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Persönliche Ebene – Motivation und Beschäftigung

Im Dokument - Das Leben vergisst nicht - (Seite 118-122)

III. Empirischer Teil

6.5 Persönliche Ebene – Motivation und Beschäftigung

Thematisch anknüpfend an die persönlichen Haltungen, wird in diesem Kapitel die persönliche Dimension in der Beschäftigung mit transgenerationalen Phänomenen vertieft. Die Interview Partner wurden befragt, ob und in welcher Weise sie sich mit

ihrer eigenen Familiengeschichte im Hinblick auf Trauma und belastenden Ereig-nissen beschäftigt haben. Es wurde erfragt, was die Motivation zu dieser Beschäf-tigung - wenn stattgefunden - war, und welche Form dabei als hilfreich erlebt wurde.

Weiters war gefragt, ob es wahrnehmbare Belastungen oder Bereicherungen aus der eigenen Familiengeschichte in der professionellen Arbeit mit Klienten gibt.

Bis auf eine Person – wo dies nur mit Abstrichen zutreffend scheint - berichten alle Interviewten von einer sehr intensiven persönlichen Beschäftigung mit ihrer eigenen Familiengeschichte und den eventuellen generationenübergreifenden Belastungen.

Wie noch zur Sprache kommen wird, resultiert daraus aber auch sehr viel generati-onenübergreifende Resilienz oder Kraft, wie auch in den Studien zu Post-traumatic-growth (siehe Kapitel 1.7.2) beschrieben wird. (vgl, Tedeschi und Calhoun 2004, S.

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Die Motivation zu dieser vertieften Beschäftigung, stammt bei allen Personen aus irgendeiner Form des persönlichen Leids, sei es körperlicher oder seelischer Natur.

Die professionelle Notwendigkeit von Selbsterfahrung in Ausbildung war dabei of-fensichtlich meist nur zweitrangig, oder die Berufswahl vielleicht schon Ausdruck einer persönlichen Lebensgeschichte, wie hier sehr berührend geschildert wird: „Ich glaube den erste Anstoß, oder meinen ersten sinngebenden Lebensimpuls für alles was ich dann im Leben getan hab, hab ich so im 4. Lebensjahr gekriegt, als ich nach einer dieser Wahnsinns-Situationen, zu mir selber, 3 1/2, 4-jährig gesagt hab, ich werde dafür sorgen, dass es nie mehr Krieg auf der Welt gibt.“ (IP 5, Zeilen, 250 – 253)

Bei 2 Personen waren zum teils schwere, oder langjährig chronische Krankheiten und körperliche Beschwerden die Motivation für ein vertieftes Beschäftigen mit der eigenen Familiengeschichte, mit einer heutigen Genesung.

Die Herkunft aus belasteten Familien durch Weltkriege oder Mittäterschaft in der NS-Zeit wurden von mehr als der Hälfte als eine wesentliche Motivation für diese

Beschäftigung angegeben. „Meine Großeltern haben 2 Weltkriege erlebt, meine El-tern einen. Da gab es Flucht in meiner väterlichen Familie, und zum Teil auch in meiner mütterlichen Familie“. (IP 7, Zeilen 287 – 288)

Chronische Gefühle von Heimatlosigkeit, Probleme in Beziehungen oder Fragen zur eigenen Familie waren für etliche Personen ebenfalls wichtige Auslöser für eine tie-fere Selbsterfahrung, wobei wiederum die Methode von Familienaufstellungen für die meisten eine wichtige, oder zumindest erste, Form der Beschäftigung damit war.

Neben den in Kapitel 6.3 bereits erwähnten Formen der Selbsterfahrung, wurden noch weitere Arten der Beschäftigung als wesentlich benannt. Zum Beispiel das symbolische Würdigen persönlicher Gegenstände der Vorfahren, gemeinsam mit Geschwistern ein Buch über einen Vorfahren zu schreiben, die Recherche in Archi-ven über Kriegseinsätze und die NSDAP Mitgliedschaft von Großvätern, oder ein eigenes Album mit Fotos und einem Familien Genogramm anzulegen. Für eine Per-son war die Elternschaft ein wichtiger Schlüssel: „Ich glaube selber ein Kind zu ha-ben, hat eine riesige Tür geöffnet, zu sehen, guck mal da, ich lebe hier was, was gar nicht hier stimmt, aber bei mir läuft echt was ab, was gar nicht stimmt! Selber zu sehen, dass ich da was mitgebracht habe, von meinem Leben, und dem meiner Eltern.“ (IP 6, Zeilen 267 – 270)

Belastung und Bereicherung

Auf die Frage zu möglichen Belastungen oder Bereicherungen aus der eigenen Fa-miliengeschichte, gab es eine Vielzahl von wiederum sehr persönlichen, berühren-den und auch ausführlichen Schilderungen.

Der Großteil der Befragten spricht von, in einzelnen Fällen schweren, Belastungen aus dem Familiensystem, die sich durch die intensive Beschäftigung damit aber zu großen Teilen in Bereicherung und persönliche Vertiefung gewandelt haben, wenn-gleich einige von nachhaltigen Belastungen sprechen, vor allem im Zusammenhang mit Familiengeschichten mit Mittäterschaft in der NS-Zeit.

Als andere, ursprünglich belastende, Faktoren werden zum Beispiel Gewalterfah-rungen innerhalb der eigenen Familie, chronisches Schweigen oder Abtrennung von Gefühlen, das Fehlen der Väter nach dem Krieg, ein stilles Leiden der Frauen, oder eben eine familiäre Belastung durch aktive Teilnahme in der NSDAP angege-ben.

Selbst diese Belastung kann sich, wie in dieser Aussage zu einer aktiven NS-Fami-liengeschichte ersichtlich, durch persönliche Auseinandersetzung zu einer Berei-cherung wandeln: „wo mir auch klar geworden ist, wie stark das Betrauern von Ver-lust in unserer Familie unterbrochen ist, aus diesen Umständen heraus. […]

Und das hat mich wirklich zutiefst erschüttert, das auch zu fühlen, wie es meinem Opa da so ging, und darüber hat sich begonnen, ganz viel in mir zu öffnen. Ich hab seitdem, ist wirklich mein Herz wesentlich offener. Das ist für mich gut, aber das ist auch für meine Klienten gut, weil ich seitdem merke, dass ich viel mehr Mitgefühl hab. Ich kann einfach mehr Mitgefühl zur Verfügung stellen.“ (IP 5, Zeilen 252 – 260)

Eine erfolgreiche Aufarbeitung und Versöhnung mit der eigenen Familiengeschichte führt bei allen Befragten zu einer Bereicherung der eigenen Persönlichkeit und zu der Entwicklung von Qualitäten und Haltungen, die auch in Kapitel 6.4 erwähnt wer-den, und hier ganz knapp formuliert ist: „Diese eigene Aufarbeitung, und die Erfah-rung wie gut das tut, wenn man sich erlaubt, da auszusteigen, hilft mir sehr in meiner Begleitung.“ (IP 9, Zeilen, 89 - 90)

Die lebendige Verbindung zu den Ahnen und Wurzeln, wird von einigen auch als wirksame Kraft in der Arbeit mit Klienten angesehen: „Also ich komm aus einer Stadt in Deutschland, eigentlich ein Dorf, wo wirklich Generationen meiner Mutterseite gelebt haben. Diese Verwurzelung, diese tiefe mütterliche Verbindung, die ganz weit nach unten geht, ich glaube, dass das bringt, was ich anbieten kann, was viele Leute nicht haben.“ (IP 5, Zeilen 229 – 231)

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