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4.2 Nanostrukturierung mit Hilfe der Elektronenstrahllithographie

4.2.3 Der Proximity-Effekt

Der Elektronenstrahl kann in modernen Raster-Elektronen-Mikroskopen auf eine Kreisfläche mit einem Durchmesser von weniger als einem Nanometer fokussiert werden. Während der Belichtung wird der fokussierte Strahl rasterförmig über die zu belichtenden Flächen geführt. Zwischen je zwei Belichtungspunkten wird der Strahl ausgetastet, sodass die gewünschte Belichtungsdosis nur an den definierten Rasterpunkten deponiert wird. Dort wechselwirkt der Elektronenstrahl mit der Lack-schicht. Dabei wird einerseits der Lack belichtet, andererseits erfährt der Elektro-nenstrahl durch Streuereignisse beim Durchqueren der Lackschicht eine Aufweitung,

sodass die Querschnittsfläche des Elektronenstrahls geringfügig zunimmt. Den Groß-teil ihrer kinetischen Energie verlieren die Primärelektronen allerdings erst innerhalb der Probe bei zahlreichen Streuereignissen, wodurch eine Kaskade an niederenerge-tischen Sekundärelektronen ausgelöst wird. Ein Teil der Sekundärelektronen wird dabei zurück in Richtung Probenoberfläche gestreut. Die Fläche, innerhalb der rück-gestreute Elektronen aus der Probenoberfläche austreten und den Lack zusätzlich belichten, ist wegen der statistischen Streuprozesse innerhalb der Probe viel grö-ßer als die Eintrittsfläche des Primärelektronenstrahls. Der Primärelektronenstrahl bewirkt folglich durch Sekundärelektronen eine Belichtung auch in der näheren Um-gebung des Eintrittortes. Dieses Verhalten ist in der ESL als Proximity-Effekt [149]

bekannt. Das Wechselwirkungsvolumen der Primärelektronen mit der Probe kann anhand von Monte-Carlo Simulationen veranschaulicht und detailliert untersucht werden [150].

Die Dosis, mit der die Lackschicht belichtet wird, setzt sich demnach aus zwei Tei-len zusammen, nämlich dem direkten Anteil des Primärelektronenstrahls sowie dem indirekten Anteil durch die Proximity-Belichtung. Dabei konzentriert sich die Be-lichtungsdosis durch den Primärelektronenstrahl innerhalb eines kleinen Bereichs um den Belichtungspunkt herum. Die Dosis durch die Sekundärelektronen verteilt sich auf einer vielfach größeren Fläche. Beide Beiträge können näherungsweise als gaußverteilt angenommen werden. Damit lässt sich die Belichtungsintensitätsvertei-lung als Funktion des Abstandes (r) vom Mittelpunkt des Primärelektronenstrahls durch die sogenannte Proximity-Funktion folgendermaßen darstellen [149]:

P(r) = 1 Hierbei sind k1,k2, αund β experimentell zu bestimmende Parameter, die die Brei-te der VerBrei-teilungsfunktionen sowie deren Gewichtung bestimmen. Die tatsächliche Form der Belichtungsintensitätsverteilung hängt dabei von folgenden Parametern ab [149]:

• Wechselwirkung des Primärelektronenstrahls mit dem Lack

• Dicke der Lackschicht

• kinetische Energie der Pimärelektronen

• Probenmaterial (Eindringtiefe bzw. Wechselwirkungsvolumen der Primärelek-tronen)

Intra-Proximity-Effekt

Innerhalb einer Belichtungsfläche sorgt die Intra-Proximity-Belichtung für eine un-gleiche Verteilung der Belichtungsdosis. Der zentrale Bereich der Belichtungsfläche ist von vielen benachbarten Belichtungspunkten umgeben und erhält deshalb eine größere Proximity-Belichtung als Bereiche am Rand der Struktur. Bei einer einzel-nen, großen Struktur (> 10µm) ist die Belichtungsdosis in der Mitte typischerweise

doppelt so groß wie am Rand [149]. Der Effekt der Intra-Proximity-Belichtung ska-liert mit der Größe der belichteten Fläche. Kleine Belichtungsflächen erscheinen deshalb gegenüber großen unterbelichtet. Ebenso sind die Ecken einer Fläche vergli-chen mit dem zentralen Bereich stets unterbelichtet, da sich hier besonders wenige benachbarte Belichtungspunkte befinden. Bei einer quasi eindimensionalen Linie, für die einzelne Belichtungspunkte wie an einer Kette aneinander gereiht werden, spielt der Intra-Proximity-Effekt dagegen nur eine geringe Rolle.

Inter-Proximity-Effekt

Die Reichweite des Proximity-Effekts ist relativ groß. Benachbarte Belichtungsflä-chen können deshalb eine wechselseitige Inter-Proximity-Belichtung erfahren. Liegen viele Strukturen eng nebeneinander, so erscheinen sie verglichen mit einer einzelnen Struktur bei gleicher nomineller Belichtungsdosis überbelichtet und können im Ex-tremfall sogar miteinander verschmelzen. Umgekehrt kann es passieren, dass eine einzelne Struktur gegenüber eng beieinanderliegenden Strukturen nicht ausreichend belichtet wird. Die Reichweite der Proximity-Belichtung hängt hauptsächlich von der kinetischen Energie der Primärelektronen sowie von Lack und Probenmaterial ab. Diese Faktoren bestimmen die Eindringtiefe und das Wechselwirkungsvolumen des Primärelektronenstrahls. Es gilt, je größer die kinetische Energie der Primärelek-tronen, desto größer ist auch die Eindringtiefe der Elektronen in das Substrat. Damit nimmt das Wechselwirkungsvolumen zu und die rückgestreuten Elektronen vertei-len sich auf eine größere Fläche. Der Proximity-Effekt wird für Bereiche nahe um den Primärelektronenstrahl leicht reduziert, dafür wird die Reichweite erhöht. Der Inter-Proximity-Effekt ist auch dafür verantwortlich, dass Strukturen nicht beliebig nahe nebeneinander angeordnet werden können ohne miteinander zu verschmelzen.

Es gilt: Je größer die Belichtungsfläche der Strukturen, desto größer ist die Inter-Proximity-Belichtung und desto größer muss der Abstand zwischen den Strukturen sein, um sie einzeln auflösen zu können.

Methoden zur Korrektur des Proximity-Effekts

Es gibt mehrere Konzepte, wie die Auswirkung des Proximity-Effekts auf das Be-lichtungsergebnis zumindest teilweise kompensiert und der Einfluss des Proximity-Effekts insgesamt reduziert werden kann. Die wichtigsten Methoden werden im Fol-genden kurz zusammengefasst.

Individuelle Belichtungsdosis Sowohl Intra- als auch Inter-Proximity-Effekt tragen dazu bei, dass Belichtungsflächen abhängig von ihrer Größe und relativen Lage zu anderen Strukturen (dicht gepackt oder isoliert) verschiedene Dosiswerte für eine optimale Belichtung benötigen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, jedem Element eine individuelle Belichtungsdosis zuzuordnen, um lokale Variationen der Proximity-Belichtung teilweise auszugleichen.

Punktdosis-Korrektur Wie oben bereits beschrieben, handelt es sich bei der ESL um eine Punkt für Punkt Belichtung. Deshalb kann im Prinzip jedem Punkt eine individuelle Belichtungsdosis zugeordnet werden. Ausgehend von der Pro-ximityfunktion (Gleichung 4.1) wird in einem selbstkonsistenten numerischen Verfahren für jeden Punkt die optimale Belichtungszeit ermittelt, um das ge-wünschte Belichtungsprofil auch an kritischen Stellen zu erhalten. Nachteil dieser Methode ist der Rechenaufwand, der mit der Strukturgröße schnell an-steigt. Außerdem bilden experimentell zu bestimmende Größen der Proximity-funktion, die unter anderem vom Probenmaterial, dem verwendeten Lacksys-tem und der Elektronenenergie abhängen, die Grundlage der Berechnungen, was den Aufwand zusätzlich erhöht. [151–153]

Gleichmäßige Hintergrundbelichtung Ausgehend von der Proximityfunktion wird das Belichtungsprofil der gesamten Probe berechnet und in einen direkten und einen indirekten Belichtungsanteil zerlegt. Der indirekte Anteil ergibt sich im wesentlichen aus der Inter-Proximity-Belichtung und kann als Hintergrundbe-lichtung angesehen werden. Nun wird eine zusätzliche ganzflächige BeHintergrundbe-lichtung errechnet, die die Hintergrundbelichtung für die gesamte Probe ausgleichen soll. Auch dieses Verfahren erfordert aufwendige Berechnungen und basiert auf experimentell bestimmten Parametern zur Beschreibung der Proximity-Belichtung. [151–154]

Geometrische Korrektur und Hilfsstrukturen Anhand von Erfahrungswerten wer-den kleine Änderungen an der Belichtungsstruktur vorgenommen sowie Hilfs-strukturen unterhalb der Auflösungsgrenze eingefügt, um das gewünschte Be-lichtungsprofil zu erhalten.

Mehrlagen-Lacksystem Die Idee hierbei ist, eine dicke Lackschicht unterhalb der eigentlichen Schicht für die Lackmaske einzufügen, in der ein Großteil der rück-gestreuten Sekundärelektronen abgefangen wird. Die Belichtung der oberen Lackschicht ergibt sich dann zum größten Teil durch den Primärelektronen-strahl. Der Anteil der Proximity-Belichtung wird reduziert.

Membran Diese Methode kann nur bei sehr dünnen Proben angewandt werden.

Als Probenträger wird hier eine nur wenige hundert Nanometer dünne Mem-bran verwendet. Der Primärelektronenstrahl kann deshalb sowohl die Probe als auch die Membran vollständig durchdringen wodurch das Wechselwirkungsvo-lumen zwischen Primärelektronen und Substrat klein gehalten wird. Ähnlich dem Mehrlagen-Lacksystem zielt die Membran-Methode darauf ab, die Anzahl der rückgestreuten Sekundärelektronen und damit den Anteil der Proximity-belichtung an der gesamten Belichtungsdosis zu minimieren.