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2 Literaturübersicht

2.1 Der Sexualzyklus des Rindes

2.1.2 Ovarielle Follikeldynamik

Beim Rind setzt die Oogenese bereits in der frühen Embryonalphase ein. Die primordialen Keimzellen unterliegen einer proliferativen mitotischen Zellteilung. Es können mehr als zwei Millionen Keimzellen entstehen, die allerdings größtenteils im Verlaufe der Oogenese degenerieren, so dass ein weibliches Kalb bei seiner Geburt durchschnittlich über 200.000 Oozyten verfügt (ERICKSON 1966). Diese werden von Vorläufern der Granulosazellen umgeben, die den Mesenchymzellen des rete ovarii entstammen. Gemeinsam bilden sie einen Komplex, den man als Primordialfollikel bezeichnet. Erst mit Beginn der Geschlechtsreife beginnen Primordialfollikel ein initiales Wachstum, bei dem die Oozyte an Größe gewinnt und die Prägranulosazellen kubische Gestalt annehmen (FORTUNE et al. 2000). Der Übergang des Primordialfollikels in den jetzt entstandenen Primärfollikel teilt die Follikelpopulation in einen, die Primordialfollikel beinhaltenden, ruhenden und in einen wachsenden Pool, der sich aus Primär-, Sekundär- und Tertiärfollikeln zusammensetzt (SCHUFFENHAUSER et al. 1987; KANITZ et al. 2001). Der auslösende Mechanismus, der dem Eintritt der Primordialfollikel in den wachsenden Pool zugrunde liegt, ist noch nicht vollends geklärt (WEBB et al. 1999b). Der Eintritt in den wachsenden Pool ist unumkehrbar. Beginnt der Primordialfollikel seine Entwicklung, so führt diese bis zur Ovulation oder bis zur Atresie (HSUEH et al.

1996; MEINECKE 2000).

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Die ersten Teilungen der Granulosazellen und die Größenzunahme der Eizelle finden hormonunabhängig statt (MEINECKE 2000). Auch die erste antrale Wachstumsphase, also der Übergang vom Sekundär- zum Tertiärfollikel, kann bei basalen FSH-Konzentrationen und ohne LH-Pulse stattfinden (CROWE et al. 2001).

Ob in der frühen antralen Follikelphase FSH überhaupt benötigt wird, ist noch unklar.

So können Mäuse, die aufgrund einer Nullmutation nicht auf FSH reagieren können, den Wachstumsschritt von der präantralen zur frühen antralen Follikelphase nicht vollziehen (ABEL et al. 2000).

2.1.2.2 Follikelwachstum in Reifungswellen

Das Heranreifen der Follikel des wachsenden Pools bis zur Ovulation oder bis zur Atresie findet in Anbildungswellen statt. Es bilden sich innerhalb einer Follikelwelle Gruppen von drei bis sechs Follikeln mit einer Größe ≥ 5 mm heran (SAVIO et al.

1988; SIROIS u. FORTUNE 1988). Andere Autoren gehen von einer weitaus größeren Anzahl der, zu einer Kohorte gehörenden Follikel aus (TURZILLO u.

FORTUNE 1990; ADAMS et al. 1992; SUNDERLAND et al. 1994; ADAMS 1999).

Schwankunken in den Literaturangaben bezüglich der Anzahl der Follikel resultieren aus variierenden Methoden der Zählung und Klassifizierung der Follikel (KANITZ et al. 2002), insbesondere die Auflösung der sonographischen Bilder und der Einfluss des Untersuchers führen zu variierenden Ergebnissen.

Innerhalb eines ovariellen Zyklus finden zwei (GINTHER et al. 1989; BELLMANN 2001), drei (GINTHER et al. 1989; BELLMANN 2001) oder vier (RHODES et al.

1995) solcher Anbildungswellen statt. Diese Art der Follikelanbildung kann man nicht nur bei Tieren mit normalem Brunstzyklus (ROCHE et al. 1999) beobachten, sondern bereits in der präpubertären Phase (EVANS et al. 1994; ADAMS et al. 1994; MELVIN et al. 1999), während der Gravidität (TAYLOR u. RAJAMAHENDRAN 1991) sowie post partum (MURPHY et al. 1990). Bei der Rekrutierung der Follikel einer Reifungswelle ist das FSH der entscheidende Auslöser (ADAMS et al. 1992;

SUNDERLAND et al. 1994; FRICKE et al. 1997). CROWE et al. (1998) beschreiben, dass dem Erscheinen einer Follikelwelle, immer ein FSH-Anstieg vorausgeht. Die FSH-Konzentration steigt drei bis vier Tage und erreicht ihr Maximum ein bis zwei

Tage, bevor die neue Anbildungswelle mittels Ultraschall erkennbar wird. Dabei zeigen Tiere, in deren Zyklus zwei Wachstumswellen beobachtet wurden, einen zweimaligen Anstieg von FSH, diejenigen mit drei Follikelreifungswellen zeigen drei mal einen Anstieg von FSH (ADAMS et al. 1992).

Abbildung 3: Schematische Darstellung von Ereignissen in Follikelreifungswellen während eines Interöstrusintervalls. (Kanitz et al. 2003)

Wird im Zeitraum der Rekrutierung die FSH-Wirkung durch die Gabe von steroidfreier boviner Follikelflüssigkeit unterdrückt, so bleibt das Erscheinen einer neuen Follikelwelle aus (BLEACH et al. 2001). Die Gabe von exogenem FSH bewirkt dagegen die Anbildung einer neuen Follikelwelle (BERGFELT et al. 1994). Die Rekrutierung der Kohorte geht in diesen Follikeln mit beginnender Expression der mitochondrialen RNA (mRNA) für die Enzyme P450scc und P450arom in den Granulosazellen einher (BAO u. GARVERICK 1998; BEG et al. 2001; 2002). Diese Enzyme dienen der Abspaltung von Seitenketten bzw. der Aromatisierung bei der Steroidsynthese.

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Zwischen den Follikeln einer Kohorte findet eine Selektion statt, bei der sich die Anzahl der wachsenden Follikel auf die Spezies spezifische Ovulationsanzahl reduziert (FORTUNE 1994). Die Selektion findet unter dem Einfluss sinkender FSH-Konzentrationen (EVANS et al. 1997; AUSTIN et al. 2001), die unterhalb des benötigten Bedarfs kleinerer Follikel liegen statt (Abb. 3). Hierfür sind hauptsächlich die vom größten Follikel gebildeten Östrogene und Inhibin verantwortlich (GINTHER et al. 2001). Darüber hinaus wird die Rolle weiterer Wachstumsfaktoren wie Activin sowie des insulin-like-growth-faktors (IGF) bei der Auswahl des Dominanten Follikels (DF) diskutiert (CHAMBERLAIN u. SPICER 2001; MIHM u. AUSTIN 2002; SCHAMS et al. 2002).

Das System der IGF besteht aus dem IGF-I, dem IGF-II (SPICER u.

ECHTERNKAMP 1995), deren Rezeptoren und 6 verschiedenen, spezifischen IGF-Bindungsproteinen (IGFBP).

IGF I wird lokal synthetisiert und reguliert. Es steigert die Wirkung, die die Gonadotropine auf das Wachstum und die Steroidsynthese der Follikel ausüben (MIHM u. AUSTIN 2002). Die Konzentration der IGFBP (insbesondere IGFBP II, IV und V) ist zum Zeitpunkt der Selektion in der Follikelflüssigkeit subordinanter Follikel größer, als im späteren DF (MIHM et al. 1997). Das Vorkommen der einzelnen Komponenten des IGF-Systems in den Follikeln einer Kohorte liefert Aufschlüsse über den Zustand des Follikels und kann dabei helfen, den Entwicklungszustand von Follikeln einzuschätzen (MIHM u. AUSTIN 2002).

Um die Rolle des DF einnehmen zu können, ist die Expression von mRNA für LH-Rezeptoren und für das Enzym 3β-HSD in den Granulosazellen von Bedeutung (BAO u. GARVERICK 1998; BEG et al. 2001; 2002). Inwieweit die Dominanz jetzt zur Ovulation oder zur Atresie des Follikels führt, hängt von der Funktion des Corpus luteum und damit vom negativem Einfluss des Progesterons auf die LH-Pulsatilität ab (IRELAND et al. 2000). Diese ist entscheidend für das weitere Wachstum von Follikeln mit einem Durchmesser von mehr als 9 mm (GONG et al. 1996; KANITZ et al. 2001). In der Phase der Dominanz findet ein Wechsel von der FSH- hin zur LH-Abhängigkeit statt. Wird eine Pulsrate von einem LH-Puls im Zeitraum von zwei Stunden unterschritten wird die Atresie des DF herbeiführt (MIHM u. BLEACH 2003).