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Parteiinterne Kommunikation im Kreisverband Gießen

3. Die Mitgliederpartizipation am parteiinternen Willensbildungsprozess

3.4 Parteiinterne Kommunikation im Kreisverband Gießen

Kommunikation ist Voraussetzung und ein grundlegendes Bedürfnis jeder Interaktion menschlichen Zusammenlebens und nach Ronneberger „zunächst nichts anderes als die Übermittlung von Informationen“159. Wenn der Informationsaustausch beiläufig im Rahmen bestehender sozialer Interaktionen stattfindet oder zum Austausch bestimmter Inhalte institutionell geregelt ist, wird von „informaler“ oder „formaler“ Kommunikation gesprochen.160

Persönliche Kommunikationsmuster sind einerseits Ausdruck persönlicher Orientierungen, andererseits Ausdruck einer Struktur von Kommunikationsgelegenheiten und Informationsangeboten. Zusammen kennzeichnen sie ein System, über das Personen mehr oder weniger direkt miteinander in Verbindung stehen und sich der Möglichkeit wechselseitigen Einflusses aussetzen.

Parteiveranstaltungen aller Art dienen meines Erachtens dazu, den parteiinternen Kommunikations-/Informationsaustausch unter den Parteimitgliedern aufrechtzuerhalten.

Neben den satzungsgemäß reglementierten wurden den Mitgliedern im Kreisverband Gießen noch eine große Auswahl an gesellschaftlichen Veranstaltungen angeboten. Hierzu gehören u.a. Grillabende, Dämmerschoppen, Weihnachtsfeiern oder Wanderungen.161

Aus den geführten Gesprächen geht hervor, dass die aktiven Mitglieder im Durchschnitt mehrmals im Monat die Versammlungen, Veranstaltungen und Treffen der Partei besuchten, die „einfachen“ Parteimitglieder vermutlich nur etwa alle zwei bis drei Monate.162 Der damalige Stadtparlamentsfraktionsvorsitzende, Bernhard Gattwinkel, äußerte sich dahingehend, dass davon ausgegangen werden konnte, dass ein regelmäßiger parteiinterner Informationsaustausch zwischen den „aktiven“ Parteimitgliedern existierte, nicht jedoch zu den „einfachen“ Parteimitgliedern.163 Demnach besteht ein innerparteiliches Kommunikations- und Informationsgefälle zwischen der „aktiven“ und der „passiven“

158 Es sind „ ... diejenigen die im Parteivorstand, im Stadt- und Kreistag sitzen, die die regelmäßigen Besucher dieser Versammlungen sind“. Interview mit Bernhard Gattwinkel am 21.7.1994.

159 Franz Ronneberger/Jürgen Walchsdörfer, „Parteien als Kommunikationssysteme“, in: Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), „Strukturprobleme des lokalen Parteiensystems“, Bonn 1975, S. 115.

160 Ibid., S. 110.

161 Interview mit Helmut Zimmermann am 22.3.1994; Express-Magazin 3/93.

162 Interview mit Helmut Zimmermann am 22.3.1994 und Bernhard Gattwinkel am 15.7.1994.

163 „Demnächst soll wieder ein Stammtisch eingeführt werden auf Stadtebene. Früher war er auf Kreisebene, um wieder die Kommunikation in der Parteibasis wiederherzustellen“. Interview mit Bernhard Gattwinkel am 19.7.1994.

Mitgliedschaft. Hinzu kommt ein weiterer Faktor, dass bei geringen Mitgliedschaften noch weniger Kommunikationsnutzung zu erwarten ist.164

3.4.1 Aktivitätsniveau und parteiinterne Kommunikation

Im folgenden Abschnitt soll untersucht werden, inwieweit das Aktivitätsniveau mit der parteiinternen Kommunikation der Mitglieder des Kreisverbandes Gießen der Republikaner zusammenhängt. Eine umfassende Analyse der in der Parteimitgliedschaft der Republikaner bestehenden Kommunikationsbeziehungen ist aufgrund ihrer Komplexität und mangelnder Informationen leider nicht möglich. Es können daher lediglich Voraussetzungen und Bedingungen für die Aufnahme, Verarbeitung und Weiterleitung von Informationen nicht näher bestimmten Inhaltes aufgezeigt werden.165

Die Kommunikationsintensität kann als Ausdruck für den Aufwand und die Anstrengungen, die ein Mitglied aufwendet, um seine Interessen und Werte in die Entscheidungen der Partei einzubringen, gedeutet werden. Hierbei soll in der weiteren Analyse zwischen einer einseitigen, direkten Information über die parteiinternen Medien und einer einseitigen, indirekten Information über die öffentlichen Massenmedien unterschieden werden.

3.4.1.1 Kommunikation/Information über parteiinterne Medien

Auf die Frage, welche Informationsquelle den Parteimitgliedern am wichtigsten erschien, um sich über den Standpunkt der Partei zu bestimmten Fragen zu informieren, meinten die Gesprächsteilnehmer, dass sie sich über persönliche Kontakte zu Funktionären oder Delegierten und in privaten Gesprächen informierten. Darüber hinaus waren für sie die Parteipublikationen neben den Parteiveranstaltungen das wichtigste Informationsinstrument, sich über die Ziele und Handlungen der Partei zu informieren.

Aufgrund dieses Ergebnisses gehe ich davon aus, dass diese Parteimedien vorrangig der parteiinternen Kommunikation bzw. der Information der Mitglieder dienten. Diese Publizistik kann daher als ein relativ stabiler Faktor in der Kommunikation gesehen werden.

164 Ulrich von Alemann, „Parteien und Gesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland.

Rekrutierung, Konkurrenz und Responsivität“, in: Alf Mintzel/Heinrich Oberreuter (Hrsg.), (1992), op.cit., S. 122.

165 Franz Ronneberger/Jürgen Walchsdörfer, (1975), op.cit.

3.4.1.1.1 Das Angebot an Parteizeitungen

In der weiteren Untersuchung beschränke ich mich auf die relativ leicht feststellbaren quantitativen Merkmale der von einer Partei herausgegebenen Medien.166

Das zentrale Parteiorgan der Bundespartei ist die 1983 gegründete Zeitschrift „Der Republikaner“ mit einer monatlichen Auflage von ca. 85.000 Stück. Zunächst unter dem Titel „Republikanischer Anzeiger“ verbreitet, erschien sie bis Ende 1995 unter dem o.g. Titel im 13. Jahrgang. Es war eine im Zeitungsformat gehaltene und die einzige periodisch erscheinende Schrift der gesamten Parteiorganisation, die für jedes Parteimitglied erhältlich ist.167

Der Landesverband Hessen gab nur einmal im Nov./Dez. 1989 ein Zweimonatsblatt unter dem Titel „Der hessische Republikaner“ heraus. Seitdem besaß er Wechselseiten im

„Republikaner“, die er redaktionell eigenständig gestalten konnte. Darüber hinaus besaß der Landesverband Hessen einen Informationsdienst, den vor allem die engeren Führungsgruppen der Partei nutzten.

Der Kreisverband Gießen gab keine regelmäßig erscheinende eigene Informationsschrift heraus.168

Hinzu kam, dass auch das innerorganisatorische Informations- und Kommunikationssystem, insbesondere durch elektronische Textübermittlungsmöglichkeiten /Internet in den letzten Jahren ständig erweitert wurde. Dadurch konnte die Reaktionsgeschwindigkeit der Untergliederungen auf politische Ereignisse erhöht werden, allerdings auch das Steuerungspotenzial übergeordneter gegenüber untergeordneten Einheiten. Seit März 1994 sollte eine parteinahe Franz-Schönhuber-Stiftung einen weiteren Beitrag zur politischen Bildungsarbeit und zur wissenschaftlichen Politikberatung leisten. Die Einrichtung wurde jedoch vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster zurückgewiesen.169 Im Kreisverband Gießen existierte ein vielfältiges Geflecht von binnenorganisatorischen politischen Vermittlungs- und Kommunikationsaktivitäten und -leistungen. Vom Ausbau der organisationsinternen Vermittlungsapparate und die damit in Verbindung stehenden

166 Hierunter fallen beispielsweise Auflagenhöhe, Erscheinungshäufigkeit und Definition der Empfänger. Nicht berücksichtigt werden die Inhalte der einzelnen Medien, redaktionelle Konzeptionen und deren professionelle Handhabung sowie personelle, finanzielle und organisatorische Unterstützung bei der Herausgabe. Unter dem verwendeten Begriff der Parteipublikationen soll im Allgemeinen Zeitschriften verstanden werden, die langfristig und mit einer Mindesthäufigkeit erscheinen. Auch keine Berücksichtigung finden die zeitlich, thematisch und räumlich punktuellen Schwerpunktmaßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere während der Wahlkämpfe.

167 Vgl. Rainer Fromm/Barbara Kernbach, „... und morgen die ganze Welt?, Rechtsextreme Publizistik in Westeuropa“, Marburg 1995, S. 130; Vgl. Siegfried Jäger (Hrsg.), „Rechtsdruck. Die Presse der Neuen Rechten“, Berlin/Bonn 1988, S. 223; Astrid Lange, „Was die Rechten lesen. Fünfzig rechtsextreme Zeitschriften. Ziele. Inhalte. Taktik“, München 1993, S. 64 ff.

168 Interview mit Bernhard Gattwinkel am 15.7.1994 und Interview mit Helmut Zimmermann am 22.3.1994.

169 Vgl. Franziska Hundseder, „Rechte machen Kasse. Gelder und Finanziers der braunen Szene“, München 1995, S. 39-50; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.2.1998.

Kommunikationsangebote profitierten jedoch nicht alle Parteimitglieder, sondern nur diejenigen, die innerhalb der Organisation ohnehin schon an herausgehobener Position standen.

Nun stellt sich die Frage, wie das Angebot an periodisch erscheinenden parteiinternen Publikationen durch die Mitglieder angenommen wurde. Meiner Einschätzung nach ist auf individueller Ebene die Zahl der vom einzelnen Mitglied aufgenommenen bzw. gelesenen Publikationen nicht nur ein Maß für den Aufwand, den das einzelne Mitglied für seine Information betreibt, sondern auch eine Folge der Angebotsstruktur. Der Umfang, in dem die einzelnen Publikationen von der Gesamtmitgliedschaft aufgenommen werden, macht die Struktur der Informations- und Einflusschancen in die Mitgliedschaft über die parteiinternen Publikationen deutlich.

In den geführten Gesprächen wurde deutlich, dass sich die Mitglieder in erster Linie über die Parteipublizistik informierten, gefolgt von Parteiveranstaltungen, Hörfunk-/Fernsehberichten und Tageszeitungen. Dabei wurden auch erhebliche Unterschiede bei den aktiven Mitgliedern deutlich. Die Aufnahme von Parteipublikationen war dort am größten, wo auch die Kommunikation über die persönlichen Kontakte am dichtesten waren. Je berufsmäßiger Politik betrieben wurde, um so größer war der Aufwand für die Kenntnisnahme der parteiinternen Publikationen. Die umfangreiche Verarbeitung und Informationsaufnahme der parteiinternen Publikationen kann als Teil des Koordinations- und Integrationsaufwandes derer angesehen werden, die die Politik der Partei mit ihrer förmlichen Autorität in den Parteiämtern und bei der Ausübung von Mandaten aktiv gestalteten und formulierten.

3.4.1.2 Medienaufnahmen bei unterschiedlicher Aktivität

Die Medienaufnahme durch die Parteimitglieder im Kreisverband Gießen war demnach abhängig von der Stärke ihres politischen Interesses, das wiederum in der mehr oder weniger großen Aktivität in der Partei zum Ausdruck kam. Mehr oder weniger große Aktivität entsprach einer korrespondierenden Bereitschaft, sich umfangreicher über öffentliche Medien zu informieren, wie es aus den geführten Gesprächen hervor ging. Während bei der Aufnahme parteiinterner Medien berücksichtigt werden musste, dass aktive und passive Mitglieder kein gleich umfangreiches Medienangebot erhielten, waren die öffentlichen Medien jedermann gleichermaßen zugänglich. Als allgemeine Informationsquelle konnten lokale und regionale Tageszeitungen und die bundesweiten Nachrichtensendungen des Fernsehens praktisch von allen aktiven oder passiven Mitgliedern genutzt werden. Die Medienstruktur bei den aktiven Mitgliedern war vielfältiger als bei den passiven, weil die

Mediennutzung mit zunehmender Aktivität umfangreicher wurde. Der individuelle Aufwand war deshalb sehr unterschiedlich.