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Im Dokument Deutscher Bundestag (Seite 17-21)

II. Kategorien, Bestand und Systematik von Biobanken

1. Kategorien

Eine Klassifizierung nach inhaltlichen Gesichtspunkten ist nahezu unmöglich. Der vorliegende Bericht versucht jedoch zumindest auf einer formalen Ebene die Erstellung einer handhabbaren Systematik bzw. Kategorisierung von Biobanken. Dies setzt geeignete Vergleichsparameter und sinnvolle Grundmuster voraus. Grundsätzlich stehen ver-schiedene Dimensionen einer vergleichenden Charakteri-sierung von Biobanken zur Verfügung. Kriterien können beispielsweise sein: Trägerschaft, Finanzierung, Zweck, Art der Materialien, datentechnische Rahmenbedingun-gen, Umfang bzw. Größe, ärztliche Einbindung, geplante Betriebsdauer bzw. Nachhaltigkeit, Lagerung der Mate-rialien, Verarbeitung der MateMate-rialien, Weitergabe des Ma-terials, Rekrutierung von Probanden oder Patienten und Akquisition.

In Anlehnung an das Gutachten von TMF (2006, S. 25 ff.) werden im Folgenden Kategorien von Biobanken vorge-stellt, die entweder die Arbeitsprozesse und den Umgang mit den Proben oder aber die Organisationsform (Kap. II.1.1) zugrunde legen. In den Kapiteln II.1.2 (Ent-stehungszusammenhänge) und II.1.3 (Trägerschaft) wer-den weitere mögliche Kategorien (z. B. nach Art der Pro-ben, des Forschungsvorhabens, der Verbundstruktur, der Finanzierung, nationale oder internationale Arbeitsweise) vorgestellt. Eine Unterscheidung nach Art der gesammel-ten Proben oder nach wissenschaftlicher Fragestellung ist zwar naheliegend, hat sich jedoch als zu kurzgreifend er-wiesen, da viele grundsätzliche Aspekte rechtlicher, da-tenschutzrechtlicher und bioethischer Art fast alle Bio-banken unabhängig von diesen beiden Parametern betreffen (TMF 2006, S. 26). Die verschiedenen Katego-risierungen sind jeweils geeignet, die damit einhergehen-den Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zu charakteri-sieren, wobei letztlich jede Biobank „spezifisch“ bzw. in einen spezifischen Kontext eingebunden ist.

1.1 Arbeitsprozesse und Organisationsformen Bei einer Kategorisierung nach Arbeitsprozessen steht der Umgang mit den Proben und Daten im Zentrum der Betrachtung. Dies betrifft folgende Aspekte: Materialher-kunft, Lagerung der Probe, Speicherung der medizini-schen Kontextdaten, Verarbeitung der Probe (Analysen), Speicherung der Analysedaten, Weitergabe von Proben oder Analysedaten an Dritte (externe Forscher, Pharmain-dustrie), Träger der Biobank, Betreiber der Biobank, Art des Analyselabors (innerhalb oder außerhalb der Bio-bank, aber innerhalb eines gemeinsamen Verbundpro-jekts, extern), Beteiligung der Biobank an den For-schungsvorhaben. Unter dieser Perspektive zeigen sich vier Grundmuster, die als Modelle 1 bis 4 der Arbeitsfor-men von Biobanken nachfolgend kurz skizziert werden sollen (Tab. 1).

„Zentralistisches Modell“

Dieses Modell erfasst solche Biobanken, die zwar von verschiedenen externen Einsendern Material und beglei-tende medizinische Kontextdaten erhalten, diese aber pri-mär an einem zentralen Ort lagern und nicht oder nur in sehr geringem Umfang an Dritte weitergeben. Die materi-allagernde Einrichtung ist i. d. R. auch die materialverar-beitende (forschende) Einrichtung. Die Biobank nimmt zugleich an den Forschungsvorhaben teil. Proben, medi-zinische Kontextdaten und Analysedaten werden dort zentral gespeichert. Für Forschungszwecke ist es meist ausreichend, Analysedaten zu exportieren und weiterzu-geben.

„Dezentrales Modell“

Beim „dezentralen Modell“ geht man von einer dezentra-len Probenverarbeitung und Forschung, aber einer starken

Zentraleinrichtung aus. Die Biobanken erhalten von ver-schiedenen externen Einsendern Biomaterial und lagern dieses gemeinsam mit den medizinischen Kontextdaten zentral an einem Ort. Es erfolgt aber eine Weitergabe von Proben an externe Einrichtungen zu Zwecken der Analy-tik und Auswertung in Forschungsvorhaben. Diese exter-nen Einrichtungen lagern selbst keine Materialien. Die externen Einrichtungen können völlig unabhängig sein oder im Rahmen einer Verbundstruktur mit der Biobank zusammenarbeiten. Dann besteht für die Biobank zu-gleich eine begrenzte Forschungsbeteiligung. In der Bio-bank werden aber keine Analysedaten verwaltet und ge-sammelt.

„Dezentral-kooperatives Modell“

Die Lagerung und Verarbeitung (Analytik) der Materia-lien erfolgen weitgehend dezentral, die Materialverwal-tung hingegen in einer zentralen Datenbank, die sowohl Ta b e l l e 1

BiobankenKategorisierung nach Arbeitsprozessen und ProbenUmgang

intern: zentral oder dezentral

zentral = am Standort der Biobank, an der Zentrale in einem Netzwerk;

dezentral = am Standort der Proben- u. Datenquelle bzw. Analyselabor/Forscher extern: immer dezentral (außerhalb der Institution oder der Vertragsgemeinschaft Quelle: TMF 2006, S. 26

Modell 1

zentralistisch Modell 2

dezentral Modell 3

kooperativ Modell 4 vermittelnd Trägerschaft mind. Betreiber,

evtl. auch Träger Betreiber,

evtl. auch Träger Träger weder Träger noch Betreiber

Forschungsbeteiligung ja ja (geringer) ja keine

Nutzer (Forscher) intern und extern überwiegend

extern überwiegend

intern-dezentral ausschließlich extern Materialherkunft verschiedene verschiedene verschiedene,

intern-dezentral verschiedene Materiallieferant hat

Patientenkontakt ja ja ja nein

Probenlagerung zentral zentral intern-dezentral dezentral

Datenhaltung Kontextdaten =

MDAT zentral zentral zentral dezentral

Ergebnisse =

ProbDAT zentral dezentral zentral oder

intern-dezentral extern Verarbeitung

(Analyse) intern extern intern-dezentral extern

Analyselabor zentral extern intern-dezentral extern

Probenweitergabe

an Dritte selten Regelfall auch ausschließlich

Analysedaten an

Dritte (ProbDAT) Regelfall (entfällt) vorrangig (entfällt)

die probenidentifizierenden und organisatorischen Anga-ben als auch die notwendigen medizinischen Kontext-daten enthält. Es erfolgt ein Austausch von Proben zwischen den verschiedenen materiallagernden tungen und mit anderen, nichtmateriallagernden Einrich-tungen. Es werden keine Analysedaten verwaltet und ge-sammelt. Der Unterschied zum dezentralen Modell besteht in der schwächeren Zentralstruktur, da diese keine Proben speichert. Allerdings besteht durch die koopera-tive Verbundstruktur (vertragliche Regelungen) und in Form der zentralen Datenbank mit medizinischen Daten eine Forschungsbeteiligung der Biobank. Bei einer Wei-tergabe von Proben an Externe übernimmt die Biobank die Vermittlung der dezentral gelagerten Probe samt Da-ten an Externe. Vorrangig ist jedoch die Weitergabe von Analysedaten.

„Vermittlermodell“

Bei diesem Modell werden ebenfalls weder Proben noch Analysedaten zentral gelagert. Es liegt hier jedoch keine Einbettung in einen Forschungsverbund oder ein anderes konkretes Forschungsvorhaben vor. Vielmehr agiert die Biobank als unabhängiger Verwalter für Proben unter-schiedlicher Quellen, die keinen fachlichen oder vertrag-lichen Bezug zur Biobank haben müssen. Entsprechend besteht auch keine zentrale Sammlung medizinischer Kontextdaten, es müssen lediglich Basisdaten zur Cha-rakterisierung von für bestimmte Fragestellungen jeweils interessanten Proben als Verweisdatensatz vorhanden sein. Auf Anfrage externer Forscher identifiziert und ver-mittelt dieser Biobanktyp einen spezifischen Probensatz.

Probe und lokale Kontextdaten werden vom dezentralen Vertragspartner an externen Forscher vermittelt, wo die komplette Analytik und Auswertung für einzelne For-schungsvorhaben stattfinden. Entsprechend ist diese Bio-bank nicht involviert in Patientenkontakt, Einholung der Einwilligungserklärung und in Qualitätssicherungsmaß-nahmen. Sie muss sich all dies nur vertraglich von ihren

Partnern zusichern lassen, die ihrerseits Biobanken der anderen skizzierten Typen sein können. In der Praxis ge-winnen diese Konstrukte jedoch zunehmend Relevanz.

Kategorisierung nach Organisationsform

Bei einer Kategorisierung nach der Organisationsform ei-ner Biobank lassen sich folgende Unterscheidungen vor-nehmen (Tab. 2).

1.2 Entstehungszusammenhänge

Bei einer Kategorisierung nach dem Entstehungszusam-menhang einer Biobank ergeben sich folgende Typen:

Sammlungen in Kliniken und Krankenhäusern Sammlungen von Gewebeproben (OP-Material) und Kör-perflüssigkeiten in den (Universitäts-)Pathologien und Laboren von Kliniken und Krankenhäusern: Diese Sammlungen entstehen zunächst im Behandlungszusam-menhang (z. B. histopathologische Diagnostik), zumeist ohne unmittelbare Forschungsabsicht, und die Aufbewah-rung erfolgt auf unbestimmte Zeit. Die Sammlung ist i. d. R. ungerichtet und heterogen, da der Aufbau ohne wissenschaftliche Fragestellung erfolgt.

Sammlungen in Forschungsprojekten

Diese Proben werden im Rahmen definierter Forschungs-projekte, sowohl akademischer als auch kommerzieller Forschung, gewonnen. Zur Gewinnung und Verwendung wird eine Einwilligungserklärung eingeholt, in der i. d. R.

die Zweckbindung auf das unmittelbare Forschungspro-jekt beschränkt ist. Nach Abschluss des ProForschungspro-jekts erfolgt entweder eine Vernichtung der Materialien oder eine An-onymisierung der Proben, um damit auch weiteren For-schungsvorhaben zur Verfügung stehen zu können. Die Sammlung ist konkret auf die entsprechende

Fragestel-Ta b e l l e 2 Kategorisierung von Biobanken nach der Organisationsform

Quelle: TMF 2006, S. 3

Organisationsform

je Modell zentralistisch dezentral kooperativ vermittelnd

Biobank mit Integration in eine Klinik

ja ja nein nein

Material immer im Behandlungsbezug gewonnen Biobank als

eigenständige Organisation

ja ja nein nein

Biobank als Teil eines Forschungsnetzes

ja ja ja nein

lung ausgerichtet, weitergehende Informationen werden oft nicht gewonnen.

Sammlungen in Forschungsnetzen und/oder für über-geordnete Forschungsprojekte bzw. Krankheits-gebiete

Die Verwendung erfolgt für ein ganzes Krankheitsbild (mit z. T. noch nicht definierten Fragestellungen) im Rah-men eines Forschungsnetzes oder auch offen für eine Weitergabe an andere Nutzer. Die deutschen Kompetenz-netze in der Medizin (Kap. II.3.1) sind hierfür ein typi-sches Beispiel. Ebenfalls möglich ist eine Sammlung zu übergreifenden Fragen der medizinischen Forschung wie die epidemiologische Genbank PopGen.

Derartige Sammlungen werden z. T. auch von Pharma-oder BioTech-Unternehmen angelegt. Allen gemein ist, dass die Sammlung nicht nur hinsichtlich einer konkreten Fragestellung aufgebaut wird, sondern verschiedenen Projekten als Infrastruktur dient. Die Datenerhebung er-folgt zugeschnitten auf den Indikationsbereich, aber mög-lichst breit, um nicht in der künftigen Forschung durch fehlende Daten eingeschränkt zu werden. Dies gilt insbe-sondere für epidemiologische Fragestellungen.

Sammlung zu kommerziellen Zwecken

Mit zunehmender Bedeutung von Biomaterialien für die grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung wächst auch das Interesse am Zugang zu diesen und der Möglichkeit, diese kommerziell zu nutzen. Derzeit gibt es allerdings noch wenige Sammlungen, die speziell zu die-sem Zweck aufgebaut werden. Grundsätzlich erfolgt der Aufbau einer solchen Biobank aber unter Ermittlung möglichst vieler verschiedener Daten, um die Attraktivi-tät der Proben zu erhöhen. Ein Beispiel einer Sammlung mit eigener Forschungsbeteiligung ist die Indivumed GmbH (Kap. II.2.6).

1.3 Trägerschaft und Finanzierung

Trägerschaft und Ziele, die mit dem Aufbau einer Bio-bank verfolgt werden, hängen eng zusammen. Folgende Träger lassen sich unterscheiden:

– Staatliche Institutionen: Behörden und nachgeordnete Einrichtungen des Bundes.

– Öffentlich geförderte Einrichtungen: Universitäten, Forschungseinrichtungen mit Bundes- und Landesfi-nanzierung sowie von diesen getragene Einrichtungen (ausgegründete Vereine, Stiftungen und gGmbH).

– Kommerzielle Unternehmen: Pharmafirmen, Bio-Tech-Unternehmen und andere Unternehmen mit Ge-winnabsichten.

– Patientenorganisationen und Interessensvereinigun-gen: Patienten haben ein Eigeninteresse an der Erfor-schung ihrer Krankheit, Berufsgenossenschaften an der Erforschung der Folgen von Belastungen in be-stimmten Berufen; derartige Interessensgruppen ini-tiieren mitunter selbst eine Biobank für die Forschung.

Die Trägerschaft geht in der Regel mit einer bestimmten Absicht einher, die sich entsprechend auf den Umgang mit den Proben auswirkt: Bundesinstitutionen gehen beim Betrieb einer Biobank einem öffentlichen Auftrag nach, wie beispielsweise die Umweltprobenbank des Bundes.

Dementsprechend sind Proben von solchen Biobanken er-hältlich, wenn die beabsichtigte Forschung die Wahrneh-mung des jeweiligen öffentlichen Interesses unterstützt.

Öffentlich geförderte Einrichtungen haben vor allem ei-nen allgemeiei-nen Forschungsauftrag, der sich mitunter auf ein bestimmtes Forschungsgebiet, aber nicht notwendi-gerweise auf ein öffentliches Interesse bezieht. Entspre-chend steht die Exzellenz der Forschung im Vordergrund.

Die Biobanken entstehen meist im Rahmen einer Projekt-förderung durch Drittmittel. Proben sind entsprechend entweder nur für die eigene Forschung vorgesehen oder im Rahmen von Kooperationen verfügbar, mit denen die Einrichtung ihr eigenes Forschungsrenommee steigern kann.

Kommerzielle Unternehmen verwenden die Proben zur Gewinnerzielung. Das kann bedeuten, dass sie aus-schließlich für die eigenen Forschungszwecke genutzt werden sollen.3 Aber auch Banken zum Verkauf von Pro-ben oder von mit den ProPro-ben einhergehenden Dienstleis-tungen sind denkbar. Hierbei wird oft auch auf die Betei-ligung an Lizenzen und entstehenden Patenten abgezielt.

Die Motivation von Patientenvereinigungen und Interes-sensgruppen ist – ähnlich den staatlichen Einrichtungen – zumeist auf ein übergeordnetes Interesse ausgerichtet.

Hauptsächliches Ziel sind neue oder bessere Therapien.

Gerade Patienten können dabei allerdings durchaus auch selbst von den Ergebnissen der Biobank profitieren, wenn Forschungsergebnisse rechtzeitig zu neuen Therapiean-sätzen führen. In der Regel ist aber davon auszugehen, dass Therapieansätze erst späteren „Generationen“ von Patienten zugute kommen.

Finanzierungsmodelle

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass ein Finanzie-rungskonzept stark durch den Zweck und die Struktur der Biobank bestimmt wird. So gibt es Biobanken, die ledig-lich Proben für eine spätere Verwendung aufbewahren und diese von zuliefernden Stellen in Empfang nehmen (z. B. Organbanken im Rahmen der Transplantationsme-dizin), es gibt aber auch Biobanken, die unter Umständen kontinuierlich zum initialen Humanprobenmaterial eines Falles zusätzliche medizinische Informationen einholen und zuordnen (z. B. Biobanken als epidemiologische For-schungsressource).

Ebenso entscheidend ist die Frage nach der Zentralität bzw. Dezentralität einer Biobank. Gewebebanken, die ausschließlich Patientengewebe aus dem medizinischen Routinebetrieb erfassen und lagern, erfordern andere

3 Jedoch werden auch bei einer privaten Trägerschaft häufig die Pro-bensammlungen im Kontext klinischer Studien (z. B. an Universi-tätskliniken) erstellt, erfolgen somit in einem Behandlungszusam-menhang im Rahmen des öffentlichen Gesundheitssystems.

Finanzierungsvolumina, als Biobanken, die sowohl kranke wie gesunde Teilnehmer rekrutieren und diese langfristig in einer Kohorte weiterverfolgen.

Neben diesen primär inhaltlich geprägten Gründen wird die Rechtsform gelegentlich durch die gesetzlichen Rah-menbedingungen bzw. durch politische Entscheidungen limitiert. Zieht man all dies in Betracht, so lassen sich drei grundlegend unterschiedliche Finanzierungskonzepte von Biobanken identifizieren (TMF 2006, S. 161 ff.): (1) Finanzierung von Biobanken durch öffentliche Förder-mittel, (2) kommerzieller Betrieb von Biobanken, (3) Fi-nanzierung durch (private) Spenden.

Im Dokument Deutscher Bundestag (Seite 17-21)