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Das rekonstruierte Stabilitätsdiagramm aus Abbildung 8.4 hat gegenüber den ur-sprünglichen Messdaten den Vorteil, dass ein fester Zusammenhang zwischen den Parametern VG und Vb angenommen werden kann. Dies ist eine wichtige Voraus-setzung dafür, um die orthodoxe Theorie des Einzel-Elektronen-Tunnelns auf die Messdaten anwenden zu können. In Abbildung 8.5 ist der rekonstruierte Datensatz zusammen mit weiß gepunkteten Hilfslinien erneut dargestellt. Die Hilfslinien bilden die Kontur des CD #2 und dienen als Markierungen für die Parameterextraktion.

Aus der Steigung der Hilfslinien lässt sich zum Beispiel die kapazitive Kopplung der Insel zu den Zuleitungen extrahieren. Im vorliegenden Fall besitzen gegenüber-liegende Linien (z.B. AB und DC) die gleiche Steigung, benachbarte Linien (z.B.

AB und CB) weisen dagegen auch betragsmäßig unterschiedliche Steigungen auf.

Daraus lässt sich eine asymmetrische Kopplung der Insel zu den beiden Zuleitungen ableiten, was typisch ist für reale Einzel-Elektronen-Transistoren, da die Eigenschaf-ten der beiden Tunnelkontakte eines SET stets prozesstechnischen Fehlertoleranzen unterliegen. Aus den Schnittpunkten der Hilfslinien (A, B, C und D) lassen sich fast alle Parameter des orthodoxen Modells bestimmen (siehe Kapitel 3.4). Die aus Abb. 8.5 extrahierten Parameter sind in Tabelle 8.1 zusammengefasst. Lediglich die Tunnelwiderstände zu Source (RS) und Drain (RD) bleiben vorläufig unbestimmt,

Abbildung 8.5 Rekonstruiertes Stabilitätsdiagramm: zur Veranschaulichung sind Hilfs-linien eingezeichnet, die Coulomb-Diamant #2 begrenzen. Anhand der Schnittpunkte Abis D können wichtige Parameter nach dem orthodoxen Modell berechnet werden.

können aber relativ einfach aus dem Fit an einer beliebigen IV-Kennlinie innerhalb des Datensatzes ermittelt werden.

Coulomb-Diamant (A-D) CS 5.6×10−18F CD 8.4×10−18F CG 28×10−20F CΣ 14.3×10−18F EC 11.2×10−3eV Q0 0.26e

Tabelle 8.1 Parameter des orthodoxen Modells extrahiert aus Abbildung 8.5.

Heuristische Untersuchungen haben ergeben, dass für die untersuchten NC-Proben ein Zusammenhang zwischen kapazitiver Kopplung und zugehörigem Tunnelwider-stand besteht. Demnach verhält sich der Quotient aus den beiden Teilkapazitäten CS/CD umgekehrt proportional zum Quotienten der zugehörigen Tunnelwiderstände RS/RD. Es gilt:

CS

CD = RD

RS (8.2)

NachdemCS undCD direkt aus dem Stabilitätsdiagramm bestimmt werden können, genügt es, RS oder RD aus den Messdaten zu extrahieren. Alternativ kann der leichter zugängliche Gesamtwiderstand der Probe

R =RS+RD (8.3)

bestimmt werden, aus dem sich mit Gl. 8.2 wiederum die beiden Teilwiderstände RS und RDberechnen lassen.

Abbildung 8.6 Schematische Darstellung einer asymmetrischen SET-Struktur. Die isolierte Insel (I) befindet sich im gezeigten Fall näher am Drain- (D) als am Source-Kontakt (S). Es wird angenommen, dass sich die Asymmetrie auch auf die Parameter der beiden Tunnelkontakte auswirkt. Je kleiner der Abstand zwischen zwei Teilberei-chen, desto kleiner ist der Tunnelwiderstand und desto größer die kapazitive Kopplung.

Die Pfeile symbolisieren hier die Tunnelwahrscheinlichkeit (rot) bzw. die Stärke der ka-pazitiven Kopplung (lila).

Als Erklärung für den beobachteten Zusammenhang könnte das in Abbildung 8.6 dargestellte einfache Bild dienen, welches schematisch die isolierte Insel im Bereich des NC zeigt. Die Insel ist hierbei asymmetrisch zwischen den beiden Zuleitungskon-takten angeordnet, sodass der Abstand zwischen dem Source-Kontakt und der Insel kleiner ist als der zwischen der Insel und dem Drain-Kontakt. Nach dem einfachen Modell des Plattenkondensators verhält sich die Kapazität umgekehrt proportional zum Abstand zwischen den beiden Platten. Angewandt auf den Tunnelkontakt be-deutet dies, dass die kapazitive Kopplung des Kontakts (C) steigt, wenn sich der Abstand der beiden Kontaktseiten und damit die Breite der Barriere verringert.

Für den Tunnelwiderstand (R) verhält es sich genau umgekehrt: Verringert sich die Breite der Barriere, dann reduziert sich auchR. Der allgemeine Zusammenhang zwi-schen Widerstand und Kapazität eines Tunnelkontakts kann deshalb im einfachsten Fall durch

R=αC−1 (8.4)

dargestellt werden, wobei hier α eine unbekannte Proportionalitätskonstante ist.

Unter der Annahme, dass für beide Tunnelkontakte der gleiche Zusammenhang zwi-schenRundCbesteht, folgt aus Gleichung 8.4 direkt Gleichung 8.2. Diese Annahme erscheint zumindest nicht völlig abwegig zu sein, da beide Tunnelkontakte in gleicher Art und Weise aus dem gleichen Material aufgebaut sind und deshalb auch beide Barrieren vermutlich sehr ähnliche Eigenschaften aufweisen.

Abbildung 8.7 IV-Kennlinie aus dem rekonstruierten Datensatz (VG= 1.14V, CD #2) sowie eine nach dem orthodoxen Modell berechnete Fitkurve.

Abbildung 8.7 zeigt eine ausgewählte IV-Kennlinie aus dem Datenbereich des unter-suchten CD zusammen mit einer nach dem orthodoxen Modell berechneten Fitkurve.

Für den Fit wurden die zuvor extrahierten Werte aus Tabelle 8.1 verwendet; unter Berücksichtigung von Gl. 8.2 bleibt somit als einziger freier Fitparameter der Ge-samtwiderstand R übrig. Aus dem Fit ergibt sich für den Widerstand ein Wert von R ≈ 8RK ≈ 200kΩ, wobei RK = eh2 ≈ 25,8kΩ die Klitzing-Konstante bezeichnet.

Die Tunnelwiderstände der beiden Tunnelkontakte errechnen sich schließlich mit Hilfe von Gl. 8.2 und Gl. 8.3 zu

RS ≈ 120kΩ RD ≈ 80kΩ

Die Übereinstimmung zwischen der gemessenen und der simulierten IV-Kennlinie in Abb. 8.7 ist zur Bestimmung der Tunnelwiderstände akzeptabel, im Detail sind durchaus relevante Abweichungen zu erkennen. Berücksichtigt man die Unsicherheit bei der Extraktion der Simulationsparameter, dann bliebe noch etwas Spielraum für eine Feinjustage, sodass möglicherweise eine etwas bessere Übereinstimmung erzielt werden könnte. Dies trifft allerdings nur auf IV-Kennlinien innerhalb des Parameterbereichs von CD #2 zu. IV-Kennlinien aus dem Rest des Datensatzes lassen sich mit den Parametern aus Tab. 8.1 dagegen nur sehr schlecht oder gar nicht beschreiben. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man die Messdaten mit dem

Abbildung 8.8 Simulation nach dem orthodoxen Modell mit den Parametern aus Ta-belle 8.1 und R= 8RK.

in Abbildung 8.8 gezeigten Simulationsergebnis vergleicht: Die Simulation nach dem orthodoxen Modell liefert eine periodische Folge von identischen CD, die alle in Form und Größe CD #2 entsprechen, da die Simulationsparameter anhand dieses CD ermittelt wurden. Im Gegensatz dazu zeigt die Messung verschieden große CD, die zur Beschreibung im orthodoxen Modell jeweils einen anderen Parametersatz benötigen würden. Die kapazitive Kopplung und auch der Widerstand der beiden Tunnelkontakte des SET können in der Regel aber als unabhängig von der Gate-Spannung angenommen werden. Folglich ist das gewählte Modell unzureichend, um das Transportverhalten des hier untersuchten NC vollständig abzubilden.