• Keine Ergebnisse gefunden

V. Diskussion

3. Pathogenese der steril-eitrigen Meningitis-Arteriitis

Im Rahmen der steril-eitrigen Meningitis-Arteriitis kommt es vermutlich infolge von beginnenden entzündlichen Läsionen in den Meningen zur Induktion einer vermehrten Produktion des antiinflammatorischen Zytokins TGF-β1. Dieses als IgA-Switchfaktor agierende Zytokin führt zur Entstehung einer gesteigerten IgA-Synthese im Liquor cerebrospinalis. Eine Therapie mit Glukokortikosteroiden hemmt die Produktion des TGF-β1, die intrathekale IgA-Synthese bleibt dagegen trotz eines stetig sinkenden TGF-β1-Spiegels im Liquor cerebrospinalis weiterhin erhöht. Dies beweist, daß der Transforming Growth Factor-β1 nur die Entstehung einer vermehrten intrathekalen IgA-Produktion fördert, nicht aber für ihren Erhalt verantwortlich ist. So scheint die anhaltende massive intrathekale und systemische IgA-Synthese auf andere immunpathologische Mechanismen zurückzuführen zu sein.

In einer Reihe von Studien wird die Hypothese vertreten, daß ein persistierender pathogener Faktor zu einer Dysregulation des Immunsystems führt und dadurch die exzessive IgA-Synthese induziert (TIPOLD et al. 1994; TIPOLD et al. 1995; TIPOLD et al. 1999;

CIZINAUSKAS et al. 2000). Diese ist eventuell auch für das Auftreten von klinischen Rezidiven verantwortlich (CIZINAUSKAS et al. 2000) und steht wahrscheinlich in einem kausalen Zusammenhang mit der Freisetzung chemotaktischer Faktoren (BURGENER et al.

1998).

Eine Antikörperantwort auf Proteinantigen erfolgt mittels T-Zell-Hilfe. So entsteht die Induktion der Proliferation und Differenzierung der B-Zellen durch Interaktionen zwischen

Membranmolekülen der B-Lymphozyten und komplementären Rezeptoren der T-Lymphozyten sowie durch Zytokine, die von T-Helferzellen produziert werden (ABBAS et

al. 1996, S. 238). Nach TIPOLD et al. (1996) könnte eine veränderte T-Zell-Regulation die erhöhten IgA-Werte bei der steril-eitrigen Meningitis-Arteriitis erklären. Als Auslöser dieser veränderten T-Zell-Regulation käme ein unbekannter Stimulus in Frage. Die Entdeckung aktivierter T-Zellen läßt TIPOLD (2000) auf einen Antigenkontakt schließen. Der mögliche Einfluß eines Superantigens, das die Proliferation einer bestimmten Anzahl spezifischer T-Zellen induziert und dadurch eine vermehrte Zytokinsynthese mit Gewebeschädigungen und überschießender Immunantwort entstehen läßt, kann bisher für SRMA nicht ausgeschlossen werden (TIPOLD et al. 1996; TIPOLD 2000).

Eine abnorme Immunantwort bei Hunden mit SRMA wurde ebenfalls von FELSBURG et al.

(1992) entdeckt. Diese stellte sich in Form einer systemischen IgA-Erhöhung, einer

vermehrten peripheren B-Zellzahl sowie einer verminderten peripheren totalen T-Zellzahl dar. Des weiteren bestand eine Aktivierung der Monozyten und Makrophagen, eine deutlich supprimierte blastogene Antwort auf mitogene Stimulierung und eine Unfähigkeit der Bildung von Immunglobulin-produzierenden Plasmazellen nach polyklonaler Aktivierung. Nach Meinung der Autoren zeigten diese immunregulatorischen Abnormitäten große Ähnlichkeiten mit den immunologischen Veränderungen des Kawasaki-Syndroms bei Kindern.

Humanmedizinische Studien der IgA-Nephropathie (IgA-N) und der Henoch-Schönlein Purpura (HSP) bringen ebenfalls Veränderungen in der T-Zell-Regulation mit einer, auch für diese Krankheiten typischen, erhöhten systemischen IgA-Synthese in Verbindung. So wurden bei der IgA-N eine beeinträchtigte Bildung einer T-Zell-Suppressor-Aktivität (CAGNOLI et al. 1985; CASANUEVA et al. 1990), eine defekte T-Zell-Suppressor-Funktion (SAKAI et al. 1979), eine erhöhte T-Helferzell-Aktivität (SAKAI et al. 1982; CAGNOLI et al.

1985) und eine Hyperaktivität der B-Zellen (HALE et al. 1986) festgestellt. Bei der HSP wurden T-Zellen entdeckt, die zur Hemmung einer hohen spontanen Immunglobulin-Produktion normaler B-Zellen nicht mehr fähig waren (BEALE et al. 1982, 1983).

Die erwähnten Studien zeigen, daß ein persistierender Defekt im Regulationsmechanismus der IgA-Synthese anscheinend im Bereich der T-Zell-Regulation zu suchen ist. Eine Ausschaltung der normalen T-Zell-Kontrolle der Immunglobulinsynthese würde die unkontrollierte, exzessive IgA-Produktion in SRMA erklären. Als mögliche Ursache dieser überschießenden, persistierenden IgA-Synthese könnte z.B. eine Störung in der Signaltransduktion bestimmter Zytokine, wie dem Transforming Growth Faktor-β1, vorliegen und zu einer Dysregulation im Immunsystem führen.

Die Signaltransduktion von TGF-β1 wird nach HELDIN et al. (1997) durch spezifische zytoplasmatische Proteine, die Smads, vermittelt. Durch die Bindung des aktiven TGF-β1– Moleküls an spezifische Oberflächenrezeptoren bestimmter Zellen werden sogenannte Rezeptor-regulierte Smads (R-Smads) aktiviert. Diese aktivieren im Zytoplasma ein Partner-Smad (Co-Partner-Smads), kooperieren mit diesem und bilden einen gemeinsamen aktiven Partner- Smad-Komplex, der durch Translokation in den Zellkern gelangt und dort die Transkription spezifischer Gene induziert. Je nach Schwellenwert der Rezeptorstimulation durch das Zytokin werden so verschiedene Effekte hervorgerufen. Ein für Zellen proliferativer Effekt tritt beispielsweise erst bei einem effizienteren Stimulus auf.

Eine Störung in der Signaltransduktion des TGF-β1 kann nach Meinung der Autoren (HELDIN et al. 1997) bei Anwesenheit sogenannter inhibierender Smads (I-Smads) auftreten. Diese binden an den zytoplasmatischen Teil eines TGF-β1-Rezeptors,

beeinträchtigen die Aktivierung der R-Smads und unterbrechen so die Signaltransduktion.

Ihre Expression wird u.a. durch TGF-β1 induziert (AFRAKHTE et al. 1998; ITOH et al. 2000;

BRODIN et al. 2000). Die I-Smads bilden auf diese Weise einen autoinhibitorischen Signalweg des TGF-β1 (MIYAZANO et al. 2000). Andere negative Beeinflussungen der Signaltransduktion können durch Mutationen und Deletionen in Smads (HELDIN et al. 1997;

MOREN et al. 2000) sowie durch Rezeptor-interagierende Proteine oder weitere zytoplasmatische Signaltransduktionswege entstehen (HELDIN et al. 1997; MASSAGUÉ et al. 1997).

Das Auftreten inhibierender Smads und anderer hemmender Störfaktoren als auch die je nach Stimuluseffizienz unterschiedlich ausfallende Wirkung des Zytokins könnte möglicherweise erklären, warum durch TGF-β1 sowohl stimulierende als auch hemmende Effekte auf die gleiche Zellart hervorgerufen werden.

In der steril-eitrigen Meningitis-Arteriitis könnte eine gestörte TGF-β1-Signaltransduktion in den T- und/oder B-Lymphozyten die unkontrollierte, überschießende IgA-Produktion erklären, die trotz eines sinkenden TGF-β1-Spiegels und einer Glukokortikosteroidtherapie persistiert. Eine Störung in der Signaltransduktion von TGF-β1 könnte dazu geführt haben, daß das Zytokin seinen Einfluß auf bestimmte Subpopulationen von B- und T-Lymphozyten verliert. So würde eine infolge von Entzündungen erhöhte TGF-β1-Synthese zwar in B-Zellen zur Induktion des Klassensprungs zu IgA führen, eine Hemmung der B-Zell-Proliferation durch das Zytokin und damit ein Sistieren der Entzündung jedoch nicht erfolgen können.

Durch eine Hemmung der TGF-β1-Signaltransduktion in T-Zellen würden ebenfalls diese Zellen in ihrer Proliferation, Aktivierung und Reaktion auf Zytokine nicht mehr gehemmt werden, was zu einer verstärkten T-Zell-Bildung und einer erhöhten T-Zell-Aktivierung führen würde. Als Folge dieser Effekte wäre, je nach betroffener T-Helferzell-Subpopulation, ebenfalls mit einer vermehrten Sekretion pro- und antiinflammatorischer Zytokine zu rechnen, wodurch ein Entzündungsgeschehen gefördert oder gehemmt wird. Eine Störung der Signaltransduktion könnte aber auch in anderen TGF-β1-sensiblen Zellen, wie z.B. den Makrophagen, Monozyten, Astrozyten und der Mikroglia, die TGF-β1-spezifischen Effekte verhindern, was große Auswirkungen auf die Aktivierung, Differenzierung, Zytokinproduktion und Produktion chemotaktischer Faktoren der Zellen hätte.

In der vorliegenden Studie konnte bei einem Hund mit einer meningealen Histiozytose eine gesteigerte TGF-β1-Synthese als auch eine durch diese möglicherweise induzierte stark erhöhte IgA-Synthese im Liquor cerebrospinalis beobachtet werden, die nicht durch eine Glukokortikosteroidtherapie zu beeinflussen waren. Auch in anderen Arbeiten wird eine

vermehrte TGF-β1-Synthese in Tumorzellen beschrieben (ROBERTS u. SPORN 1990). Das TGF-β1 spielt nach HELDIN et al. (1997) eine multifunktionelle Rolle in der Tumorgenese und zeigt eine biphasische Aktion: Im Anfangsstadium der Tumorbildung sprechen die Tumorzellen auf die mitogen-hemmenden Effekte des Zytokins an; im Laufe der malignen Entartung werden die Zellen jedoch bezüglich der Proliferationshemmung des TGF-β1 resistent und nutzen den oft selbst synthetisierten Faktor als Tumorstimulator. Das Zytokin wirkt nur noch auf das umliegende gesunde Gewebe und schafft durch Stimulation der Angiogenese, durch Immunsuppression und durch Synthese extrazellulärer Matrix ideale Voraussetzungen für ein schnelles Tumorwachstum mit Metastasenbildung. Als Ursache dieser Resistenzentwicklung vermuten die Autoren Mutationen und Deletionen in Smads als auch eine Hemmung der Smad-Expression. Auch MOREN et al. (2000) berichten von somatischen Mutationen in Smads, die zu einer beeinträchtigten Bindungsfähigkeit für DNS und zur Abnahme funktioneller Eigenschaften und Instabilität des Smad-Proteins führen.

Möglicherweise liegen bei SRMA ähnliche pathophysiologische Mechanismen wie bei tumorösen Erkrankungen vor. Für die steril-eitrige Meningitis-Arteriitis wird aufgrund von Rasseprädispositionen (TIPOLD et al. 2000), enger verwandtschaftlicher Beziehungen der erkrankten Tiere (MERIC et al. 1986; RUBEN et al. 1989; DOUGHERTY et al. 1991;

PRESTHUS 1991; SCOTT-MONCRIEFF et al. 1992; PONCELET u. BALLIGAND 1993) und einer Altersprädisposition (TIPOLD 2000) ein genetischer Hintergrund der immun-pathologischen Mechanismen vermutet. Eine genetisch determinierte Störung in der TGF-β1 -Signaltransduktion der T- und/oder B- Lymphozyten wäre, ähnlich wie bei maligne entarteten Tumorzellen, eine mögliche Erklärung der pathogenetischen Entwicklung dieser Krankheit, schließt den Einfluß eines pathogenen Stimulus, z.B. in Form eines Antigens oder auch Superantigens, aber dennoch nicht aus.

Zusammenfassend konnte in dieser Studie mit Hilfe eines ELISA-Systems und einer immunhistochemischen Methode bewiesen werden, daß TGF-β1 im Liquor cerebrospinalis bei Hunden mit SRMA vermehrt produziert wird. Eine Erhöhung des intrathekalen TGF-β1- und IgA-Spiegels wurde nicht nur bei Hunden mit SRMA sondern auch bei Tieren mit bakteriellen Enzephalitiden und GME beobachtet, was auf ähnliche pathophysiologische Mechanismen für den erhöhten intrathekalen IgA-Gehalt bei diesen entzündlichen Erkrankungen des ZNS schließen läßt. Die im Verlauf einer Behandlung bestimmten TGF-β1- und IgA-Konzentrationen im Liquor cerebrospinalis von Hunden mit SRMA lassen eine Induktion der intrathekalen IgA-Synthese durch vermehrt intrathekal produziertes

TGF-β1 vermuten, was für die Pathogenese der steril-eitrigen Meningitis-Arteriitis von zentraler Bedeutung ist. Für den Erhalt dieser exzessiven intrathekalen IgA-Produktion ist das Zytokin wahrscheinlich nicht verantwortlich. Eine als Therapie der SRMA gezielt eingesetzte Blockierung von TGF-β1 wäre aufgrund der Ergebnisse dieser Arbeit nur im Anfangsstadium der Erkrankung in Erwägung zu ziehen, bleibt aber dadurch ohne praktische Relevanz.

In weiteren Studien sollte geklärt werden, inwieweit hemmende Smads und andere Inhibitoren der TGF-β1-Signaltransduktion oder ein persistierender pathogener Stimulus in die größtenteils noch unbekannte Pathogenese der SRMA involviert sind. Ebenso muß untersucht werden, ob weitere, die T- und B-Zellen beeinflussende Zytokine in die immunpathologischen Mechanismen der steril-eitrigen Meningitis-Arteriitis eingebunden sind.