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Persönlichkeitsrechte und Datenschutz

Im Dokument Deutscher Bundestag (Seite 80-83)

IV. Rechtspolitische und Rechtsethische Aspekte

4. Datenschutz

4.3 Persönlichkeitsrechte und Datenschutz

außeror-dentliche Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts des Spenders von Biomaterialien. Wie der Nationale Ethikrat dazu ausführt (NER 2004, S. 32), „gründet sich der Spen-derschutz nach herrschender Auffassung vor allem auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht; dies gilt auch dann, wenn man (vom lebenden Körper getrennten) menschli-chen Körpersubstanzen auch eigentumsrechtliche Bedeu-tung zuspricht und wenn die Körpersubstanz durch Über-eignung oder Verarbeitung in das Eigentum des Forschers gelangt ist. Denn trotz des Erwerbs von Eigentum durch den Forscher bleiben persönlichkeitsrechtliche Bezüge zwischen der Körpersubstanz und ihrem früheren Träger

bestehen, die über das allgemeine Persönlichkeitsrecht fassbar sind“.

Unter den Persönlichkeitsrechten ist das sogenannte „in-formationelle Selbstbestimmungsrecht“ von besonderer Bedeutung, auf dessen Grundlage dem Spender insbeson-dere ein unabdingbares Recht zukommt auf

– Einsicht in die über ihn gespeicherten Daten, – Korrektur von fehlerhaften Angaben,

– Wissen/Nichtwissen von neuen Erkenntnissen über ihn, die bei der wissenschaftlichen Nutzung der Pro-ben/Daten gewonnen wurden (Auskunftsrecht), – jederzeitigen Widerruf seiner Einwilligung (ganz oder

teilweise), z. B. auch Verlangen nach Löschung und Sperrung von Daten bzw. nach Vernichtung oder He-rausgabe der Probe (gemäß § 35 BDSG).50

Gerade das Auskunftsrecht, seine Wahrnehmung oder Nichtwahrnehmung, kann jedoch zu Konsequenzen füh-ren, die für den Spender bzw. den Forscher bedeutsam sind. Zu Recht führt der Nationale Ethikrat in seiner Stel-lungnahme (2004, S. 6) an: „Wenn eine individuelle Rückmeldung von Forschungsergebnissen an den Spen-der vereinbart wird, gehört zur Aufklärung auch Spen-der Hin-weis, dass er dieses Wissen unter Umständen offenbaren muss, wenn er in Zukunft beispielsweise neue Arbeits-und Versicherungsverträge abschließen will.“ Dieses Risiko sollte der Spender berücksichtigen (können).

Aber auch, wenn der Spender auf eine Rückmeldung ver-zichtet, kann eine Situation eintreten, in der der For-schende seinerseits tätig werden muss: „Allerdings be-steht bei lebenswichtigen Informationen in der Regel eine Verpflichtung, über die normale Kommunikation mit der Fachöffentlichkeit hinaus den persönlichen Kontakt zu den Spendern zu suchen. […] In einem solchen Falle soll-ten Rückmeldungen von Informationen über den indivi-duellen genetischen Status und den Gesundheitszustand der Spender immer durch eine Person erfolgen, die über eine spezifische Beratungskompetenz verfügt“ (NER 2004, S. 44).

Die oben aufgezählten Konsequenzen aus den Persönlich-keitsrechten ziehen nun bestimmte Folgen in Hinsicht auf das Eigentum an Proben und die Nutzungsrechte an ihnen seitens der Biobank bzw. Dritter nach sich, die im Folgen-den kurz erläutert werFolgen-den sollen.

Auswirkungen auf Eigentum und Nutzungsrechte Der BGH und die herrschende juristische Meinung gehen davon aus, dass das Sacheigentum an abgetrennten Kör-permaterialien vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Probanden überlagert wird, und zwar umso intensiver, je eher Rückschlüsse auf die Person des Probanden möglich sind – also keine Anonymisierung der Probe/Daten

voll-zogen wurde (Lippert 2001, S. 407). Insoweit schränken das Datenschutzrecht und das allgemeine Persönlichkeits-recht des Probanden, welches das Sacheigentum an der Probe überlagert, das grundsätzlich bestehende absolute Verfügungsrecht der Biobank als Eigentümer der Probe ein. Dass dem Probanden das Recht zugestanden wird, bis zur Entnahme des Körpermaterials seine Einwilligung zu widerrufen, ist gesetzlich vorgeschrieben, ebenso, dass der Proband zur Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte die Löschung von allen personenbezogenen Daten verlangen bzw. eine hierzu erteilte Einwilligung widerrufen kann.

Der bindende Vorrang der Persönlichkeitsrechte und Da-tenschutzbestimmungen betrifft auch die Eigentumsüber-tragung seitens der Biobank auf Dritte, die nach §§ 903, 929 BGB (Einigung und Übergabe) grundsätzlich mög-lich ist, wenn die Biobank über das Eigentum an der Probe verfügt. Dabei hat sie aber das allgemeine Persön-lichkeitsrecht des Probanden einerseits, insbesondere sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und die ein-schlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen ande-rerseits zu beachten. Sowohl das Datenschutzrecht als auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Probanden wirken bei der Übertragung des Eigentums an der Probe insoweit beschränkend, als nur das Eigentum an einer an-onymisierten Probe auf einen Dritten übertragen werden darf.

Die Übertragung des Eigentums an einer Probe, die nicht anonymisiert worden ist, kann nur erfolgen, wenn der Proband hierin eingewilligt hat. Dies gilt selbst dann, wenn die Probe im Eigentum der Biobank steht. Insbe-sondere stellt die unerlaubte Weitergabe der Körpermate-rialien des Probanden eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts („biomaterielle Selbstbestimmung“) dar. Für diese Verletzung kann der Proband ein Schmer-zensgeld nach § 253 BGB verlangen, ferner Unterlassung nach §§ 823, 1004 BGB sowie die Vernichtung der Probe begehren.

Es kann zudem das „Recht auf personal-leibliche Selbst-verfügung“ tangiert werden. Denn wenn der Proband sich ausdrücklich mit der Verwendung seines Körpermaterials nur für bestimmte Forschungsgegenstände einverstanden erklärt hat, ist eine Eigentumsübertragung auf einen Drit-ten unzulässig, wenn der Dritte andere Forschungsinhalte bzw. -zwecke oder gar einen kommerziellen Zweck ver-folgt (Deutsch/Spickhoff 2003, Rdnr 613 m.w.Nw). Das gleiche gilt, wenn der Proband in der Einwilligungserklä-rung ausdrücklich bestimmt, dass eine Weitergabe seines Materials nicht oder nur an bestimmte Einrichtungen zu-lässig ist. In all diesen Fällen würde das „Recht auf perso-nal-leibliche Selbstverfügung“ verletzt (Spranger 2005, S. 1086 f.; von Freier 2005, S. 50).

Werden pseudonymisierte Proben/Daten an Dritte weiter-gegeben (sodass der Proband reidentifizierbar ist), besteht grundsätzlich die Gefahr einer Verletzung seiner Daten-schutzrechte. Denn bei pseudonymisierten Proben findet nach wie vor eine Verarbeitung personenbezogener bzw. -beziehbarer Daten statt. Die Weitergabe von pseu-donymisierten Proben an Dritte darf daher nur unter Be-achtung der einschlägigen datenschutzrechtlichen

Vor-50 Auch der Nationale Ethikrat (NER 2004, S. 4) erklärt hierzu eindeu-tig: „Spender haben das Recht, die Einwilligung zur Verwendung ih-rer Proben und Daten jederzeit zu widerrufen. Auf dieses Recht sollte nicht verzichtet werden können“.

schriften erfolgen und wenn der Proband in die Eigentumsübertragung seiner pseudonymisierten Probe eingewilligt hat.

Beschlagnahmefestigkeit

Wie geschützt sind die nichtanonymisierten Proben/Da-ten gegenüber dem Zugriff des Staates, etwa im Zuge ei-ner Strafverfolgung? Der Nationale Ethikrat pointiert das hier bestehende Problem (NER 2004, S. 8): „Spender werden Biobanken vielfach ein sachlich und zeitlich kaum begrenztes Mandat zur Nutzung ihrer Proben und Daten für die medizinische Forschung einräumen. Das er-scheint nur vertretbar, wenn die Zweckbestimmung strikt eingehalten wird. Deshalb bedarf es der gesetzlichen Eta-blierung eines Forschungsgeheimnisses, um einen for-schungsfremden Zugriff auf die Proben und Daten auszu-schließen. Dieser Schutz sollte grundsätzlich auch gegenüber staatlichen Zugriffen bestehen“.

Eine Erfüllung dieser Forderung ist jedoch nicht in Sicht.

Zur Rechtslage in Deutschland ist vielmehr zu sagen (Si-mon et al. 2005, S. 104), dass im Unterschied zu perso-nenbezogenen Unterlagen (inkl. genetischer Untersu-chungsergebnisse), die bei Rechtsanwälten, Notaren und Ärzten aufbewahrt werden und im Rahmen des Zeugnis-verweigerungsrechts vor Beschlagnahme geschützt wer-den können, Forschungsdaten und Proben keinem sol-chen Beschlagnahmeschutz unterliegen.

Gemäß § 97 Abs. 2 StPO müssen sich die dem Beschlag-nahmeschutz unterliegenden Gegenstände im Gewahrsam des geschützten Personenkreises befinden, dem ein Zeug-nisverweigerungsrecht zukommt, wie etwa Ärzten. Bei Ärzten genügt gemäß Satz 2 auch, wenn die Gegenstände im Gewahrsam einer Krankenanstalt sind. Der Begriff der Krankenanstalten ist weit auszulegen. Er umfasst auch Genesungsheime, Pflegeanstalten und Krankenreviere der Bundeswehr, Polizei oder einer JVA (Meyer-Goßner 2005, § 97 Rn. 14). Reine Forschungsinstitute oder selb-ständige „An-Institute“ dürften nicht gemeint sein. Eine Grauzone könnte sich im Fall von Universitätskliniken auftun, falls dort durch nicht mit der Behandlung befasste Mediziner am Patienten geforscht wird und die dazu ent-stehenden Unterlagen/Daten von den Behandlungsunter-lagen separiert werden. Gleiches dürfte für „normale“

Krankenhäuser, Pflege- und Genesungsanstalten gelten, wenn dort Forschungen – etwa als Therapiestudie – ab-laufen.

Ein sicherer Beschlagnahmeschutz wäre daher nur durch die Etablierung eines Forschungsgeheimnisses zu ge-währleisten, das auch den Schutz von Proben und Daten einschließt, die der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Dies würde auch das Vertrauen der Spender in den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte bei der Überlas-sung ihrer Proben/Daten an Biobanken stärken helfen.

Der Nationale Ethikrat hat hierzu Folgendes ausgeführt (NER 2004, S. 51): „Die gesetzliche Verankerung eines Forschungsgeheimnisses, das grundsätzlich jede for-schungsfremde Verwendung unterbinden würde, er-scheint unter diesen Umständen dringend geboten, zumal das Vertrauen der Betroffenen und ihre Bereitschaft,

Kör-persubstanzen und Informationen zur Verfügung zu stel-len, und damit letztlich die Akzeptanz der Biobanken, entscheidend von der Gewissheit abhängen, dass beides, Körpersubstanzen und Informationen, zu keinem anderen Zweck als dem der wissenschaftlichen Forschung genutzt werden“.

Erforderlich wäre hierzu freilich eine Ausweitung des Rechts auf Zeugnisverweigerung (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 b StPO) und des Beschlagnahmeverbots (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO) mit Geltung auch für medizinisches und humanbiologisches Forschungspersonal und die in Biobanken gewonnenen Daten und Proben bzw. eine Er-streckung auch auf das Forscher-Probanden-Verhältnis. In diesem Sinne hat sich auch Wellbrock (2003b, S. 82) ge-äußert: „ […] Es sollte ein umfassender Schutz der für Forschungszwecke gespeicherten Daten durch die Ein-führung eines sog. Forschungsgeheimnisses realisiert werden. Gegenwärtig unterliegt der Forscher – im Gegen-satz z. B. zum Arzt – keiner speziellen gesetzlichen Schweigepflicht und ihm steht auch kein Zeugnisverwei-gerungsrecht im Strafprozess zu“. Eine solche Schweige-pflicht müsste aber nach Meinung des Nationalen Ethik-rates (2004, S. 50) „soweit sie nicht kraft Gesetzes gilt, eigens auferlegt und mit Sanktionen versehen werden, z. B. durch Satzung oder Vertrag“.

In ihrer Entschließung vom 26. März 2004 fordern die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder den Bundesgesetzgeber auf, „in § 203 StGB die unbefugte Offenbarung von personenbezogenen medizinischen For-schungsdaten unter Strafe zu stellen, in § 53, 53a StPO für personenbezogene medizinische Daten ein Zeugnis-verweigerungsrecht für Forscher und ihre Berufshelfer zu schaffen und in § 97 StPO ein Verbot der Beschlagnahme personenbezogener medizinischer Forschungsdaten zu schaffen“ (Der Hessische Datenschutzbeauftragte 2004, S. 171, Z 10.6). Bisher bestehen Zeugnisverweigerungs-rechte und Beschlagnahmesicherheit nur im Arzt-Patien-ten-Verhältnis. Eine Erweiterung dieser Rechte (im Sinne eines Forschungsgeheimnisses) auf das Verhältnis For-scher/Proband wäre wünschenswert (Simon et al. 2005, S. 106).

Aus Sicht des Datenschutzes besteht durchaus Spielraum innerhalb der geltenden Gesetze im Hinblick auf eine Be-schlagnahme von durchweg pseudonymisierten Proben:

So könnte man das Identitätsmanagement, das ja in jedem Fall organisatorisch aus dem inneren Betrieb der Bioban-ken auszugliedern sein wird, einem Datentreuhänder übertragen, der, kraft seines Amtes, zur Zeugnisverweige-rung berechtigt ist und eine Beschlagnahme zumindest der von ihm verwalteten Identifikationsdaten abwehren kann. Auf diese Weise wäre ein Rückbezug auf die Perso-nenidentität durch die ermittelnden Behörden nicht gege-ben.

4.4 Zentrale Resultate

Als zentrale Resultate hinsichtlich der Relevanz der Per-sönlichkeitsrechte und der Datenschutzbestimmungen lassen sich folgende nennen (Simon et al. 2005, S. 116):

– Persönlichkeitsrechte und Datenschutzbestimmungen genießen unbedingten Vorrang vor (an eine Biobank übertragenen) Eigentums- und Nutzungsrechten.

– Eine Probengewinnung darf nicht gegen den Willen des Probanden erfolgen.

– Aus Gründen des Datenschutzes sind Proben getrennt von personenbezogenen Daten aufzubewahren und dürfen auch an Dritte nur anonymisiert oder pseudo-nymisiert weitergegeben werden.

– Probanden/Patienten können jederzeit die Einwilli-gung zur Nutzung widerrufen und die Vernichtung bzw. Herausgabe der Proben und Daten verlangen (so-fern diese nicht anonymisiert worden und damit nicht mehr personenbeziehbar sind).

Im Dokument Deutscher Bundestag (Seite 80-83)