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Weltweit sind mehr als 300.000 verschiedene Pflanzenarten beschrieben, welche nur zu einem Bruchteil näher auf ihre Inhaltsstoffe sowie deren Auswirkungen auf das Ökosystem hin untersucht worden sind. Bereits im Altertum wurde erkannt, dass manche Pflanzen für gewisse Pflanzenkrankheiten unempfindlich sind und Extrakte diese Pflanzen ihre Eigenschaften auch auf Kulturpflanzen übertragen können. Nicht nur die Herstellung von Pflanzentees und deren Veredlung, beispielsweise durch Fermentation, fanden zu jener Zeit Anwendung, sondern auch die Kombination unterschiedlicher natürlicher Präparate, welche sich gegenseitig in Ihrer Wirkung verstärkten (KÖSSLER, 2006).

In der heutigen industrialisierten Landwirtschaft sind die Herstellung sowie der Einsatz von Pflanzenextrakten im Pflanzenschutz kaum denkbar. Hintergrund hierbei ist in erster Linie die Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzflächen einzelner Betriebe sowie der immense Kosten- und Zeitaufwand zur Herstellung derartiger ‚Naturarzneien‘.

Lediglich ökologisch wirtschaftende Betriebe bzw. landwirtschaftliche Betriebe in Entwicklungs- und Schwellenländern sind mangels Alternativen synthetisch hergestellten Präparate auf Teedrogen als Pflanzenschutz- bzw. Pflanzenstärkungsmittel angewiesen.

Dennoch stellen Pflanzeninhaltsstoffe, neben Untersuchungen der Sekundärmetaboliten aus Mikroorganismen, auch in Zukunft ein weites und teilweise unerforschtes Gebiet der Naturstoffforschung für den Pflanzenschutz dar (FUGMANN et al., 1991; PILLMOOR et al., 1993, PLIMMER, 1993).

Entscheidend für die Suche nach neuen Wirkstoffen sind neben der Bereicherung des Instrumentariums für den integrierten Pflanzenschutz auch die ständig steigenden Ansprüche an diese aktiven Substanzen. Neben einem hohen Wirkniveau bei sehr geringen Aufwandmengen erwartet man ein breites Wirkungsspektrum. Dieses sollte mit einem geringen bzw. keinen toxischen Nebenwirkungen auf die Kulturpflanze und ‘Nicht-Zielorganismen’ einhergehen. Weiterhin muss ein hoher Sicherheitsgrad für Umwelt, Anwender und Endverbraucher gewährleistet sein (EVANS &LAWSON, 1992). Dies alles führt

zu einem drastischen Anstieg der Entwicklungskosten für neue Produkte (OERKE et al. 1994).

Weiterhin machen die durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, vor allem durch die verstärkte Verwendung von systemischen Wirkstoffen auftretenden Resistenzen eine Auffindung von Substanzen mit neuen Wirkmechanismen in Zukunft unverzichtbar (EVANS

& LAWSON, 1992). Neben dem Problem der Fungizidresistenzen bewirken auch die zunehmenden ‘Lückenindikationen’ eine steigende Nachfrage nach alternativen Problemlösungen. Ursachen der ‘Lückenindikationen’ sind unter anderem höhere Umweltauflagen und dadurch nicht mehr erteilte Zulassungen für Pflanzenschutzmittel (ZORNBACH, 1994).

Bei Naturstoffen aus Pflanzen ist die Auffindungsrate von geeigneten Einzelmetaboliten beziehungsweise Wirkstoffkomplexen (Rohextrakten) als relativ hoch anzusiedeln. Dies liegt zum einem am hohen Reichtum an Primär- und Sekundärmetaboliten in Pflanzen sowie an deren komplexer chemischer Struktur, welche unterschiedlichste Wirkungscharakteristika aufweisen (KÖSSLER, 2006). Hierbei sind primär die direkte schädigende Wirkung des Zielpathogens sowie eine Induktion der pflanzeneigenen Resistenz zu nennen (BLAESER, 2002; METRAUX et al, 1991; STAUB et al. 1992, RUESS et al., 1996; GÖRLACH et al. 1996).

Nachteilig, im Gegensatz zur chemischen Synthese, sind die schwierige und extrem teure Herstellung zu nennen. Ferner ist die schlechte Verfügbarkeit von Derivaten sowie die nur sehr schwer erreichbare Standardisierung des Ausgangsmaterials anzuführen (ANKE &

STEGLICH, 1988). Die Diskrepanz zwischen möglicher Anzahl geeigneter Wirkstoffe und vergleichsweise geringer kommerzieller Verwendung erklärt sich zudem durch die unzureichende Versorgung mit Rohmaterial aus landwirtschaftlichen Betrieben. Durch unterschiedliche Anbau- und Umweltbedingungen ist auch die natürliche Varianz der Inhaltsstoffe für eine industrielle Herstellung problematisch. (JESPERS & DE WAARD, 1993, KÖSSLER, 2006). Darüber hinaus kann aufgrund der Umwelteinflüsse die chemische und biologische Stabilität der Präparate bei Freilandbedingungen nicht gewährleistet werden.

Sekundärmetaboliten aus Pflanzen lassen sich, wie bereits erwähnt, direkt zur Bekämpfung von Schadorganismen applizieren. Ferner dienen sie der Industrie als sogenannte Leitstruktur bei der Synthese von neuen Wirkstoffen. Wichtigster Vertreter der aus

Naturstoffen synthetisierten Wirkstoffe ist das Strobilurin A des Kiefernzapfenrüblings, welches für zahlreiche organisch systemische Fungizide die Leitstruktur lieferte (SCHRAMM ET AL.,1978,KÖSSLER, 2006).

Vor dem Beginn des chemischen Pflanzenschutzes verwendete man Naturstoffe aus Pflanzen, meist als Extrakt zum Schutz vor Schädlingen und Krankheiten. Alte ‚Hausmittel‘

wie Knoblauch-, Brennnessel- und Schachtelhalmbrühe gegen pilzliche und bakterielle Schaderreger sowie Lavendel gegen Ameisen und Meerrettich gegen den Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) finden heute in erster Linie in Klein- und Hausgärten Verwendung (SCHMIDT & HENGELER, 1984). Durch die Förderung und der damit einhergehenden

Abbildung 4: Basierend auf der Leitstruktur von Strobilurin A synthetisch aufgebaute Derivate:

(oben links) Strobilurin G, (oben links) Kresoxim-methyl, (Mitte) Trifloxystrobin, (unten links) Strobilurin E, (unten rechts) Azoxystrobin

Zunahme der ökologischen Landwirtschaft sowie der Regulierung der Kupferapplikation, nehmen Pflanzenextrakte auch in ackerbaulichen Kulturen zunehmend eine wichtigere Stellung ein:

Das wohl bekannteste Beispiel für die Verwendung von Pflanzenextrakten in landwirtschaftlichen Kulturen sind Extrakte aus Neembaum (Azadirachta indica), welche für ihre insektizide und nematizide Wirkung bekannt sind. Eine fungizide Wirkung gegen Rhizoctonia solani an Baumwolle, Macrophomina phaseolina an Sojabohne und Ganoderma lucidum an Kokosnuß wurde von JEYARAJAN et al. (1986) beschrieben. ROVESTI et al. (1992) berichteten weiterhin über eine fungizide Wirkung der Extrakte gegenüber Erysiphe graminis und Puccinia recondita an Getreide.

Über positive Eigenschaften eines Blattextraktes aus Knoblauch (Allium sativum) wurde von LAKSHMANAN et al., (1990) berichtet. Die Applikation des Extraktes reduzierte den Befall von Thanatephorus cucumeris an Bohnen. Untersuchungen bei Alternaria spp., Fusarium spp., Colletotrichum spp., Curvularia spp. und Phytophthora drechsleri konnten eine Hemmung der Sporenkeimung nach Applikation von Extrakten aus Allium sativum nachweisen (SINGH et al., 1990; SINGH & CHAUHAN, 1992) Untersuchungen von MENON (1994) bestätigten die fungiziden Eigenschaften des Knoblauchextraktes gegen Claviceps sorghi an Hirse. Nach REIMERS et al. (1993) beruht die fungizide Wirkung von Allium sativum auf dem Inhaltsstoff Ajoen, einer von der Speichersubstanz Alliin abgeleiteten Verbindung. In Experimenten mit synthetisch hergestellten Ajoen ließ sich ein guter Bekämpfungserfolg des Erregers Cladosporium fulvum an Tomaten erzielen. Andererseits führte eine protektive Anwendung von Ajoen an Gurken gegen Ulocladium cucurbitae zu phytotoxischen Effekten, jedoch nicht zu einer Befallsminderung. Eine vollständige Bekämpfung der obligat biotrophen Erreger Oidium lycopersicum an Tomaten und Sphaerotheca pannosa an Rosen konnte durch die Applikation von 300 mg/L Ajoen erzielt werden. Dabei beruht die Wirkungsweise des Ajoens auf einer Keimhemmung der Sporen (BLAESER, 2002).

Bei Screening-Versuchen an 58 malaiischen Pflanzenarten von MOHAMED et al. (1996) zeigten Extrakte aus Betelpfeffer (Piper betle) ein sehr breites Wirkungsspektrum gegenüber diversen Pflanzenpathogenen. Die Extrakte hemmten das Wachstum von Alternaria alternata, Botrydiplodia theobromae, Colletotrichum capsicii, Penicillium citrium, Phomopsis caricae-papayae,

Fusarium pallidoroseum und Aspergillus niger bereits bei einer Konzentration von 10 mg/mL nahezu vollständig.

Obwohl die Untersuchung pflanzlicher Inhaltsstoffe schon eine lange Tradition aufweist, besitzen die in den letzten Jahren erfolgreich eingesetzten Substanzen ausschließlich insektizide Wirkung. Hier sind es vor allem die Inhaltsstoffe Pyrethrum aus den Blüten der Chrysanthemen (Chrysanthemum cinerariifolium) und das Azadirachtin aus dem Neembaum (Azadirachta indica), die im organischen Landbau eingesetzt werden (BLAESER, 2002). Eine wirtschaftliche Synthese dieser neuen Substanzklassen gelang indes nur am Beispiel des Pyrethrums, welches zur Etablierung der erfolgreichen Insektizidklasse der ‚Pyrethroide‘

maßgebend beitrug.

Leitstrukturen kommerziell verwendeter Naturstoffe mit fungizider Wirkung hingegen, stammen bisher ausschließlich aus mikrobieller Biosynthese.