Röntgenreexe vor-handen und die Fouriertransformation nicht direkt ausführbar. Diese Schwierigkeit ist als Phasenproblem bekannt.

Wie wichtig die Phaseninformation ist, soll in Abbildung 1.2 illustriert werden. Hier wurden zwei Graustufenbilder8fouriertransformiert und die Ergebnisse jeweils in Phasen und Intensitäten aufgeteilt. Aus den Phasen des Gesichts und den Intensitäten des Hauses wurde ein neues Feld von komplexen Zahlen erstellt. Seine Rücktransformation ergab ein synthetisches Bild im ursprünglichen Grauskalaraum. In dem Ergebnis ist, wenn auch etwas weniger deutlich als im Orginal, das Gesicht jedoch nicht das Haus zu identizieren.

Methoden zur Lösung

Um die Phasen zu bestimmen, können verschiedene Methoden eingesetzt werden. Die zuerst entwickelte ist das so genannte Multiple Isomorphous Replacement (mir)9. Sie soll etwas ausführlicher erklärt werden. Kurz angerissen werden darauf die Anomale Disper-sion und das Molecular Replacement. Die einzelnen Methoden schlieÿen sich nicht aus, sondern werden in der Röntgenkristallographie erfolgreich kombiniert.

Multiple Isomorphous Replacement. In der mir wird versucht, Schweratome (z.B.

Pb, Hg, U) in den Proteinkristall einzubringen, ohne die Elementarzelle und makromole-kulare Struktur zu verändern10. Dies kann durch Eintauchen des Kristalls in eine Lösung, die die Schweratome enthält, erreicht werden. Die Schweratome können so in den Kristall diundieren. Interpretierbare Röntgenreexe gibt es natürlich nur, wenn sich die Schwera-tome immer an den gleichen Stellen jedes Proteins im Kristall anlagern. So hält sich zum Beispiel Pb2+bevorzugt bei Cysteinen auf. Sind die Schweratome in den Kristall gewan-dert, so können erneut Beugungsdaten aufgenommen werden, und diese mit denen des ursprünglichen Proteins verglichen werden. Beide Beugungsbilder weisen, wenn sich die Geometrie der Elementarzelle nicht verändert hat, das gleiche Muster, jedoch vereinzelt abweichende Intensitäten auf. Auf Grund der additiven Form der diskreten Fouriertrans-formation lassen sich Strukturfaktoren für alle Miller-Indizes leicht zerlegen:

FPH =FP+FH, (1.2)

wobei FPH, FP und FH die Strukturfaktoren des Proteins mit gebundem Schweratom, ohne gebundes Schweratom bzw. nur des Schweratoms sind. Da die Strukturfaktoren im Allgemeinen komplexe Zahlen sind, gilt die Beziehung (1.2) nicht in gleichem Maÿe für

8 Ein solches Bild kann als eine Abbildung von zwei Pixelkoordinaten in eine Graustufenskala ver-standen werden.

9 zu deutsch etwa: mehrfacher isomorpher Ersatz 10 daher die Bezeichnung isomorph

Bild 1.2: Exemplarische Darstellung der Bedeutung der Phasen

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die Amplituden. Das Problem lässt sich gut in der so genannten Harker-Konstruktion lösen. Betrachten wir zunächst den Fall, dass FPH, FP und FH bekannt sind. Gleichung (1.2) ist in der komplexen Zahlenebene in Grak 1.3 a dargestellt. Alle komplexen Zahlen, die auf dem gleichen Kreis liegen, haben die gleiche Amplitude. Auf den Fall gemessener Intensitäten und unbekannter Phasen übertragen wissen wir nur, dass ein bestimmter Strukturfaktor auf einem Kreis in der komplexen Zahlenebene liegt, nicht aber, in welche Richtung er zeigt. Wäre uns nur FH nicht aber FP und FPH vollständig mit Phase bekannt, so könnten wir zwei Lösungen von FP = FPH −FH erhalten, indem wir den zu FPH gehörigen Kreis um−FH verschieben und die Schnittpunkte mit dem FP-Kreis betrachten (siehe Grak 1.3 b). Um nun noch auf eine Lösung einzuschränken, muss ein weiteres Beugungsbild mit einem Schweratom an anderer Stelle aufgenommen werden.

Bei Anwendung der gleichen Routine ergibt sich, wie in Abbildung 1.3 c dargestellt, ein Schnittpunkt der drei Kreise.

Die zuvor besprochenen Schritte beruhen auf der Annahme, dass für jeden Reex FH bekannt ist. Es scheint, als sei die Bestimmung der Phasen lediglich von dem Protein auf die Schweratome im Derivat verschoben worden. Die Lösung dieses Problems ist aber auf Grund seiner einfacheren Form bewältigbar. Hierfür betrachtet man zunächst die Dierenz der Beugungsamplituden von Schweratomderivat und Protein |∆F|2 = (|FPH| − |FP|)2. Diese Intensitätsverteilung gibt Aufschluss über die Streuung, die nur die Schweratome verursachen11. Ein erfolgreicher Lösungsweg verwendet die so genannte Pattersonfunktion:

Es handelt sich bei der Pattersonfunktion um eine Fouriersummation der Betragsquadrate der Strukturfaktoren, also ohne Berücksichtigung ihrer Phasen. Die Ursprungsvektoren auf die Maxima der Pattersonfunktion entsprechen Vektoren zwischen Atomen12. Für eine kleine Anzahl an Schweratomen pro Elementarzelle lassen sich durch Betrachtung der Patterson-funktion die Koordinaten der Schweratome konstruieren. Je mehr Schweratomen betrachtet werden, desto ähnlicher werden die Vektoren zwischen ihnen. Dies kann dazu führen, dass die Maxima der Pattersonfunktion immer mehr verschmieren und es letztendlich nicht mehr möglich ist, die Maxima ausndig zu machen. Da die Anzahl der Vektoren zwischen den Atomen quadratisch mit der Anzahl der Atome steigt, kann diese Situation schnell erreicht werden. Zu genauerer Betrachtung sei z.B. auf [3] verwiesen.

Ist es gelungen, auf diesem oder anderem Wege die vollständigen Strukturfaktoren für die Schweratome zu lösen, lassen sich nach der oben beschriebenen Konstruktion auch die Phasen der Proteinatome bestimmen.

11 Es handelt sich hierbei um ein hypothetisches Streumuster, denn es ist ja nicht möglich die Schweratome ohne das Protein an den gleichen Stellen zu halten. Durch die additive Form der Strukturfaktoren ist jedoch auch dieses Streubild sinnvoll.

12 Im Gegensatz dazu sind Ursprungsvektoren auf die Maxima der Elektronendichte die Ortsvektoren von Atomen.

a: Ausgangssituation b: Verschiebung um−FH

c: Lösung durch zweites Schweratomderivat Bild 1.3: Schematische Darstellung der Harker-Konstruktion

1.2 Röntgenkristallographie von Proteinen 9

Anomale Dispersion. In der Anomalen Dispersion nutzt man aus, dass Schwermetalle Röntgenstrahlung absorbieren können. Ist die Wellenlänge des verwendeten Strahls nah an einer Absorptionskante, wird ein Teil der Stahlung absorbiert und mit veränderter Phase reemittiert. Die Wellenlänge der Röntgenstrahlung kann eingestellt werden, um so die Störung des Systems zu variieren13. Durch die veränderte Phase geht die Gleichheit des so genannten Friedel-Paares verloren.

Da die Elektronendichte reell ist, giltρ=ρ. Die Fouriertransformation beider Seiten zeigt, wenn man die Strukturfaktoren wie in Gleichung (1.1) in Polarkoordinaten schreibt:

|Fhkl|=˛

˛Fhkl˛

˛, φhkl=−φhkl.

Das bedeutet, dass die gemessene Intensität von(h k l)gleich der Intensität von(h k l)ist.

Dies ist das Friedel'sche Gesetz. Zwei Intensitäten, die punktsymmetrisch zum Ursprung des reziproken Raumes liegen, werden als Friedel-Paar bezeichnet. Bei anomaler Streuung geht diese Symmetrie verloren.

Aus der Dierenz einer Messung bei normaler und einer Messung bei anomaler Streuung kann man wie in der mir die Positionen der Schweratome bestimmen. Die Lösung der Phasen aller Strukturfaktoren verläuft ab hier wie bei der mir.

Molecular Replacement. In dieser Methode werden die Phasen schon bekannter Strukturen als erste Schätzung verwendet. Zusammen mit den gemessenen Intensitä-ten lässt sich die daraus berechnete Elektronendichte iterativ verfeinern. Im Falle eines nur zugefügten kleinen Liganden wird sich die Elementarzelle nicht ändern, es liegt der isomorphe Fall vor. Die Methode funktioniert jedoch auch in der nicht-isomorphen Si-tuation. Hier wird in sechs Dimensionen14 nach der Orientierung des neuen Proteins im Vergleich zum bekannten gesucht. Die am besten passende Ausrichtung liefert dann die Phasen für den weiteren Prozess. Im Zuge der zunehmenden Anzahl an Strukturen in den Proteindatenbanken wird diese Methode immer erfolgreicher.

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