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Phasenübergänge in kleinen Systemen

1.2 Phasenübergänge in zwei Dimensionen

1.2.3 Phasenübergänge in kleinen Systemen

Bisher wurden die wesentlichen Besonderheiten von zweidimensionalen Systemen ange-sprochen. Die Ergebnisse dieser Arbeit beschäftigen sich jedoch zum großen Teil mit einer weitergehenden Einschränkung, nämlich der Systemgröße im Sinne einer reduzier-ten Partikelzahl. Dies wird durch zusätzliche äußere Wände erreicht. Deshalb wird der

14 Kapitel 1 - Theorie und Stand der Forschung Aspekt von kleinen Systemen im Hinblick auf den Einfluss auf Phasenübergänge ge-nauer betrachtet. Hierzu muss zunächst eine Antwort auf folgende Frage gegeben werden.

Die im Abschnitt 1.2.1 diskutierten Szenarien beziehen sich jeweils auf unendlich ausge-dehnte Systeme, d.h. auf Systeme, die sich im thermodynamischen Limes befinden.

Geht man jedoch zu kleinen Systemen über, so sind die oben beschriebenen Konzepte nicht mehr angemessen. Bevor jedoch darauf genauer eingegangen wird, muss zunächst definiert werden, was unter „kleinen“ Systemen zu verstehen ist [Bor00, Gro00]:

Ganz generell lässt sich ein System als „klein“ oder „groß“ klassifizieren, indem man die beteiligten Längenskalen betrachtet. Die erste Längenskala ist durch die lineare Aus-dehnung des Systems gegeben, die zweite durch die charakteristische Reichweite der Wechselwirkung der Partikel. Sind beide Längenskalen vergleichbar, so wird ein System als klein bezeichnet5. Dadurch, dass diese Längenskalen in derselben Größenordung liegen, kann sich die Partikel-Wand Korrelationslänge über das gesamte System er-strecken. Als Folge hiervon kommt Randeffekten in kleinen Systemen eine besondere Bedeutung zu. Im Rahmen dieser universellen Betrachtung sind sogar astronomische Systeme klein, denn die Planetenbahnen werden durch die Wechselwirkung der Plane-ten untereinander messbar gestört. Im Sinne dieser Definition lassen sich also sowohl makroskopische, mesoskopische und mikroskopische Systeme als klein bezeichnen.

Wie werden Phasenübergänge durch den Übergang zu kleinen Systemen be Wie werden Phasenübergänge durch den Übergang zu kleinen Systemen be Wie werden Phasenübergänge durch den Übergang zu kleinen Systemen be Wie werden Phasenübergänge durch den Übergang zu kleinen Systemen beeineinein ein----flusst?

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Viele Ansätze zur Beschreibung der Thermodynamik kleiner Systeme benutzen mehr oder weniger eine Umschreibung der Thermodynamik makroskopischer Systeme [Hil62, Hil64]. Diese Ansätze stützen sich auf die Begriffe des thermodynamischen Limes und der Extensivität [Pat72]. Im thermodynamischen Limes können Oberflächeneffekte und deren Fluktuationen im Vergleich zu den Bulkmittelwerten vernachlässigt werden. Aus diesem Grund etablierte sich der Begriff des thermodynamischen Limes im Bereich der makroskopischer Thermodynamik. Für einen Grossteil der in dieser Arbeit betrachteten Systeme ist diese Vorgehensweise aber sicherlich nicht geeignet, da die Zahl der Rand-partikel einen überaus großen Bruchteil (> 50%) der gesamten Partikelzahl ausmacht.

Gross beschreibt als Ausweg zur Beschreibung kleiner Systeme den Ansatz einer mikro-kanonischen Statistik. Damit kann ein kleines System auch ohne Einbezug der Extensi-vität beschrieben werden [Gro00]. Boltzmann, Gibbs, Einstein und Ehrenfest waren alle der übereinstimmenden Meinung, dass das mikrokanonische Ensemble das grundle-gendste Ensemble darstellt, von welchen das kanonische und auch das großkanonische Ensemble unter bestimmten Umständen abgeleitet werden kann [Ehr12, Ein04, Gib28].

Nach Gibbs approximieren die letzen zwei aufgeführten Ensembles lediglich das mikro-kanonische Ensemble unter der Voraussetzung des thermodynamischen Limes und eines

5 In einer anderen, mathematisch genaueren Definition wird ein System als klein bezeichnet, wenn die Entropie S(E,N,V) nicht mit der Partikelzahl N oder dem Volumen V skaliert.

1.2 Phasenübergänge in zwei Dimensionen 15 homogenen Systems. Bereits Gibbs merkte dabei an, dass die Äquivalenz der drei Ensembles selbst im Falle des thermodynamischen Limes bei Phasenübergängen erster Ordnung nicht gegeben ist6. Die drei Ensembles mikrokanonisch, kanonisch und groß-kanonisch sind im Falle kleiner Systeme nicht äquivalent. Das bedeutet z.B. dass die Energie pro Partikel <E/N> im (groß-) kanonischen Ensemble um ihren Mittelwert fluktuiert, wohingegen Energiefluktuationen im mikrokanonischen Ensemble identisch Null sind.

Die Signatur von Phasenübergängen sind nach Yang und Lee [Lee52] Singularitäten im großkanonischen Potential Φ, wobei

[ ]

die großkanonische Zustandssumme. Eine Singularität in Ξ kann jedoch nur im thermo-dynamischen Limes

V → ∞ µ =const oder N / V =const (1.25) auftreten: Für ein endliches Volumen V bleibt die Partikelzahl N endlich, folglich ist Ξ eine endliche Summe über Potenzen zN. Demzufolge bleibt Ξ bei positiven z analytisch für alle T [Gro00]. Dennoch gibt es in kleinen Systemen vielerlei Phänomene, die für Phasenübergänge typisch sind. Einige werden nun anhand von einigen Beispielen genauer erläutert.

Das Phänomen der Schmelzpunkterniedrigung wurde erstmals 1909 von Pawlow er-wähnt [Paw09]. Sie ist eine Konsequenz des größenabhängigen chemischen Potentials µ in endlichen Systemen. So konnte bereits 1976 mit Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) nachgewiesen werden, dass der Schmelzpunkt Tm von nanometergroßen de-ponierten Goldpartikeln, im Vergleich zum Bulk-Wert, um 300 K verringert ist [Buf76].

Es gibt einige phänomenologische Modelle, die den Effekt der Schmelzpunkterniedri-gung qualitativ beschreiben [Buf76, Han60, Mar94, Paw09]. In einem ersten Ansatz kann dieser Effekt anschaulich verstanden werden, indem man die Anzahl der Bin-dungen eines Atoms zu seinen Nachbarn betrachtet. Ein Atom bezeichnet in diesem Zusammenhang die elementaren Bausteine des betrachteten Systems. Bei Clustern die Atome selbst, bei kolloidalen Systemen die Kolloide. Dadurch, dass die Atome an der Oberfläche im Mittel weniger Bindungen aufwiesen, sinkt die mittlere Bindungsenergie pro Atom. Sie sinkt umso stärker, je größer das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen ist. In diesem sehr einfachem Modell würde man einen linearen Zusammenhang von Tm(R) und dem inversen Radius R erwarten. Damit lässt sich zwar der prinzipielle Trend der Schmelzpunkterniedrigung verstehen, reale Systeme zeigen aber ein deutlich komplexeres Verhalten. Lai hat 1996 bereits betont, dass es für das Verständnis der Thermodynamik endlicher Systeme wichtig ist, nicht nur die

6 Kapitel 5, Fußnote auf Seite 75 in [Gib28].

16 Kapitel 1 - Theorie und Stand der Forschung gung, sondern auch die latente Wärme als Funktion der Partikelzahl zu betrachten [Lai96]. Auf Basis dieser Aussage wurde z.B. die innere Energie von Zinn-Cluster als Funktion der Temperatur bestimmt [Bac00]. In Abb. 1.4 ist deutlich zu erkennen, dass im Vergleich der Cluster mit N = 430 und einem makroskopischen System

a) der Schmelzpunkt von T = 505 K auf T = 380 K verringert ist

b) der Temperaturbereich, in dem der Phasenübergang stattfindet bei N = 430 über ca.

100 K ausgedehnt ist, wohingegen bei N=1022 dieser Bereich unterhalb der Auflösungs-grenze liegt und

c) der Anstieg der inneren Energie in Form der latenten Schmelzwärme sich von 73 meV auf (40 ± 10) meV erniedrigt.

Abb.

Abb.

Abb.

Abb. 1111....4444: Vergleich Cluster (N: Vergleich Cluster (N: Vergleich Cluster (N =: Vergleich Cluster (N== 430) =430) 430) 430) –––– makroskopisches System (N makroskopisches System (N makroskopisches System (N makroskopisches System (N === 10=10101022222222))))

Vergleich der internen Energien U(T)/N von isolierten Clustern (Quadrate) und massivem Material (Kreise) [Bac00]. Man erkennt deutlich a) die Schmelzpunkterniedrigung b) die Ver-breiterung des Temperaturbereiches des Phasenübergangs und c) die Verringerung der latenten Wärme ∆uls im Fall der Cluster.

Diese beispielhaften Ergebnisse eines Cluster-Experiments wurden auch von anderen Gruppen mit anderen Materialien reproduziert [Cai01, Lai96, Sch97a, Sch98] und im Wesentlichen auch von theoretischer Seite her bestätigt [Agu99, Cal00]. Selbstverständ-lich zeigen auch andere Systeme als Cluster derartige Effekte. Als Beispiel seien hier nur Ionenkristalle in elektromagnetischen Fallen erwähnt [Alt98, Blo00, Blü88, Die87, Win87].