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II. Literaturübersicht

3. Transforming Growth Factor-β 1 (TGF-β 1 )

3.4 Effekte im Körper

TGF-β1 ist ein Wachstumsfaktor, der die Proliferation von Zellen sowohl inhibieren als auch stimulieren kann. So werden epitheliale und endotheliale sowie hämatopoetische Zellen durch TGF-β1 in ihrer Proliferation gehemmt, Zellen mesenchymalen Ursprungs dagegen stimuliert (LAWRENCE 1996; ALEVIZOPOULOS u. MERMOD 1997). Die Mechanismen, die

dieser bifunktionellen Aktivität zugrunde liegen, sind bisher nicht bekannt. Der proliferative Effekt scheint jedoch indirekt durch TGF-β1 induziert zu sein und von der verstärkten Expression autokrin wirkender Wachstumsfaktoren, wie z.B. Platelet-derived growth factor (PDGF) und Epidermal growth factor (EGF), oder auch von Komponenten der extrazellulären Matrix abzuhängen (MASSAGUÉ 1990; MASSAGUÉ u. POLYAK 1995;

ALEVIZOPOULOS u. MERMOD 1997).

TGF-β1 ist ein wichtiger Wachstumsfaktor während der Wundheilung und der Organogenese (ROBERTS u. SPORN 1990). Das Zytokin beeinflußt das Wachstum und die Differenzierung von Epithelzellen, ist vielseitig an der Regulation des Immunsystems beteiligt und scheint zudem Einfluß auf die Karzinogenese zu haben (HELDIN et al. 1997; MASSAGUÉ et al.

1997; TIZARD 2000, S. 136). Als Zielorgane gelten unter anderen insbesondere das Immunsystem, die Leber, das hämatopoetische System, die Nieren sowie die Nebennieren (COX u. MAURER 1997).

Als wahrscheinlich stärkster physiologischer Inhibitor der Zellproliferation (MOSES et al.

1985) führt TGF-β1 zu einem reversiblen Arrest in der G1-Phase des Zellzyklus (DERYNCK u. FENG 1997). In einigen Zelltypen induziert TGF-β1 auch den programmierten Zelltod durch Apoptose (ALEVIZOPOULOS u. MERMOD 1997).

TGF-β1 ist als Zytokin wahrscheinlich deshalb so wichtig, weil es auf eine Reihe von Reaktionen der Lymphozyten antagonistisch wirkt (ABBAS et al. 1996, S. 308). So reguliert es direkt oder indirekt durch andere Zytokine die Entwicklung, Differenzierung und Funktionen der B- und T-Zellen. Der Faktor hemmt die B-Zellen in ihrer Proliferation und induziert teilweise sogar Apoptose. Die Produktion von IgG und IgM wird unterdrückt, wohingegen eine Induktion des Klassensprungs von IgM zu IgA zu einer vermehrten IgA-Synthese führt. Neben einer Hemmung von Proliferation und Aktivierung der T-Zellen supprimiert TGF-β1 die Antwort der T-Zellen auf Zytokine, die T-Zell-vermittelte Zytotoxizität als auch die TH1-Zell-Aktivität. Das Zytokin sorgt des weiteren für eine allgemein reduzierte Expression von Oberflächenrezeptoren für verschiedene Wachstumsfaktoren (DUBOIS et al. 1995; ABBAS et al. 1996, S. 308; TIZARD 2000, S. 136).

TGF-β1 kontrolliert und reguliert die Funktion und Aktivität von Makrophagen und besitzt je nach Anwesenheit anderer Zytokine eine hemmende oder stimulierende Wirkung. Neben der Hemmung von Gewebemakrophagen kommt es zur Deaktivierung/Unterdrückung des durch Makrophagen produzierten Wasserstoffperoxids (ROBERTS u. SPORN 1990;

DUBOIS et al. 1995; TIZARD 2000, S. 136). Die Bildung von Stickstoffmonoxid wird durch TGF-β1 nicht nur in Makrophagen sondern auch in Zellen des Knochenmarks, des

Herzmuskels, der weichen Muskulatur und des Retinaepithels supprimiert (LAWRENCE 1996; TIZARD 2000, S. 136).

Das Zytokin zeigt neben der großen Anzahl inhibierender auch stimulierende Effekte. So entsteht eine verstärkte Chemotaxe für Monozyten, neutrophile Granulozyten, Makrophagen und Fibroblasten (OSSEGE et al. 1994; TIZARD 2000, S. 136). Die Fibroblasten erhalten zusätzlich eine proliferative Stimulation. Die Monozyten werden bezüglich ihrer Phagozytoseaktivität im Blut, ihrer Integrin-Expression und ihrer Sekretion von IL-1 und Tumor Nekrose Faktor (TNF)-α stimuliert; ihre Differenzierung wird jedoch blockiert (TIZARD 2000, S. 136).

TGF-β1 unterdrückt die Aktivität der Natürlichen Killerzellen (ROBERTS u. SPORN 1990), hemmt die endotheliale Adhäsion von Granulozyten (PFISTER et al. 1992) und fördert besonders im Rahmen der Wundheilung die Angiogenese (DUBOIS et al. 1995; COX u.

MAURER 1997).

Das antiinflammatorisches TGF-β1 ist Antagonist zu Interleukinen (IL-1, IL-2, IL-3, IL-12), Tumor Nekrose Faktoren (TNF-α, TNF-β) und Interferonen (IFN-α, IFN-γ) (ROBERTS u.

SPORN 1990; DUBOIS et al. 1995; TIZARD 2000, S. 136). Da es hauptsächlich antagonistische Wirkung gegen proinflammatorische Zytokine zeigt, wird TGF-β1 auch als

„Anti-Zytokin“ bezeichnet und ist vielleicht das Signal, um eine Immunantwort zu beenden (ABBAS et al. 1996, S. 308).

Weitere Effekte des TGF-β1 werden bei immunpathologischen Erkrankungen gesehen. So bewirkt der Faktor beispielsweise bei Patienten mit Multipler Sklerose oder Myasthenia gravis eine Suppression der autoantigen induzierten mRNS-Expression der Zytokine IFN-γ, IL-4, IL-6, TNF-α und TNF-β (LINK et al. 1995).

Der Einfluß des Wachstumsfaktors auf die Hämatopoese beschränkt sich auf die Kontrolle des Wachstums von Vorläuferzellen. So induziert das TGF-β1 eine Proliferationshemmung von Thymozyten, primitiven Knochenmark-Vorläuferzellen, T- und B-Zell-Vorläufern und Megakaryozyten (ROBERTS u. SPORN 1990; DUBOIS et al. 1995).

Die stimulierenden Effekte des TGF-β1 auf die Synthese und die Zusammensetzung der Matrix sowie die hemmenden Effekte bezüglich des Matrixabbaus kommen der Wundheilung und der Gewebereparation zugute. Infolge einer Verletzung führt eine Autoinduktion der TGF-β1-Expression zu einer besonders in Thrombozyten erhöhten Zytokinproduktion (COX u. MAURER 1997). Bei Entzündungen kommt es infolge eines negativen Feedback-Systems zwischen inflammatorischen Zytokinen und der Achse ZNS - Nebenniere zu einer erhöhten endogenen Glukokortikosteroidsynthese. Daraus resultiert eine gewisse Hemmung der

meisten Zytokine. TGF-β1 und PDGF werden dagegen in ihrer Produktion stimuliert (BRATTSAND u. LINDEN 1996) und fördern Heilung und fibrotische Prozesse (ROBERTS u. SPORN 1990; LAWRENCE 1996; COX u. MAURER 1997). Die lokale Wundheilung ist durch die Einwirkungen des TGF-β1 daher meist mit der Bildung hypertrophen Narbengewebes verbunden. Eine Dysregulation der TGF-β1-Produktion, z.B. durch Überproduktion/Mangel des Zytokins, Abwesenheit der Rezeptoren oder nicht adäquater Aktivierung der latenten Form, kann zu pathologischen Zuständen wie dem Kelloid und der Glomerulonephritis führen (LAWRENCE 1996; COX u. MAURER 1997). SHAH et al. (1995) zeigten in einem Modell mit Ratten, daß durch lokal in die Wunde applizierte Antikörper, die gegen TGF-β1 gerichtet sind, eine Wundheilung ohne Bildung von Narbengewebe erreicht werden kann. Im Gegensatz zu den erwähnten Effekten der endogenen Synthese geringer Glukokortikosteroid-konzentrationen (BRATTSAND u. LINDEN 1996) zeigten in-vitro-Beobachtungen an Zelllinien von DANIELPOUR et al. (1991), daß die TGF-β1-Sekretion durch Applikation von Dexamethason gehemmt wird.

Die beschriebenen Effekte des TGF-β1 deuten auf die essentielle Rolle des Zytokins bei der Regulierung und Kontrolle des Wachstums, der Differenzierung und der Funktion von mesenchymalen Zellen hin (ROBERTS u. SPORN 1990; LAWRENCE 1996).

Immunologisch betrachtet unterdrückt das TGF-β1 nur die destruktiven Aspekte einer Entzündungsantwort, während es die anabolischen Reaktionen des Körpers fördert (ROBERTS u. SPORN 1990).

Weitere Effekte des Transforming Growth Factor-β1: Das Zytokin spielt im Knochen, der reichsten TGF-β1-Quelle des Körpers, eine zentrale Rolle bei Wachstums-, Umbau- und Reparationsprozessen. Im Muskel scheint eine Beteiligung an der Regulation der Myogenese vorzuliegen. Der Wachstumsfaktor zeigt zudem meist hemmende Einflüsse auf die Steroidgenese in Ovar, Testis und adrenokortikalen Zellen, wirkt auf die mesangialen Zellen in der Niere jedoch stimulierend. In der Leber adulter Individuen sorgt TGF-β1 für die Hemmung von Wachstum und Replikation der Hepatozyten, die im Falle einer Gewebeschädigung jedoch reversibel ist (ROBERTS u. SPORN 1990; COX u. MAURER 1997).

Der Einfluß von TGF-β1 auf die Karzinogenese scheint in den meisten Fällen hemmend zu sein (COX u. MAURER 1997). Viele Tumorzellen exprimieren TGF-β1 und sezernieren höhere Konzentrationen als nichtentartete Zellen gleichen Ursprungs (ROBERTS u. SPORN 1990). Eine Anzahl von Tumoren und Tumorzelllinien sind dem TGF-β1 gegenüber resistent.

Nach HELDIN et al. (1997) reagieren die Tumorzellen im Anfangsstadium der malignen

Zellentartung noch sensibel auf die mitogenen Effekte des Zytokins und werden in ihrer Proliferation gehemmt. Erst im fortgeschrittenen Stadium der Karzinogenese entwickeln die Zellen Resistenzen gegen TGF-β1, die auf Mutationen/Deletionen in Smads und Rezeptoren zurückzuführen sind (DERYNCK u. FENG 1997; HELDIN et al. 1997). Das von malignen Zellen produzierte TGF-β1 stimuliert das Tumorwachstum so indirekt über parakrine Effekte auf Stromaelemente (Stimulierung der Angiogenese und Synthese extrazellulärer Matrix) und schützt den Tumor zusätzlich durch Suppression der Immunreaktion des Wirtes.

(LAWRENCE 1996). Auf diese Weise können bestimmte Tumorzellen wahrscheinlich der Immunantwort entfliehen (ABBAS et al. 1996, S. 308).

Im Rahmen von humanmedizinischen Studien wurden folgende TGF-β1-Konzentrationen in Seren und Liquores cerebrospinales gemessen:

Tab. II.5: Systemische und intrathekale TGF-β1-Konzentrationen beim Menschen

Serum ng TGF-β1/ml

(x±s bzw.

Spannweite)

Literaturquelle

gesunder Mensch (Form des TGF-β1 nicht näher klassifiziert)

4,1 ± 2,0 WAKEFIELD et al. (1995) Mensch Arteriosklerose der

Koronararterien (aktives TGF-β)

57-100 ERREN et al. (1999)

Liquor cerebrospinalis pg TGF-β1/ml (x±s)

Literaturquelle

gesundes Kind (Form des TGF-β1 nicht näher klassifiziert)