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Parklandschaft Tempelhof

Teil 2 Situation und Planungsvorgaben

2.4 Parklandschaft Tempelhof

Prozessorientierte Stadtentwicklung

Die neue Parklandschaft Tempelhof wird als Freiraum berlinweit von Be-deutung sein und weit über die Stadt hinaus wirken. In allen Phasen der Entwicklung soll die Parklandschaft attraktive Angebote aufweisen, die unabhängig von der Fertigstellung der gesamten Fläche genutzt werden können.

Der Begriff „Parklandschaft“ wurde bewusst gewählt, um zu betonen, dass hier kein herkömmlicher Park, sondern ein ganz besonderer Raum, der Parkelemente und Landschaftserleben kombiniert, entstehen soll. Hierzu gehört die Sichtbarkeit des Horizonts, die hier wie sonst nirgends in ei-ner Innenstadt gegeben ist. Eine Herausforderung ist es, diese Weite zu strukturieren, ohne sie aufzuheben.

Bürgerbeteiligung und Verfahren

Aufgrund der Bedeutung des Geländes für ganz Berlin im Allgemeinen und den Einzugsbereichs des Tempelhofer Feldes, der erheblich unterver-sorgt ist mit Grünanlagen, im Besonderen, fand im Vorfeld des Verfahrens wie auch zwischen den Verfahrensstufen eine umfangreiche Bürgerbe-teiligung statt. Dafür wurden verschiedene Formate gewählt, um so viele Bürger und Bürgerinnen wie möglich zu erreichen.

Ausführliche Information zur Bürgerbeteiligung siehe digitale Anlage 4_1_08_Informationen_Parklandschaft_THF.

Offener landschaftsplanerischer Wettbewerb

Anfang März 2010 wurde ein offener landschaftsplanerischer Ideen- und Realisierungswettbewerb mit nachfolgendem Verhandlungsverfahren aus-gelobt. Mitte Juni wurden vom Preisgericht sechs Projektteams einstim-mig ausgewählt, um in weiteren Schritten ihre Entwürfe zu konkretisieren.

Im August 2010 lud die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein, sich über die ausgewählten Entwürfe zu informieren und sich weiter am Dialog zur Gestaltung der Parklandschaft zu beteiligen.

Nach Vertiefung der Aufgabenstellung und Auswertung des Bürgerdia-logs überarbeiteten in dem anschließenden Verhandlungsverfahren alle sechs Teams im Dialog mit einem Beratungsgremium ihre Entwürfe. Ab-schließend sprach das Beratungsgremium im März 2011 eine einstimmige Empfehlung zur weiteren Beauftragung des Teams GROSS.MAX. und Sutherland Hussey, Edinburgh, aus.

Im April 2011 wurde dann das Siegerkonzept von Eelco Hooftmann und Daniel Reiser aus dem Büro GROSS.MAX. den interessierten Anwohnern präsentiert. Weiterhin wurde das Konzept in den angrenzenden Bezirken in drei Terminen zur Diskussion gestellt.

Das lange und sehr dialogorientierte Verfahren zur Parklandschaft

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pelhof hat sich bewährt. So konnte ein einvernehmliches Ergebnis erzielt werden, das gestalterische Prägnanz mit der Wahrung des ortsspezi-fischen Charakters verbindet, funktionale und ökologische Belange inte-griert sowie vielfältige Angebote für aktive und passive Nutzungen schafft.

Dabei wird eine klare Grundstruktur geschaffen, die den vielen zu erwar-tenden Änderungen standhalten kann, weil sie gleichzeitig flexibel genug ist, um auf neue Entwicklungen reagieren zu können.

Das Ergebnis Leitidee

Die herausragende Qualität des Entwurfskonzepts von GROSS.MAX.

liegt nach Auffassung der Wettbewerbsjury in der sehr klaren Leitidee, die sich aus einer intensiven Auseinandersetzung mit der städtebaulichen Figur und Maßstäblichkeit des Flughafengebäudes und des weitläufigen Geländes entwickelt hat. Es eröffnet sich dadurch die Chance, den Ort ganz neu zu interpretieren, ihm eine neue, starke Identität von überregio-naler Ausstrahlungskraft zu geben und die Monumentalität des Flughafen-gebäudes zu relativieren, ihm aber dennoch gerecht zu werden. Dem Ent-wurf gelingt es, durch Verwendung von Kreis und Oval, mit großer Leich-tigkeit und wie selbstverständlich das Flughafengebäude und die ehema-ligen Landebahnen in die Parklandschaft zu integrieren. Damit wird das Areal von der Last des Gebäudes, räumlich und historisch, befreit. Der Entwurf geht sehr spezifisch auf den Ort ein, er greift die Einmaligkeit des Gebietes auf und steigert sie noch. Er ist nur auf dem Tempelhofer Feld denkbar und damit unverwechselbar.

Abb. 11. Entwurf Parklandschaft Tempelhof von GROSS.MAX. April 2011.

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Kreis

Die Kreisform, die sich aus dem Flughafengebäude ergibt, wird gebildet durch eine kleine Landform, die etwa einen Viertelkreis ausmacht, sowie kreisförmige Wege. Dadurch wird das Gebäude mit leichter Geste in den Park einbezogen, gleichzeitig verankert das Gebäude die Parklandschaft in der bestehenden Stadtstruktur.

Die kleine Landform, die den Kreis räumlich definiert, befindet sich an ihrem östlichen Beginn auf Geländehöhe und hält dann dieses Niveau, während das vorhandene Gefälle des Geländes nach Westen weiter sinkt.

Szenographisch werden durch die sich verringernde Höhe Blicke aus un-terschiedlicher Perspektive ermöglicht. Gleichzeitig entsteht ein Gefühl von Umgrenzung.

Dabei bleibt der Blick auf das Gebäude aus allen Richtungen gewahrt, wenn man sich in einigem Abstand von der Landform befindet.

Oval

Das Oval wird gebildet durch die Aufnahme und Neuinterpretation der Ta-xiways und der vorhandenen Rundwege. Die Dynamik der verbindenden Wege setzt besondere Akzente. Der Ring besteht aus überlappenden el-lipsenförmigen Routen, der um die offene freie Mitte kreist. Durch das We-gegeflecht entsteht eine dynamische Zone mit unterschiedlich großen, halbmondförmigen Teilflächen, in der kleinteiligere Nutzungen ihren Platz finden. In diesen Bereichen können auch kleinmaßstäbliche Räume ent-stehen, die einen Kontrast zur großen offenen Fläche in der Mitte bilden.

Die variationsreiche Erschließung und Wegeführung erlaubt ein Neben-einander von Nutzungen verschiedener Größe, Art und Geschwindigkeit.

Dadurch entstehen Spielräume, die im Zusammenhang mit der Entwick-lung der Ränder der Baugebiete und dem Wandel der Interessen immer wieder neu ausgelotet werden können.

In der Nähe des Rings sind ovaloide Flächen platziert, die als Räume für besondere Nutzungen gedacht sind, insbesondere für die sogenannten Teilöffentlichkeiten. Dies sind Flächen, die Gruppen für bestimmte Nut-zungen zugeteilt werden können, die aber dennoch öffentlich einsehbar und zum Teil auch nutzbar sein sollen. Hierher könnten zum Beispiel die-jenigen Pioniere umziehen, die auf Dauer in der Parklandschaft bleiben wollen und sollen.

Rundweg

Der Rhythmus von Parkfugen und Baugebieten am äußeren Rand des Rundwegs erlaubt aus der Parklandschaft heraus Ausblicke in die alten und neuen Nachbarquartiere, von außen Einblicke in die Parklandschaft.

So werden alte und neue Stadtgebiete miteinander verknüpft, visuell und tatsächlich. Auch nach innen, in das weite Feld hinein, öffnet und schließt sich das Sichtfeld immer wieder, insbesondere durch die Anordnung der schattenspendenden Baumgruppen. Diese geschickte Inszenierung des Blicks schafft Abwechslung und erhält einen Spannungsbogen aufrecht.

Erschließungssysteme

Zur Verbindung mit der Umgebung dienen die Ost-West-gerichteten Lan-debahnen und ein neuer Weg in Nord-Süd-Richtung. Die LanLan-debahnen sind die Hauptverbindungen in Ost-West-Richtung. Die nördliche

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bahn wird als zentraler Boulevard gesehen, die südliche mehr als ruhiger, weitgehend leerer Bereich. Die Haupt-Nord-Süd-Verbindung führt von der Lilienthalstraße im Norden zur neu geplanten Brücke über die S-Bahn im Süden und weiter in die südlich liegenden Quartiere Tempelhofs.

Die Hauptwege werden beleuchtet. Sie werden ergänzt durch unterge-ordnete Wege, die teilweise auch nur als Rasenwege ausgebildet wer-den sollen. Am Kreuzungspunkt von nördlicher Landebahn und Nord-Süd-Weg ist ein Pavillon vorgesehen, als Ort für Information und Gastronomie.

Das Erschließungskonzept beruht auf der Idee von Intensivierung und Po-larisation. Intensive Bereiche sind eng verknüpft, extensivere Bereiche, insbesondere die zentralen Wiesenflächen, haben nur eine geringe Dich-te an Erschließungswegen. So entsDich-tehen lebhafDich-te und ruhigere Bereiche in der Parklandschaft, was dem Naturschutz entgegen kommt. Durch die Parkfugen wird der zentrale Landschaftsraum mit den Quartieren ver-knüpft, ebenso dienen sie dem Kaltluftabfluss in die Nachbarquartiere.

Hervorzuheben ist auch die bis weit in die Stadt reichende Auseinander-setzung bezüglich der städtebaulichen und freiraumplanerischen Vernet-zung. Der Entwurf ist sich seiner Verortung in der Gesamtstadt bewusst und vernetzt sich mit den Strukturen der Nachbarschaften. Das Tem-pelhofer Feld wird „als Spinne im grünen Netz“ gesehen. Mehrere neue Wege werden das Areal mit den benachbarten Grünflächen vernetzen.

Wasser

Das Regenwasserbecken mit anschließendem Wasserlauf beginnt am östlichen Rand des Vorfeldes, südlich des Taxiways, und zieht sich dann nach Westen an der Grenze zwischen Vorfeld und Gelände entlang. Es nimmt nach Durchlaufen einer Reinigungsstufe das Regenwasser vom Gebäude und vom Vorfeld auf. Daraus ergibt sich eine selbstverständ-liche Abgrenzung zwischen Parklandschaft und Vorfeld. Das Wasser-becken hat zum einen eine ökologische Entlastungsfunktion, weil das Wasser gereinigt vor Ort bleibt und so den Landwehrkanal entlastet, für Parkbewässerung genutzt werden kann und durch Verdunstung ein an-genehmes Mikroklima erzeugt. Ebenso werden damit Gebühren für Re-genwassereinleitung gespart. Gleichzeitig wird aber auch der vielfach ge-äußerte Wunsch nach Wasserflächen berücksichtigt.

Weite

Das Tempelhofer Feld lebt von der Weite, es entsteht eine Parklandschaft von 360 Grad. In alle Richtungen kann man den Himmel sehen und den Horizont, das Stadtpanorama erleben. Auf den großen Wiesenflächen bleibt die Weite erlebbar, wie immer wieder gefordert. Es wird ein vor-sichtiger Umgang mit der biologischen Vielfalt dargestellt; u.a. werden die vorhandenen Bäume am „Alten Hafen“ erhalten und ergänzt. Die zentra-le Wiesenlandschaft ist ein bewegliches Bild aus Blumen und Gräsern, in der wenige vorhandene umgenutzte Gebäude sowie der Felsen platziert sind.

Mit dem Felsen wird eine neue Landmarke gesetzt, zugleich ein Höhen-akzent und ein Kletterfelsen. Der Fels steht in Beziehung zum Monument im Viktoriapark und zum Radarturm. Durch seine exzentrische Position im Osten des Feldes schafft der Felsen ein Gegengewicht zu den ande-ren beiden Höhenbetonungen. Er stellt einen „Fremdkörper“ dar, der zur

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provokativen Landmarke, zum neuen Kennzeichen werden kann. Auf dem künstlichen Felsen kann sich Vegetation ungehindert von menschlicher Einmischung entwickeln, er kann aber auch außen und innen zum Klet-tern genutzt werden. So kommt zur ästhetisch-räumlichen Funktion auch eine ganz praktische Ebene der Nutzung hinzu.

Vegetation, Geschichte

In der Arbeit wird ein vorsichtiger Umgang mit der biologischen Vielfalt und den historischen Spuren gepflegt; u.a. werden die vorhandenen Strukturen am „Alten Hafen“ erhalten und durch weitere Baumpflan-zungen ergänzt. Ansonsten werden Bäume und Baumgruppen nur an den Rändern der Parklandschaft angeordnet, so dass die Wiesenflächen, das sogenannte Wiesenmeer, ihren Charakter und ihre Wertigkeit für den Na-turschutz behalten. Zurzeit werden die Relikte des ersten Flughafens ar-chäologisch erforscht. Danach wird geprüft, wie die gewonnenen Erkennt-nisse in das Konzept gestalterisch einfließen können. Auch sonst werden geschichtliche Spuren, ob große wie die Landebahnen oder kleine, in das Konzept integriert.

Trotz der im Vergleich zu anderen Grünflächen in Berlin und erst recht zu Parkanlagen in anderen Städten sehr begrenzten Finanzmitteln wird eine Parklandschaft entstehen, die mit gezielten Akzentsetzungen an wenigen Stellen eine große Wirkung erreicht. Dafür wird in andere, sehr große Be-reiche kaum eingegriffen.

Der Entwurf wurde den Erwartungen, die an diesen geschichtsbehafteten Ort nicht nur in Berlin, sondern weltweit gerichtet werden, nach der einhel-ligen Meinung der Jury auf besondere Weise gerecht. Es gelingt eine at-mosphärische „In - Wertsetzung“ des Ortes, was in Bezug auf die Bürger-wünsche als „Belassung der Atmosphäre des Ortes“ gewertet wird.

Umsetzung der Parklandschaft

Die Umsetzung wird einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen. Die Entwicklung der Tempelhofer Freiheit hat derzeit einen Zeithorizont bis etwa 2030. Im Herbst 2012 hat der Senat beschlossen, in den nächsten Jahren zunächst sogenannte unabwendbare Maßnahmen in der Parklandschaft zu realisieren. Weitere Maßnahmen werden in Abhängigkeit von der Entwicklung der Baufelder auf der Grundlage des Wettbewerbsergebnisses, unter Berücksichtigung erforderlicher Anpassungen und Qualifizierungen, stattfinden. Für alle Zeitphasen sind weitere Schritte der Bürgerbeteiligung vorgesehen. In den nächsten Jahren werden die Bausteine verwirklicht, die zum besseren Funktionieren der Grünflächen erforderlich sind, dringende Anforderungen aus den Bezirken darstellen sowie die wichtigsten Wünsche aus der repräsentativen Bürgerbefragung vor dem Wettbewerb und den ebenso repräsentativ erhobenen Wünschen aus dem Besucher-Monitoring nach Öffnung des Feldes erfüllen.

In den ersten Schritten soll zunächst das Regenwasserbecken mit seinen Nebenanlagen am Rand des Vorfeldes angelegt werden. Damit wird der Wunsch nach Wasser erfüllt, eine Verbesserung des Wasserhaushalts, des Mikroklimas und der Wasserqualität erreicht und es werden die Be-triebskosten für Gebäude und Park gesenkt. Parallel dazu werden Baum-pflanzungen im Bereich „Alter Hafen“ vorgenommen, in Ergänzung zum

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Bestand, um größere Bereiche mit Schatten bereit zustellen.

Der Nord-Süd-Radweg wird angelegt, um die Verbindung von Kreuzberg in die Parklandschaft zu verbessern, zunächst bis zur nördlichen Lande-bahn, später, nach Fertigstellung der Südbrücke, bis dorthin. Ebenso wer-den die archäologischen Grabungen unterstützt.

Ein erster Spielplatz im Vorfeld des Schillerkiezes soll entstehen, um auch für Kinder interessante Angebote im Nahbereich zu schaffen. Weiterhin wird geprüft, wie sich gastronomische Angebote und die sanitäre Infra-struktur verbessern lassen.

Pionierprojekte

Im Rahmen der Vorbereitungsphase einer Nachnutzung des Flughafens Tempelhof entstand die Idee, Zwischen- und Pioniernutzer erstmals ge-zielt in eine integrierte Stadtentwicklung einzubinden. Es wurden drei Pionierfelder (je 12 bis 19 ha Größe) im Bereich der zukünftigen Quar-tiers-Baufelder festgelegt. Weitere Informationen hierzu im Anhang unter 4_1_08_Informationen_Parklandschaft_THF und http://www.tempelhofer-freiheit.de/mitgestalten/pionierprojekte/